Freitag, 27. November 2015

Thanksgiving-Pause in den USA – Zeit über den Ausstieg nachzudenken

Thanksgiving - Zeit zur Selbstreflektion der Kandidaten


In den USA wurde gestern Thanksgiving gefeiert, eine Art Erntedankfest. Zeit für die Kandidaten nach Hause zu fahren und mit ihren Familien zu feiern. Aber auch Zeit, einmal kurz in sich zu gehen und sich zu fragen, wo stehe ich aktuell, wie sind meine weiteren Chancen? Der Truthahn auf dem Tisch, die Familie um sich, das heimische Wohnzimmer, das heimische Bett. Ein Wohlfühlen, auf das Spitzenpolitiker häufig verzichten müssen, insbesondere in Wahlkampfzeiten. Da kann einem schon mal der Gedanke kommen, wofür man sich das alles antut. Wer eine realistische Option erkennt, Präsident der USA zu werden oder zumindest die Vorwahlen für seine Partei zu gewinnen, wird schnell wieder umschalten können und sich am heutigen Black Friday (Beginn des Weihnachtsverkaufs mit vielen Rabatten) wieder zurück in den hektischen Wahlkampf stürzen. Wer diese Option nicht mehr sieht, könnte geneigt sein, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.

Faktoren für eine solche Entscheidung


Aber nicht nur die eigenen Aussichten auf Erfolg sind bei dieser Entscheidung relevant. Es kommen noch mindestens zwei weitere Faktoren dazu, die eine wichtige Rolle spielen. Die finanzielle Situation der eigenen Wahlkampagne und insbesondere auch die ursprüngliche politische Aufgabe oder Rolle, die wegen der Kandidatur ruht bzw. zu kurz kommt.
Berücksichtigt man alles zusammen, kann man evtl. erahnen, welche Kandidaten als nächste ihre Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2016 in den USA niederlegen könnten.

Bei den Republikanern dürften einige Kandidaten ins Grübeln kommen


Blicken wir auf die Republikaner, hier ist das Feld noch besonders groß und der Ausgang der Vorwahlen ziemlich offen. Trump, Carson, Cruz und Rubio machen sich aktuell aufgrund ihrer Umfragen berechtigte Hoffnungen für die Vorwahlen. Jeb Bush steht in den Umfragen schlecht da. Aber er verfügt über große finanzielle Mittel und ist sonst an kein besonderes politisches Amt gebunden. Er wird auch noch weiter dabei bleiben.

Bei allen anderen Kandidaten wird es dann schon eng. Folgt man den vorgenannten Kriterien, sind sie grundsätzlich in zwei Gruppen zu unterteilen. Einerseits die mit schwachen Umfragewerten (bis max. 4% im Schnitt und ohne politisches Amt, andererseits jene, die bei schwachen Umfragewerten aktuell auch noch Senator oder Gouverneur eines Bundesstaats sind. Schauen wir also genauer auf die letzte Gruppe. Folgende Tabelle zeigt die Kandidaten mit ihren Ämtern und die durchschnittlichen Umfragewerte der letzten Wochen landesweit und in den vier Bundesstaaten, in denen die ersten Vorwahlen im Februar 2016 stattfinden.

Kandidat
bundesweit
Iowa
New Hampshire
South Carolina
Nevada
Rand Paul, 52,
Senator Kentucky
2,5 %
2,8 %
4,4 %
1,3 %
2,0 %
Chris Christie, 52, Gouverneur New Jersey
3,0 %
2,5 %
5,8 %
1,0 %
1,0 %
Lindsey Graham, 60, Senator South Carolina
0,8 %
0,5 %
0,8 %
2,3 %
0 %
John Kasich, 63, Gouverneur Ohio
2,8 %
1,5 %
7,2 %
2,0 %
1,0 %
Umfragewerte von realclearpolitics.com entnommen

Die Umfragewerte geben kaum Grund zur Hoffnung. Auch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei diesen vier Kandidaten um keine Vertreter des konservativen Flügels handelt. Christie, Graham und Kasich sind moderate Republikaner und Vertreter realpolitischer Lösungsansätze. Rand Paul ist libertär und auch weit entfernt davon, erzkonservative Positionen einzunehmen. Sollte sich der Trend bestätigen, dass die Republikaner im kommenden Jahr einen sehr konservativen Kandidaten nominieren werden, könnte es sein, dass man sich auf moderater und liberaler Seite darauf verständigt, Jeb Bush oder evtl. noch Marco Rubio zu unterstützen.
Es stellt sich für diese vier Kandidaten also die Frage, was ist mir dieser Wahlkampf noch wert und wie sehr könnte mir ein weiterer Verbleib schaden? Die Kandidaten werden zwangsläufig ihre Aufgaben in und für ihre Bundesstaaten vernachlässigen. Das könnte durchaus Fragen bei den Wählern im eigenen Bundesstaat aufwerfen, ob denn angesichts der objektiv aussichtslosen Lage ein weiterer Verbleib im Wahlkampf überhaupt nötig sei. Während es Chris Christie und John Kasich in den TV-Debatten durchaus gelungen ist, sich landesweit in Szene zu setzen, könnten sie mit einem weiteren Verbleib im Rennen weiter an ihrer Popularität arbeiten und für künftige Wahlen eine bessere Ausgangsposition schaffen.

Rand Paul und Lindsey Graham könnten die nächsten Aussteiger sein


Rand Paul und Lindsey Graham dagegen, konnten in den Debatten bislang nicht sonderlich punkten, Graham durfte an den Hauptdebatten erst gar nicht teilnehmen. Wo ist also der Nutzen für diese Kandidaten? Ich vermute, dass Lindsey Graham einer der nächsten Kandidaten sein wird, der seine Kandidatur zurückzieht. Er braucht auch eigentlich nicht die Vorwahl seines „eigenen“ Bundesstaates abwarten. Manche Kandidaten erhoffen sich da besondere Unterstützung und sehen sich evtl. auch in einer gewissen Verantwortung, diese eine Vorwahl noch abwarten zu müssen, weil auch sie hier natürlich für ihr weiteres Wirken werben können. Aber Graham liegt in South Carolina auch nur bei 2,3 %, er ist nur der siebtstärkste Kandidat der Republikaner. Die Zuversicht dürfte äußert gering sein. Für einen Ausstieg Rand Pauls spricht zudem, dass er sich in Kentucky im kommenden Jahr zur Wiederwahl stellen will. Das Label des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten, der den Absprung nicht rechtzeitig geschafft hat, wäre da schlecht für sein Image.

Die anderen Kandidaten Carly Fiorina, Mike Huckabee, Rick Santorum, George Pataki und Jim Gilmore haben keinen politischen Druck, der sie zum Aufhören zwingen könnte. Carly Fiorina könnte sich durch einen weiteren Verbleib im Rennen sogar noch mehr Popularität erhoffen, die sie für künftige politische Aufgaben gebrauchen könnte. Ansonsten gibt es eigentlich kaum politische Gründe, die für eine Entscheidung dieser Kandidaten eine Rolle spielen dürften.

Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob die Tendenz der Umfragen gleich bleibt und ob die vermuteten Kriterien zur Entscheidung über die Fortsetzung der Kandidatur zutreffen. Es würde mich wirklich wundern, wenn das republikanische Bewerberfeld bis zum Beginn der Vorwahlen in dieser Form zusammenbleibt.

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