Montag, 18. Januar 2016

Die Demokraten vor einer Richtungsentscheidung - die TV-Debatte der Demokraten im Zeichen des Zweikampfs Clinton vs Sanders



Es war ein Abend in Charleston, South Carolina, der genauer betrachtet nicht nur durch Form und Inhalt einer TV-Debatte der Demokraten ausgefüllt war. Während der Diskussion zwischen Hillary Clinton, Bernie Sanders und Martin O'Malley gewann man mehr und mehr den Eindruck, dass es eine Zusammenfassung des bisherigen Wahlkampfs war, eine Beschreibung der aktuellen Situation und zugleich auch ein Ausblick, worauf es in den nächsten Wochen ankommen wird.
Ohne Martin O'Malley Unrecht tun zu wollen, er kämpfte leidenschaftlich für seine Positionen und griff auch beide in den Umfragen deutlich vor ihm platzierten Kandidaten an. Aber letztlich war es ein Zweikampf zwischen Clinton und Sanders. Die letzte Gelegenheit vor dem Vorwahlauftakt in Iowa nochmal gemeinsam auf einer Bühne für sich selbst und gegen die Kontrahenten zu punkten. Die Themen waren nicht neu, gleichwohl aber die Schärfe der gegenseitigen Angriffe.

Innenpolitik bestimmt den Abend


Die Themenschwerpunkte waren innenpolitisch geprägt und in vielen Punkten wie Bildung, Mindestlohn, Energiepolitik waren die Unterschiede der Vorschläge nicht in deren Ausrichtung, sondern mehr im Ausmaß der Positionen erkennbar. Sanders wollte meist mehr als Clinton, aber beide gingen in dieselbe Richtung. Gefühlt begannen die Redebeiträge am häufigsten mit dem Satzbeginn:„Ich stimme der ehemaligen Außenministerin/ dem Senator zu, aber...“.
Die Differenzen zwischen den Kandidaten wurden dann aber in der durch zahlreiche Werbepausen immer wieder unterbrochenen Debatte besonders bei den bekannten Streitthemen Waffengesetze und Regulierung der Wall Street deutlich.

Waffengesetze: Punkt für Clinton.


Close up Hillary Clinton laughing October 2014Clinton listete gut vorbereitet auf, in welchen Fällen und wie häufig Sanders in dessen politischer Laufbahn gegen die Verschärfung der Waffengesetze votiert hatte. Sie begrüße es aber, dass Sanders inzwischen seine Meinung offenbar geändert habe. Sanders rechtfertigte sich und hob hervor, dass er trotz seines früheren Abstimmungsverhaltens immer schon für Hintergrundüberprüfungen und für ein Verbot von Sturm- bzw. Kriegswaffen gewesen sei.
Auf die Details kommt es nach wie vor letztlich gar nicht an. Was beim Wähler haften bleibt, ist der Eindruck, dass Clinton oder O'Malley bei diesem Thema authentischer sind. Die Rechnung Clintons wird sein: Wer der Verschärfung von Waffengesetzen oberste Priorität einräumt, wird kaum Sanders wählen.

Wall Street: Punkt für Sanders.


Die Regulierung der Wall Street war ein weiteres bestimmendes Thema bei dem die beiden Top-Kandidaten der Demokraten aneinander gerieten, dieses Mal war Hillary Clinton in der Defensive. Sanders ließ kein gutes Haar an der Wall Street. Das Banken- und Börsensystem würde in unredlicher Weise Einfluss auf die Politik nehmen. Mit Geld würde man sich Kandidaten und politische Entscheidungen kaufen. Sanders wolle Banken, die „too big to fail“ seien, zerschlagen. Dass Clinton ebenfalls regulierende Maßnahmen vorschlug, spielt in der abschließenden Wahrnehmung kaum noch eine Rolle. Sanders warf seiner Kontrahentin vor, dass sie nicht so unabhängig und damit bei diesem Thema auch nicht so glaubhaft sei, weil sie große Summen Geld für Redebeiträge z. B. bei Goldman Sachs erhalte. Er selbst nehme solches Geld ebenso wenig, wie das von Super PACs, ein weiterer Unterschied zu Clinton.

Gesundheitsversorgung ebnet den Weg zur Richtungsentscheidung


Das dritte bestimmende Thema des Abend war die Gesundheitsreform. Sanders hatte nur wenige Stunden vor dem Rededuell seine Pläne zur Gesundheitsreform veröffentlicht. Dieses Thema eignet sich wie kein anderes um den grundlegenden Unterschied der beiden Kandidaten im Wahlkampf exemplarisch darzustellen. Hillary Clinton ließ keine Zweifel daran, dass sie Obamacare beibehalten und an einigen Stellen modifizieren wolle. Sanders dagegen, wolle ein völlig anderes System. Ihm schwebt ein Modell nach kanadischem oder skandinavischem Vorbild vor, wonach es eine einheitliche Krankenversicherung für alle Bürger geben solle. 29 Mio Menschen in den USA seien noch immer ohne Krankenversicherung. Das sog. Single-Payer-System bedeutet im Kern auch, dass vorwiegend der Staat allein bzw. mit Hilfe von gesetzlichen Versicherungen für die Gesundheitskosten aufkomme und der private Sektor zurückgedrängt wird. Ohne nun auf die Details und die Unterschiede zwischen den Systemen näher einzugehen, wird hier deutlich, welche Wahl die Demokraten in den nächsten Monaten treffen müssen. Die Frage der Gesundheitsreform ist beispielhaft für eine Richtungsentscheidung.
Bewerten sie Obamas-Amtszeit wohlwollend und sind sie mit dessen Politik einverstanden, dürfte die Wahl auf Hillary Clinton fallen. Demonstrativ häufig suchte sie in der gestrigen Debatte den verbalen Schulterschluss mit dem amtierenden Präsidenten Obama. Von wenigen Ausnahmen, insbesondere in der Außenpolitik, ist von Clinton substanziell eine kontinuierliche Fortsetzung der Obama-Politik zu erwarten. Die Alternative ist eine „Revolution“, eine grundlegende Veränderung des Staates, wie sie auch gestern wieder Bernie Sanders ankündigte und bewarb.

Der Abend schaffte Klarheit


Insofern war der Abend sowohl eine zugespitzte Zusammenfassung des bisherigen parteiinternen Wahlkampfs, wie auch eine ziemlich präzise Standortbestimmung, wo sich die Wähler nun verorten können und in welche Richtung sie gehen wollen.
Beiden Kandidaten ist es gelungen, diesen Unterschied deutlich zu machen. Details, nach denen z. B. Clinton eine Steuererhöhung für die Mittelschicht ausschloss, Sanders sie zugunsten einer nach seiner Meinung umfangreicheren, besseren und im Endeffekt für die Mittelschicht günstigeren Krankenversicherung ausdrücklich in Einzelfällen nicht ausschloss, spielen eine nur noch untergeordnete Rolle.
Auch außenpolitische Themen, haben im demokratischen Wahlkampf bei weitem noch nicht den Stellenwert, wie es bei den Republikanern der Fall ist. Für Sanders habe die Bekämpfung von ISIS Priorität, Clinton legte ein Hauptaugenmerk auch auf die Ablösung von Assad in Syrien.

Der gestrige Abend zeigte also den Status Quo bei den Demokraten auf. Nun stehen die Demokraten vor der Wahl, sich entscheiden zu müssen. Für den Fall, dass die beiden Lager mittelfristig gleichauf liegen, hatte die TV-Debatte in South Carolina aber auch noch den dritten wichtigen Punkt parat. Es geht nämlich dann um die Frage, was bzw. wer am Ende den entscheidenden Ausschlag geben würde.

Das Werben um die Gunst der Afro-Amerikaner


Schon die jeweiligen Eingangsstatements der Kandidaten machten deutlich, dass sie genau wussten, wer zuhört und wo man sich befindet. Es geht um die afro-amerikanischen Wähler der Demokraten. Rund 30% der Bevölkerung South Carolinas hat afro-amerikanische Wurzeln, vor ca. einem halben Jahr erschoss ein Weißer aus rassistischen Motiven, neun Schwarze während eines Gebets in einer Kirche in Charleston.
Alle Kandidaten begannen ihre Eingangsstatements mit der Erwähnung von Martin Luther King und die Debatte über die BlackLivesMatter-Bewegung, rassistisch motivierte Polizeigewalt und die Diskussion um ebenso rassistische Ausprägungen im Justizwesen fanden an diesem Abend frühzeitig Berücksichtigung. Alle drei Kandidaten waren sich einig, dass es hier massiven Handlungsbedarf gebe und führten die Missstände bei der Ungleichbehandlung von Schwarzen und Weißen auf. Auch die Drogenpolitik müsse entkriminalisiert werden. Drogensucht müssen als Krankheit wahrgenommen und behandelt werden, waren sich die drei Kandidaten einig. Die Folge der Kriminalisierung dieser Probleme ohne eine alternative Hilfestellung anzubieten, seien völlig überfüllte Gefängnisse.
In Bezug auf die tödlichen Schüsse eines Polizeibeamten in Cleveland, Ohio, 2014, bei dem der 12-Jährige schwarze Tamir Rice mit einer Spielzeugpistole in der Hand erschossen wurde und es nicht einmal ein Gerichtsverfahren gab, forderte Bernie Sanders, dass bei allen tödlichen Zwischenfällen durch die Polizeiarbeit automatisch eine formelle kriminalistische Untersuchung stattfinden müsse.

Das Thematisieren dieser Probleme und das Werben um schwarze Wähler ist auch aus rein wahlstrategischer Sicht für die Demokraten wichtig. So könnten nämlich die afro-amerikanischen Wähler (wie auch die Hispanics) eine entscheidende Rolle einnehmen, sollte es tatsächlich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Clinton und Sanders kommen. Clinton hat aktuell bei beiden Wählergruppen einen klaren Vorsprung vor Sanders. Für den Senator aus Vermont ist es daher zwingend geboten, in der Gunst der Afro-Amerikaner und der Hispanics zu steigen.

Der Wasserskandal von Flint findet Eingang in den Wahlkampf


Es kam dann auch nicht von Ungefähr, dass Hillary Clinton in ihrem Schlussstatement ein Thema ansprach, was zwar aktuell ist, aber in den schnellen und lauten Tagen des Wahlkampfs doch untergeht. Die rund 100.000 Einwohner zählende Stadt Flint im Bundesstaat Michigan hatte sich als Sparmaßnahme vom Trinkwassernetz der Stadt Detroit abkoppeln müssen und danach das Wasser aus dem Fluss Huron entnommen. Die Kläranlage der Stadt konnte das Wasser aber qualitativ nicht ausreichend aufbereiten, so dass es zu ersten Gesundheitsbeschwerden, wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag und Haarausfall in der Bevölkerung gekommen ist. Inzwischen hat das verschmutzte Wasser sogar Schwermetalle aus den veralteten Wasserleitungen gespült, so dass Blei in die Wasserhähne der Haushalte gelangte. Das Wasser ist schlicht vergiftet und nicht als Trinkwasser geeignet. Seit Monaten kann die Bevölkerung der Stadt nur noch Wasser aus Trinkflaschen konsumieren, Präsident Obama hat inzwischen den Notstand ausgerufen.
In der Stadt Flint leben sehr viele verarmte Afro-Amerikaner und so äußerte Hillary Clinton den Vorwurf, dass es auch hier zu einer Ungleichbehandlung gekommen sei. Sie stellte die Frage in den Raum, ob der republikanische Gouverneur von Michigan Rick Snyder diese Art der drastischen Sparmaßnahmen auch in einem Stadtteil Detroits mit wohlhabenden Bürgern toleriert hätte.

Fazit


Was ist also aus der TV-Debatte der Demokraten mitzunehmen? Die Positionen der beiden Kandidaten sind klar abgesteckt. Die demokratischen Wähler, insbesondere die Unentschlossenen, sind nun aufgefordert eine Richtungsentscheidung zu treffen und die Kandidaten wissen, worauf es in den kommenden Wochen ankommt. Ziemlich viel Klarheit für einen Debattenabend in Charleston, South Carolina, der doch inhaltlich kaum etwas Neues zu bieten hatte.

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