Sonntag, 7. Februar 2016

Christies Hartnäckigkeit in TV-Debatte könnte zum negativen Schlüsselmoment für Rubio werden

Ob das Aufbegehren der gemäßigten Gouverneure Christie, Kasich und Bush zu spät kommt? In der letzten TV-Debatte vor dem New Hampshire Primary hatten sie einen guten Abend. Die von ABC übertragene Debatte aus Manchester, New Hampshire verlief doch etwas anders, als es viele erwartet hatten. Zwar konnte man damit rechnen, dass die Republikaner den aufstrebenden Marco Rubio ins Visier nehmen würden, aber die Angriffe kamen nicht vom Spitzenduo Trump/Cruz. Es war insbesondere Chris Christie, der den Aufstand der Gouverneure anführte.

Rubio strauchelt nach Christie-Attacke


Governor of New Jersey Chris Christie at Southern Republican Leadership Conference (SRLC), Oklahoma City, OK May 2015 by Michael Vadon 130
Chris Christie
Dem Gouverneur aus New Jersey gelang es, den sonst so eloquenten und gut vorbereiteten Marco Rubio bloßzustellen. Den Fehler beging aber Rubio selbst. Er zählte allgemein die Versäumnisse der Obama-Regierung auf und zielte darauf ab, dass der US-Präsident das Land bewusst in eines wie jedes andere auf der Welt verwandeln wolle.
Dann war es zunächst das bekannte Christie-Motto - Gouverneure entscheiden, Senatoren reden nur – das den Auftakt des Konflikts darstellte. Christie sagte, er müsse sich jeden Tag überlegen, welche Entscheidungen er treffen muss, um konkrete Probleme zu lösen. Als Senator müsse man lediglich überlegen, welche Rede man halten wolle. Die Antworten Rubios würden kein einziges Problem für Niemanden lösen. Rubio tappte in die Falle. Er wiederholte ziemlich genau seine Sätze aus seinem vorigen Statement und gab Christie damit eine Steilvorlage. Christie kritisierte, dass diese Art Rubios genau das ausmache, wofür das politische Washington stehe. Immer die gleiche auswendig gelernte 25-Sekunden-Rede zu halten, sei nichts, was irgendein Problem löse. Rubio sei nicht darauf vorbereitet US-Präsident werden zu können. Und der Senator aus Florida verschlimmerte seine Situation immer weiter, indem er tatsächlich ein drittes Mal die eigenen Sätze vortrug und beim vierten Ansetzen das Publikum sogar anfing, ihn auszubuhen.
Welch ein fürchterlicher Auftakt für den aufstrebenden Rubio, auf den in diesen Tagen alle blicken. Es dauerte einige Zeit, bis Rubio in der zweiten Hälfte des Abends langsam wieder zur bekannten Debattenstärke zurückfand. Zum Ende hin konnte Rubio beim Publikum wieder punkten, als er die Demokraten, insbesondere Hillary Clinton angriff. Sie würde für eine radikale Position pro Abtreibung stehen. Niemand hätte das in den Medien bislang thematisiert. Der Abtreibungsgegner Rubio wolle die frühere First Lady bei diesem Thema zur Rede stellen. Bush und Christie führten dazu aus, dass sie zwar auch grundsätzlich gegen das Recht auf Abtreibung seien, in Ausnahmefällen aber der Frau das Recht der Entscheidung zugestehen würden. Bush nannte hier Fälle der Vergewaltigung, Inzest oder eine schwere gesundheitliche Gefährdung der Mutter.

Kasich umwirbt eindrucksvoll Wechselwähler und Unentschlossene


Governor of Ohio John Kasich at New Hampshire Education Summit The Seventy-Four August 19th, 2015 by Michael Vadon 08
John Kasich
Inwieweit Chris Christie an diesem Abend von seinem Duell mit Rubio profitieren würde oder es ihm lediglich gelungen ist, Rubio zu schaden, bleibt abzuwarten. Denn auch John Kasich schien den richtigen Ton und Inhalt gefunden zu haben. Er hob seine Ansicht konservativer Politik hervor und appellierte dabei, dass konservativ auch bedeute, wirtschaftlich schwachen Menschen zu helfen. Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und der entsprechenden Folgen für Familien müssten im Zentrum konservativer Politik stehen.
Zudem stehe er dafür, auch auf den politischen Gegner zuzugehen. Republikaner und Demokraten müssten bei allen Unterschieden auch zusammenarbeiten können. Das Land und nicht die Partei habe im Vordergrund zu stehen.
John Kasich zeigte sich auch beim Thema Migration pragmatisch. Die Grenzen müssten gesichert und die Einreise kontrolliert werden.  Der z. B. von Trump geforderten Deportation von 11,5 Mio. illegalen Einwanderern erteilte Kasich eine klare Absage. Sofern die Illegalen sonst keine Straftaten begangen haben, müsse es einen Weg für sie geben, einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen. Er könne sich nicht vorstellen, wie die USA die Eltern aus einem Haus herausholen wollten und das Kind dabei zurückließen.

Trump nimmt die Rolle des Spitzenreiters an


Donald Trump by Gage Skidmore 2
Donald Trump
Donald Trump konzentrierte sich weitgehend auf sich selbst. Zwar blieb er in vielen Fragen wieder sehr vage und beschränkte sich auf plakative eingängige Äußerungen, aber er vermied so auch, dass er sich mit zu vielen Rechtfertigungen aufhalten musste. Er wusste um seine Spitzenposition in den Umfragen in New Hampshire und nahm es dankend an, dass seine ärgsten Konkurrenten Cruz und Rubio zu viel Zeit für sich benötigten, ohne Trump direkt anzugreifen. Zu Beginn der Debatte beantwortete er die Frage, ob sein Temperament für einen Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte geeignet sei. Trump verwies darauf, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Republikanern ein Gegner des Irak-Kriegs gewesen sei. Er hätte damals schon gesagt, dass dieser Krieg die Region destabilisieren würde. Er sei also nicht derjenige am Abzug, andere seien da wesentlich schneller bei der Sache.
Ted Cruz wurde durch den Moderator dazu befragt, weshalb er der Auffassung sei, Trump sei nicht der richtige Oberbefehlshaber für das Militär der USA. Nachdem Cruz hierauf wiederholt nicht konkret einging, nutzte Trump die Gelegenheit, um herauszustellen, dass Cruz nicht in der Lage sei, die Frage zu beantworten.
Jeb Bush at CPAC 2015, National Harbor, MD 08
Jeb Bush
Auch im weiteren Verlauf der Debatte streute Trump immer wieder seine Positionen ein, ohne dass sie von seinen Konkurrenten intensiver in Frage gestellt wurden. Lediglich einmal kam es zu einem hitzigen Wortgefecht mit Jeb Bush. Es ging um die Frage, ob das Mittel der staatlichen Enteignung zum Zwecke des Baus einer Ölpipeline in New Hampshire gerechtfertigt sei. Trump befürwortete dies und verwies darauf, dass die betroffenen Personen meist eine sehr lukrative Entschädigung bekämen. Außerdem würde es in den USA kaum Straßen, Brücken, Krankenhäuser und Schulen geben, würden die Behörden nicht vom Instrument der Enteignung Gebrauch machen dürfen. Jeb Bush ging dann aber ins Detail und warf Trump vor, dass es nicht um öffentliche Belange gehe, sondern auch um Fälle, in denen Trump z. B. einer älteren Dame in Atlantic City das Eigentum mittels Enteignungsrecht abgekauft hätte, um das Areal für seine Casinos zu nutzen. Trump entgegnete Bush und fragte ihn, ob er der Auffassung sei, dass der Bau der Ölpipeline Keystone einen öffentlichen oder privaten bzw. unternehmerischen Charakter habe. Ohne Enteignung wäre die Pipeline nämlich kaum über ein paar Meter hinaus gebaut worden. Bush antwortete, dass die Pipeline im öffentlichen Interesse sei, Trump bezweifelte dies, wohl wissend, dass sowohl diverse Unternehmen davon profitierten aber auch zahlreiche Arbeitsplätze dadurch entstanden sind.
Zur Arbeitsmarktpolitik sagte Trump zudem, dass er die Jobs aus China, Japan und Mexiko wieder zurück in die USA holen wolle und bezeichnete das Freihandelsabkommen TPP zwischen den USA und weiteren Pazifikstaaten als Desaster für Amerika.

Aktueller Raketentest Nordkoreas wird zum Prüfstein für Kandidaten


Kurz vor Beginn der Debatte, wurden Meldungen veröffentlicht, nach denen Nordkorea eine Langstreckenrakete getestet habe. Mit diesem aktuellen Umstand wurden die Kandidaten konfrontiert und gefragt, wie sie als Präsident in einer solchen Situation reagieren würden.
Ted Cruz antworte zunächst ausweichend und allgemein. Auf Nachfrage, ob er mittels des US-Militärs die Rakete zerstört hätte, sagte er dann, dass er ohne geheimdienstliche Informationen keine Entscheidung treffen werde. Solche Informationen lägen ihm natürlich jetzt nicht vor. Eine konkrete Antwort blieb er dem Publikum schuldig. Was auf den ersten Blick als Kneifen aussehen könnte, dürfte aber von nicht wenigen Zuschauern als besonnene Reaktion aufgefasst worden sein. Eine schnelle Reaktion aufgrund eines Medienberichts wäre wohl kein kluger Schritt in dieser Situation gewesen. Cruz hob aber noch hervor, dass solche Situationen vermieden werden könnten. Wenn Staaten erstmal eine Atombombe und entsprechende Technik zum Einsatz der Waffe hätten, würde dies den Handlungsspielraum der USA sehr einschränken. Aus diesem Grund sei er auch ein scharfer Gegner des Atomdeals mit dem Iran, dem er nicht traue.
Donald Trump sieht in dieser Frage China in der Pflicht. Sie hätten die volle Kontrolle über Nordkorea und müssten selbst intervenieren, um das Problem zu lösen. Dies sei nicht primäre Angelegenheit der USA.
Für Schlagzeilen, in deutschen Medien mehr als in den USA, sorgte dann noch die Diskussion um das Waterboarding. Ted Cruz sagte, dass es juristisch gesehen keine Folter sei. Er sei dafür, Waterboarding in Ausnahmefällen anwenden zu lassen. Im Falle terroristischer Bedrohungen müsse diese Verhörmethode auch erlaubt sein. Eine routinemäßige und flächendeckende Anwendung strebe er jedoch nicht an. Donald Trump dagegen, wolle nicht nur das Waterboarding wieder einführen, sondern noch weit schlimmere Dinge, führte aber nicht aus, was er dabei konkret im Sinn hat.
Marco Rubio und Jeb Bush hoben hervor, dass das Gefangenenlager Guantanamo wieder intensiver genutzt werden müsse.
Im Falle möglicher Geiselnahmen warnte Chris Christie davor, Lösegelder an Terroristen und Geiselnehmer zu zahlen. Dies würde nur die Motivation erhöhen, weitere Amerikaner als Geiseln gefangen zu nehmen.

ObamaCare ist weiterhin ein rotes Tuch bei den Republikanern


Ted Cruz by Gage Skidmore 6
Ted Cruz
Wie schon in der letzten Debatte stellte Ted Cruz seinen Plan zur künftigen Gesundheitsversorgung vor. Er werde jedes Wort von ObamaCare zurücknehmen und stattdessen den Amerikanern erlauben, landesweit Versicherungsleistungen erwerben zu können. Die Health Saving Accounts sollten gestärkt werden und Versicherungen auch bei Jobverlust oder Arbeitsplatzwechsel beibehalten werden können.
Auch Donald Trump wolle die Health Saving Accounts ausweiten und plädierte für mehr Wettbewerb der freien Marktwirtschaft. Aktuell würden insbesondere nur die Versicherungsunternehmen von ObamaCare profitieren. Er wolle es aber als Republikaner nicht zulassen, dass Menschen auf der Straße sterben würden und mit seinem Konzept zur Gesundheitsversorgung dem entgegenwirken. Konkret wurde er dabei jedoch nicht.

Carson ringt Cruz nochmals öffentlich eine Entschuldigung ab


Ben Carson by Gage Skidmore 6a
Ben Carson
Ben Carson wurde gefragt, was er vom Verhalten Ted CruzWahlkampfteams hält, als diese kurz vor Beginn des Iowa Caucus verbreitethatten, Carson würde aus dem Präsidentschaftsrennen aussteigen. Carson sagte, dass er im Sinne Ronald Reagans nicht über andere Republikaner herfallen werde. Dennoch sei er über das Verhalten des Wahlkampfteams seines Konkurrenten sehr enttäuscht gewesen und fragte, wie sie ernsthaft darauf kämen, dass er wenige Minuten vor dem ersten Caucus plötzlich einen Rückzieher machen wollte. Dies wäre doch angesichts der vielen Unterstützer, die ihn monatelang begleitet und für ihn geworben hatten, völlig undenkbar. Carson nutzte dann auch die Gelegenheit um einen Seitenhieb auf die Ethik des politischen Washingtons zu setzen. Demnach sei wohl in Washington für einen Sieg alles ok, sofern es auch legal ist.
Ted Cruz entschuldigte sich auf der Bühne bei Ben Carson und schilderte dann nochmal seine Sicht des Ablaufs der Ereignisse. Der Sender CNN, auf den sich Cruz dabei berief, warf ihm jedoch vor, zu lügen.

Fazit

US Senator of Florida Marco Rubio 02
Marco Rubio
Die TV-Debatte kann als ein letztes Aufbäumen der Gouverneure angesehen werden. Dabei haben sie sich kaum anders verhalten als sonst. Einzig Rubios schwerer Patzer, den Christie sehr gut auszunutzen wusste, prägte dann den Gesamteindruck dieser Debatte. In jedem Wahlkampf gibt es Schlüsselmomente, die den weiteren Verlauf entscheidend beeinflussen können. Ein solcher Moment könnte sich gestern Abend für Rubio ereignet haben. Gerade in einer Phase des Aufschwungs, in der er sich aufmachte und mit dem New Hampshire Primary ein deutliches Zeichen in Richtung der gemäßigten Kandidaten setzen wollte, ist sein Straucheln natürlich Gift. Christie führte den Zuschauern mit seinen hartnäckigen Nachfragen vor Augen, dass Rubio in diesem Augenblick völlig neben sich stand und nicht in der Lage war, adäquat mit der Situation umzugehen.
Profiteur davon war auch Donald Trump. Er brauchte nicht die Aufgabe übernehmen, Rubio oder Cruz anzugreifen und brauchte sich auch nicht gegen die ausgebliebenen Angriffe der beiden Verfolger erwehren. Ted Cruz agierte etwas zurückhaltender als in den vorigen Debatten, was jedoch angesichts der Konflikte zwischen Christie und Rubio oder Bush und Trump als angenehme Abwechslung empfunden worden sein könnte.




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