Sonntag, 4. November 2018

Wahlkampfendspurt: Geht Trump ohne Not ein Risiko ein?

Geht Trumps Konzept auf?


Man könnte meinen, es stünde die Präsidentschaftswahl in den USA an. So sehr bringt sich Donald Trump in den Wahlkampf der Midterm Elections 2018 ein. Die Republikaner setzen viel auf die Karte Trump, ob sie wollen oder nicht. Der US-Präsident setzt die öffentlichen Themen und geht damit ein Risiko ein, das aus Sicht der GOP möglicherweise nicht nötig gewesen wäre. Im Wahlkampfendspurt hat Donald Trump insbesondere das Thema der Migration wiederentdeckt. Trifft er hier erneut die Stimmung und Sorgen im Land?

Die Ausgangslage vor einigen Wochen war die, dass die Republikaner gute Chancen hatten, im Senat die Mehrheit zu behalten. In den Umfragen zur Wahl des Repräsentantenhauses lagen die Demokraten vorn, aber sicher nicht so weit, dass die Republikaner mit einem gelungenen Endspurt nicht noch die nötigen Sitze hätten holen können. Die Diskussionen um Brett Kavanaugh hatten beide Seiten nochmal mobilisiert. Ein klarer Aufwärtstrend für die Demokraten war nicht erkennbar. Ziel der republikanischen Wahlkampfbemühungen hätten aus meiner Sicht die Unabhängigen und Unentschlossenen sein müssen. Eine reine Mobilisierung der eigenen Basis könnte nicht ausreichend sein. Es zeichnet sich eine ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung für die Midterm Elections ab.

Anlässlich der Migranten und Flüchtlinge, die sich mit dem Ziel USA aus Mittelamerika über Mexiko auf den Weg gemacht haben, hat Donald Trump das Thema illegale Einwanderung nach ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Nun ist er dabei durchaus authentisch, schließlich ist seine Meinung zu dem Thema klar und er hatte bereits 2016 damit einigen Erfolg gehabt. Aber ist das tatsächlich das Topthema für die US-Amerikaner? Der Präsident hat hier einen nicht ganz unproblematischen Weg eingeschlagen. Die erneute Verschärfung des Tons kommt nicht bei allen Republikanern gut an und jene, die genau diese harte Linie gegen illegale Migration fordern, müssen eigentlich nicht mehr davon überzeugt werden, ihr Kreuz am Dienstag nicht bei den Demokraten zu machen. Wen will Trump also jetzt noch zusätzlich mit diesem Thema gewinnen? Zweifelt er an der Motivation seiner eigenen treuen Anhänger, auch wirklich wählen zu gehen?
Jedenfalls stellt sich schon die Frage, weshalb er nicht weiter voll und ausschließlich auf die Themen Wirtschaft und Arbeit setzt? Die Zahlen sprechen für ihn, zumindest könnte er sie im üblichen Rahmen politischer Wahlkampfreden für sich sprechen lassen. Am immer wieder genannten Beispiel der Stahlindustrie kann er belegen, dass seine Maßnahmen fruchten. Etwas weiter gedacht, wollen seine Anhänger, die ihn insbesondere im Rust Belt gewählt haben, aber auch Antworten auf die Frage haben, welche Auswirkungen bestehende oder möglicherweise bevorstehende Handelskriege haben. Nicht alle Bereiche profitieren von höheren Zöllen oder dem Erstarken einzelner Industriezweige.
Nicht wenige Republikaner schätzen Trump für dessen anpackendes Auftreten. Sie haben dabei aber auch Erwartungen, die der Präsident mittelfristig einlösen muss. Inmitten dieser Erwartungshaltungen und Fragen über die Zukunft von Unternehmen und Arbeitsplätzen hebt Trump nun aber das Thema der illegalen Migration hervor.
Ob er hier tatsächlich das richtige Gespür für die Stimmung im Land bewiesen hat, werden wir wohl in einigen Tagen wissen. Objektiv betrachtet, ist die Anzahl derer, die aus Mittelamerika auf den Weg in die USA sind, kein wesentlicher Faktor. Nicht im Ansatz vergleichbar mit der Anzahl an Flüchtlingen, die in den letzten Jahren nach Europa gekommen sind. Nach übereinstimmenden Medienberichten seien aktuell noch deutlich unter 10.000 Menschen auf dem Weg in die USA. Donald Trump sollte das "Problem" nicht größer machen als es ist, mit anderen Worten, er sollte "sein" Land nicht so klein machen. Es wird noch Wochen dauern, bis die ersten Menschen an der südlichen Grenze der USA ankommen. Nun bereits das Militär dorthin zu verlegen, wirkt etwas zu sehr nach Symbolpolitik. Barack Obama sprach zuletzt von einer politischen Show und schaltet sich damit auf seine Weise in den Wahlkampf ein.
Angstmacherei oder konsequentes Handeln - egal, wie man es sieht, Donald Trump hat sich für diesen Weg entschieden. Aus meiner Sicht hätte es andere Themen gegeben, mit denen Trump, geschickt vorgetragen, besser in der politischen Mitte hätte punkten können, ohne dabei das Risiko eingehen zu müssen, etwas über das Ziel hinauszuschießen und ggf. gemäßigte Republikaner zu verprellen.


Die Demokraten genießen eine trügerische Einigkeit gegen Trump und die Republikaner


Seitens der Demokraten hat es in der heißen Phase des Wahlkampfes auch nochmal prominente Unterstützung gegeben. Ex-Präsident Obama und dessen früherer Vizepräsident Joe Biden haben auf Wahlkampfveranstaltungen in Florida, Georgia und Ohio für die Demokraten geworben. Dabei haben sie insbesondere den amtierenden US-Präsidenten im Visier, werfen ihm Lügen und die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft vor.
So einig sich die Demokraten in ihrer Ablehnung Trumps auch sein mögen, dieser Wahlkampf offenbart ein Problem, welches nach den Midterm Elections vermutlich erst richtig zum Tragen kommen wird. Die Partei benötigt dringend einen klaren inhaltlichen Kurs, mittelfristig auch eine Person an der Spitze, die Donald Trump 2020 herausfordern wird und dabei die Unterstützung der gesamten Partei hinter sich weiß. Ein Richtungskampf in den Vorwahlen 2020 gilt es unbedingt zu vermeiden.
Der Fokus auf landesweite Themen und die Ablehnung Trumps verdeckt ein wenig, dass die Demokraten weiterhin keine gemeinsame Linie haben. Vergleicht man die Wahlkampfauftritte in den liberalen Hochburgen an West- und Ostküste mit denen, von Kandidaten aus dem Rust Belt, West Virginia, Tennessee oder Montana z. B. liegen Welten dazwischen. Keine Frage, auch in den Lebensumständen und Bedürfnissen der Menschen dieser Bundesstaaten und Regionen bestehen nicht unerhebliche Unterschiede, die Kunst wird es aber sein, alle Interessen miteinander verträglich hinter eine Kandidatin oder einen Kandidaten und in eine einheitliche inhaltliche Ausrichtung zu bringen.
In den kommenden und verbleibenden Tagen aber werden die Demokraten erstmal an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, erfolgreiche Kongresswahlen. Das Ziel gegen den US-Präsidenten einen wichtigen machtpolitischen Punkt zu setzen, schweißt die Demokraten zumindest vorübergehend landesweit zusammen.


Am Montag werde ich nochmal eine letzte Einschätzung der Lage veröffentlichen und bis dahin auch die aktuellen und letzten Umfragen und Prognosen einarbeiten. Ab Dienstag Nachmittag/Abend beginne ich dann mit dem Live-Ticker und fasse hier alle wichtigen Entwicklungen und Ergebnisse aus der Wahlnacht zu Mittwoch zusammen. Vermutlich liegen am Mittwoch Morgen ausreichend Ergebnisse vor, um sagen zu können, wer künftig die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus haben wird.

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