Samstag, 21. November 2015

Eine Datenbank für Muslime? Tollwütige Hunde? - Die Überhitzung des Wahlkampfs

Wenn der Wahlkampf überhitzt


Als Außenstehender kann man angesichts der letzten Tage des Wahlkampfes eigentlich nur noch mit dem Kopf schütteln. Die bisherigen Themen wie Waffengesetze, Obamacare, Einwanderung aus Südamerika prägten bislang den Wahlkampf in den USA. Seit den Terroranschlägen von Paris hat sich der Fokus jedoch verlagert. Der Kampf gegen den IS und die Frage, ob die USA Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen sollten, stehen plötzlich im Vordergrund. Im politischen Geschäft und der Medienwelt ein normaler Verlauf. Was aber passiert, wenn solche emotional aufgeheizten Themen ungefiltert in den Wahlkampf getragen werden, kann man in diesen Tagen in den USA beobachten. Die Protagonisten in diesem Fall: Die Republikaner, allen voran das Spitzenduo Trump und Carson sowie einige Medien.

Was hat Trump gesagt oder gemeint?


Donald Trump wurde in vielen Medien inhaltlich mit dem Plan in Verbindung gebracht, eine Datenbank für Muslime einzurichten. In dieser Datenbank sollten Muslime registriert sein, um sie besser verfolgen zu können. Dieser Vorschlag sorgte auch bei den Republikanern für scharfe Kritik. Ben Carson halte es für falsch, Amerikaner nach Herkunft, Ethnie oder Religionszugehörigkeit zu trennen und registrieren zu lassen. Stattdessen sollten alle Amerikaner in einer Datenbank erfasst werden. Jeb Bush finde diese Idee abscheulich. John Kasich warf Trump vor, die Menschen auseinander dividieren zu wollen. Ted Cruz, eigentlich dem Immobilienmogul eher wohl gesonnen, sagte: „Ich bin ein großer Fan von Donald Trump, aber ich bin kein Fan davon, dass eine Regierung Amerikanische Staatsbürger registriere.“

Die Kritik der Demokraten fiel entsprechend schärfer aus. Genau zu betrachten ist aber auch die Rolle der Medien, einerseits, die des Reporters, der Trump interviewte, andererseits die der verarbeitenden Fernsehsender und Zeitungen. Fox News kritisiert: Zumindest hätte hervorgehoben werden müssen, dass sich Trump mehrdeutig und missverständlich zu diesem Thema geäußert habe und dass er direkt von einem Reporter nach einem solchen Vorschlag gefragt wurde.
Die Antworten Trumps waren keineswegs so eindeutig, dass man ihm die Urheberschaft dieser Idee hätte anheften müssen. Oder ist es geradezu die Aufgabe eines Reporters, die Kandidaten auch in Stresssituationen zu versetzen und zu prüfen? Was war passiert?



Während er Autogramme schrieb, wurde Trump nach seiner Haltung zu einer solchen Datenbank für Muslime gefragt. Er antworte ausweichend: „Wir sollten auf viele Dinge genau schauen…“ auch auf Moscheen. Das hatte Trump bereits in den Tagen zuvor geäußert. Er schloss in seiner Antwort eine solche Datenbank nicht ausdrücklich aus, befürwortete diese aber auch nicht. Weiter fragte ein Reporter von NBC News nach, ob es eine Datenbank für Muslime geben sollte, um diese zu verfolgen. Trump antworte weiter mehrdeutig: „Wir sollten viele Systeme haben zusätzlich zu einer Datenbank“ und führte weiter seine Ideen aus, die Grenzen zu sichern und eine Mauer an der Grenze zu errichten. Weiter durch den Reporter gefragt, ob er „dies“ auch umsetzen würde, antworte Trump: „Sicher würde ich das umsetzen. Auf jeden Fall.“  Es folgt ein Wortwechsel, wie „das“ umzusetzen sei und was „es“ bringen würde. Trump antworte eher im Sinne seines Plans zur Grenzsicherung. Vermutlich eher nicht bezogen auf die Idee einer solch umstrittenen Datenbank.
Was nun als Haarspalterei aufgefasst werden kann, ist dennoch nötig, um den tatsächlichen Hergang richtig einordnen zu können. Dass Trump in der Folge noch der Vergleich einer Registrierung der Muslime mit der öffentlichen Kennzeichnung der Juden durch die Nazis vorgehalten wurde, spielt letztlich keine Rolle mehr.

Unabhängig von Trumps inhaltlicher Einstellung belegt dieses Beispiel sehr deutlich, dass viele Kandidaten schon jetzt, ca. ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl rhetorisch überfordert erscheinen. Trump hätte wesentlich deutlicher zu dieser Frage Stellung nehmen müssen, in die eine oder andere Richtung. Dass er aber die Brisanz dieser Fragestellung nicht rechtzeitig erkennt, ist offensichtlich oder doch gewollt? Der Kampf der Republikaner um rechtskonservative Wähler führt zu einem Wettlauf um die schärfsten Positionen und Formulierungen. Die Medien nehmen diesen Wettlauf dankend und manchmal etwas undifferenziert an.
Zur Vollständigkeit und Klarstellung gehört auch, dass Donald Trump über Twitter mitteilte, dass nicht er eine Datenbank für Muslime vorgeschlagen habe, sondern der Reporter. Restzweifel bleiben dennoch und man wird das Gefühl nicht los, dass Trump hier bewusst vage und verwirrend antwortete. Oder nutzte ein Reporter nur geschickt einen Moment der Unaufmerksamkeit Trumps aus? Evtl. wird der republikanische Spitzenreiter ja mit einigen Tagen Abstand abschließend klar und deutlich Stellung beziehen, wie er nun zu dieser Idee steht, von wem auch immer sie stammen mag.

Ben Carsons Hundevergleich


Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel hat Ben Carson geliefert. Er verglich die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen und die Gefahr, dass darunter ein islamistischer Terrorist sei, mit einem tollwütigen Hund in der Nachbarschaft. Eine seltsame Rhetorik. Ich bin mir unsicher, ob Ben Carson diesen Vergleich aus politischem Kalkül geäußert hat oder ob er, wie bereits einige Male zuvor, seine Gedanken in politisch untypische und unglückliche Worte gefasst hat.



Carson sagte: „Wenn ein tollwütiger Hund in der Nachbarschaft umher läuft, wirst du wohl nichts Gutes von dem Hund erwarten und du wirst vermutlich deine Kinder dort wegholen. Das heißt nicht, dass man alle Hunde hassen würde…du überlegst, wie kann ich meine Kinder schützen, gleichzeitig liebst du Hunde…“ Er schloss diesen Gedankengang mit der Forderung, dass durch Kontrollmechanismen, die tollwütigen Hunde, in diesem Fall waren aber mögliche islamische Terroristen unter den syrischen Flüchtlingen gemeint, frühzeitig aussortiert werden müssten. Solange solche Mechanismen nicht vorhanden seien, könnten auch keine Flüchtlinge aufgenommen werden.


Klar, politische Äußerungen und Debatten in den USA werden schärfer geführt als hier in Deutschland. Und auch die Positionen, die in Amerika vertreten werden, können aus deutscher Sicht manchmal als befremdlich empfunden werden. Dass die Äußerung Markus Söders, Paris ändere alles, in den USA wohl kaum eine Schlagzeile wert gewesen wäre, hier aber für ein erhebliches politisches wie mediales Echo sorgte, zeigt, wie verschieden die Maßstäbe sind.

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