Mittwoch, 5. Oktober 2016

Hitziges Rededuell zwischen Vizepräsidentschaftskandidaten - Trump/Pence vor dem Duell unter Druck

Die Ausgangslage


In dieser Nacht standen sich die beiden Kandidaten um das Amt des Vizepräsidenten der USA, Tim Kaine und Mike Pence, beim ersten und einzigen Rededuell der Running Mates gegenüber. Nach dem hitzigen Vorwahlkampf und der weiter zunehmenden Polarisierung zwischen Clinton und Trump erwarteten viele Beobachter eine eher ruhige Debatte.
Der Fokus lag aber sicherlich auf Mike Pence. Sein Präsidentschaftskandidat geriet innerhalb einer Woche massiv unter Druck.

TV-Debatte, Steuerdiskussion, sinkende Umfragewerte: Trump unter Druck


Donald Trump konnte bei der ersten Präsidentschaftsdebatte keineswegs Boden gut machen. Zudem kam die öffentliche Berichterstattung über seine finanzielle Lage Mitte der 90er Jahre und die damit offensichtlich vermiedenen Steuerzahlungen zur Unzeit. Zwar scheint nach ersten Eindrücken rechtlich alles in Ordnung zu sein, aber ein Präsidentschaftskandidat muss auch auf die subjektive Wirkung solcher Meldungen achten. Insbesondere bei der republikanischen Basis könnten solche Entwicklungen nicht gut ankommen. Trump macht das Beste daraus und rühmt sich damit, wie clever er die geltenden gesetzlichen Regelungen zu seinen Gunsten ausgenutzt habe.
Diese Rechnung wird gewiss auch bei Teilen seiner Wählerschaft aufgehen. Jene, die sich weit vom politischen System entfernt haben und begeistert sind, dass mit Trump nun jemand daherkommt, der das politische Establishment provoziert und herausfordert.
Aber das allein wird nicht reichen. Über Sieg oder Niederlage werden auch die Republikaner und unabhängigen Wechselwähler entscheiden, die sich bislang noch nicht mit Trump anfreunden konnten oder gar verschreckt sind.
Die Umfragewerte haben sich seit der letzten TV-Debatte eher wieder in Richtung Hillary Clintons bewegt. In Pennsylvania liegt sie nun wieder komfortabel vorn und auch in North Carolina und Nevada hat Trump keine Führung mehr.

Auf Mike Pence ruhen an diesem Abend die Hoffnungen der Grand Old Party


Mike Pence
Mike Pence - by Gage Skidmore

Im US-Wahlkampf kann viel passieren, schnell und unerwartet. Und es sind noch ausreichend Wochen Zeit. Aber Donald Trump muss nun langsam das Ruder herumreißen, will er zumindest mit einem offenen Wahlausgang in den Dienstag, 08.11.2016, starten.
Aus diesem Grund ist der Auftritt der beiden Running Mates schon von nicht unerheblicher Bedeutung gewesen. Mike Pence hat die Aufgabe, eben jene Lücke zwischen Trump und einigen Republikanern inhaltlich zu schließen. Pence muss die besorgte und teils frustrierte Parteibasis beruhigen und gleichzeitig motivieren, die Demokratin Clinton im Weißen Haus zu verhindern.
Tim Kaines Aufgabe in diesen Tagen und bei diesem Duell ist es, Pence möglichst wenig Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, um den angestrebten Effekt der Republikaner gering zu halten. Das heißt konkret, Trump angreifen und Pence dadurch in die Verteidigungshaltung bringen. Darüber hinaus muss Kaines Ziel sein, Unentschlossene und verunsicherte Republikaner zu gewinnen, denen lediglich die Vorstellung einer Präsidentin Clinton ein Dorn im Auge ist, sonst aber sich weitgehend von Trump distanzieren. Dafür muss Kaine moderat und sachlich bestimmt, aber auch zwischen den beiden großen politischen Lager vermittelnd auftreten. 

Das Duell Kaine vs Pence


Die Debatte zwischen Kaine und Pence verlief weit lebhafter als angenommen. Beide scheuten nicht vor gegenseitigen Angriffen zurück. Man merkte aber auch, dass beide erfahrenen Politiker sich mit Respekt begegneten. Dabei traten sie praktisch als Anwälte ihrer Spitzenkandidaten auf. Sie verkauften und verteidigten hauptsächlich die politischen Ansichten und Pläne Clintons und Trumps.

Beide Running Mates diskutierten teils sachlich, teils aber auch polemisch. Immer wieder heizte Kaine die Steuerdiskussion um Donald Trump an. Dabei warf er ihm vor, dass Trump nicht wie versprochen seine Steuererklärung veröffentlicht. Außerdem habe er über viele Jahre keine Steuern gezahlt. Dieses Geld fehle z. B. in der Bildungspolitik oder für Veteranen. Hillary Clinton sei Anwältin für Bürgerrechte gewesen und stets im Dienst des Landes gestanden. Donald Trump dagegen habe sich persönlich am "kleinen Mann" bereichert und die Arbeiter in seinen Unternehmen in die Tasche gegriffen.
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Tim Kaine
Mike Pence konterte seinerseits mit Angriffen auf Clintons vermeintliche Verfehlungen und führte dabei die Zahlungen an die Clinton Foundation und in E-Mail-Affäre an. Zudem erklärte er, dass man einen Unterschied zwischen einem Politiker und dem Geschäftsmann Trump machen müsse. Trump habe gut gehandelt und sein Unternehmen erfolgreich durch eine Krise geführt.

Durch die gesamte Debatte zog sich immer wieder ein Muster. Kaine griff Trump persönlich an und Pence war aufgefordert darauf zu reagieren. Der Republikaner entschied sich dann je nach Thema, den Angriff abzuwehren oder aber direkt zum Gegenangriff auf Clinton überzugehen. Dabei blieb Pence insgesamt etwas gelassener als Kaine, der für meinen Geschmack an manchen Stellen etwas übertrieben hat. So waren die Übergänge von Außenpolitik zu Trumps Steuern manchmal etwas sehr plump. Aber Kaine erfüllte damit genau seine Rolle.



Streit über Außen- und Einwanderungspolitik.


Inhaltlich ging es im Wesentlichen um die Außenpolitik der USA, den Kampf gegen den Terrorismus, die innere Sicherheit, Einwanderung und die wirtschaftliche Situation des Landes. Dabei vertraten sie die bekannten und schon häufig diskutierten Positionen. 

Mike Pence warf Hillary Clinton vor, zusammen mit Barack Obama eine Politik der Destabilisierung im Nahen Osten verantworten zu müssen. Der Truppenabzug aus dem Irak habe zur Entstehung und zum Erstarken des IS geführt. Es zerreiße ihm das Herz, wenn er sehe, dass so viele US-Bürger ihr Leben im Irak umsonst verloren hätten. Zudem hätten Clinton und Obama die Position der USA weltweit geschwächt. Clintons Versuch des "Reset" der Beziehungen zu Russland sei gescheitert und habe nur dazu geführt, dass Putins Einfluss in Syrien gewachsen sei und auch die Besetzung der Krim in der Ukraine zur Folge hatte.
Tim Kaine kritisierte, dass Trump keinen Plan zur Bekämpfung des IS hätte. Stattdessen wolle er die Mitgliedschaft und den Sinn der NATO in Frage stellen. Clinton habe bewiesen, dass sie internationale Verhandlungen führe könne und nannte dabei den Atom-Deal mit dem Iran.
Kaine griff Trump zudem scharf an, dass er Flüchtlinge wegen ihrer Herkunft oder Religion ablehnen wolle. Clinton und er selbst würden eine solche Entscheidung aufgrund einer überprüften Gefahrenanalyse vornehmen.

Ebenfalls kontrovers ging es beim Thema Einwanderung zu. Mike Pence stellte fest, dass Trumps Plan die illegale Einwanderung beenden werde. Erst würden die Grenzen gesichert und danach kriminelle Ausländer abgeschoben.
Kaine hielt dagegen, dass die USA auf ihre Stärke als Einwanderungsland blicken sollten. Massenabschiebungen seien nicht die Lösung, es müsse, wo möglich, ein Weg in die Legalität gefunden werden.


Polizeigewalt und Rassismus


Innenpolitisch hob der Demokrat hervor, dass das Verhältnis von Polizei zur Bevölkerung verbessert werden müsse. Eine Militarisierung der Polizei und mehr grundlose Kontrollen würden nicht dazu beitragen. Er verteidige das Recht auf Waffenbesitz, aber es müssten bessere Hintergrundchecks ermöglicht werden. Zudem kritisierte Kaine, dass Latein- und Afroamerikaner tendenziell höher bestraft würden als Weiße.
Mike Pence griff die Debatte der vergangenen Monate auf und kritisierte, dass Verfehlungen einzelner Polizisten nicht zu einer generellen Verurteilung der Polizeiarbeit führen dürften. Kaine erwiderte, dass doch die Leute keine Angst haben sollten, Probleme mit Rassismus auszusprechen und zu diskutieren.


Wirtschaft und Frauenrechte


Kaine machte deutlich, dass der wirtschaftspolitische Ansatz z. B. in Investitionen in die Infrastruktur und saubere Energien bestehe. Pence dagegen wolle mit Steuersenkungen die Wirtschaft ankurbeln und die Kohleindustrie stärken.

Während an vielen Stellen die Positionen Trumps und Clintons dargestellt wurden, bot sich den beiden Vizekandidaten zum Ende der Debatte nochmal die Gelegenheit auch persönliche Akzente zu setzen, als sie über ihre Religion und ihre Einstellung zu Themen wie Todesstrafe oder Abtreibung sprachen. Mike Pence sprach sich eindeutig gegen Abtreibungen aus und brachte eine Stärkung von Adoptionen in die Diskussion ein. Tim Kaine lehne Abtreibungen persönlich ab, stehe aber ein, für das Recht einer Frau, selbst über ihre Schwangerschaft entscheiden zu dürfen. 

Fazit


Beide politischen Lager können mit den Auftritten der Vizekandidaten zufrieden sein. Tim Kaine war angriffslustiger und erfüllte damit genau seine Aufgabe. Dabei überzog er ohne Not an der ein oder anderen Stelle. Ein mal weniger die Steuererklärung Trumps zu erwähnen, hätte sicher auch nicht geschadet. Auch die Behauptung, Trump würde die Köpfe von Diktatoren wie Putin, Gaddafi und Hussein gerne am Mount Rushmore sehen, entsprach nicht Kaines grundsätzlichem Niveau.
Mike Pence hat die Debatte insgesamt souverän herunter moderiert. Er blieb in den meisten Situationen betont gelassen und ließ sich durch Kaine kaum einmal aus der Reserve locken. Inhaltlich haben beide Kandidaten keine Fehler begangen, waren gut vorbereitet und haben eindeutig die eigene Wählerschaft bedient. Während Pence aus meiner Sicht eine bessere Performance ablieferte, verstand es Kaine etwas besser, den Zusammenhalt des Landes emotional in den Vordergrund zu stellen. Insgesamt sehe ich einen leichten Vorsprung von Mike Pence im direkten Vergleich zu Kaine. Geht es aber explizit um die Frage, ob Clinton oder Trump besser durch ihre Vizekandidaten vertreten und verteidigt wurden, sehe ich schon Vorteile bei den Demokraten, da Pence zwar souverän auftrat, einigen offenen oder kritischen Fragen zu seinem Spitzenkandidaten jedoch auswich.

In der Nacht von Sonntag auf Montag sind dann Hillary Clinton und Donald Trump wieder selbst an der Reihe. In der zweiten Präsidentschaftsdebatte wird es dann darum gehen, die Effekte der ersten TV-Debatte und dem heutigen Duell ihrer Running Mates zu bestärken oder umzukehren. 

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