Dieses Aufsehen, so kritisieren einige, ist angesichts der Bedeutung des kleinen und nicht repräsentativen Bundesstaats zu gerechtfertigt. Sie fordern, den Start der Vorwahlen nicht mehr in Iowa stattfinden zu lassen. Bei den Republikanern gilt es fast schon als Fluch, in Iowa zu gewinnen, weil der dortige Sieger selten der später nominierte Spitzenkandidat wurde. Und auch die Bedeutung für den finalen Ausgang der Vorwahlen bei den Demokraten ist verschwindend gering. Aber so wenig aussagekräftig der Iowa Caucus für das Gesamtergebnis ist, so wichtig ist er für einige Kandidatinnen und Kandidaten, die hier über Monate hinweg alles investiert haben, um sich mit einem guten Ergebnis in die nächsten Vorwahlen zu retten. Für andere wiederum geht es auch darum, Schwung mitzunehmen, positive Schlagzeilen zu generieren, Vertrauen zu gewinnen und Spendengelder einzusammeln. Auch symbolische Erfolge wie ein zweiter statt einem dritten Platz können in den folgenden Wochen und Monaten für viel Überzeugungskraft sorgen.
Über die grundsätzliche Ausgangslage im Bewerberfeld der Demokraten hatte ich erst kürzlich berichtet. Morgen fasse ich nochmal die wichtigsten Fragen für das Abschneiden der Kandidatinnen und Kandidaten in Iowa zusammen. Heute aber möchte ich einen genaueren Blick auf den Ablauf des Iowa Caucus werfen, der evtl. helfen kann, auch schon im Vorfeld das kommende Ergebnis richtig einzuordnen. Was also passiert genau in den vielen Gemeinden des mit 3,2 Mio Einwohnern relativ kleinen Bundesstaats im Mittleren Westen der USA, wenn die Menschen dazu aufgerufen sind, für Ihren Spitzenkandidaten abzustimmen?
Festtagsstimmung und offene Debatten in vielen Gemeinden
Anders als bei den Primaries, bei denen die Wählerinnen und Wähler klassisch ein Kreuz auf einem Stimmzettel machen oder ähnlich verfahren, ist ein Caucus weitaus lebendiger und dynamischer - und damit mitunter auch etwas unübersichtlicher. In insgesamt 1.678 Einrichtungen finden die Iowa Caucuses in diesem Jahr statt. Es wird geworben, debattiert, gestritten und gefeiert. Häufig herrscht eine ungezwungene Atmosphäre, die Menschen bringen sich Essen und Trinken mit, es kann schließlich mehrere Stunden dauern, bis man seine Stimme "abgegeben" hat. Nichtsdestotrotz ist es den Menschen ein ernsthaftes Anliegen und die Tatsache, dass man sich öffentlich für oder gegen die Kandidaten entscheiden muss, kann auch schon mal etwas Stress erzeugen.
Wie wird beim Iowa Caucus abgestimmt und wer darf mitstimmen?
Gehen wir mal fiktiv in die kleine Gemeinde A. Dort findet der Caucus in einer Turnhalle statt. Anderswo können das Gemeinschaftshäuser, Kirchen, Bibliotheken oder auch eine Schulaula sein. In unserer Turnhalle sind wir nun zusammen mit etwa 100 weiteren Interessierten, die Zahl variiert natürlich von Ort zu Ort. In jedem Fall sind es in Iowa registrierte Demokraten, da es sich um einen Closed Caucus handelt. Unabhängigen und Republikanern ist es nicht gestattet, abzustimmen.
Die Veranstaltung beginnt und es befinden sich in jeder Ecke und an den Seiten Tische. Einen für jede Kandidatin und jeden Kandidaten der Demokraten. Anderswo stehen vielleicht Schilder mit den Namen der Kandidaten. Die Besucher diskutieren und halten Reden für die von ihnen favorisierten Kandidaten. Es wird versucht, möglichst viele Teilnehmer auf die eigene Seite zu ziehen. Die Teilnehmer des Caucus begeben sich dann zu dem Tisch ihres Favoriten und versammeln sich dort. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird dann gezählt, welcher Kandidat, wie viele Stimmen, also Teilnehmer, gesammelt hat. So oder ähnlich läuft es an diesem Abend überall in Iowa ab.
Wie wird beim Iowa Caucus ausgezählt?
Nun muss aber genau gerechnet werden. Die Demokraten sehen fast überall eine 15%-Hürde vor. In sehr kleinen Wahlbezirken kann diese Hürde auch höher sein. In unserer fiktiven Turnhalle haben sich Menschentrauben gebildet, die meisten Teilnehmer haben sich auf fünf Tische aufgeteilt.
Um Tisch 1 stehen die Anhänger von Joe Biden, es sind genau 26, auf der anderen Seite an Tisch 2 stehen 33 Anhänger von Bernie Sanders. An Tisch 3 haben sich 15 Teilnehmer versammelt, die für Elizabeth Warren votieren. Pete Buttigiegs Tisch 4 kommt dagegen auf nur 12. An Tisch 5 schauen sich die 11 Befürworter von Amy Klobuchar an und wissen schon, was als nächstes kommen wird. An den weiteren Tischen stehen noch vereinzelt Teilnehmer, die sich ebenfalls schon wieder umgucken.
Um Tisch 1 stehen die Anhänger von Joe Biden, es sind genau 26, auf der anderen Seite an Tisch 2 stehen 33 Anhänger von Bernie Sanders. An Tisch 3 haben sich 15 Teilnehmer versammelt, die für Elizabeth Warren votieren. Pete Buttigiegs Tisch 4 kommt dagegen auf nur 12. An Tisch 5 schauen sich die 11 Befürworter von Amy Klobuchar an und wissen schon, was als nächstes kommen wird. An den weiteren Tischen stehen noch vereinzelt Teilnehmer, die sich ebenfalls schon wieder umgucken.
Wenn man es so nennen will, ist der 1. Wahlgang vorbei. Bernie Sanders gewinnt in dieser Turnhalle in unserer Gemeinde A mit 33 % vor Joe Biden, der auf 26 % kommt. Warren schafft gerade so die 15 %-Hürde, an der Pete Buttigieg, entgegen anderer Ergebnisse aus den umliegenden Gemeinden B, C und D scheitert. Ebenso Amy Klobuchar und die übrigen Demokraten.
Zweite Chance der Abstimmung für die Anhänger der Kandidaten unter 15%
Beim Iowa Caucus haben nun aber jene Teilnehmer eine zweite Wahl, deren favorisierte Kandidatinnen und Kandidaten es im ersten Anlauf nicht geschafft haben. Es handelt sich nun um sog. "non-viable" Kandidaten. Die übrigen Anhänger, die bereits im 1. Wahlgang für Sanders, Biden oder Warren gestimmt haben, dürfen sich nun nicht mehr umentscheiden. Die 12 Anhänger Pete Buttigiegs und die 11 von Amy Klobuchar können nun also neu entscheiden und haben nun die Wahl zwischen Sanders, Biden und Warren, die bereits im ersten Anlauf die 15%-Hürde übersprungen haben. Es ist aber auch möglich, sich mit anderen Teilnehmern zusammenzuschließen, um einen vierten Kandidaten (bisher non-viable) im zweiten Anlauf doch noch über die 15%-Hürde zu bringen. Gerade in dieser Phase sind gut organisierte Wahlkampfteams vor Ort, um die im zweiten Wahlgang offenen Teilnehmer zu umwerben und zu beeinflussen.
Wir bleiben aber exemplarisch mal bei der Variante, dass es kein vierter Kandidat mehr schafft. Von diesen 23 Anhängern (Buttigieg und Klobuchar) gehen nun 18 zum Tisch von Joe Biden, 4 gehen zu Bernie Sanders und 1 zu Elizabeth Warren. Die bekommt zudem auch noch reichlich Zuwachs von den anderen Tischen (Andrew Yang, Tom Steyer etc.).
Am Ende des Abends hat Joe Biden dann die Mehrheit. An seinem Tisch stehen nun 44 der 100 Teilnehmer. Bei Sanders haben sich 37 versammelt und bei Elizabeth Warren warten nun 19. Das ist das Endergebnis aus unserer Turnhalle.
Wie wird die Delegiertenverteilung berechnet?
Nun muss das Ergebnis aber auch noch umgerechnet werden in Delegierte. Es wird an dieser Stelle noch etwas komplizierter, weshalb ich versuche, es vereinfacht darzustellen. Je nach Größe des Wahlbezirks bzw. der Anzahl der Teilnehmer werden die Ergebnisse aus der Turnhalle umgerechnet. Jedem Wahlbezirk werden County Delegates zugeordnet, in diesem fiktiven Fall nehmen wir mal die Anzahl 4 an. Dann wird wie folgt gerechnet: Joe Bidens 44 Stimmen mal 4 County Delegates geteilt durch 100 Caucus-Teilnehmer. Biden erhält demnach 1,76 County Delegates. Auf Sanders entfallen 1,48 und auf Warren 0,76. Im Endergebnis wird dann gerundet und Joe Biden erhält 2 County-Delegierte. Sanders und Warren kommen auf jeweils 1 County-Delegierten. Damit sind wir aber noch nicht am Ende...
Den jeweiligen Countys sind die sog. State Delegates zugeordnet. Ich vereinfache weiter: Neben den vier Delegierten aus unserer Turnhalle werden noch weitere County-Delegates aus den Nachbargemeinden B, C und D zusammengetragen. Diesem County mit fiktiv 50 County-Delegierten sind insgesamt 15 State-Delegates zugewiesen. Die 2 für Biden und jeweils 1 für Sanders und Warren werden also nochmal faktorisiert. Biden könnte dann bei 0,3 State-Delegates stehen, während Sanders und Warren jeweils 0,15 State Delegates aus dem Turnhallenergebnis der Gemeinde A mitbringen. Aus den anderen Countys werden dann ebenfalls die Zahlen addiert und abschließend ein letztes Mal umgerechnet in die National-Delegates. Diese vertreten dann die vorgenannten Ergebnisse und sind selbst den einzelnen Congressional Districts zugeordnet. Die National-Delegates sind dann diejenigen, die auf dem Nominierungsparteitag ihr Ergebnis für Iowa kundtun. Konkret sind es in diesem Jahr 41 gebundene Delegierte für den Bundesstaat Iowa.
Wer sind die Gewinner und Verlierer des Iowa Caucus?
Wenn man sich nun das alles betrachtet, ist festzustellen, dass beim Iowa Caucus nicht einfach die durchschnittlichen Umfragewerte für eine Prognose der Delegiertenverteilung herhalten kann. Es gibt viele Variablen und Dynamiken, die einfach nicht absehbar sind. Neben dem allgemeinen Zuspruch für einen Kandidaten, kommt es auch darauf an, wie dieser vor Ort organisiert ist, um ggf. nochmal auf andere Caucus-Teilnehmer einwirken zu können.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Frage nach Gewinnern und Verlierern. Kommen wir nun nochmal ein letztes Mal auf unsere Turnhalle in der Gemeinde A zurück. Hat dort Bernie Sanders gewonnen, weil er im 1. Wahlgang die meisten Stimmen erhalten hat (was bei anderen Vorwahlen maßgeblich für das Ergebnis ist)? Oder ist Joe Biden der Sieger, weil er nach dem finalen 2. Wahlgang die Mehrheit hatte? Die Partei wird die Ergebnisse beider Wahlgänge und die Delegiertenverteilung (State-Delegates und National-Delegates) bekanntgeben. Dann können sich alle selbst ein Bild davon machen, wer ihr Sieger oder ihre Siegerin ist.
Am Montag folgt hier dann der letzte Ausblick auf den Iowa Caucus 2020, bevor es dann in der Nacht auf Dienstag endlich losgeht. Der Ausblick wird dann auch wieder weniger theoretisch.
Am Montag folgt hier dann der letzte Ausblick auf den Iowa Caucus 2020, bevor es dann in der Nacht auf Dienstag endlich losgeht. Der Ausblick wird dann auch wieder weniger theoretisch.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen