Dienstag, 1. Oktober 2024

Walz und Vance vor der Vizepräsidentendebatte

In der kommenden Nacht kommt es zum einzigen direkten Aufeinandertreffen zwischen den Vizekandidaten Tim Walz (Demokrat) und JD Vance (Republikaner). Um 03:00 Uhr beginnt das TV-Duell, das vom Sender CBS ausgestrahlt wird, aber auch auf anderen US-Kanälen und im Internet zu sehen ist. In Deutschland kann die Debatte ab 02:40 Uhr auf phoenix und Das Erste verfolgt werden.

Traditionell haben die Duelle zwischen den sog. Running Mates der Spitzenkandidaten keinen signifikanten Einfluss auf den Wahlausgang. In diesem Jahr lohnt es sich dennoch etwas genauer hinzusehen. Bei komplett offenen Wahlausgängen in sieben Swing States können auch kleine Verschiebungen entscheidend sein. Und die Konstellation in diesem Jahr ermöglicht es sowohl Walz als auch Vance für sich und für Harris oder Trump zu werben.


Letztes direktes Aufeinandertreffen beider Lager?

Normalerweise gibt es nach dem TV-Duell der beiden Vizekandidaten immer noch eine Debatte zwischen den beiden Spitzenkandidaten. Das ist derzeit zumindest nicht final geplant, so dass das Duell heute Nacht ggf. das letzte Aufeinandertreffen zwischen dem Spitzenpersonal beider Parteien sein wird. Die Eindrücke dieses Auftrittes haben allein deswegen schon eine etwas größere Bedeutung, obwohl der überwiegende Teil der Wählerschaft ihre Entscheidung schon von der Frage abhängig macht, ob sie Kamala Harris oder Donald Trump bevorzugen. Aber es gibt eben auch noch einen kleinen Teil unentschlossener Wähler, an die sich Walz und Vance heute Nacht richten werden. Jene könnten den letzten nötigen Impuls erhalten, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden. Auch wenn es natürlich die Aufgabe ist, für Harris und Trump zu werben, kommt dem persönlichen Auftreten der beiden Running Mates in diesem Jahr eine hohe Bedeutung zu. Wer kein Vertrauen gewinnen kann oder unsympathisch wirkt, wird den evtl. letzten Eindruck vor einer Wahlentscheidung nicht in die eigene Richtung lenken können.


Walz präferiert andere Formate

Tim Walz hat den Vorteil, den richtigen politischen Instinkt zu haben und er weiß, wie er sprechen und agieren muss, um bei den Zuschauern einen authentischen Eindruck erwecken zu können. Das Format ist allerdings nicht auf ihn zugeschnitten. Walz kann seine Stärken vor großen Mengen oder in direktem Kontakt mit den Bürgern ausspielen. Eine ruhige strikt durchgeplante Debatte in einem direkten Duell mit seinem Gegenkandidaten, gesteuert durch Moderatoren, können die Stärken von Walz hemmen. Er selbst betrachtet sich auch nicht als guten Debattierer in solchen Formaten. Es wird also sehr spannend zu beobachten sein, ob es Walz gelingt, auf einer solch großen "Bühne" eine gute Verbindung zu den Zuschauern herzustellen. Außerdem muss er seine verbalen Angriffe auf JD Vance wohl dosieren. Ein Auftritt wie in einer mit ihm zujubelnden Menge von Anhängern der Demokraten wäre unangemessen und könnte als "over the top" wahrgenommen werden. Andererseits darf er sich auch nicht auf eine Art intellektuelles Kamingespräch einlassen, denn hierbei könnte JD Vance seine Vorteile besonders gut ausspielen.


Vance kann Walz mit Sachlichkeit auf dem falschen Fuß erwischen

Die Wahrnehmung von Vance hat nach dessen Nominierung gelitten. Seine Beliebtheitswerte liegen hinter denen von Tim Walz. Hinzukommt, dass Vance mit seinen Bemerkungen zu "childless cat ladys" und erfundene Geschichten über Haustiere essende Einwanderer in Ohio zwar die Wählerschaft Trumps bediente, bei den Unabhängigen Wählern aber kaum gepunktet haben dürfte.

Die Gefahr dass Walz den Republikaner unterschätzt ist grundsätzlich vorhanden, sollte dem Demokraten aber auch bekannt sein. Vance ist klug genug, sich auf solche Formate gut vorzubereiten und seine Angriffspunkte gegen Walz geschickt auszuspielen, so dass dieser in die Defensive kommt. Spontanität oder emotionale Reden sind dagegen meiner Wahrnehmung nach nicht Vance Stärken, in der kommenden Nacht aber auch nicht unbedingt gefragt, es sei denn Walz gelingen Überraschungsangriffe, mit denen Vance nicht gut umgehen kann. Der Republikaner verfügt über eine gute Auffassungsgabe und kann auch überzeugend argumentieren, wenn er denn will. Gelingt es ihm in dieser Nacht, Tim Walz mit weniger populistischen, dafür aber präzise sachlichen Argumenten zu stellen, könnte der Demokrat ins Schwimmen kommen.

Für beide Kandidaten gilt, dass dies der wichtigste Auftritt in ihrer bisherigen Karriere ist.


Ziel sollte für beide Kandidaten sein, diese Nacht nicht als klarer Verlierer vom Platz zu gehen. Die Erwartungshaltung, dass sie den ausschlaggebenden Punkt für Harris oder Trump setzen können, wäre vermessen. Es wäre schon viel gewonnen, gelänge es einem der Kandidaten das Thema der kommenden ein bis zwei Wochen zu bestimmen, sei es durch eigene gelungene Äußerungen, provozierte misslungene Äußerungen des Kontrahenten oder einem neuen Inhalt, der bislang noch nicht so sehr im Fokus lag.


Treten Trump und Harris doch nochmal gegeneinander an?

Hauptverantwortlich für das Wahlergebnis werden aber Kamala Harris und Donald Trump sein. Dass sie sich beide noch nicht auf ein weiteres Duell einigen konnten, überrascht doch ein wenig. Weder die eine, noch die andere Seite können sich eines Sieges gewiss sein. Normalerweise müssten sie jede Möglichkeit nutzen, um die Wählerschaft zu überzeugen und das Heft des Handelns selbst in der Hand zu behalten. Eine Einladung von CNN hat Harris angenommen, Trump lehnt bisher ab. Zwei Gründe kann dies haben. Entweder ist er sich tatsächlich so siegessicher, dass er meint, dies nicht mehr zu brauchen oder er fürchtet, dass sich seine Ausgangslage dadurch verschlechtert. Es entspricht aber eigentlich nicht seiner Art, die Bühne eines finalen Aufeinandertreffens auszulassen. Die direkte Konfrontation scheut Trump in der Regel nicht. Spätestens für den Fall, dass der Wahlausgang doch droht, zu seinen Ungunsten zu verlaufen, dürfte Trump einem solchen Format nochmal zustimmen. Bleibt es bei einem offenen Rennen, was derzeit wahrscheinlich ist, kann es aber tatsächlich sein, dass Trump ein letztes Duell eher als Risiko betrachtet.

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