Themenschwerpunkt: Waffengesetze
Im zweiten Teil der Themenschwerpunktreihe im US-Wahlkampf
geht es um das komplexe und äußerst kontrovers diskutierte Waffenrecht der USA.
In Deutschland wird häufig der Kopf darüber geschüttelt, wie es immer wieder zu Amokläufen, Massenschießereien und tragischen Unfällen in Amerika kommen kann. Um die Hintergründe
der Diskussion auch im Wahlkampf zu verstehen, lohnt es sich, etwas genauer
hinzusehen.
Zunächst
ein paar Zahlen: Etwa 30-40% der
Haushalte in den USA besitzen Schusswaffen. Es werden pro Jahr (2016-2018) ca. 15.000 Menschen
in den USA durch Schusswaffen getötet, weitere ca. 30.000 werden verletzt. Hinzu kommen rund 22.000 Todesopfer durch Suizid mit Schusswaffen. Ca. 700 Kinder unter 11 Jahren werden getötet oder verletzt, ca. 3000 Jugendliche im Alter von 12-17 Jahren werden getötet oder verletzt.
Ursprung der Affinität zu Waffen
Das Recht auf Waffenbesitz basiert auf dem 2. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die ersten zehn
Zusatzartikel sind auch unter dem Namen Bill of Rights bekannt.
In dem 2.
Zusatzartikel von 1789 heißt es: "Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines
freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen
und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."
Diese Formulierung lässt natürlich einen gewissen
Interpretationsspielraum zu. Ist die Nennung der Miliz eine Zweckbestimmung?
Welche Waffen sind gemeint? Ist tatsächlich eine Beeinträchtigung oder gar ein
Verbot gemeint? 2008 entschied der Supreme Court, dass schussbereite
Handfeuerwaffen zu Hause zur Selbstverteidigung erlaubt sind.
Kompliziert
wird die Bewertung des Waffenrechts auch
dadurch, dass alle Bundesstaaten zum Teil sehr unterschiedliche
Regelungen zum
Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen haben. In nicht allen
Bundesstaaten
ist z. B. ein Waffenschein zum Kauf einer Schusswaffe erforderlich.
Anderswo ist
das Führen von geladenen Schusswaffen auch außerhalb der eigenen vier
Wände erlaubt, es gibt Unterschiede zwischen dem offenen und dem
verdeckten Tragen von Waffen.
Es wird differenziert zwischen „normalen“ Schusswaffen, firearms
(automatische
Waffen), assault weapons (Sturmgewehre) etc. An dieser
Stelle gehe ich aber nicht auf
jegliche Regulierungen und Unterschiede ein. Wichtig ist zunächst
nur,
dass aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der Waffengesetze auch
die
Diskussionen in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich
ausgerichtet sind. Hier findet Ihr eine detaillierte Übersicht der wesentlichen waffenrechtlichen Bestimmungen in den jeweiligen Bundesstaaten.
Diskussionskultur und die Lobbyarbeit der NRA
Die aktuellen Diskussionen um schärfere Waffengesetze werden
mit sehr viel Ideologie und Emotion geführt. Befürworter werden als
Verfassungsfeinde bezeichnet, Gegnern von schärferen Regelungen eine Mitschuld
an den immer wiederkehrenden Amokläufen und Massenschießereien gegeben.
Die Reform Brady Bill
Es hat in der Vergangenheit vielerlei Reformbemühungen
gegeben. Eine der wichtigsten der letzten Jahrzehnte war der Brady Bill oder
auch Brady Act. Das Gesetz ist benannt nach dem früheren Pressesprecher Ronald
Reagans, James Brady. Dieser wurde von einem Mann niedergeschossen, der zuvor
bereits verhaltensauffällig im Zusammenhang mit Schusswaffen geworden war. Der
Brady Bill schrieb vor, dass sich die Käufer von Handfeuerwaffen spätestens
fünf Tage nach dem Kauf überprüfen lassen müssten, ehe sie die Waffe ausgehändigt
bekommen. Innerhalb lizensierter Waffenläden erfolgte eine solche Überprüfung
sofort. Die Kontrolle beinhaltete einen Abgleich mit der FBI-Datenbank, ob
Vorstrafen oder psychische Erkrankungen, die dem Waffenbesitz entgegen stehen,
vorhanden waren. Das Gesetz wurde 1993
durch Bill Clinton unterzeichnet. 1997 hob es der Oberste Gerichtshof wieder
auf. Jedoch nur mit der Begründung, dass die Gesetzgebung in der Zuständigkeit
der einzelnen Bundesstaaten liegen müsste. Mehrere Bundesstaaten haben danach
jedoch die Regelungen des Brady Bill übernommen.
Background Checks
Die heutige Diskussion um die Background Checks
(Hintergrundüberprüfungen) befasst sich mit einer ähnlichen Frage. In den USA werden Background Checks verpflichtend beim Kauf von Schusswaffen bei lizensierten Händlern durchgeführt. Dabei werden die Daten des Käufers an eine Datei des FBI gesandt und binnen weniger Minuten erhält der Händler eine Antwort. Kauft sich jedoch jemand privat eine Schusswaffe, z. B. auch online oder gebraucht, entfallen diese Überprüfungen. Das ist zum Beispiel auch bei den sogenannten Gun Shows in den USA der Fall. Eine Gun Show ist eine Art Messe, bei der man von
verschiedenen Verkäufern Schusswaffen erwerben kann. Diese
Überprüfungslücke nennt sich "loophole". Befürworter strengerer Waffengesetze
verwenden häufig die Worte „close the loophole“ und meinen damit, dass die Gesetzeslücke und das Schlupfloch
derjenigen, die sich auf diesem Wege eine Schusswaffe besorgen, geschlossen
werden soll. Sie fordern dann Universal Background Checks.
Das Repräsentantenhaus verabschiedete am 27.02.2019 ein Gesetz, wonach es Background Checks beim Verkauf aller automatischen Waffen geben muss. Das Gesetz wurde mit 240 zu 190 Stimmen angenommen, wobei fast alle Demokraten dafür und fast alle Republikaner dagegen stimmten. Damit ist das Gesetz an den Senat weitergegeben worden, wo es bislang noch nicht beschlossen wurde. Dort haben die Republikaner eine Mehrheit. Sollte wider Erwarten das Gesetz auch den US-Senat passieren, müsste Donald Trump als amtierender Präsident noch zustimmen. Trump kündigte aber bereits an, sein Veto gegen das Gesetz auszusprechen, sofern es ihm vorgelegt wird.
Kernforderungen im aktuellen US-Wahlkampf 2019/2020
Neben den Background Checks werden im aktuellen Vorwahlkampf der Demokraten nahezu einhellig insbesondere die Wiedereinführung eines Verbots von Sturmgewehren sowie ein Verbot sowohl von Schusswaffenmagazinen mit hoher Kapazität als auch von Bump Stocks (Schnellfeuerkolben) gefordert. Vereinzelt gibt es auch Forderungen nach der Einführung von Waffenscheinen. Die Positionen der verschiedenen demokratischen Präsidentschaftsbewerber/innen sind jedoch nicht so kontrovers, dass sie ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darstellen. Die Diskussionen werden immer mal wieder auch anlassbezogen verstärkt geführt. Zu einer intensiven Debatte um die Verschärfung der Waffengesetze wird es aber sicherlich im Wahlkampf zur General Election kommen. Donald Trump wird hier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Zugeständnisse in Richtung der Demokraten machen.
Red Flag Law
Unter dem Begriff Red Flag Law ist im Zusammenhang mit Schusswaffen zu verstehen, dass die Polizei oder Familienangehörige von Schusswaffenbesitzern bei einem zuständigen Gericht die vorübergehende Wegnahme der Waffe beantragen können, wenn begründet werden kann, dass die Person eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Eine solche gesetzliche ERPO Regelung (Extreme Risk Protection Order) gibt es inzwischen in 16 meist demokratisch geprägten Bundesstaaten.
Stand your Ground
Eine weitere wichtige Formulierung bei der Diskussion um
Waffengesetze ist das „Stand your Ground (Law)“ Dieses Gesetz erlaubt es z. B.
dem Hauseigentümer im Falle eines Einbruchs, den Täter im Zweifel zu
erschießen. Lange Zeit war der Bewohner verpflichtet, sich zunächst
zurückzuhalten, zurückzuweichen bzw. eine Konfrontation zu vermeiden. Diese
Regelung wurde durch das Stand your Ground Gesetz aufgehoben. Das Recht braucht
dem Unrecht nicht weichen. Nun ist dem Bewohner innerhalb seines privaten bzw.
berechtigten Bereichs erlaubt, sich gegen das rechtswidrige Eindringen/Verletzen
(Gewaltverbrechen) zur Wehr (Notwehr) zu setzen. Dass dabei auch der Täter
getötet oder schwer verletzt werden kann, ist gesetzlich abgesichert. Der
Verteidigende kann nicht strafrechtlich belangt werden. An dieser Stelle
verzichte ich auf weitere rechtliche Erläuterungen zu den Definitionen von Gewaltverbrechen,
Notwehr etc. die selbstverständlich aber klar geregelt sind. Aber wie auch in
Deutschland kennt die Anwendung von Notwehr auch in den USA eine gewisse
Grenze. Vereinfacht gesagt: Wenn es offensichtlich ist, dass von einem
Angreifer keine ernsthaftere Gefahr ausgeht, ist das Mittel der Notwehr zwar
berechtigt aber es muss auch verhältnismäßig bzw. notwendig sein.
Stand your Ground ist nicht so umstritten, wie andere Themen im Zusammenhang mit dem
Waffenrecht.
Waffenfreie Zonen und ein staatliches Rückkaufprogramm
Als Folge verschiedener Amokläufe gibt es nicht nur die Forderung nach der Verschärfung von Waffengesetzen. Die NRA und viele konservative Politiker verfolgen dabei den Ansatz, dass waffenfreie Zonen, die es im
öffentlichen Raum
immer mal wieder gibt, abgeschafft werden sollten. Sie seien eine
Einladung für
Täter, da sie in diesen Bereichen mit weniger Gegenwehr rechnen könnten.
Opfer
und Passanten hätten keine Möglichkeit, sich mit Waffen zur Wehr zu
setzen. Die
Vorschläge werden ergänzt durch die Forderung, dass z. B.
Bildungspersonal nach Anleitung Waffen mitführen müssten. Anhand dieses
Beispiels wird
deutlich, wie weit die unterschiedlichen Ansätze auseinander liegen.
Zwischen
mehr Waffen und weniger Verbote auf der einen Seite und weniger Waffen
und
schärfere Gesetze auf der anderen Seite scheint in diesem aufgeladenen
Konflikt
wohl kaum ein Kompromiss möglich sein.
Zusätzlichen Zündstoff erhielt die allgemeine Debatte um das Waffenrecht, als die
Möglichkeit eines verpflichtenden staatlichen Rückkaufprogramms für Waffen ins
Spiel gebracht wurde. Australien hat den Bürgern die Waffen abgenommen und
für finanzielle Entschädigung gesorgt. Der Erfolg dieser Maßnahme ist an einer stark
gesunkenen Opferzahl messbar und gilt in Australien als weitgehend
unbestritten. Die NRA warf den Befürwortern strengerer Waffengesetze vor,
schon immer die Konfiszierung aller Schusswaffen angestrebt zu haben.