Joe Biden unter Dauerbeschuss
Selten war es so schwierig, Gewinner und Verlierer einer TV-Debatte zu benennen. Der Charakter der gestrigen Debatte lässt sich insbesondere mit den Worten "intensiv" und "kontrovers" bezeichnen. Wer sich einen Abend zum Wohlfühlen oder Stunden eines gemeinsamen Aufbruchs der Demokraten erhoffte, wurde enttäuscht. Das Format des Abends erfüllte im Kern seine eigentliche Bestimmung: Die Demokraten befinden sich im Vorwahlkampf und Ziel dieses Kampfes ist es insbesondere, die Konkurrenten auszustechen.
Joe Biden |
Joe Biden stand unter verbalen Dauerbeschuss und anders als bei seinem vorigen Auftritt, war er besser vorbereitet, schlagfertiger und scheute seinerseits die Einzelduelle nicht. Insofern war es ein deutlich verbesserter Auftritt des aktuellen Frontrunners der Demokraten. Ihm ist es trotz der vielen Attacken gelungen, Schaden abzuwenden. Manch einer sieht ihn gar als Gewinner des Abends, wobei hier sicherlich auch Einschränkungen vorzunehmen sind. Ja, er ließ sich nicht vorführen und war durchgängig auf der Hut, parierte die Angriffe. Es war Schwerstarbeit für Biden, die er nach Kräften über zwei Stunden hinweg erledigte. Betrachtet man die Konstellation, dass er an der Spitze der Umfragen steht und es seine Aufgabe ist, diese zu verteidigen, so war es ein gelungener Abend. Er war der Verteidiger.
Aber der Abend offenbarte auch teilweise seine Schwächen. Er ließ sich immer wieder das Wort von den Moderatoren abschneiden. Sobald diese die Redezeit beendeten, stoppte Biden auch brav seinen Beitrag mitten im Satz oder streute noch schnell ein "wie auch immer..." ein. Andere Kandidaten waren da wesentlich hartnäckiger und brachten ihre Gedanken trotz der Unterbrechungen der Moderatoren noch schnell zu Ende. Aber das ist nur eine stilistische Facette seines Auftritts gewesen.
Biden offenbarte die Spaltung seiner Partei
Das Problem dieser zahlreichen Angriffe ist es, dass Biden nur selten seine eigenen Positionen positiv darstellen konnte. Dadurch, dass er auch inhaltlich immer wieder mit Gegenpositionen konfrontiert war, musste er auch inhaltlich Stellung beziehen und sich aktiv gegen andere Ansichten in seiner Partei stellen. Natürlich, das ist auch die Aufgabe des Spitzenreiters, es bleibt aber eben der Eindruck zurück, dass er nicht für alle Wählerinnen und Wähler der Demokraten spricht. Das ist nicht sein persönliches Problem, sonders das einer inhaltlich in Teilen gespaltenen Partei, aber diese Spaltung wurde an der Person Joe Biden immer wieder deutlich. Daran konnte Biden aber auch nichts ändern. Sein Auftritt war ehrlich, die inhaltlichen Konflikte suchend - und findend. Er hat dadurch auch bewiesen, dass er bereit zu sein scheint, es als Spitzenkandidat mit Donald Trump aufnehmen zu können. Denn von dem Republikaner werden gewiss nicht weniger Angriffe kommen.
Einen weiteren Pluspunkt an diesem Abend konnte Biden mit seinem Eingangsstatement erzielen. In der Mitte der Bühne stehend, bezog er seine Mitstreiter mit ein und richtete seine Botschaft direkt an Donald Trump. Die Vielfalt, die der Präsident heute auf dem Podium bei der TV-Debatte beobachten könne, sei eine Stärke der USA und zeichne das Land aus.
Kamala Harris füllt neue Rolle aktiv aus - nicht ganz so stark wie zuvor
Kamala Harris |
Viele Beobachter sehen Harris als Verliererin des Abends. Diese Einschätzung teile ich nicht, wohl zur Kenntnis nehmend, dass sie auch keine Gewinnerin war. Harris hat sich erneut inhaltlich sehr gut vorbereitet, konnte ihre Positionen meist gut vertreten und blieb erneut hartnäckig an den Themen dran. Sie dürfte wohl keinen Schritt nach vorne gemacht, aber ihre Positionen im Spitzenfeld der Demokraten sehr wohl verteidigt haben.
Cory Booker gelang ein erfrischender Auftritt
Cory Booker |
Wie bereits erwähnt, war es eine intensive und kontroverse Debatte. Dabei gelang es dem Senator aus New Jersey mehr als allen anderen, eine freundliche Lockerheit zu wahren ohne den Eindruck zu erwecken, er würde die Diskussionen nicht ernst nehmen.
Booker und Harris rahmten Joe Biden auf der Bühne ein und nahmen ihn in die Zange. Alle drei Kandidaten waren die Protagonisten des Abends, während Booker und Harris auf gegenseitige Angriffe verzichteten.
Gillibrand erneut mit vielen Redeanteilen
Kirsten Gillibrand |
Castro überzeugt aus dem übrigen Kandidatenfeld
Julian Castro |
Bei den übrigen Kandidaten habe ich Zweifel, inwieweit sie zufrieden und erfolgreich aus dem Abend gingen. Michael Bennet, ein Kandidat auf der Linie von Joe Biden, präsentierte sich als ruhiger Vertreter des moderaten Flügels und konnte sicherlich den einen oder anderen Punkt an die eher konservativen Wähler der Demokraten richten, ohne sich dabei ständigen Angriffen erwähren zu müssen. Bill de Blasio fiel auf, da er praktisch keinen Redebeitrag beendete, ohne Joe Biden kritisch anzugehen. Was in der Theorie richtig ist, passte aber eben nicht in jeder Situation. Seine Strategie erschien mir etwas zu durchsichtig zu sein.
Andrew Yang |
Jay Inslee, der ähnlich wie Yang insbesondere für ein Thema, Klimawandel, steht, vermied es aber scheinbar bewusst, die Auswirkungen bei jedem Themenfeld unterzubringen.
Gesundheitspolitik bleibt das Topthema bei den Demokraten
Biden und Harris im Diskurs zu Obamacare und Medicare for all
Kamala Harris kritisierte die Pläne Joe Bidens als unzulänglich. Das bestehende Gesundheitssystem sei zu teuer und funktioniere nicht. Die Versicherungen trieben die Preise in Höhe. Sie befürworte eine Wahlfreiheit zwischen einer öffentlichen und einer privaten Option. Bidens Festhalten an Obamacare würde die Defizite im aktuellen System nur manifestieren.
Joe Biden verteidigte seine Haltung gegen Harris und auch de Blasio. Obamacare funktioniere und solle weiter verbessert werden. Es folgte der bereits mehrfach gehörte Austausch von Argumenten zu dem Thema. Biden zielte dann in Richtung Harris zurückfeuernd darauf ab, dass ihre und die Pläne der progressiven Kräfte der Partei viel zu teuer seien. Mit ihm werde es keine Steuererhöhungen für die Mittelklasse geben.
Kamala Harris blieb hartnäckig dran und warf Biden vor, dass er 10 Mio Amerikaner ohne jegliche Krankenversicherung einfach hinnehmen würde.
Michael Bennet |
Harris konterte nochmal und hob hervor, dass es nicht sein könne, dass Menschen nur deshalb in einem unbeliebten Job blieben, aus Angst ihre Krankenversicherung zu verlieren.
Joe Biden setzte ebenfalls nochmal nach und warf Kamala Harris vor, beim Thema Gesundheitsversorgung verschiedene Auffassungen vertreten zu haben. Mit Doppelzüngigkeit sei Donald Trump aber nicht zu schlagen. Spätestens ab hier war deutlich, dass Biden diesen Abend wesentlich kampfbereiter gestalten wollte.
Auch in Richtung Bill de Blasio verteidigte sich Biden. Niemand müsse nach den Plänen Bidens in den privaten Versicherungen gefangen bleiben. Die sog. public option stehe jedem als Alternative frei.
Cory Booker schlug sich auf die Seite von Kamala Harris und stellte ebenfalls fest, dass das gesamte Gesundheitssystem der USA kaputt sei. Er kritisierte zudem, dass sich die Republikaner angesichts dieser kontroversen Debatte der Demokraten freuen würden. Ein Vorwurf, den er auch beim Thema Einwanderung in Richtung seiner Partei nochmal wiederholte. Ein Appell, der angesichts der nun mal bestehenden unterschiedlichen Positionen zumindest für mich etwas fragwürdig erscheint.
Biden auch beim Thema Einwanderung unter Beschuss
Castro kritisierte Biden, dass er daran festhalte, illegale Einwanderung weiterhin als kriminelle Straftat anzusehen und nicht als zivilrechtliches Vergehen. Auch Castro selbst habe in der Vergangenheit Fehler bei diesem Thema gemacht, im Gegensatz zu Biden, habe er aber daraus gelernt.
Cory Booker schlug in die gleiche Kerbe und führte aus, dass Bidens Haltung jene Kräfte stärke, die illegale Einwanderung weiterhin als kriminell betrachteten und Trump eine Rechtfertigung seiner Menschenrechtsverletzungen ermöglichten.
Auch Kirsten Gillibrand wolle illegale Einwanderung als ziviles Vergehen bewerten. Menschen die vor Kriminalität und Gewalt geflüchtet seien, würden dadurch nicht zu Kriminellen, wenn sie Zuflucht in den USA suchten.
Michael Bennet befürworte Einbürgerungspläne, stellte sich aber gegen die Abschaffung der bestehenden Regelungen beim illegalen Grenzübertritt. Kamala Harris kritisierte, dass es nicht sein könne, dass Kinder an der Grenze wie Kriminelle behandelt, separiert und eingesperrt würden. Bennet stimmte ihr in diesem Punkt zu.
Jay Inslee |
Jay Inslee, Gouverneur von Washington behauptete, dass aktuell ein weißer Nationalist im Weißen Haus sitze. Inslee erinnerte daran, dass er als erster Gouverneur gegen Trumps Muslim Ban geklagt habe. Inslee forderte deutlich mehr Einwanderung in die USA. Er selbst wolle in Washington noch mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen. Das zeichne die USA als Einwanderungsland aus.
Booker und de Blasio nehmen Biden beim Thema Abschiebungen in die Mangel
Diese Antwort provozierte aber Nachfragen und sorgte für einen schwachen Moment des Frontrunners. Bill de Blasio wollte von Biden wissen, was er denn als Obamas Vizepräsident gegen die Abschiebungen unternommen habe.
Biden antwortete zunächst ausweichend, stellte fest, dass Obama viel für illegale Einwanderer getan habe. Es sei bizarr, ihn in dieser Frage auf eine Stufe mit Donald Trump zu stellen. Nun kam der stärkste Moment de Blasios an diesem Abend, als er schlicht feststellte, dass Biden auf seine Frage nicht eingegangen sei und ihn erneut zur Stellungnahme aufforderte. Joe Biden wich erneut aus und stellte fest, dass er ja nur der Vizepräsident gewesen sei und seine Meinung auch mal für sich behalten habe.
Diese Antwort rief Cory Booker auf den Plan. Der Senator aus New Jersey warf Biden vor, weiterhin ausweichend auf de Blasios Frage zu antworten. Zudem würde sich Biden wie kein anderer Kandidat im Wahlkampf auf Obama beziehen. Dann könne er nicht wegschauen, wenn es mal unangenehme Fragen zu Obama gebe.
Booker und Biden streiten über Justizreform
Erstmals in diesem Vorwahlkampf wurde das Thema einer Justizreform stärker in den Mittelpunkt gestellt. Dabei gerieten erneut Cory Booker und Joe Biden aneinander, flankiert von Beiträgen der übrigen Konkurrenten.
Cory Booker hinterfragte kritisch, dass Joe Biden in den 90ern eine Justizreform auf den Weg gebracht habe, die zu massenhaften Inhaftierungen geführt habe und wesentlichen Anteil am heutigen Zustand des Justizwesens der USA habe. Biden sei es nicht gelungen, das Problem in all den Jahren seines Einflusses zu lösen. Viel zu häufig seien Menschen eingesperrt worden, anstatt, ihnen Hilfe zu geben. Biden schoss zurück und kritisierte Bookers Rolle, als er 2007 Bürgermeister von Newark wurde. Damals hätte Booker die fragwürdige Praxis der Stop and Frisk (anhalten und durchsuchen) Kontrollen befürwortet. 75 % dieser Kontrollen seien illegal gewesen. Danach hätte Booker in seiner Zeit als Bürgermeister nichts mehr in dieser Sache auf den Weg gebracht.
Bill de Blasio |
Am 16. Juli 2019 verkündete das US-Justizministerium, keine Anklage gegen Pantaleo zu erheben. Pantaleo wurde im Dienst belassen. Kamala Harris kritisierte dabei auch die Rolle Donald Trumps.
Tulsi Gabbard greift Kamala Harris an
Tulsi Gabbard |
Harris ging inhaltlich nicht auf die Vorhalte ein, stellte aber fest, dass sie für die Legalisierung von Marihuana und Gegnerin der Todesstrafe sie. Außerdem sei sie sehr stolz auf ihre Arbeit als Attorney General von Kalifornien.
Wie geht es nun weiter?
Die nächsten TV-Debatten der Demokraten finden am 13. und 14. September statt. Um sich für die Teilnahme zu qualifizieren müssen die Kandidaten zwei Kriterien erfüllen:
- In mindestens vier unterschiedlichen Umfragen muss bundesweit ein Wert von mindestens 2 % bis zum 28.08. erreicht werden. Alternativ reichen auch 2% in einem der vier ersten Bundesstaaten der Vorwahlen aus. Das sind Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina.
- Es müssen bis zum 28.08. mindestens 130.000 Einzelspenden eingegangen sein, davon mindestens jeweils 400 in 20 Bundesstaaten.
Aktuell erfüllen diese Kriterien: Joe Biden, Bernie Sanders, Elizabeth Warren, Kamala Harris, Pete Buttigieg, Cory Booker und Beto O'Rourke.
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