Es ist bezeichnend für diese Lethargie, dass die Demokraten erst in dem Augenblick aufwachen, als ihr Spitzenkandidat erstmals für alle sichtbar und spürbar offenbart, dass er möglicherweise nicht die Idealbesetzung für die anstehende Präsidentschaftswahl ist. Schlimmer noch, die Demokraten überlassen erneut das Heft des Handelns demjenigen, der aus Sicht einer zunehmenden Anzahl an Parteifreunden seinen Verzicht erklären soll. Wieder ist der Wahltermin eine Woche näher gerückt und vermutlich aus Gründen des Respekts vor dem Präsidenten, will man ihm die Entscheidung überlassen, in der Hoffnung, dass er die richtige trifft.
Joe Biden aber scheint den Punkt überschritten zu haben, an dem er noch in der Lage ist, aus freien Stücken einen verträglichen Übergang zu schaffen. Einen Übergang, dessen Präsident er sein wollte. So hatte er es einst erklärt, als er über Kamala Harris als neue Führungskraft der Demokraten sprach.
Nun aber spricht Joe Biden in dem ABC News Interview davon, dass er nur auf Weisung Gottes verzichten würde. Auch sehe er keine Probleme bei seinen Zustimmungswerten. Niemand sei so qualifiziert für das Amt des Präsidenten, wie er selbst. Dieses Interview machte die Angelegenheit noch vielschichtiger und verschärfte die Situation auf eine Weise, die keiner der Beteiligten so gewollt haben dürfte.
Zweifelsohne hat Joe Biden die Bodenhaftung verloren. Nicht in Bezug auf seine Urteilsfähigkeit in Hinsicht seiner politischen Entscheidungen. Dies steht und stand nie zur Debatte. Aber in Bezug auf sein Verhältnis zu eigenen Partei und seinen Aussichten erneut einen Sieg gegen Donald Trump einfahren zu können. Er wirkt trotzig und in seinem Ehrgefühl gekränkt. Niemand werde ihn aus dem Amt drängen, so der Präsident.
Diese wechselseitige Unfähigkeit könnte den Demokraten und dem Präsidenten noch auf die Füße fallen. Das schlimmste, was allen Beteiligten nun passieren kann, ist die Distanzierung voneinander. Genau dies geschieht aber derzeit in einem schleichenden Prozess. Der Präsident sagt seiner Partei, dass sie weder ein Mitspracherecht habe, noch überhaupt irgendeine kompetente Alternative aufbieten könne. Die Partei hingegen treibt ihren Präsidenten quälend langsam vor sich her.
Das Treffen mit den demokratischen Gouverneuren verlief für Joe Biden scheinbar noch verschonend gut. Es folgte das bereits erwähnte Interview und die Partei beginnt nun ihrerseits eine gewisse Beharrlichkeit zu entwickeln. Die Forderungen an den Präsidenten sind auch ziemlich unpräzise. Er solle zeitnah die Bevölkerung überzeugen, die Wahl gewinnen zu können und fit zu sein für eine zweite Amtszeit. So weich diese Forderung sich auch anhören mag, faktisch ist dies für Biden kaum belegbar umzusetzen. Die Umfragen für ihn sind landesweit nochmal schwächer geworden, in einigen Bundesstaaten verbesserte er sich jedoch nach dem TV-Duell. Die unausgesprochene Wechselstimmung ist wahrnehmbar, sehr leise und doch kommt jeden Tag eine Hand voll Stimmen dazu. Zuletzt waren es 5-6 Abgeordnete des Repräsentantenhaus, die Biden dazu aufriefen, seinen Verzicht zu erklären. Ein Senator ließ ebenfalls Zweifel durchblicken. Tags zuvor sind es wichtige Geldgeber für den Wahlkampf, die einen Wechsel wollen.
Der Präsident ist beschädigt. Schuld daran ist er selbst und seine Partei schützt ihn nicht, indem sie ihn irgendwie solange kritisiert, bis er doch das Handtuch wirft. Entweder die Demokraten ziehen nun beherzt die Reißleine und fordert den Kandidaten, den sie in den Vorwahlen gewählt, aber noch nicht formal nominiert haben, auf, seine Kandidatur niederzulegen oder die Partei muss akzeptieren, dass sie nun nicht mehr das korrigieren kann, was sie selbst versäumt hat.
Joe Biden sollte seinerseits diese Schwäche seiner Partei erkennen und ihr diese Entscheidung abnehmen, so er schon nicht seine eigene Schwäche wahrhaben will. An der Kandidatur festzuhalten, kann gut gehen, die Vorzeichen aber scheinen schlechter denn je zu sein.
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