Montag, 4. November 2024

Steht Iowa überraschend auf der Kippe? Trump besucht nicht nur Swing States.

Eine Umfrage für den Bundesstaat Iowa sorgte angesichts der großen Bedeutung der anstehenden Wahl nicht nur in den USA für Aufregung. Die auflagenstärkste Zeitung Iowas, Des Moines Register beauftragte das renommierte Umfrageinstitut Selzer & Co. mit einer Umfrage für Iowa. Ein Bundesstaat in dem die Siegchancen Donald Trumps als ziemlich wahrscheinlich eingestuft werden, 2016 gewann er mit 9,5 % und 2020 mit 8,2 % Vorsprung. Diese Umfrage wies nun aber einen 3% - Vorsprung für Kamala Harris aus, was die Fehlertoleranz berücksichtigend bedeutet, dass das Rennen alles andere als wahrscheinlich gelaufen ist. Demnach kommt Harris auf 47% (4 Punkte besser als im September) und Trump auf 44% (3 Punkte schwächer als im September).

Objektiv gibt es keine Zweifel an der Seriosität von Umfragen des Des Moines Register bzw. Selzer & Co. Ein wenig unklar ist aber, wie sich der Umstand ausgewirkt hat, das Selzer & Co. auch Menschen befragt hat, die schon gewählt haben. Gut 550.000 Einwohnende Iowas haben bereits per Briefwahl abgestimmt. Einerseits könnte dieser Umstand das Ergebnis leicht zugunsten der Demokraten beeinflusst haben, da sie in der Regel etwas stärker am Early Voting teilnehmen, andererseits kann dies aber auch ein Beleg dafür sein, dass die Demokraten einfach mehr Zuspruch als angenommen haben. Grundsätzlich sollte Selzer & Co. aber in der Lage sein, diese Umstände sauber in ihrer Meinungserhebung abzubilden.
Interessant ist zudem, dass Harris Zuspruch insbesondere auch auf der Unterstützung unabhängiger Frauen basiert (57 % Harris zu 29 % Trump).

Umfragen in Iowa zeigen kein einheitliches Bild


Zum Gesamtbild gehört aber auch, dass für Iowa am selben Tag eine Umfrage des Emerson College veröffentlicht wurde. Diese nicht weniger seriöse Quelle wurde von RealClearDefense beauftragt, die zum eher national-konservativen Real Clear Politics Netzwerk gehören. Diese Umfrage sieht Donald Trump 9 % vor Kamala Harris.

In beiden Umfragen wurden etwa 800 Menschen befragt, die Fehlertoleranz liegt jeweils bei ca. 3,5 %.

Diese Umfragen zeigen also ein doch eher widersprüchliches Bild. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit trägt vermutlich nochmal zur Verunsicherung bei. 2020 wurde für Iowa ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trump und Biden laut Umfragen prognostiziert. Weniger als 1% Vorsprung hatte Trump in den durchschnittlichen Meinungserhebungen. Joe Biden war daher ein paar Tage vor der Wahl sogar noch selbst in Iowa zum Wahlkampf. Am Ende siegte Trump mit 8,2 % Vorsprung. Interessant dabei ist, dass Selzer, die heute Harris knapp vorne sehen, Trump 2020 in ihrer letzten Umfrage 7% vorne sahen, also ziemlich genau den Abstand getroffen hatten. Emerson, die nun Trump deutlich vorne sehen, hatten 2020 in ihrer letzten Umfrage nur einen 1% Vorsprung für den Republikaner erhoben und lagen damit 7 Prozentpunkte daneben.

Leider gibt es in diesem Jahr nicht wesentlich mehr Umfragen für Iowa, weil der Bundesstaat deutlich aus dem Fokus geraten ist. Cygnal hatte Ende September noch eine Meinungserhebung veröffentlicht, die Trump 6% vorne sah. Auftraggeber war hier eine den Republikanern nahestehende Stiftung.
UPDATE, 04.11., 10:45 Uhr: Eine weitere Umfrage wurde heute Morgen von SoCal Strategies veröffentlicht. Diese sieht Trump 8 % vor Harris, bei 435 Befragten. Auch diese Umfrage wurde von republikanischer Seite aus mitfinanziert.

Kann Iowa als offen eingestuft werden? 


Im Durchschnitt dieser drei Umfragen liegt Trump also 4% vor Harris (UPDATE: Neueste Umfrage noch nicht eingerechnet). Dies ist gerade der Grenzwert, wann ich einen Bundesstaat als offen einstufe oder eben doch bereits einer der beiden Parteien zurechne. Bei Präsidentschaftswahlen liegen die Umfragen durchschnittlich 3-4 % neben den tatsächlichen Ergebnissen.
Anders aber als etwa in New Mexico, Virginia, Minnesota und New Hampshire, wo Harris 4-6 % vor Trump gesehen wird oder Florida, Texas und Ohio, wo Trump mit Abständen knapp über 6% führt, zeigt sich in Iowa eben ein widersprüchliches und nicht tendenzielles Bild. In all den anderen eben genannten Bundesstaaten gibt es eine Vielzahl von Umfragen, die fast allesamt ein ähnliches Bild aufweisen. In Florida z. B. liegt Trump 6,2% vor Harris, weil es 12 Umfragen gibt, die den Republikaner zwischen 4 und 10 % vorne sehen. In New Hampshire ist es zwar etwas uneindeutiger und knapper, hier gibt es 7 Umfragen mit einem Vorsprung von 0-7 % für Harris, keine einzige aber im positiven Bereich für Trump. Im Schnitt liegt Harris hier also 4 % vorne, ebenso wie Trump in Iowa.

Am Ende zeigt das Beispiel Iowa sehr gut, dass es natürlich auch zu Überraschungen kommen kann. Insbesondere kurz vor dem Wahltag liegen die Nerven blank. Beide Seiten interpretieren in alle Entwicklungen etwas hinein, manchmal liegen sie richtig, manchmal war es nur heiße Luft. Wenn Bundesstaaten nicht mehr im Fokus der Kandidaten liegen, gibt es dort natürlich auch nur einen reduzierten Wahlkampf und kaum Umfragen, die evtl. die Wahlkampfteams rechtzeitig auf unvorhergesehene Entwicklungen aufmerksam machen. In wenigen Tagen werden wir mehr wissen. Iowa hat es jedenfalls geschafft, in der Wahlnacht von Beginn mit großer Aufmerksamkeit beobachtet zu werden, ganz gleich ob es vorher als offen oder doch für Trump eingestuft wurde.

Trump weitet seinen Wahlkampf auf New Mexico und Virginia aus


Evtl. sind diese Überlegungen auch ein Grund, weshalb Donald Trump auf der Zielgeraden des Wahlkampfs nicht nur in den Swing States unterwegs ist. 

Donald Trump wählte neben den Battleground States mit New Mexico und Virginia auch noch weitere Bundesstaaten, die eher den Demokraten zugeordnet werden, aber bei sehr starkem Ergebnis der Republikaner auch für sie in Reichweite kommen können, so zumindest die Hoffnung aus dem Trump-Lager. Die Republikaner sehen also entweder die Chance oder das Erfordernis in diesen Bundesstaaten entgegen der Umfragen doch noch punkten zu können. Entweder haben ihre internen Umfragen entsprechende Optionen aufgezeigt oder sie hoffen, Niederlagen in den Battleground States dadurch teilweise ausgleichen zu können. Eine Absicherung etwa in Iowa, Texas, Florida oder Ohio wird dagegen als nicht erforderlich angesehen. Lediglich JD Vance war zweimal in Texas unterwegs.
In New Mexico und Virginia zeigen die Umfragen einen 5-6 % Vorsprung für Kamala Harris.

Dies waren die letzten Auftritte des Ex-Präsidenten:

Donnerstag: New Mexico, Albuquerque und Nevada, Henderson
Freitag: Michigan, Warren und Wisconsin, Milwaukee
Samstag: North Carolina, Gastonia und Greensboro sowie Virginia, Salem
Sonntag: Pennsylvania, Lancaster County, North Carolina, Kinston und Georgia, Macon

Am Montag wird Donald Trump nochmal zu vier Besuchen in drei Bundesstaaten erwartet. Er startet voraussichtlich in Raleigh, North Carolina, reist dann am Nachmittag weiter nach Pennsylvania zu zwei Auftritten in Reading und Pittsburgh. Sein Wahlkampfabschluss wird dann in Michigan, Grand Rapids sein.

Harris setzt ausschließlich auf die Swing States


Seit Donnerstag las sich die Reiseplanung von Kamala Harris wie eine Wahlkampf-Abschiedstour durch die seit Jahresbeginn in Rede stehenden Battleground States. Je dichter der Wahltermin rückte, desto wichtiger der Bundesstaat, den sie besuchte.

Dies waren die letzten Auftritte der Vizepräsidentin:

Donnerstag: Arizona, Phoenix und Nevada, Las Vegas und Reno
Freitag: Wisconsin, Milwaukee und Appleton
Samstag: Georgia, Atlanta und North Carolina, Charlotte
Sonntag: Michigan, Detroit und East Lansing

Am Montag setzt sie im Wahlkampffinale natürlich auf Pennsylvania. Nach einem Auftritt in Pittsburgh folgt der große Abschluss in Philadelphia. Erneut wird Harris nicht nur von der Parteiprominenz und Oprah Winfrey begleitet, sondern auch von Stars aus der Musikszene, wie Lady Gaga, Katy Perry, The Roots oder Ricky Martin.


Letzte Vorschau am Montag


Am Montag Abend aktualisiere ich letztmalig die Umfragen und gebe eine finale Vorschau auf die einzelnen Bundesstaaten. Ein kurzer Blick auf die Wahlen zum US-Senat und US-Repräsentantenhaus wird ebenfalls enthalten sein.

Der Liveblog zur Wahl mit allen wichtigen Ergebnissen, Entwicklungen und Einschätzungen folgt dann ab Dienstag und steht Euch solange zur Verfügung, bis klar sein wird, wer gewonnen hat.
Wann gesagt werden kann, ob Harris oder Trump gewonnen hat und wer die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus haben wird, kann noch nicht prognostiziert werden. Ich gehe davon aus, dass das Ergebnis der Präsidentschaftswahl bei klarem Ausgang nicht vor Mittwoch Morgen und bei engem Ausgang erst am Donnerstag oder Freitag vorliegen wird.

4 Kommentare:

  1. Hallo Thomas, hallo zusammen,

    wie ist denn die "2024 Iowa Youth Straw Poll" zu werten?
    Dort haben unter ca. 18.000 Teilnehmern 61,6 % für Trump und 31,5 % für Harris gestimmt. Und verglichen mit den Umfragen zu den vorherigen Wahlen scheint unter der Jugend Iowa's ein deutlicher Trend hin zu Trump bzw. den Republikanern erkennbar zu sein. Allerdings könnten auch Zweifel angebracht sein, wie repräsentativ diese "Wahl" für die Jungwähler in Iowa ist. Eure Meinungen dazu würden mich sehr interessieren.
    Anbei der Link: https://sos.iowa.gov/youth/poll/results.aspx

    Des Weiteren möchte ich Thomas für seine neutrale und sachliche Vorgehensweise danken, die diesen Blog so einzigartig und wertvoll in der deutschen Medienlandschaft macht.

    Vielen Dank

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  2. Hallo Tom,
    Danke für den Link und den Hinweis auf die IYSP.

    Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, auch nicht zwingend für die Zielgruppe. Für die morgen anstehende Wahl sind ohnehin nur Personen wahlberechtigt, die über 18 Jahre alt sind (und noch weitere Bedingungen erfüllen). Die IYSP ist eher dafür gedacht, Jugendliche an das Thema Wahlen heranzuführen, sie mit den Kandidaten und den Prozessen vertraut zu machen. Das Ergebnis bzw. der Organisator hat auch gar nicht den Anspruch, in irgendeiner Weise repräsentativ zu sein. Insofern ist das Ergebnis auch nicht vergleichbar mit den klassischen Umfragen. Die IYSP ist vergleichbar mit einer offenen Abfrage unter einem mehr oder weniger bestimmten Teilnehmerkreis ohne Berücksichtigung auf die Anteile der Teilnehmenden. Es hängt dann vom Zufall ab, wie dann unter den Teilnehmenden mobilisiert oder beeinflusst wird.

    Dennoch fallen zwei Punkte sofort ins Auge. Offenbar ist unter den Jugendlichen Iowas die Begeisterung und Mobilisierungsfähigkeit für Trump höher. Wobei hier auch nicht klar ist, welche Schulen z. B. organisiert daran teilgenommen haben. Wenn überwiegend Teilnehmende aus dem ländlichen Bereich abgestimmt haben und weniger aus Des Moines oder Cedar Rapids ist das Ergebnis auch logisch und folgerichtig. Der zweite Punkt, der auffällt, ist die geringe Beteiligung. 2020 haben mit 41.275 deutlich mehr Jugendliche an der "Wahl" teilgenommen als dieses Jahr (18.149).

    Viele Grüße, Thomas

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  3. Iowa hin oder her, morgen wird sich zeigen wer vorn liegt und gewinnt! Dieser ganze Augurenquatsh führt zu nichts und macht nur die Leute blöd, aber das ist wohl gewollt.

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  4. Hallo Thomas
    Wollte mich an dieser Stelle mal bei dir bedanken für den tollen Blog seit Jahren. Bin seit 5 Jahren dabei und ist für mich die absolut beste Quelle zur Information über die Wahl(en). Immer sehr objektiv und mit gut begründeten Argumenten und Annahmen :)

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