Donnerstag, 27. Juni 2019

Erste TV-Debatte der Demokraten: Warren und Castro können punkten, O'Rourke eher schwach

Das lange Ausscheidungsrennen hat begonnen. Bei den Demokraten haben sich so viele Kandidaten gemeldet, dass die TV-Anstalten zu Beginn des Wahlkampfes jeweils zwei große TV-Debatten mit je 10 Bewerbern planen. Und selbst dann sind noch immer nicht alle untergekommen. In der vergangenen Nacht startete NBC mit der ersten TV-Debatte in Miami, Florida. Als in den Umfragen bestplatzierte Kandidatin stand Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts, im Fokus und auch in der Mitte der Bühne. Neben ihr Cory Booker und Beto O'Rourke als laut Umfragen aussichtsreichste Herausforderer. Weitere Teilnehmer waren Julian Castro, Amy Klobuchar, Tim Ryan, Tulsi Gabbard, Jay Inslee, Bill de Blasio und John Delaney.


Die Debatte ging zwei Stunden lang, während zahlreiche Themenkomplexe bearbeitet oder besser gesagt durchgehetzt wurden. Denn auch wenn nicht alle Teilnehmende zu jedem Thema etwas sagen konnten, entstand nur in seltenen Fällen eine wirkliche Diskussion. Alle waren bemüht, in ihren 30-Sekunden Statements möglicht pointiert ihre Positionen zu transportieren.

Castro und O'Rourke im Rededuell zur Grenzsicherung


Julian Castro by Gage Skidmore (2)
Julian Castro
Beto O'Rourke April 2019
Beto O'Rourke
Insgesamt verlief die Debatte eher brav, an einigen Stellen wurde natürlich auf den amtierenden Präsidenten abgezielt und nur in wenigen Momenten kam es zu richtigen Duellen. So etwa zwischen Julian Castro und Beto O'Rourke. Die beiden gebürtigen Texaner diskutierten über die Abschaffung der Section 1325. Konkret ging es dabei um die Frage, ob Einwanderer, die an anderen als den regulären staatlichen Stellen über die Grenze in die USA kommen, weiter als Kriminelle behandelt werden sollen oder lediglich ein zivilrechtliches Vergehen begehen. Castro, der die Section 1325 in dieser Form ablösen und sich für eine Entkriminalisierung jener Einwanderer ausspricht, gelang es, Beto O'Rourke unter Druck zu setzen. O'Rourke hatte sich in der Vergangenheit gegen eine Abschaffung dieser Regelung ausgesprochen und verwies auf Erfolge im Kampf gegen Drogenkriminalität und Menschenhandel, was jedoch aus Sicht einiger seiner Mitbewerber nicht an die Section 1325 geknüpft sei. Castro ging mit klaren offensiven Aussagen aus meiner Sicht als Gewinner aus diesem Rededuell hervor, während es O'Rourke nicht gelang, seine differenzierte Betrachtungsweise klar und verständlich rüberzubringen. Er blieb in der Defensive.
Julian Castro nutzte die Gelegenheit auch, um auf seine Pläne zu einer umfassenden Einwanderungsreform hinzuweisen, die die Null-Toleranz-Politik Trumps beenden soll.


Zukunft der Krankenversicherung - ein zentrales Thema des Abends


Beto O'Rourke wurde aber auch an einer anderen Stelle angegriffen. Als der Moderator fragte, wer von den zehn Bewerbern für die Abschaffung der privaten Krankenversicherung sei, hob Elizabeth Warren, zügig und augenscheinlich sehr entschlossen, die Hand, einzig unterstützt vom New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio. Alle anderen Kandidaten konnten sich nicht eindeutig durchringen. So entwickelte sich eine Diskussion um die Zukunft der Gesundheitsversorgung.
Elizabeth Warren April 2019
Elizabeth Warren
Elizabeth Warren forderte Medicare for all und bezeichnete eine öffentliche Gesundheitsversorgung als wesentliches Menschenrecht. Die Senatorin erläuterte, dass es nicht sein könne, dass sich Menschen und insbesondere Familien eine Gesundheitsversorgung nicht leisten könnten oder dadurch in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Politiker die meinten, dass Medicare for all zu kompliziert sei und nicht funktionieren würde, kämpften nur nicht genug dafür. Sie sei bereit, dafür zu kämpfen. Es war einer ihrer Höhepunkte an diesem Abend.
Bill de Blasio und Beto O'Rourke offenbarten unterschiedliche Standpunkte zu diesem Thema. Während sich de Blasio auf die Seite Warrens Schlug und O'Rourke herausforderte, präferiert dieser eher die Wahlmöglichkeit zwischen privater und öffentlicher Gesundheitsversorgung, was de Blasio wiederum als untauglich bezeichnete, weil ein großer Teil der Bevölkerung gar nicht wählen könnten. John Delaney versuchte einen sachlichen Kompromiss herzustellen und verlangte, dass die Elemente die funktionieren, beibehalten und jene, die einer Überarbeitung bedürfen, neu geregelt werden müssen. Im Vordergrund stehe aber die Gewährleistung, dass alle gesundheitlich versorgt werden.

Trumps Migrationspolitik in der Kritik


Bill de Blasio 11-2-2013
Bill de Blasio
Bill de Blasio appellierte in der Debatte zur Migrationspolitik Donald Trumps an die grundlegenden Werte der USA und hatte auch eine Botschaft an jene, die wegen der Einwanderung um ihre Jobs fürchten. Nicht die Migranten, sondern einige Großkonzerne würden den Amerikanern die beruflichen Perspektiven nehmen.
Amy Klobuchar erinnerte daran, dass die USA und insbesondere ihre Wirtschaft auf Migration in vielerlei Hinsicht angewiesen seien.
Tim Ryan und Jay Inslee erinnerten auch an die Menschlichkeit in dieser Frage. Ryan forderte den US-Präsidenten auf, sofort Ärzte und Krankenschwestern zu entsenden, um die schwierigen Zustände an der Grenze zu bekämpfen. Jay Inslee stellte fest, dass die Aufnahme von hilfesuchenden Migranten eine Stärke und keine Bedrohung sei.



Außenpolitik war nur Randthema


Amy Klobuchar (46594830375)
Amy Klobuchar
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Tulsi Gabbard
Die übrigen außenpolitischen Themen wurden eher nachrangig behandelt. Der in Deutschland viel beachtete Konflikt mit dem Iran nahm Amy Klobuchar auf und kritisierte Präsident Trump dafür, keine Lösung parat zu haben. Der Iran-Deal sei nicht perfekt gewesen, aber zu der Zeit eine gute Übergangslösung. Donald Trump hätte versprochen, einen besseren Deal mit dem Iran aushandeln zu können. Derzeit führe er die USA allerdings in eine gefährliche Situation.
Tulsi Gabbard machte unmissverständlich klar, dass es kein Krieg mit dem Iran geben dürfe. Die Folgen würden verheerend sein. Der Moderator wollte diese einfache Form der Darstellung so nicht stehen lassen und hakte nach, wo denn Gabbards rote Linie in dieser Frage sei. Die Kongressabgeordnete aus Hawaii erläuterte, dass bei einem iranischen Angriff auf US-Truppen eine Grenze überschritten wäre, die das Militär nicht unbeantwortet lassen könne. Aber es dürfe nicht sein, dass Trump, Bolton und Pompeo bewusst eine Eskalation herbeiführten.
Auch bei einem anderen außenpolitischen Thema wusste sich Gabbard in Szene zu setzen. Während sich Tim Ryan gegen einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan aussprach, forderte die Irak-Veteranin die Heimkehr aller US-Soldaten aus Afghanistan.



Wirtschaft, Einkommen und Klimawandel


Zu Beginn des Abends ging es insbesondere um die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Elizabeth Warren forderte dabei mehr Mut, gegen die Großkonzerne einzutreten, wenn diese nicht im Sinne der Arbeiter und der Gemeinschaft agierten. Julian Castro will die Einkommensungleichheit zwischen Frauen und Männern stärker bekämpfen und Tim Ryan beklagte, dass schon seit Jahrzehnten Schlüsselindustrien ins Ausland abwanderten und diese Entwicklung bislang nicht gestoppt wurde. Warren griff seinen Gedanken auf und forderte, dass umweltfreundliche Green Industries in den USA entwickelt, hergestellt und ins Ausland verkauft werden sollten. Die USA müssten Anführer in dieser Frage werden.
Jay Inslee, Gouverneur des Bundestaats Washington erinnerte an die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften nutzte die heutige Debatte aber auch dafür, auf eben jene umweltfreundliche Technologien zu setzen und hob sein Wahlkampfmotto hervor, dass der Kampf gegen den Klimawandel oberste Priorität habe.

Booker und de Blasio - im Stil völlig unterschiedlich

 
Cory Booker, official portrait, 114th Congress
Cory Booker
Cory Booker und Bill de Blasio hatten zwei völlig unterschiedliche Auftritte. Während Booker praktisch zu allen Themen etwas zu sagen hatte und sich auch regelmäßig mit Wortmeldungen durchsetzte, kam de Blasio nur auf etwa die Hälfte der Redezeit Bookers, der im übrigen auch Spitzenreiter in dieser Frage war. Dennoch gelang es de Blasio sehr knapp und pointiert, erinnerungsfähige Sätze zu formulieren. Neben seiner oben erwähnten Wortmeldung zur Migrationspolitik und dem Angriff auf O'Rourke in der Gesundheitspolitik appellierte de Blasio zu Beginn der Debatte an das Herz der Demokraten, die Partei der Arbeiter zu sein. Das müsse sich auch wieder im politischen Programm und Handeln widerspiegeln.
Auch wenn Booker nicht die Schlagzeilen gehörten, wurde an einigen Stellen deutlich, dass er klare und fundierte Vorstellungen seiner Politik hat. Ein Vorteil, der sich im Laufe des Wahlkampfs noch auszahlen könnte.


Gewinne und Verlierer der ersten TV-Debatte


Wie bei jeder TV-Debatte stellt sich die Frage nach den Gewinnern und Verlierern des Abends. Zweifelsfrei gelang es Elizabeth Warren, ihre Ambitionen zu untermauern. An ausgewählten Stellen konnte sie mit starken und klaren Botschaften punkten, wusste aber ebenso, an welchen Stellen sie sich noch zurücknehmen sollte. Dort stritten dann andere.
Überraschend stark trat Julian Castro auf, der insbesondere durch das eingangs erwähnte Rededuell mit Beto O'Rourke in Erinnerung blieb und authentisch auftrat.
Während es den Außenseitern Inslee, Delaney und Ryan nicht gelang, einen entscheidenden Schritt nach vorne zu machen, enttäuschte Beto O'Rourke dagegen regelrecht. Er war zweimal in der Defensive und konnte keine prägnanten Konter setzen. Zu wenig, um in die Top 5 des Bewerberfelds aufzusteigen.
Amy Klobuchar und Tulsi Gabbard konnten vereinzelt punkten, aber für einen nennenswerten Fortschritt reichte es noch nicht. Insbesondere bei Gabbard ist zu befürchten, dass sie abseits ihrer eigenen Erfahrungen beim US-Militär und ihrer klaren friedenspolitischen Haltung wenig Input in den Wahlkampf geben kann.


Zweite TV-Debatte mit Biden und Sanders


In der kommenden Nacht folgt nun die zweite TV-Debatte. Dabei wird mit Spannung auch der erste Auftritt des aktuellen Favoriten Joe Biden und seinem laut Umfragen stärksten Verfolger Bernie Sanders erwartet. Ebenfalls dabei: Kamala Harris, Pete Buttigieg, Andrew Yang, Kirsten Gillibrand, Eric Swalwell, John Hickenlooper, Marianne Williamson und Michael Bennet.
Die TV-Debatte wird um 03:00 Uhr deutscher Zeit live auf NBC, MSNBC und Telemundo übertragen.

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