Freitag, 14. Oktober 2016

Noch 25 Tage bis zur Wahl - Aktuelle Lage und Zahlenspiele

Der Wahlkampf zur US-Präsidentschaftswahl erreicht so langsam die Zielgerade. Noch ein letztes TV-Duell zwischen Clinton und Trump in sechs Tagen und zwischendurch der heiße Wahlkampf, insbesondere in den wichtigsten Swing States.
Welche Staaten das momentan sind und wer derzeit die besten Aussichten hat, stelle ich im Folgenden dar.
Um überhaupt eine Basis und Orientierungshilfe zu haben, müssen die aktuellen Umfragewerte und die Ergebnisse früherer Wahlen zur Beurteilung herangezogen werden.

Die durchschnittlichen Umfragen aus den für den Wahlausgang entscheidenden Bundesstaaten findet Ihr hier.

Clinton hätte derzeit die erforderliche Mehrheit


Nehmen wir an, dass die aktuellen Ergebnisse der Befragungen zutreffend sein werden, ergibt sich folgendes Ergebnis. Grau sind die Bundesstaaten, in denen die Differenz unter ca. 3,5 bis 4,0 % liegt. Alle weiteren Bundesstaaten sind der Übersichtlichkeit wegen bereits zugeteilt, auch wenn ausdrücklich gesagt werden muss, dass es hier auch noch zu Veränderungen kommen kann, insbesondere in den hellfarbigen Staaten.

Eine aktuelle Prognose (Karte 1)




Nach aktuellem Stand hätte Hillary Clinton die erforderliche Mehrheit von 270 Wahlmännerstimmen erreicht. Sie käme mindestens auf 272 Stimmen, Donald Trump dagegen nur auf 187 Stimmen. 79 Stimmen sind dann noch in den am meist umkämpften Battleground States zu vergeben. Das sind momentan Florida, Ohio, North Carolina, Arizona und Nevada (alle grau).

Selbst wenn Trump diese Swing States gewinnen sollte, würde es für ihn momentan wohl nicht reichen. Auch liegt Clinton in fast all diesen Bundesstaaten laut durchschnittlicher Umfragen knapp vor Trump. (Florida +2,0, Ohio +1,6, North Carolina +1,8 und Nevada +1,4. Nur in Arizona liegt Trump mit 0,4% vorn. Ist das Rennen deshalb schon entschieden? Mitnichten!

Trumps Absturz in den Umfragen ist überschaubar


Die vergangenen Wochen liefen äußerst schlecht für Donald Trump. Eine Negativschlagzeile nach der anderen, Clinton trotz Wikileaks-Enthüllung kaum unter Druck. Trump bekam und bekommt das auch in den Umfragen zu spüren, seine Werte sanken. Aber, und das ist entscheidend, sie fielen nicht ins Bodenlose. In einigen Bundesstaaten scheint er auch schon die Talsohle durchschritten zu haben, die Werte verbessern sich wieder leicht. Wie schnell und einfach die Stimmung in die eine oder andere Richtung kippen kann, muss Hillary Clinton alarmieren und Donald Trump Hoffnung geben. Wie oben dargestellt, muss nicht viel geschehen, dass die Swing States am Ende rot sind. Zwei Prozentpunkte sind schnell aufgeholt. Sollte Trump im letzten TV-Duell besser sein als Clinton oder zumindest ein gefühltes Unentschieden herausholen, kann das nochmal einen Motivationsschub geben. Diesen braucht Trump dringend, insbesondere seine Unterstützer in den einzelnen Bundesstaaten. Denn nach dem offenen Bruch mit Teilen der republikanischen Partei, ist Trump mehr denn je darauf angewiesen, dass seine eigenen Unterstützer für ihn den Tür-zu-Tür-Wahlkampf betreiben.

Trumps Plan im Rust Belt scheint nicht aufzugehen


Seitdem Donald Trump die Vorwahlen für sich entschieden hatte, wurde schon häufig diskutiert, welche Chancen er gegen Hillary Clinton hat. Immer wieder wurde dabei die Region um den Rust Belt genannt, also die Bundesstaaten Ohio, Michigan, Pennsylvania. Dazu noch Wisconsin und Virginia. Derzeit scheint es so, als würde er aber gerade diese Bundesstaaten gegen die Demokratin verlieren. Mit Ausnahme von Ohio hat Clinton in diesen Bundesstaaten einen relativ deutlichen Vorsprung von etwa 7 - 9,5%. Ihr Plan mit Vizekandidat Tim Kaine aus Virginia diesen Swing State für sich zu entscheiden, könnte auch aufgehen.
Das Ergebnis ist klar, Trump kann es sich nicht leisten einen der übrigen Swing States auch noch zu verlieren, dann wäre er wohl raus aus dem Rennen.

Was kann Clinton noch passieren?


Macht Clinton keine Fehler mehr und schafft es Trump nicht, einen sehr guten Endspurt hinzulegen, könnte die Demokratin den Republikaner mit über 140 Wahlmännerstimmen hinter sich lassen.

Achtung! Keine aktuelle Prognose.
Fiktive Karte zur Veranschaulichung (Karte 2)




Selbst wenn sie schwächelt, muss Trump schon mehr als die Swing States gewinnen. Clinton könnte dann in Bedrängnis kommen, wenn sie neben Ohio, Florida, North Carolina, Arizona und Nevada noch einen weiteren Bundesstaat verliert. Z. B. Colorado, denn hier schwanken die Umfragewerte relativ stark.
Käme es so, würde Trump auf 275 Wahlmännerstimmen kommen.

Achtung! Keine aktuelle Prognose.
Fiktive Karte zur Veranschaulichung (Karte 3)


Das ist natürlich noch sehr spekulativ. Was dem Clinton-Lager aber Sorgen bereiten sollte, ist ganz einfach die Tatsache, dass sich die Demokratin trotz miserabler Presse für Trump nicht nennenswert absetzen kann. Wie oben in Karte 2 dargestellt, kann es am Ende eine lockere Wahlnacht für Clinton werden. Aber es sind eben nur wenige Prozentpunkte pro Bundesstaat, die ein völlig anderes Ergebnis liefern können. Man erinnere sich an den ersten Sieg George W. Bushs gegen Al Gore. Bush hatte gewonnen, obwohl der Demokrat insgesamt rund eine halbe Million Stimmen mehr erreicht hatte. In Florida hatten Bush wenige Hundert Stimmen Vorsprung gereicht, um alle Wahlmänner zu gewinnen.

Auf den Spuren von Jefferson und Adams


Ein Fest für alle Historiker und Wahltheoretiker könnte es geben, wenn in Utah, ein unabhängiger Kandidat gewinnt, ich berichtete darüber in meinem letzten Blogeintrag. Der Republikaner Evan McMullin tritt dort als unabhängiger Kandidat an und hat zumindest laut einer Umfrage nur 4% Rückstand auf Clinton und Trump. Andere Umfragen, sehen Trump vorne. Aber spielen wir doch mal das Szenario durch. Ausgehend von der Variante in Karte 3, also Trump gewinnt die aktuellen Swing States und Colorado. Holt McMullin also überraschend die sechs Wahlmännerstimmen aus dem Mormonenstaat, hätten weder Clinton, noch Trump die erforderliche Mehrheit. Was nun?

Achtung! Keine aktuelle Prognose.
Fiktive Karte zur Veranschaulichung (Karte 4)




Das Repräsentantenhaus würde dann aus den drei Kandidaten, die die meisten Wahlmännerstimmen gewonnen haben, den neuen Präsidenten mit einfacher Mehrheit wählen. Also entweder Clinton, Trump oder McMullin. Jeder Bundesstaat hat dabei aber nur eine Stimme, die jeweiligen Vertreter der einzelnen Staaten im Repräsentantenhaus müssen sich also vorher für ihren Bundesstaat einigen, bzw. durch Abstimmung eine Entscheidung herbeiführen. Thomas Jefferson im Jahr 1800 und John Quincy Adams im Jahr 1824 wurden zuletzt auf die Weise gewählt.
Sollte auch der Vizepräsident im Übrigen keine 270 Stimmen erreichen, würde dieser durch den Senat gewählt werden. Hier stünden aber nur, die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen zur Wahl, also Tim Kaine und Mike Pence.
Sowohl im Repräsentantenhaus (246 zu 188) als auch im Senat (54 zu 44+2) gibt es momentan eine republikanische Mehrheit. Das könnte sich nach den Wahlen aber noch ändern, insbesondere im Senat.

Das ist sehr theoretisch, aber der Vollständigkeit wegen, sollte dies mal erwähnt sein.

Fazit


Clinton hat beste Chancen, die erste Frau an der Spitze der USA zu werden, aber nachlassen darf sie noch nicht. Zu eng sind die Umfragen in den einzelnen Bundesstaaten und zu schnell, kann die erforderliche Mehrheit in Gefahr geraten.
Donald Trump weiß dies und muss es nun aber auch ins Wahlvolk streuen. Seine Anhängerschaft darf nicht den Eindruck gewinnen, dass ihr Spitzenkandidat keine Chance mehr habe. Heute gab es verschiedene Meldungen, nach denen Trump den Bundesstaat Virginia verloren gibt und neben den übrigen Swing States in Pennsylvania angreifen will. Die letzte Präsidentschaftsdebatte muss der Republikaner mindestens auf Augenhöhe absolvieren und ein Remis erstreiten. Noch sind 25 Tage Zeit.

2 Kommentare:

  1. Sehr erhellend. Vielen Dank. Toller Blog!

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  2. Endlich mal ein neutraler Beitrag über die amerikanische Präsidentschaftswahl.. Vielen Dank!

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