Donnerstag, 3. Oktober 2019

Stimmen Trumps Vorwürfe gegen Joe Biden?

Während der Wahlkampf in den USA durch den weiter wachsenden Streit um ein drohendes Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump überschattet wird, ist auch die Frage zu stellen, inwieweit die Debatte auch den bisherigen demokratischen Frontrunner Joe Biden schaden könnte. Entscheidend dabei ist, was an dem Vorwurf gegen Biden dran ist, wie sich die Deutungshoheit dazu entwickelt und was ggf. als unangenehmes Nebenprodukt übrig bleibt.

Joe Biden

Trumps Vorwurf: Biden hätte als Vizepräsident Druck auf die Ukraine ausgeübt, einen Generalstaatsanwalt zu entlassen, um so Ermittlungen gegen seinen Sohn, Hunter Biden, zu stoppen. Biden soll dabei mit der Verwehrung finanzieller Unterstützungen an die Ukraine gedroht haben, sollten sie seiner Forderung nach Entlassung nicht nachkommen.

Was ist dran an Trumps Vorwurf gegen Biden?


Joe Biden hatte zur fraglichen Zeit als US-Vizepräsident die Aufgabe, die Korruptionsbekämpfung in der Ukraine für die US-Regierung zu beobachten und zu unterstützen.

Hunter Biden saß seit 2014, kurz nach dem Sturz Janukowitschs, im Aufsichtsrat des ukrainischen Gasunternehmens Burisma. Gegen den Gründer dieses Unternehmens, Mykola Slotschewskyj, hatte es in der Vergangenheit Ermittlungen gegeben. Als Minister der Janukowitsch-Regierung, 2010 bis 2012, soll er seine politische Macht für seine privaten Unternehmen missbraucht haben. Die Ermittlungen wurden 2015 eingestellt. Laut der Darstellung des damaligen US-Botschafters in Kiew soll die Ukraine nicht mit den britischen Ermittlungsbehörden kooperiert haben.

Der zu dieser Zeit zuständige Generalstaatsanwalt Viktor Schokin hatte die Aufgabe, Ermittlungen wegen Korruption in der Ukraine zu führen, also entsprechend auch gegen das Unternehmen Burisma bzw. Hunter Biden als deren Vorstandsmitglied, sofern erforderlich.
Schokin stand jedoch in der Kritik, seinen Verpflichtungen nicht nachzukommen. Sowohl intern als auch aus dem Ausland, gab es immer wieder Vorwürfe, Schokin würde Korruptionsermittlungen blockieren. Seine Entlassung wurden von verschiedenen Seiten gefordert.

Joe Biden setzte die Ukraine im Jahr 2016, also bereits nach der Einstellung der Ermittlungen gegen Slotschewskyj und Burisma unter Druck, Schokin zu entlassen und verknüpfte dies an die Drohung, finanzielle Unterstützung zu streichen. Konkret ging es dabei um die Gewährung einer milliardenschweren Kreditgarantie der USA. Biden setzte der ukrainischen Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Jazenjuk ein Ultimatum von sechs Stunden. Schokin musste daraufhin seinen Posten als Generalstaatsanwalt räumen.
Diese Darstellung der Ereignisse erklärte Biden bei seinem Auftritt im Januar 2018 vor dem Council of Foreign Relations in Washington sogar selbst. Die relevante Passage befindet sich etwa zwischen Minute 52:30 bis 53:15 des folgenden Videos.



Welche Motivation hatte Joe Biden?


Soweit die allgemein bekannten und öffentlich recherchierbaren Fakten.
Der entscheidende Punkt ist nun aber die Intention, weshalb Biden die Ukraine zu diesem Schritt drängte. Trump wirft Biden vor, dass dieser seinen Sohn schützen wollte, indem er versucht habe, angebliche Korruptionsermittlungen Schokins gegen Hunter Biden zu stoppen oder zu behindern.
Objektiv ist dazu festzustellen, dass der Vorwurf gegen Schokin im Raum stand, selbst Ermittlungen zu blockieren. 2016 waren zudem die Ermittlungen gegen Burisma und Slotschewskyi bereits eingestellt. Bis heute sind keine Ermittlungen oder gar Anklagen gegen Hunter Biden im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit bei Burisma bekannt, die hätten gestoppt oder behindert werden können.
Daria Kaleniuk, Leiterin des Anti-Corruption Action Center (AntAC) in Kiew bestätigte in einem Gespräch mit dem SPIEGEL, dass es keinerlei Hinweise auf Korruption gegen Hunter Biden gebe und die Intervention des Vizepräsidenten gerade deshalb erfolgte, weil Schokin eben nicht ermittelte.

Demnach hätte Biden, nicht wie von Trump unterstellt, aus persönlichen Gründen gehandelt, sondern um die politischen Ziele der USA zu erreichen: Streichung finanzieller Hilfen, wenn sich die Ukraine nicht intensiver um die Korruptionsbekämpfung bemüht.


Biden muss Fragen und Spekulationen aushalten können



Trumps Vorwurf ist folglich im Kern objektiv nicht korrekt. Dennoch dürfen Fragen gestellt werden, weshalb Hunter Biden überhaupt diesen Aufsichtsratsposten hatte. Wäre ohne den prominenten Vater dies möglich gewesen? Gab es andere Gründe weshalb Hunter Biden den Posten übernahm, die im Zusammenhang mit den Verbindungen der USA und der Ukraine seinerzeit eine Rolle spielten? Das sind Spekulationen, mit denen Joe Biden nun umgehen muss. Fragen, die gestellt werden dürfen und ggf. aus moralischen Gründen auch müssen, allerdings nichts mit Trumps Vorwürfen zu tun haben. 


Ähneln sich die Sachverhalte Trumps und Bidens?


Auf den ersten Blick fallen natürlich Parallelen zwischen beiden Vorgängen auf. Zwei Amtsträger wirken auf die Ukraine ein, um die dort Verantwortlichen zu einer Handlung zu motivieren. Vergleicht man die Sachverhalte nun aber genauer miteinander, gibt es zwei wesentliche Unterschiede - das Motiv und die Frage, ob Druck aufgrund der eigenen Macht ausgeübt wurde.

Donald Trump
Trumps Motiv war es offenbar, einen persönlichen Vorteil gegen Biden bei der anstehenden Präsidentschaftswahl zu erlangen.
Bidens Motiv war es offenbar, Defizite bei der Korruptionsbekämpfung in der Ukraine zu bekämpfen.

Joe Biden hat die Ukraine klar und unmissverständlich unter Druck gesetzt, um ein politisches Ziel zu erreichen.
Bei Trump ist dies so eindeutig noch nicht zu erkennen. Genau dies wollen die Demokraten nun untersuchen. Wurde auf die Ukraine seitens der Trump-Regierung oder durch ihn persönlich Druck ausgeübt, um sein persönliches und eben nicht politisches Motiv zu verwirklichen?

Für den relevanten Vorwurf des Amtsmissbrauchs fehlt es bei Biden augenscheinlich an einem verwerflichen Motiv. Bei Trump fehlt noch der juristische sichere Nachweis, dass er seine Macht eingesetzt habe, um sein Ziel zu erreichen. 
Für ein abschließendes Urteil, was auch rechtlich eindeutig ist, scheint es deshalb noch zu früh zu sein.

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