Fünf Wochen vor Beginn der Vorwahlen in Iowa steigt nun auch die Spannung.
Von den ursprünglich 29 Kandidatinnen und Kandidaten sind bereits 14 aus dem Rennen ausgestiegen. Von den verbliebenen 15 Bewerbern sind weitere 5 so aussichtslos, dass ich sie an dieser Stelle auch nicht weiter berücksichtige.
Bleiben noch 10 Kandidatinnen und Kandidaten, die derzeit noch eine mehr oder weniger relevante Rolle beim Ausgang der Vorwahlen 2020 spielen. Hierbei hat sich im Vergleich zu Anfang November nicht viel verändert.
Ein Quartett wird es unter sich ausmachen
Diese 10 Namen können auch nochmal kategorisiert werden. Vier Kandidatinnen und Kandidaten rechne ich Chancen auf den Gewinn von Delegiertenstimmen zu. Damit hätten sie natürlich Einfluss auf den Ausgang der Vorwahlen. Konkret sind dies:
Kategorie 1:
Joe Biden, Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Pete Buttigieg
Den übrigen sechs Bewerberinnen und Bewerbern würde ich aktuell keine nennenswerten Chancen auf den Gewinn von Delegiertenstimmen zurechnen. Dennoch nehmen sie über messbare Umfragewerte im unteren einstelligen Bereich und durch deren Teilnahme an den TV-Debatten Einfluss auf den Wahlkampf. Konkret sind dies:
Kategorie 2:
Andrew Yang, Amy Klobuchar, Mike Bloomberg, Cory Booker, Tom Steyer und Tulsi Gabbard
Alle weiteren Kandidatinnen und Kandidaten haben aus meiner Sicht in keinster Weise mehr Einfluss auf den Vorwahlkampf der Demokraten. Hierbei handelt es sich um:
Kategorie 3:
Julian Castro, John Delaney, Michael Bennet, Marianne Williamson, Deval Patrick.
Joe Biden hat sich stabilisiert - trotz Bloomberg
Joe Biden by Michael Stokes - Biden13, CC BY 2.0 |
Besonders bemerkenswert war dann noch die zusätzliche Konkurrenz, die mit Mike Bloomberg hinzukam. Bloomberg, der inhaltlich gerade im Lager Bidens auf Stimmenfang geht, war und ist eine zusätzliche Belastung für den Wahlkampf des früheren Vizepräsidenten.
Aber die Rechnung Bloombergs ist bislang noch nicht vollends aufgegangen. Bidens Standing in der Partei ist nach wie vor stark. Es scheint so, als könnte Biden auf eine sichere Unterstützerbasis von landesweit ca. 25 % plus X bauen. Das markiert weiterhin den Spitzenwert bei den Demokraten. Aktuell liegt er im Durchschnitt bei etwa 28 % und hat damit rund 9% Vorsprung vor dem zweitplatzierten Sanders, der auf gut 19 % kommt.
Bidens großes Plus sind aber weiterhin die Umfragewerte bei der Frage, welcher Demokrat die besten Chancen gegen Trump hätte. Aktuell liegt Biden dort im Schnitt bundesweit 4,5 % vor dem Republikaner. Anfang November lag er zwar noch mit 8,8 % vor Trump, die anderen Demokraten liegen in dieser Frage aber weiterhin hinter Biden.
Joe Biden bleibt aus meiner Sicht der Topfavorit der Demokraten.
Mike Bloomberg by Gage Skidmore |
Für Bloomberg wird der Super Tuesday entscheidend sein. Gelingt es ihm dort nicht, in die Top 4 beim Stand der gewonnenen Delegiertenstimmen vorzustoßen, wird es sich gewiss überlegen, ob er seine finanziellen Mittel nicht doch besser anders einsetzen kann, um den Demokraten 2020 zum Sieg zu verhelfen.
Elizabeth Warren ist die Verliererin der letzten zwei Monate - Bernie Sanders mit deutlichem Aufwind
Das Spitzenquartett kennt eine Verliererin des Monats Dezember. Es ist Elizabeth Warren. Nach ihrem Hoch im Oktober und leichten Verlusten im November liegt sie nun nur noch auf dem dritten Platz und kommt auf etwa 15 %. Nachdem sie im 3. Quartal bereits Kopf-an-Kopf mit Joe Biden stand, liegt sie nun rund 12 % hinter ihm.
Auch Bernie Sanders ist mit vier Prozent Vorsprung wieder an Warren vorbeigezogen. Der Senator aus Vermont ist der Gewinner der vergangenen Wochen.
Sanders liegt zudem auch in den Early Primary States aussichtsreich vorn. Er führt die Umfragen in Iowa und New Hampshire wieder an und hat Pete Buttigieg von der Spitze verdrängt. Warren kommt dagegen jeweils nur noch auf den vierten Rang, jeweils ca. 6 % hinter Sanders.
Die Senatorin aus Massachusetts hat zudem laut Umfragen auch mit der 15 % Hürde bei Vorwahlen der Demokraten zu kämpfen. Wer unter diesem Wert bleibt, erhält keine Delegiertenstimmen. Der Kampf um Iowa und New Hampshire ist zwar nicht entscheidend für das Endergebnis der Nominierung, ein Sieg Sanders über Warren, bei dem die Senatorin zudem komplett leer ausgehen könnte, wäre ein fataler Start für Warren. Wählerinnen und Wähler des linken Flügels könnten sich auch aus taktischen Gründen von ihr abwenden und sich hinter Sanders versammeln.
Pete Buttigieg ist der Newcomer 2019! ... und 2020?
Neben Bernie Sanders ist Pete Buttigieg der Gewinner der letzten zwei Monate. Auf das gesamte Jahr betrachtet, ist Buttigieg der Newcomer 2019 der Demokraten.
Der Bürgermeister von South Bend, Indiana, hat sich stetig an das Spitzentrio herangekämpft. Seine Stärke und sein Fokus liegt auf dem Start der Vorwahlen. Iowa und New Hampshire sollen den Weg ebnen und Buttigieg noch deutlich länger im Rennen halten. In beiden Bundesstaaten liegt er in Umfragen im Schnitt auf dem zweiten Platz, in einzelnen Meinungserhebungen führt er auch. Buttigieg kommt in Iowa auf 21 % und in New Hampshire auf 17-18 %.
Er braucht diese Erfolgserlebnisse aber auch dringend am jeweiligen Wahltag. Denn schon in den darauf folgenden Vorwahlen in South Carolina und Nevada liegt er schon nur noch bei rund 8 %, wie übrigens auch landesweit.
Sein Ziel muss nun sein, den Trend fortzusetzen und bis zum Start der Vorwahlen weiter Punkte zu sammeln und ggf. regelmäßig die 15 % in den einzelnen Bundesstaaten zu knacken.
Pete Buttigieg sah sich zuletzt immer wieder verbalen Angriffen von Elizabeth Warren, Amy Klobuchar oder auch Tulsi Gabbard ausgesetzt. Sie zielten darauf ab, dass er zu unerfahren sei und auch seine angebliche Nähe zu sehr wohlhabenden Geldgebern stieß auf Kritik, wie in der jüngsten TV-Debatte in Los Angeles zu vernehmen war. Einerseits ist es ein Zeichen der eigenen Stärke, wenn sich die übrigen, teils schwächelnden Bewerberinnen auf einen einschießen, andererseits mussten Warren, Harris und auch zu Beginn des Wahlkampfes Joe Biden erleben, dass es nicht einfach ist, solche Angriffe ohne eigene Verluste zu überstehen.
Für Buttigieg ist dieser Wahlkampf schon heute ein Gewinn. Mit ihm wird auch über 2020 hinaus zu rechnen sein, ganz gleich, ob er nach dem Super Tuesday ausscheidet oder durchstartet.
Amy Klobuchar mit Aufwind, Andrew Yang stagniert.
Andrew Yang und Amy Klobuchar kämpfen mühsam darum, nicht (wieder) in der Bedeutungslosigkeit der Umfragen zu versinken. Während es Mike Bloomberg aus dem Stand heraus auf 5 % schaffte, haben Yang und Klobuchar fast das gesamte Jahr 2019 damit verbracht, den Anschluss an das Mittelfeld zu halten. Aktuell stehen beide bei 3,3 %. Was im Sommer noch als ordentlich galt, ist inzwischen, fünf Wochen vor Wahlbeginn, deutlich zu wenig.
Amy Klobuchar leidet etwas unter der Popularität von Biden und Buttigieg. Immerhin konnte sie sich in Iowa auf 7 % hocharbeiten. Bleibt sie dort allerdings ohne Delegiertenstimmen, könnte sie schon vor New Hampshire das Handtuch werfen. Klobuchar setzte zuletzt auf ihre Wurzeln im Heartland der USA, punktet sie dort nicht, hat sie keine Chance mehr.
Als weibliche Kandidatin könnte sie aber auch eine Anwärterin auf die Position der Vizepräsidentin sein. Sollte Joe Biden der Spitzenkandidat werden und eine Frau wählen wollen, wäre es kaum vorstellbar, dass er Elizabeth Warren zum Running Mate macht. Klobuchar steht ihm inhaltlich nahe und der bisherige Wahlkampf hinterließ auch anders als bei Kamala Harris keine persönlichen Verletzungen zwischen den beiden.
Für Andrew Yang wird es enorm schwierig werden, sich noch nennenswert weiter nach vorne zu kämpfen. Hierfür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe.
Der Wahlkampf Yangs ist darauf ausgerichtet, anders als die übrigen Politiker der Demokraten zu sein. Anders im Stil und anders im Inhalt, ohne dabei die grundlegenden Werte der Demokraten in Frage zu stellen. Yang ist es gelungen, Aufmerksamkeit zu erzeugen und auch echte inhaltliche Alternativen anzubieten. Dafür wurde er belohnt. Der Lohn reicht aber schlichtweg nicht aus. Wer sich bis heute nicht für Yang begeistern konnte und eher auf die etablierten Politiker setzt, wird das auch in den nächsten Wochen nicht mehr tun. Yangs Potenzial scheint ausgereizt zu sein.
Ein weiteres Problem stellt auch die Frage dar, wie wahrscheinlich letztlich ein Erfolg Yangs am Ende der Vorwahlen ist? Wer nicht spätestens am Super Tuesday gepunktet hat, wird kaum noch Vertrauen im Sinne von Wählerstimmen erlangen können. Zudem spielt auch die Frage ein Rolle, was Yang nach diesem Vorwahlkampf machen wird? Anhänger von Booker oder Buttigieg wollen ihre Kandidaten auch für künftige andere Positionen in Stellung bringen. Auch diese Perspektive fehlt derzeit bei Andrew Yang.
Nur die Delegierten zählen
Die Vorwahlen 2020 der Demokraten werden sich signifikant von denen aus dem Jahr 2016 unterscheiden. Mit Hillary Clinton und Bernie Sanders gab es 2016 bei den Demokraten zwei Kandidaten auf die sich alle Delegiertenstimmen aufteilten. Voraussichtlich wird dies 2020 anders sein. Die Delegiertenstimmen werden unter 3 bis 4 Kandidatinnen und Kandidaten aufgeteilt, nämlich jenen, die die Hürde von 15 % in einem Primary oder Caucus übersprungen haben (nähere Details zum Vergabeverfahren in den jeweiligen Bundesstaaten erkläre ich hier rechtzeitig). Anders als bei den Republikanern, bei denen in manchen Bundesstaaten das Prinzip "The Winner takes it all" oder alternativ "The Winner takes most" gilt, werden bei den Demokraten die Delegiertenstimmen im Kern proportional zum Wahlergebnis verteilt, was für einen Spitzenkandidaten in Umfragen bzw. einem knappen Gewinner bei den Vorwahlen eher nachteilig ist.
Ein Beispiel, einfach überschlagen gerechnet, ohne Besonderheiten in der Delegiertenverteilung der einzelnen Districts der Bundesstaaten:
Ein Bundesstaat vergibt 100 Delegiertenstimmen. Das Wahlergebnis lautet: Kandidat A erhält 32%, B 28%, C 25% und D 15%. Entsprechend erhält Kandidat A 32 Delegiertenstimmen, 68 Delegiertenstimmen gehen nicht an A, sondern teilen sich auf die anderen Kandidaten B, C und D auf. A hätte einen Vorsprung von 4 Delegiertenstimmen vor B.
Bei einem Ergebnis mit zwei starken Kandidaten (siehe 2016) hätte fiktiv mal angenommen A evtl. 54 % und B 46 % erhalten. Nicht nur hätte A dann einen doppelt so hohen Vorsprung vor B (nämlich 8 Delegiertenstimmen), insbesondere das Gesamtverhältnis von 32 zu 68 hätte sich verschoben zu 54 zu 46. Dieser Vergleich ist eine exemplarische Annahme, natürlich kann B auch deutlich profitieren und A mit Hilfe der Stimmen der nicht vorhandenen C und D überholen.
Contested Convention wahrscheinlich
Erkennbar ist jedenfalls, dass es bei den Demokraten wesentlich schwieriger werden wird, frühzeitig eine Vorentscheidung zu erzielen. Ein Spitzenkandidat, der immer "nur" knapp gewinnt und ab und an mal Zweiter wird, dürfte es schwer haben, auf die erforderliche Anzahl von 1990 Delegiertenstimmen zu kommen (3979 Delegierte haben die Demokraten insgesamt zu vergeben). Die 50% sind nur bei deutlich starken Wahlergebnissen zu erreichen oder wenn in den besonders großen Bundesstaaten mit vielen Delegiertenstimmen auch besonders starke Ergebnisse erzielt werden. Kalifornien z. B. hat allein schon 416 Delegiertenstimmen zu vergeben.
Die Neuerung 2020, dass Superdelegierte auf dem Nominierungsparteitag, erst im 2. Wahlgang stimmberechtigt sind, bekommt dann nochmal eine besondere Bedeutung. Erreicht kein Kandidat die 1990 (50%) Delegiertenstimmen, kommt es zu einem 2. Wahlgang. Dies dürfte bei den Demokraten 2020 mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall sein, so dass die Superdelegierten 2020 auch wieder eine relevante Rolle spielen werden. Es wird vermutlich insgesamt 766 Superdelegierte geben, im 2. Wahlgang sind dann 2373 Delegiertenstimmen erforderlich.
Bei dem 2. Wahlgang ist zu beachten, dass es sich nicht um eine klassische Stichwahl der zwei besten Kandidaten handelt. Der 2. Wahlgang ist eine sog. Contested Convention, hierbei werden die Delegierten des 1. Wahlgangs von ihrer Bindung an die Ergebnisse der Vorwahlen befreit. Es findet praktisch eine komplett neue Abstimmung statt.
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