Bernie Sanders, Kandidat der Demokraten |
Chancen der Kandidatur Sanders und die Auswirkungen auf das Bewerberfeld der Demokraten
Zugegeben, hätte man mich vor einigen Wochen noch gefragt, ob Bernie Sanders auch 2020 seinen Hut in den Ring wirft, hätte ich einige Zweifel gehabt. Umso erstaunter war ich dann, als die ersten konkreten Hinweise auf seine Kandidatur und letztlich auch die offizielle Bestätigung bekannt wurden.
Zweifel und Erstaunen deshalb, weil sich die Voraussetzungen zu 2016 wesentlich verändert haben. Vier Punkte sind es, die aus meiner Sicht eine Kandidatur des Senators aus Vermont erschweren.
1. Rollenwechsel
Bernie Sanders profitierte im Vorwahlkampf 2016 insbesondere auch von einer Grundstimmung, die dem politischen Establishment abgeneigt war. Hillary Clinton auf der einen, Jeb Bush auf der anderen Seite. Noch im Winter 2015/2016 galten beide Namen als favorisiert, insbesondere die frühere Außenministerin galt als gesetzt. Sanders bei den Demokraten und noch viel mehr Donald Trump auf Seiten der Republikaner machten einen Wahlkampf, der sich zwar in Inhalt und Stil sehr unterschied, beide spielten aber mit der Abneigung gegen das Washingtoner Establishment. Trump setzte sich gegen ein zersplittertes Feld mehr oder weniger prominenter Republikaner durch, die sich von Beginn an gegenseitig die Stimmen wegnahmen. Sanders hatte es realistisch betrachtet, "nur" mit einer Gegenkandidatin zu tun, die die große Favoritin und praktisch zwangsläufige Kandidatin der Demokraten war. In diesem Umfeld musste Sanders zwar eine Idee haben, Motivation, Aufbruch und neue Themen versprühen, aber er war seitens der Demokraten die einzige Alternative zu der nicht überall beliebten Hillary Clinton. Die frühere Außenministerin musste sich nicht nur ihrem Konkurrenten in den Vorwahlen stellen. Sie war insbesondere auch damit beschäftigt, die E-Mail-Affäre in Verbindung mit FBI-Ermittlungen auszuhalten. Hinzu kamen regelmäßige Angriffe der Republikaner, allen voran von Donald Trump.
2020 wird dies anders sein, Bernie Sanders könnte in den Vorwahlen vom Herausforder zum Gejagten werden. Die Umfragen sehen ihn weiterhin auf Platz 2 hinter Joe Biden, der seine Kandidatur aber noch nicht verkündet hat.
2. Das Bewerberfeld: Sanders alte Themen - neue Begeisterung?
Das Bewerberfeld der Demokraten spielt bei der Bewertung eine entscheidende Rolle. Nicht nur Sanders Rollenwechsel, sondern auch das personelle und inhaltliche Umfeld haben sich verändert.
Bernie Sanders Themen waren 2016 klar links ausgerichtet. Er hatte damit ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem er auch Hillary Clinton herausforderte und ihre Schwächen teilweise derart offenbarte, dass sie bei der General Election gegen Donald Trump zum Problem wurden. Die Themen besetzt Sanders noch immer, genießt hier hohe Glaubwürdigkeit und wirkt authentisch. Die Themen, etwa die Gesundheitsversorgung, sind aber schon längst nicht mehr am linken Rand der Demokraten beheimatet, sondern teilweise sogar Konsens und in der Mitte der Partei fest verankert. Andere Kandidaten wie Kamala Harris, Cory Booker, Elizabeth Warren usw. oder der aufstrebende Beto O'Rourke besetzen ebenfalls glaubwürdig linke, liberale und progressive Themen. Teilweise reichen ihre inhaltlichen Positionen aber auch noch pragmatisch in das moderate Lager hinein.
Blickt man lediglich auf die Sanders-Wähler von 2016 haben diese nun zahlreiche programmatische Alternativen. Dies dürfte insbesondere zu Beginn eine Aufsplitterung der linken Stimmen bei den Demokraten zur Folge haben. Je länger eine große Anzahl an Kandidatinnen und Kandidaten im Rennen bleibt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass zu viele Stimmen im linken Lager hin und her verteilt werden. Profiteure könnten die moderaten, pragmatischen und konservativen Kandidaten sein. Dies wären in erster Linie Joe Biden, Amy Klobuchar oder Sherrod Brown.
Die Frage wird also sein, kann Bernie Sanders mit Erfolgen zu Beginn der Vorwahlen das insbesondere linke Bewerberfeld zu seinen Gunsten zusammenschrumpfen lassen? Iowa und New Hampshire dürften ihm da schon sehr liegen. Danach könnte es in Nevada und South Carolina schwieriger werden, ehe es dann am 03.03.2020, dem Super Tuesday, wegweisende Entscheidung geben wird. (Alle Termine der Vorwahlen findet Ihr hier.) Vieles hängt davon ab, ob Sanders alleine für sich die Begeisterung und Aufbruchstimmung verbuchen kann, wie es 2016 war? Im Hinblick auf seine Konkurrenz bestehen berechtigte Zweifel.
3. Alter, Geschlecht, Hautfarbe und die Frage, wer gegen Trump siegen kann
Es wird in den amerikanischen Medien durchaus immer wieder erwähnt, wie sehr sich die Demokraten zu einer vielseitigen Partei entwickelt hätten. Viele Frauen, jüngere Kandidaten, afro- und lateinamerikanische Wurzeln. Will die Partei da tatsächlich einen "alten weißen Mann" gegen Donald Trump ins Rennen schicken?
So oder ähnlich lesen sich einige Artikel in den USA. Wie stark diese Faktoren eine Rolle spielen, ist schwer abzuschätzen. Natürlich spielt die Zusammensetzung der Bevölkerung in den verschiedenen Bundesstaaten eine nicht unerhebliche Rolle. Ich denke aber, dass es eher eine Frage ist, die bei den Demokraten nach innen gerichtet beantwortet werden muss. Mit Sanders und Biden sind die Frontrunner in den Umfragen weiße Männer, die im Amt schon bald das 80. Lebensjahr vollenden würden. Bremsen sie nicht eine gewisse Begeisterung und Erneuerung innerhalb der Partei aus? Im Falle Sanders könnte man argumentieren, dass sein Wirken 2016 die Partei eher für progressiv-liberale Themen geöffnet hat. Neue Köpfe, neue Ideen sind durch die Niederlage Clintons gegen Trump möglich geworden. Mission erfüllt, aber Sanders traut offenbar seinen Mitstreitern nicht. Oder er traut ihnen keinen Sieg gegen Trump zu.
Dies dürfte ohnehin die alles entscheidende Frage bei den Vorwahlen werden. Wer ist mir nicht nur inhaltlich nahe, sondern wer hat die besten Chancen, Donald Trump aus dem Amt zu befördern?
Kann eine Kamala Harris aus dem fernen und sicher demokratischen Kalifornien so stark auf die zu Trump übergelaufenen Wähler im Rust Belt oder dem Heartland einwirken, um sie für die Demokraten zurückzugewinnen? Kann wiederum Sanders in Swing States wie Nevada, Colorado und Florida Trump bezwingen?
4. Sanders der "unabhängige Demokrat"
2016 ist Bernie Sanders von Beginn an mit der Hypothek gestartet, praktisch kaum Stimmen der Superdelegierten auf seiner Seite zu haben. (Mehr zur Rolle der Superdelegierten findet Ihr hier.) Zu stark war Clinton in der Partei vernetzt, zu groß ihre Favoritenrolle. Die Superdelegierten waren Clintons starkes Bollwerk gegen den immer stärker werdenden Sanders. Während Clinton auf geschätzt 550 Superdelegierte kam, erreichte Sanders nur eine zweistellige Zustimmung. Bei einem Vorsprung von rund 400 "sicheren" Delegierten aus den Vorwahlergebnissen ein erheblicher Faktor, praktisch eine Verdoppelung. (Hier das Ergebnis der Vorwahlen der Demokraten 2016.)
Diese einseitige Verteilung dürfte es 2020 nicht mehr geben. Und viel wichtiger noch: Der Einfluss der Superdelegierten ist zudem seitens des DNC mit Beschluss aus dem Sommer 2018 erheblich reduziert worden. Demnach dürfen die Superdelegierten künftig nicht mehr im ersten Wahlgang abstimmen. Sollte also ein Kandidat im ersten Wahlgang schon eine Mehrheit erhalten, spielen die Superdelegierten keine Rolle mehr. Erst im zweiten Wahlgang sind sie künftig wahlberechtigt. In einem großen Bewerberfeld mit mehreren etwa gleichstarken Kandidaten, ist es nicht ausgeschlossen, dass es zu einem zweiten Wahlgang kommen könnte.
Sanders legt weiterhin Wert darauf, als Unabhängiger in die Wahlen zu gehen, etwa 2018 bei den Midterm Elections, als er erneut siegreich an den Vorwahlen der Demokraten teilnahm, um sich dann als Unabhängiger für den US-Senat erfolgreich wiederwählen zu lassen. Diese bewusste Unabhängigkeit trägt bei einigen Superdelegierten sicher nicht dazu bei, sich für Sanders auszusprechen, insbesondere wenn es zahlreiche parteieigene Alternativen gibt, die zumindest über teils jahrelange Funktionen im Senat oder Repräsentantenhaus gut vernetzt sind und zudem auch ihren lokalpolitischen Einfluss in den jeweiligen Bundesstaaten geltend machen können.
Sich nicht eindeutig und umissverständlich den Demokraten anzuschließen, mag zwar nur ein formaler Akt bzw. auch das gute Recht Sanders sein, aber strategische Fortschritte aus den Erfahrungen aus 2016 sind hier nicht erkennbar. Aber Sanders zielt schon genau auf das Miteinander ab, wenn es um die Frage geht, Donald Trump zu besiegen. "Not me. Us." lautet sein Wahlkampfslogan und weiter: "No one candidate, not even the greatest candidate you could imagine, is capable of taking on Donald Trump and the billionaire class alone. There is only one way we win — and that is together."
Ein Appell gerichtet an Demokraten und Unabhängige zugleich.
Sanders Vorteil und das Warten auf Biden und O'Rourke
Es gibt also aus meiner Sicht schon einige Punkte, die die Erfolgschancen Sanders im Vergleich zu 2016 zu schmälern scheinen. Ist diese Sicht auf seine Kandidatur zu pessimistisch? Schließlich müssen ja auch erstmal die Konkurrentinnen und Konkurrenten das erreichen, was Sanders schon mitbringt. Über alle Bundesstaaten hinweg ist Sanders noch aus dem Jahr 2016 bekannt, andere Kandidaten wie Booker, Gillibrand oder Klobuchar sind wohl eher in politiknahen Kreisen bekannt. Und Sanders Spendeneinnahmen am ersten Tag nach der Verkündung seiner Kandidatur haben mit 6 Mio US-Dollar aus knapp einer viertelmillion kleinen Einzelspenden alle anderen Kandidaten in den Schatten gestellt.
Eine abschließende Einschätzung dazu wird wohl ohnehin erst dann möglich sein, wenn Gewissheit über die Ambitionen mindestens zwei weiterer potenzieller Kandidaten besteht. Die Demokraten warten gespannt darauf, wie sich der frühere US-Vizepräsident Joe Biden entscheiden wird. Tritt er an, richtet sich der Fokus sofort auf ihn, Bernie Sanders könnte evtl. wieder in die eingangs erwähnte Herausfordererrolle schlüpfen. Sanders wäre zunächst nicht mehr Favorit, könnte sich aber stattdessen als Sprachrohr des linken Flügels profilieren. Eine Profilierung, die ohne einen starken Widersacher wie Biden auf der anderen Seite der Demokraten ungleich schwieriger wäre.
Ebenso wird auf eine Entscheidung von Beto O'Rourke gewartet. Sollte der charismatische Texaner auch noch in das Rennen der Demokraten einsteigen, könnten insbesondere viele der jungen Sanders-Anhänger überlaufen.
Weitere Kandidaten, die bislang noch nicht ihre Kandidatur verkündet haben, sind etwa Sherrod Brown oder auch Michael Bloomberg, die auf ihre jeweils eigene Weise Einfluss auf die Vorwahlen nehmen würden.
Eine Übersicht zum Kandidatenfeld der Demokraten findet Ihr hier.
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