Um den in den Medien omnipräsenten Trump etwas entgegenzusetzen, ist es für Biden umso wichtiger, dass die wenigen Möglichkeiten der Einflussnahme auch gelingen. Genau dies ist in den vergangenen Wochen allerdings nicht geschehen. Zunächst musste sich Biden mit Vorwürfen sexueller Belästigung auseinandersetzen und bekam hierbei sogar Rückendeckung von Donald Trump, der in der Vergangenheit ebenfalls mit entsprechenden Anschuldigungen konfrontiert war.
"Du bist kein Schwarzer, wenn..."
Am Freitag folgte dann für Biden ein Interview mit dem afroamerikanischen Radiomoderator Charlamagne tha God. In der Sendung "The Breakfast Club" schloss Biden mit den Worten: "Wenn du nicht genau herausfinden kannst, ob du für mich oder Trump bist, bist du kein Schwarzer".
Für diese Äußerung hagelte es für Biden nicht nur Kritik von Seiten seiner politischen Gegner. Aus Trumps Wahlkampfteam wurde der Vorwurf laut, Bidens Interview sei rassistisch gewesen.
Dem früheren Vizepräsidenten wird ein sehr gutes Verhältnis zu Schwarzen bescheinigt. Biden verfügt über jahrzehntelange Bindungen in viele Schwarze Gemeinden und pflegt die Kontakte zu wichtigen und einflussreichen Schwarzen Politikern. Schließlich war deren Unterstützung auch der Schlüssel zum Erfolg in den Vorwahlen als der deutliche Sieg beim South Carolina Primary den entscheidenden Wendepunkt für Bidens bis dahin schwachen Wahlkampf markierte.
Schmerzvolle Belehrungen aus Trumps Wahlkampfteam
Aber auch im Frühjahr war schon erkennbar, dass es auch immer eine Gratwanderung ist, den tatsächlichen Support vieler Schwarzer mit Stolz zu präsentieren, ohne dabei deren Stimmen als gesetzt anzusehen. Genau dieser Vorwurf gegen Biden wird nun lauter. Trumps konservative Wahlkampfberaterin Katrina Pierson wirft Biden vor, er nehme wohl an, dass Schwarze weder unabhängig, noch frei im Denken seien. Er, ein 77-jähriger Weißer, glaube wohl, den Schwarzen sagen zu können, wie sie sich verhalten sollten, so Pierson weiter.
Dass nun ausgerechnet aus dem Trump-Lager Vorwürfe des Rassismus gegen Biden laut werden, dürfte zwar gemeinhin als Heuchelei wahrgenommen werden, dennoch offenbart die Kritik auch, dass Biden nicht sorgsam und ausbalanciert genug mit seiner Wortwahl umzugehen wusste.
Was wohl als humorvolle und lässige Anmerkung gemeint war, dürfte von vielen Schwarzen auch tatsächlich wohlverstanden als Ansporn und Motivation aufgefasst worden sein, im November keinesfalls Donald Trump zu wählen. Aber sie war zweifellos auch geeignet, einen heiklen und sehr sensiblen Punkt bei einigen Schwarzen zu treffen, die sich entsprechend der Darstellung Piersons an viele Diskussionen der 60er Jahre erinnert fühlten.
Biden bereut die Äußerung
Joe Biden ließ nicht viel Zeit verstreichen und räumte inzwischen ein, dass er seine Äußerung bedauere. Er hätte nicht so hochmütig sein dürfen, so Biden. Nie hätte er die Unterstützung der afroamerikanischen Gemeinschaft als selbstverständlich angesehen, beteuerte Biden.
Er wisse, dass auch Trump Schwarze Wählerinnen und Wähler habe und er sei darauf vorbereitet mit Trump um diese Stimmen zu kämpfen.
Druck auf Biden wächst, eine Schwarze zur Vizekandidatin zu machen.
Nachdem bereits Kamala Harris zu Beginn der Vorwahlen in einer TV-Debatte Bidens Sensibilität bei diesem Thema in Zweifel zog, droht dem Spitzenkandidaten der Demokraten auch ein interner Streit in seinem Wahlkampfteam. Die neuerlichen Äußerungen werden den Druck auf Biden deutlich erhöhen, eine Schwarze Frau zur Vizepräsidentschaftskandidatin zu machen.
Auch ohne dieses Interview wurde zuletzt die Rufe lauter, in jedem Fall eine Schwarze Frau als Running Mate auszuwählen. Insbesondere Stacey Abrams machte keinen Hehl daraus, selbst zur Verfügung zu stehen und forderte mindestens aber, dass Bidens Vizekandidatin eine Schwarze sein müsse.
Die öffentliche Wahrnehmung zur Suche nach einer geeigneten Kandidatin wird seitdem etwas von diesem Kriterium überschattet. Mit Stacey Abrams, Kamala Harris und Val Demings werden immer wieder auch Schwarze Kandidatinnen genannt. Alle drei haben unterschiedliche Erfahrungen und bringen auch verschiedene Stärken mit. Es gibt aber auch Stimmen, die fordern, Biden solle sich noch nicht festlegen und verweisen auf die Erfahrung einer Amy Klobuchar, Elizabeth Warren oder auch der derzeit sehr präsenten Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer.
Insbesondere die mangelnde Erfahrung einer Stacey Abrams wird dabei immer wieder als Kritikpunkt genannt.
Biden will sich Zeit lassen bei der Wahl seiner Vizekandidatin. Möglich, wenn auch ungewöhnlich, ist auch, dass er gleich eine Art Schattenkabinett aufstellt, um die vielen unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen.
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