Mittwoch, 19. Oktober 2022

Manifestiert sich in Florida die Macht der Republikaner?

Bei landesweiten Wahlen in den USA lohnt es sich praktisch immer etwas genauer nach Florida zu schauen. Einst der wohl wichtigste Swing State bei Präsidentschaftswahlen ist Florida heute zu einem eher schwierigen Terrain für die Demokraten geworden. In drei Wochen wird neben den Wahlen zum US-Senat und US-Repräsentantenhaus auch der Gouverneur des Sunshine State neu gewählt. Da dieser der derzeit größte innerparteiliche Konkurrent Donald Trumps für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur 2024 ist, sollte auch dieser Wahl etwas Aufmerksamkeit geschenkt werden.


Florida auf dem Weg zum "Red State"

Wenn man einen klassischen Swing State benennen muss, konnte man jahrzehntelang mit ruhigem Gewissen Florida nennen. In kaum einem anderen Bundesstaat ist in der Vergangenheit so viel Geld in Wahlkämpfe geflossen, zu eng waren die Ergebnisse und zu wichtig die 29 Wahlmännerstimmen für das Electoral College. Heute allerdings ist Florida de facto fest in republikanischer Hand. Gouverneur Ron DeSantis, die US-Senatoren Marco Rubio und Rick Scott, die Mehrheit der Kongressabgeordneten im US-Repräsentantenhaus, die zurückliegenden Erfolge Donald Trumps und Mehrheiten in beiden Kammern des Bundesstaats - es gibt kein wichtiges Amt bzw. keine Mehrheit, ohne die Republikaner an der Macht.


Bei Präsidentschaftswahlen hat es in der jüngeren Vergangenheit seit 2000 praktisch immer knappe bis sehr knappe Ergebnisse. In historischer Erinnerung ist dabei sicherlich die Niederlage des Demokraten Al Gore im Jahr 2000, als dieser bei rund 6 Mio. Stimmen, lediglich 500 Stimmen Rückstand zu George W. Bush hatte und damit nach vielen rechtlichen Auseinandersetzungen und Problemen bei der Auszählung die Präsidentschaftswahl an den Republikaner verlor. Nachdem Bush 2004 erneut in Florida siegreich war, konnte Barack Obama 2008 und 2012 jeweils knapp mit 1-2 % Vorsprung gewinnen. 2016 mit 1,2 % und 2020 mit 3,4 % Vorsprung war Donald Trump zweimal siegreich. Auch wenn Trump Florida zu seiner Wahlheimat gemacht hat, ist gerade das letzte Ergebnis 2020 besonders bemerkenswert. Bei einer Wahl, in der die Republikaner eigentlich rote, also republikanische, Bundesstaaten wie Arizona oder Georgia verloren, konnten sie ihren Vorsprung in Florida sogar noch ausbauen.


DeSantis könnte an Trumps Stelle treten

Bei Gouverneurswahlen haben die Republikaner traditionell schon bessere Karten in Florida. Seit 28 Jahren hat kein Demokrat mehr gewinnen können. Hier wurden die Ergebnisse zuletzt knapper. Der nun zur Wiederwahl antretende Ron DeSantis gewann 2018 mit nur 0,4 % Vorsprung vor dem Demokraten Andrew Gillum. In drei Wochen wird er nun von Charlie Crist herausgefordert. Crist tritt für die Demokraten an und war selbst bereits Gouverneur von Florida. 2006 gewann er die Wahl relativ deutlich, damals noch als Republikaner. Dass DeSantis sein Amt verteidigen können wird, ist zu erwarten. Je stärker dabei sein Ergebnis ausfällt, desto mehr Rückenwind könnte es ihm für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur 2024 geben. In diesem Zusammenhang sei jedoch erwähnt, dass gegen eine erneute Kandidatur Trumps derzeit auch DeSantis wohl keine Chance hätte. Nur wenn der Ex-Präsident auf eine eigene Kandidatur verzichtet, hätte DeSantis gute Aussichten auf eine Nominierung. In Umfragen liegt Trump durchschnittlich bei gut 50 %, dahinter DeSantis bei 23 %, andere folgen mit jeweils einstelligen Werten. Gewinnt DeSantis in drei Wochen deutlich mit mindestens 5 % Vorsprung würde dies seinen Ambitionen sicherlich weiteren Auftrieb geben. Inhaltlich und stilistisch dürften die Trump-Anhänger mit DeSantis kaum ein Problem haben, sollte der frühere Präsident nicht noch einmal kandidieren.


Bei den Wahlen der beiden Sitze zum US-Senat haben die Wählerinnen und Wähler zuletzt ebenfalls die Republikaner mit Siegen bedacht. 2018 konnte Rick Scott den langjährigen demokratischen Senator Bill Nelson äußerst knapp mit 0,1 % Vorsprung besiegen. Scotts Wiederwahl steht 2024 an.

Den nun in drei Wochen neu zu wählenden Sitz will der Republikaner Marco Rubio verteidigen. Es wäre nach 2010 und 2016 Rubios dritter Sieg in Folge. 2016 gewann er souverän mit 8 % Vorsprung.


Republikaner überholen Demokraten bei Wählerregistrierungen

Die Dominanz der Republikaner bei den letzten Wahlen zeigt sich auch bei der Verteilung der Wählerregistrierungen. Ballotpedia hat 2021 noch erhoben, dass Demokraten und Republikaner jeweils auf 36 % kommen, mit einem kleinen Plus für die Demokraten. 28 % sehen sich als Unabhängige oder Anhänger anderer Parteien. Jüngste Analysen des Miami Herald sehen jedoch inzwischen einen Vorsprung der Republikaner von bis zu einem Prozentpunkt, berichtet die Tampa Bay Times.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich Florida in den letzten zehn Jahren tendenziell in Richtung der Republikaner entwickelt hat. In dem aktuellen politischen Umfeld, in dem die Demokraten mit Problemen der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zu Kämpfen haben, dürfte es eher schwierig werden, republikanische Amtsinhaber in Florida abzulösen. Dies gilt sowohl für einen relativ bekannten Gouverneur DeSantis wie auch den langjährigen Senator Rubio, auf dessen angestrebte Wiederwahl wir nun genauer blicken.


Marco Rubio - Senator auf der Suche nach der politischen Zukunft

Marco Rubio dürfte vielen Lesern dieses Blogs noch von der Präsidentschaftswahl 2016 bekannt sein. Er war einer der hoffnungsvollen Kandidaten der Republikaner bei deren Vorwahlen, die nach und nach im Rennen gegen Donald Trump das Handtuch werfen mussten. Als Trump dann auch die Wahl gegen Hillary Clinton gewann, war für eben diese Kandidaten klar, dass sie erstmal ihre Ambitionen auf das Weiße Haus ruhen lassen müssen. Ihre Zeit würde in der Nach-Trump-Ära wiederkommen. Nun ist Trump aber nach wie vor äußerst präsent in der Partei und Rubio keineswegs mehr ein innerparteilicher Gegner des Ex-Präsidenten. Wie die meisten Republikaner hat Rubio auch verstanden, dass dessen Zukunft in der Partei auch davon abhängt, ob und in welchem Ausmaß er Trump unterstützt. Und selbst für den Fall, dass Trump einmal Platz machen sollte, hätte Rubio selbst in Florida mit weiteren prominenten Republikanern zu kämpfen, denen landesweite Ambitionen nachgesagt werden. Sowohl Ron DeSantis als auch Senator Rick Scott sind über die Grenzen des Bundesstaats Florida bekannt. Was Rubio also bleibt, ist die beharrliche Sacharbeit im US-Senat und im Idealfall größere Wahlerfolge in Florida als sie DeSantis oder Scott einfahren können.


Der 51-jährige Rubio ist in der Politik Floridas fest verankert. In den Jahren 2000 bis 2009 war er Abgeordneter des Repräsentantenhaus des Bundesstaats Floridas, wovon er zwei Jahre als Sprecher der Kammer agierte.

2010 bewarb sich Rubio dann erfolgreich für einen der beiden Sitze Floridas im US-Senat und gewann die Wahl mit 48,9 %. Damals hatte er zwei relevante Gegenkandidaten, den Demokraten Kendrick Meek 20,2 % und den damals unabhängigen Charlie Crist 29,7 %.

2016 bewarb sich Rubio als amtierender Senator für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Er galt als einer der jüngeren Kompromisskandidaten, die zwischen dem Außeneinsteiger Trump und einem Establishmentkandidaten wie Jeb Bush keine geringen Chancen auf einen Erfolg gehabt hätten. An Trump führte aber 2016 bekanntlich kein Weg vorbei und Rubio landete bei den Vorwahlen auf Platz 3 hinter dem zweitplatzierten Ted Cruz. Rubio beendete nach dem zweiten sogenannten Super Tuesday seine Kandidatur, nachdem er bei den Vorwahlen in seinem Heimatbundesstaat Florida mit fast 20 % Rückstand hinter Trump nur Zweiter wurde. Rubio holte insgesamt 167 Delegiertenstimmen, wobei er mit Minnesota, Puerto Rico und dem District of Columbia drei Vorwahlen gewinnen konnte. Nach heftigen gegenseitigen Attacken während der Vorwahlen unterstützte Rubio später Donald Trump bei dessen Kandidatur gegen Hillary Clinton.


Nach der eigenen gescheiterten Kandidatur stand fest, dass sich Rubio 2016 um die Wiederwahl als US-Senator bemühen würde. Mit 52 % fuhr der Republikaner ein beeindruckendes Ergebnis gegen seinen demokratischen Herausforderer Patrick Murphy ein, der lediglich auf 44,3 % kam. Rubio profitierte hier sicherlich auch von seiner durch die Präsidentschaftskandidatur deutlich gesteigerte Bekanntheit.

Im Jahr 2022 hatte Rubio keinen Gegenkandidaten in den republikanischen Vorwahlen.


Senator Rubio official portrait
Marco Rubio
US Senate, Public domain, via Wikimedia Commons


Im US-Senat liegen Rubios Schwerpunkte in der Sicherheits-, Außen- und Verteidigungspolitik. Auch in der TV-Debatte mit seiner Herausforderin Val Demings konnte Rubio mit detaillierten Fachwissen in diesen Bereichen punkten, während Demings hier eher vage blieb und ihre Punkte eher bei klassischen innenpolitischen Themen setzte. In dieser Debatte sprach sich Rubio erneut für ein restriktives Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen aus. Jegliche Verschärfung von Waffengesetzen lehnt er grundsätzlich ab, befürwortet aber eine Form der sogenannten Red Flag Gesetze, die es Strafverfolgungsbehörden und Gerichten - und in Florida eben nur diesen - ermöglichen, Einzelpersonen Waffen wegzunehmen, wenn Tatsachen nachgewiesen sind, dass sie anderen oder sich selbst damit schaden könnten. Privatpersonen dürften damit keine entsprechenden Anträge bei Gerichten einreichen. Ein solches Gesetz existiert bereits in Florida, wie auch in teilweise abgewandelten Formen in anderen Bundesstaaten.


Val Demings - Herausforderin aus Orlando

Die Demokratin Val Demings will im November die republikanische Dominanz in Florida zumindest etwas minimieren. Demings ist eng mit der Stadt Orlando verbunden. Hier arbeitete sie seit 1983 als Polizistin und war von 2007 bis 2011 Chefin des Orlando Police Departments.

Die inzwischen 65-jährige Demings startete ihre politische Laufbahn erst nach ihrer aktiven beruflichen Zeit. Nachdem 2012 ein erster Versuch scheiterte, wurde sie 2016 für Floridas 10th District, der Teile Orlandos umfasst, in das US-Repräsentantenhaus gewählt. Sie gewann deutlich mit rund 30 % Vorsprung. Die Republikaner stellten 2018 niemanden auf, so dass Demings ohne Gegenkandidat wiedergewählt wurde. 2020 fand sich eine republikanische Gegenkandidatin, die aber deutlich mit etwa 27 % Rückstand gegen Demings verlor.


Val Demings, Official Portrait, 115th Congress
Val Demings
Phi Nguyen, U.S. House Office of Photography/House Creative Services,
Public domain

Politisch ist Demings eher dem moderaten Flügel der Demokraten zuzuordnen, wobei sie zu nahezu allen wichtigen Themen fest hinter den klassischen Positionen der Partei steht. In der bereits erwähnten TV-Debatte mit Marco Rubio setzte Demings auf die Themen, die insbesondere die eigenen Wählerinnen und Wähler der Demokraten mobilisieren sollten. Sie sei der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe eines Senators oder einer Senatorin sei, zu entscheiden, ob eine Frau ein Kind austragen müsse oder nicht. Dies sei ausschließlich eine Entscheidung der betroffenen Frauen zusammen mit ihren Familien und Ärzten. Sie wolle nicht, dass ein vergewaltigtes 10-jähriges Mädchen verpflichtet sei, das Kind des Täters auszutragen und bezog sich damit auf einen Fall aus Ohio, der landesweit Beachtung erfuhr. Im Sommer musste das Kind für einen Schwangerschaftsabbruch in den Nachbarbundesstaat Indiana fahren, da Ohios Gesetze entsprechende ärztliche Eingriffe auch in einem solchen Fall nicht erlauben.

Weiter kritisierte sie Rubio in Bezug auf dessen nach ihrer Darstellung nicht eingehaltenen Zusagen an Angehörige von Opfern des Schulmassakers in Parkland, wo 2018 ein 19-jähriger 17 Menschen mit einem halbautomatischen Gewehr tötete, darunter viele Schülerinnen und Schüler. Rubio lehnt ein Verbot des Verkaufs solcher Waffen an unter 21-jährige weiter ab.

Demings warf Rubio zudem vor, dass er als Senator bzw. auch schon zuvor als Abgeordneter im Repräsentantenhaus Floridas zu wenig getan hätte, um die Kosten für Immobilienversicherungen in Florida zu senken. In keinem anderen Bundesstaat müssen Immobilienbesitzer so hohe Versicherungsprämien zahlen wie in Florida, wo sie etwas dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt sind. Viele Menschen können sich zudem eine Versicherung gegen Hochwasserschäden gar nicht leisten und sind entsprechend auch nicht versichert. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern, eine weiter steigende Anzahl an Leistungsanträgen und insolvente Versicherungsunternehmen vergrößerten diese Krise in den letzten Jahren. Nach dem jüngsten schweren Hurrikan Ian stehen viele Einwohner Floridas vor der Frage, ob und in welchem Umfang, Versicherungen für die entstandenen Schäden eintreten können.


Hat Hurrikan Ian auch Auswirkungen auf die Wahl?

Ob die katastrophalen Schäden infolge des Hurrikan Ian sich auch auf die Wahlen in Florida auswirken werden, ist ungewiss. Gouverneur DeSantis will so viel Normalität bei den Wahlen haben, wie es unter diesen Umständen möglich ist. Insbesondere der Südwesten rund um Fort Meyers ist von den Überflutungen und Sturmschäden betroffen. Eine Region, die für die Republikaner besonders wichtig ist, da sie deren bevölkerungsreiche Hochburg ist. Dass die betroffenen Menschen ihre Positionen in Bezug auf den Klimawandel überdenken und davon sogar ihre Wahlentscheidung abhängig machen, ist eher nicht anzunehmen. Wichtiger ist jedoch, dass das Krisenmanagement im Bundesstaat funktioniert. Präsident Joe Biden und Gouverneur DeSantis hatten angesichts der großen Herausforderungen eine enge Zusammenarbeit angekündigt und wollen den Wahlkampf außen vor lassen. Ein weiterer Punkt ist natürlich auch die Wahlbeteiligung in dieser Region. Geht sie signifikant zurück, da nur wenige provisorische Wahllokale eingerichtet wurden, die ggf. nur schwer erreichbar sind oder die Menschen ganz einfach andere existenzielle Sorgen haben und dem Wahlgang keine Priorität einräumen, könnte dies bei einem knappen Wahlausgang, wie er in Florida nicht ungewöhnlich wäre, durchaus eine Relevanz entfalten.


Umfragen zeigen republikanische Tendenz

Leider liegen derzeit keine aktuellen Umfragen für Florida vor. Die letzten veröffentlichten Meinungserhebungen stammen noch aus September. Sie zeigen durchweg einen Vorsprung für Marco Rubio von durchschnittlich 4-5 %. Abzuwarten wäre nun, wie sich die TV-Debatte auf das Stimmungsbild auswirkt und ob Hurrikan Ian einen Einfluss auf das Wahlverhalten haben wird. Die nächsten Umfragen werden hier sicherlich schon Antworten geben können. Sollte Demings die Wählerinnen und Wähler bei der TV-Debatte nicht überzeugt haben, wird Rubio als Favorit in die Wahl am 08. November gehen. Das allgemeine Stimmungsbild mit einer schwächelnden Wirtschaft und einer hohen Inflation machen Erfolge für die in Washington verantwortlichen Demokraten in einem tendenziell eher republikanischen Bundesstaat wie Florida kaum möglich. Hier müssten lokale Themen Floridas in den Vordergrund rücken und zugleich die Kandidierenden auch Lösungsansätze anbieten, die die Wählerinnen und Wähler überzeugen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob dies Val Demings noch gelingen wird.

Sobald es aktuelle Umfragen gibt, findet Ihr sie hier an gewohnter Stelle: Umfragen zum US-Senat.

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