Der Wahlkampf in den USA befindet sich noch nicht ganz auf der Zielgeraden, viel Zeit bleiben aber Kamala Harris und Donald Trump nicht mehr, um die entscheidenden Stimmen für sich gewinnen zu können. Landesweit haben schon über 13 Mio Wählerinnen und Wähler ihre Stimme im Rahmen des Early Votings abgegeben. Sie können nun nicht mehr im Wahlkampf erreicht werden, ihre Stimmen haben Harris und Trump dafür bereits sicher.
In der Wahlnacht den Überblick behalten
16 Tage vor der Wahl lohnt sich so langsam ein erster Blick auf die Wahlnacht und ggf. die darauf folgenden Tage, wenn es knapp wird und lange gezählt werden muss. Die wichtigsten Entwicklungen und aktuelle Auszählungsergebnisse gibt es hier natürlich auch wieder für alle entscheidenden Bundesstaaten. Um bei den vielen Zahlen nicht den Überblick zu verlieren, ist es wichtig, einige Details zu den Auszählungen zu kennen und immer auch zu berücksichtigen. Die Bundesstaaten zählen unterschiedlich aus. Einige zählen zuerst die Briefwahlstimmen, andere wiederum die Wahlzettel, die am Wahltag abgegeben wurden. Dann kommt es auch darauf an, welche Counties bereits Zahlen gemeldet haben und wie hoch der Anteil aller dort abgegeben Stimmen ist. So kann es sein, dass sich die Stimmenverhältnisse von Stunde zu Stunde stark verändern.
Anders als bei Wahlen in Deutschland, wo Wahltagsbefragungen in Prognosen einfließen und gemeldete Zahlen im Hintergrund ausgewertet und zu Hochrechnungen verarbeitet werden, können in den USA gemeldeten Zahlen fortlaufend mitverfolgt werden. Einerseits ist dies natürlich etwas spannender, da man auch schneller mit Informationen versorgt wird, andererseits fehlt häufig die Einordnung, was diese minütlichen kleinteiligen Veränderungen in den Auszählungsständen tatsächlich für den Wahlausgang bedeuten. Aus welchem County stammen die Zahlen? Aus welcher Stadt dieses Counties stammen sie? Wieviel Prozent sind dort schon ausgezählt? Wie wurde vor vier Jahren dort abgestimmt, welche Veränderungen hat es im Vergleich dazu gegeben? Es sind viele Faktoren zu berücksichtigen, weshalb es wichtig ist, immer detailliert hinzuschauen, um sich nicht voreilig von den reinen Zahlen in die Irre führen zu lassen.
Die Counties liefern die wertvollsten Informationen
Beim Blick in diese Details kann man sich aber auch verlieren. In den ersten Stunden nach Schließung der Wahllokale eines Bundesstaats empfehle ich maximal auf die Ebene der Counties zu blicken und diese nicht noch weiter aufzusplitten. Wer also Interesse und die Ruhe hat, kann die Wahlen auch zusätzlich auf diese Weise verfolgen. Es ändert aber nichts daran, dass auch hier der Blick auf die Battleground States zu richten ist. Natürlich gibt es auch in anderen Bundesstaaten Counties, die vielaussagende Ergebnisse liefern können, Ziel soll ja aber sein, sich nicht unnötig mit zu vielen Daten zu überfrachten. Stattdessen sollte der Fokus auf die wichtigsten Zahlen der Nacht gelegt werden. Im Folgenden sind einige Counties aufgeführt, die besonders aussagekräftige Ergebnisse liefern können. Die Auswahl dieser Counties ist aber nicht zufällig erfolgt.
Klar ist, dass Kamala Harris in den Metropolen und Großstädten Philadelphia, Pittsburgh, Detroit, Atlanta, Phoenix, Milwaukee, Charlotte usw. besonders stark abschneiden wird und Donald Trump dagegen zuverlässig die vielen ländlichen Regionen gewinnen wird. Hierbei stellt sich beidseitig die Frage, wie viel des eigenen Potenzials in den Hochburgen abgerufen werden kann. Kann Harris punktuell in den Großstädten so viele Stimmen holen, dass sie gegen die breite Flächenstärke Trumps ankommen kann oder kann Trump so viele kleine Counties mit großem Abstand gewinnen, dass es reichen wird, den Rückstand aus den bevölkerungsstarken Hochburgen der Demokraten wettzumachen?
Klar ist aber auch, dass der Kampf um alles dazwischen die dritte Größe in diesem Rennen ist. Kleinstädte, Vororte am Rande der Großstädte. Hier mischen sich die Verhältnisse und es kommt zu knappen Abständen. Bei der Auswahl der Counties für die Wahlnacht ist dies auch berücksichtigt. Hinzu kommen auch Faktoren, wie die Bevölkerungsstruktur zusammengesetzt ist, wie hoch beispielsweise der Anteil Weißer, Schwarzer, Hispanics usw. ist. Es geht bei der Auswahl der Counties also nicht zwingend darum, festzustellen, aus welchem Bereich nun die meisten Stimmen zu erwarten sind, sondern um Ableitungen auf das Gesamtergebnis des Bundesstaats zu erhalten.
In der Wahlnacht und der ggf. nötigen Folgezeit werde ich immer mal wieder auf diese voraussichtlich aussagekräftigen Counties eingehen.
Aussagekräftige Counties der Swing States im Überblick
Pennsylvania
Biden gewann Pennsylvania 2020 mit 50,01 % zu 48,84 %, rund 81.000 Stimmen Differenz bei ca. 6,9 Mio abgegebener Stimmen.
- Erie County, 2020 ca. 140.000 Stimmen, 49,8 % Biden zu 48,8 % Trump
- Northampton County, 2020 ca. 170.000 Stimmen, 49,8 Biden zu 49,0 % Trump
- Lackawanna County, 2020 ca. 115.000 Stimmen, 53,7 % Biden zu 45,3 % Trump
Northampton County, im Nordosten von Allentown und Erie County am gleichnamigen See gelegen, sind in Pennsylvania besonders interessant, da hier Biden jeweils mit etwa 1 % vor Trump landete, also in etwa das Ergebnis für Pennsylvania Gesamt erzielte.
Trump erreichte 2016 erstmals seit 1988 wieder eine Mehrheit für die Republikaner im Northampton County und gewann den Bundesstaat Pennsylvania erstmals auch wieder seit 1988 für die Republikaner. 2020 lag er hier wieder hinter Biden und die Demokraten holten Pennsylvania wieder zurück. Für Erie County gilt das Gleiche seit 1992, wer hier gewinnt, holt auch den Bundesstaat. Das muss dieses Jahr nicht zwangsläufig wieder so sein, aber beide Counties liefern sehr gute Vergleichswerte.
Lackawanna County hat mit etwa 81 % einen sehr hohen und einen höheren Anteil weißer Wählerinnen und Wähler als der Durchschnitt Pennsylvanias. Das Durchschnittseinkommen liegt unterhalb des Bundesstaatsdurchschnitts. Mit Scranton befindet sich eine klassische deindustrialisierte (Stahl, Kohle, Eisen) Stadt im Lackawanna County, deren Einwohner besonders auf die wirtschaftliche Entwicklung und Kostensteigerungen blicken. Diese Bedingungen sind die Basis für Donald Trumps Erfolg 2016 im Rust Belt gewesen. Der Zuspruch für die Demokraten ist tendenziell zurückgegangen. Insbesondere Hillary Clinton (49,79 %) verlor hier 2016 gegenüber Obama 2012 13 %, blieb aber noch 3 % vor Trump. Joe Biden konnte diesen Abstand zu Trump wieder auf gut 8 % ausbauen. Aber Scranton ist auch der Geburtsort Bidens, weshalb schwer einzuschätzen ist, in wie weit dies bei dem verbesserten Ergebnis eine Rolle spielte. Je dichter Kamala Harris an Bidens Wert herankommt und nicht auf das Niveau von Clinton abfällt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Harris in diesem Jahr Pennsylvania gewinnen kann. Wenn Trump es hier nicht gelingt, sein Potenzial auch in Wählerstimmen umzusetzen und mindestens 46-47 % gewinnt, wird es auch andernorts in Pennsylvania und im Rust Belt schwierig werden.
In den bevölkerungsstarken Hochburgen der Demokraten in Philadelphia (Phil. County) und Pittsburgh (Allegheny County) geht es für Kamala Harris insbesondere um die Mobilisierung der eigenen Wähler, ein Umstand, der entsprechend auch bei den anderen Battleground States zu beobachten ist. Bleiben ein signifikanter Teil der Demokraten in den Großstädten und Metropolen zuhause, kann dieser Verlust anderswo in den mittelgroßen Vorstädten kaum aufgeholt werden.
Georgia
Biden gewann Georgia 2020 mit 49,47 % zu 49,24 %, rund 11.500 Stimmen Differenz bei ca. 5,0 Mio abgegebener Stimmen.
- Cobb County, 2020 ca. 400.000 Stimmen, 56,3 % Biden zu 42,0 % Trump
- Fulton County, 2020 ca. 510.000 Stimmen, 72,6 % Biden zu 26,2 % Trump
- DeKalb County, 2020 ca. 375.000 Stimmen, 83,1 % Biden zu 15,7 % Trump
Das Cobb County, liegt im Nordwesten von Atlanta (Fulton County), der bevölkerungsstarken Hochburg der Demokraten. Der Großraum Atlanta hat über die Hälfte aller Stimmberechtigen Georgias. Cobb County ist ein Teil dieses Großraums und aufgrund seiner strukturellen Beschaffenheit mit vielen Kleinstädten und Vororten und einer sehr diversen Bevölkerungsstruktur besonders wertvoll für die Analyse und Hochrechnung der Ergebnisse in Georgia. Die Anteile weißer und schwarzer, lateinamerikanischer und asiatischer Bevölkerung sind hier ähnlich der des gesamten Bundesstaats.
Die Republikaner hatten in Cobb County stets die Mehrheit bei Präsidentschaftswahlen gewonnen, Donald Trump allerdings zwei mal in Folge verloren. War der Abstand zwischen Trump und Clinton noch bei 2 %, hatte Trump 2020 gegenüber Biden mit 14 % das Nachsehen. Ein Grund, weshalb die Demokraten Georgia gewonnen hatten.
Sollte Trump diesen Rückstand wieder verringern können, wäre dies ein wichtiger Indikator für ein verbessertes Gesamtergebnis in Georgia, was bei dem knappen Ergebnis aus 2020 schon für die Republikaner reichen könnte, den Bundesstaat zurückzugewinnen.
Die besondere Relevanz von Fulton County, was die Stadt Atlanta beinhaltet und das östlich angrenzende DeKalb County ist sehr einfach zu beschreiben. Gelingt es Kamala Harris hier nicht, eine besonders hohe Wahlbeteiligung zu erzielen, werden die Demokraten ihren Erfolg aus 2020 kaum wiederholen können. Fast ein Fünftel aller Stimmen Georgias wurden hier abgegeben und die Demokraten haben hier mit 72,6 und 83,1 % ihre Hochburgen.
North Carolina
Trump gewann North Carolina 2020 mit 49,93 % zu 48,59 %, rund 75.000 Stimmen Differenz bei ca. 5,5 Mio abgegebener Stimmen.
- Wake County, 2020 ca. 650.000 Stimmen, 62,2 % Biden zu 35,8 % Trump
- Nash County, 2020 ca. 52.000 Stimmen 49,6 % Biden zu 49,4 % Trump
- Wilson County, 2020 ca. 41.000 Stimmen 50,9 % Trump zu 48,1 % Biden
Das bevölkerungsreichste (rund 1,2 Mio) und immer weiter wachsende Wake County umfasst die Hauptstadt North Carolinas, Raleigh mit knapp 0,5 Mio Einwohnern. Die Einwohnerzahl hat sich in den vergangenen 25 Jahren in etwa verdoppelt. Der Anteil der Schwarzen ist hier deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Der Zuzug von jüngeren und überdurchschnittlich gebildeten Menschen (mehrere Universitäten sind hier ansässig) prägt diese Region ebenfalls. Diese strukturelle Kombination führte zu immer besseren Ergebnissen für die Demokraten. In dieser Wachstumsphase seit dem Jahr 2000 haben die Demokraten ihren Stimmenanteil bei Präsidentschaftswahlen stetig von 46 % auf zuletzt 62 % erhöht, mit einem kleinen Knick 2012 bei der Wiederwahl Obamas. Von 2012 bis 2016 konnten die Demokraten hier rund 2,5 % zulegen. Von 2016 bis 2020 waren es nochmal fast 5 %. Sollte dieser Trend anhalten, in etwa in Richtung 65 % gehen, wären die Hälfte des Gesamtrückstands der Demokraten in North Carolina aus 2020 wettgemacht.
Der Verschiebungseffekt innerhalb North Carolinas, also dass der Zuwachs teilweise durch den Wegzug aus anderen Bereichen des Bundesstaats erzielt wird, muss dabei natürlich auch berücksichtigt werden. Viele neue Einwohner kommen aber aus anderen Bundesstaaten, hier insbesondere New York oder Virginia. Wake County wirbt zudem auch in anderen Metropolregionen wie Los Angeles und Austin um den Zuzug von gut gebildeten jungen Menschen, denen die Lebenserhaltungskosten dort zu hoch geworden sind. Ein erneutes Zulegen der Demokraten wäre also ein Zeichen dafür, dass Harris bei einer Mischung aus Großstadt, Vorstadt und ländlichem Raum gut abschneidet.
Nash County und Wilson County sind dagegen deutlich bevölkerungsärmer aber aufgrund ihrer knappen Ergebnisse in 2020 und ihrer Bevölkerungsstruktur interessant. Beide Counties haben ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen ländlicher weißer und schwarzer Bevölkerung. Sollte Trump hier in diesem Jahr mit einigen Prozent Vorsprung gewinnen, wäre dies ein Indikator dafür, dass er auch dieses Jahr in North Carolina vorne liegen könnte. In Nash County lag er zuletzt nur 0,2 % hinter Biden und Wilson County etwa 2,8 % vor dem Demokraten.
Michigan
Biden gewann Michigan 2020 mit 50,62 % zu 47,84 %, rund 154.000 Stimmen Differenz bei ca. 5,6 Mio abgegebener Stimmen.
- Wayne County, 2020 ca. 875.000 Stimmen, 68,4 % Biden zu 30,3 % Trump
- Kent County, 2020 ca. 360.000 Stimmen, 52,0 % Biden zu 45,9 % Trump
Wayne County beinhaltet auch die Stadt Detroit. Keine andere Stadt in den USA steht so sehr für den Untergang der Automobilindustrie. Detroit hat heute nur noch etwa ein Drittel der Bevölkerung im Vergleich zu Ihren besten Zeiten. Dennoch ist Detroit mit über 600.000 Einwohner die mit Abstand größte Stadt Michigans und auch heute noch ist die Automobilindustrie ein bedeutender Faktor.
Wayne County hat heute mit ca. 38 % einen besonders hohen Anteil schwarzer Bevölkerung, der etwa drei mal so hoch ist, wie im Bundesdurchschnitt. Das Einkommen ist hier niedriger als im Schnitt, ebenso der Wert an Grundstücken und Immobilien. Die Armutsrate ist fast doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt.
Die Demokraten werden auch in diesem Jahr wieder die Mehrheit in Wayne County gewinnen, aber der Abstand zu den Republikanern kann hier ein wesentliches Indiz sein, wie gut Kamala Harris sowohl im Rust Belt insgesamt und insbesondere bei den Schwarzen abschneidet.
Donald Trump gewann 2016 den Bundesstaat Michigan, wobei er im Wayne County mit 29 % zu 66 % gegen Hillary Clinton verlor. Für die Demokraten war dies aber ein historisch schlechtes Ergebnis. Obwohl Trump hier vier Jahre später seinen Anteil nochmal um einen Prozentpunkt auf 30 % steigern konnte, verbesserte Joe Biden das Ergebnis der Demokraten um zwei Prozentpunkte auf 68 % bei um fast 100.000 Stimmen gestiegener Wahlbeteiligung.
Wayne County wird also für Michigan ein wesentlicher Prüfstein für Donald Trump werden. Er setzt aktuell sehr auf steigende Zustimmungswerte insbesondere bei männlichen Schwarzen. Kann er abermals seinen Anteil erhöhen, also über 30 % erreichen, müsste Kamala Harris schon an den Wert von Joe Biden aus dem Jahr 2020 herankommen. Der Abstand in Michigan war zwar relativ komfortabel für die Demokraten, aber sollte ein erstarkter Trump im Wayne County zu verzeichnen sein, dürfte dies auch in anderen vergleichbaren Teilen des Bundesstaate feststellbar sein und der Vorsprung der Demokraten wäre schnell dahin.
Und noch aus einem anderen Grund ist Wayne County von besonders hoher Bedeutung. Im Großraum Detroit, etwas in Hamtramck oder Dearborn leben sehr viele muslimische und arabischstämmige Amerikaner. Die Biden-Harris Regierung steht hier im Zusammenhang mit der Rolle der USA bei der Unterstützung Israels besonders in der Kritik und die Demokraten befürchten signifikante Verluste. Diese Kritiker werden gewiss nicht Donald Trump wählen, könnten dafür aber ins Lager der Nichtwähler oder anderer Drittkandidaten wechseln. Von den schätzungsweise 450.000 bis 500.000 Arab Americans in Michigan leben etwa 350.000 Menschen im Großraum Detroit, die aus dem Libanon, Syrien, Irak, Gaza, Jordanien oder dem Jemen kommen.
Kamala Harris und Joe Biden bemühen sich daher verbal um eine differenzierte Haltung gegenüber Israel und Premierminister Netanjahu, aus Sicht vieler Arab Americans reicht dies aber nicht aus.
Im Vergleich zu Wayne ist Kent County dagegen deutlich ausgeglichener strukturiert. Es enthält die Stadt Grand Rapids und war immer schon stärker republikanisch geprägt. Die Republikaner büßten hier aber insbesondere unter Donald Trump stimmen ein. Beim Sieg Barack Obamas im Jahr 2012 konnte Mitt Romney Kent County trotzdem noch mit 7,5 % Vorsprung gewinnen. Beim schwachen Abschneiden Hillary Clintons 2016 konnte Donald Trump aber schon nur noch mit 3 % Vorsprung gewinnen. 2020 hatte Joe Biden dann 6 % Vorsprung vor Trump, der ein historisch schlechtes Ergebnis für die Republikaner einfuhr.
Kent County wäre abseits von den Besonderheiten des Wayne County ein guter Indikator, ob die Demokraten grundsätzlich ihre Ergebnisse von 2020 in Michigan halten können oder ob Trump das republikanische Potenzial wieder besser ausschöpfen kann.
Kamala Harris könnte die mögliche Abwanderung der Arab Americans wohl nur dann verkraften, wenn sie andernorts wie in Kent County nicht auch noch Verluste hinnehmen muss.
Wisconsin
Biden gewann Wisconsin 2020 mit 49,45 % zu 48,82 %, rund 20.000 Stimmen Differenz bei ca. 3,3 Mio abgegebener Stimmen.
- Waukesha County, 2020 ca. 270.000 Stimmen, 38,8 % Biden zu 59,6 % Trump
- Brown County, 2020 ca. 160.000 Stimmen, 45,5 % Biden zu 52,7 % Trump
Für Wisconsin habe ich zwei Counties ausgewählt, die trotz Trumps knapper Niederlage 2020 mehrheitlich für den Republikaner gestimmt haben. Waukesha County grenzt westlich an das Milwaukee County, die bevölkerungsstarke Hochburg der Demokraten. Waukesha County ist vereinfacht gesagt: weißer, gebildeter und wohlhabender als der Durchschnitt Wisconsins.
Donald Trump holte bei seinem Sieg Wisconsins 2016 im Waukesha County rund 60 % und büßte bei seiner Niederlage im Jahr 2020 davon nur etwa 0,4 % ein. Joe Biden dagegen verbesserte das Ergebnis von Hillary Clinton um fast 5,5 % und lag damit auch besser als Barack Obama in den Jahren 2008 und 2012, was ein deutliches Indiz dafür ist, dass die Demokraten hier strukturell aufholen.
Sollte Trump in gut zwei Wochen in Waukesha County einen Wert von 60 % plus x erreichen, hat er gute Chancen, den Bundesstaat Wisconsin zum zweiten Mal nach 2016 zu gewinnen.
Brown County enthält neben ländlichen Regionen und kleinen Städten auch die Stadt Green Bay an der gleichnamigen Bucht des Lake Michigan. Das County ist strukturell mit dem gesamten Bundesstaat Wisconsin vergleichbar, weshalb politische Beobachter hier immer besonders genau hinschauen.
Es sind nicht die reinen Ergebnisse des Brown County, die auf Wisconsin übertragbar sind, aber die Entwicklungen geben Aufschluss über die Performance der Kandidaten. Barack Obama gewann Wisconsin 2008 mit etwa 14 % Vorsprung vor John McCain und 2012 nur noch mit etwa 7 % vor Mitt Romney. Im Brown County gewann Obama 2008 noch mit 9 Prozentpunkten Vorsprung, 2012 lag er aber schon hinter Romney.
Die sichere Bank Wisconsin verloren die Demokraten 2016 dann an Donald Trump der den Bundesstaat zunächst knapp gewann, dann 2020 wieder knapp an Biden verlor. Im Brown County konnte Trump 2016 Romneys Vorsprung entsprechend nochmal ausbauen und lag zweistellig vor Clinton, konnte dann aber 2020 mit nur noch 7 % Vorsprung gewinnen.
Für 2024 bedeutet dies, dass ein 8-9 Prozentpunkte Vorsprung Donald Trumps im Brown County auf einen Sieg des Republikanern im gesamten Bundesstaat hindeuten könnte.
Arizona
Biden gewann Arizona 2020 mit 49,36 % zu 49,06 %, rund 10.500 Stimmen Differenz bei ca. 3,5 Mio abgegebener Stimmen.
- Maricopa County, 2020 ca. 2,1 Mio Stimmen, 50,3 % Biden zu 48,1 % Trump
In Arizona konzentriere ich mich auf Maricopa County. Über 60 % aller Wählerinnen und Wähler Arizonas geben hier ihre Stimme ab und dominieren mit ihrem Wahlverhalten das Ergebnis des Bundesstaats außerordentlich. Der Anteil an Weißen, Schwarzen und Hispanics entspricht hier ziemlich genau dem Durchschnitt Arizonas, wobei hier insbesondere der mit über 30 % hohe Anteil an Hispanics hervorzuheben ist.
Maricopa County wählte praktisch immer mehrheitlich republikanisch mit teils deutlichen zweistelligen Abständen, so dass auch Arizona für die Republikaner immer fest eingerechnet wurde.
2016 zeichnete sich aber schon ein Wandel ab, da hier anders als in vielen Teilen der Swing States des Rust Belts Hillary Clinton im Vergleich zu ihren Vorgängern ein besseres Ergebnis für die Demokraten einfuhr, die Republikaner unter Trump aber deutlich federn lassen mussten, insbesondere zugunsten sog. Drittkandidaten. Trump gewann 2016 dennoch sowohl Maricopa County als auch den Bundesstaat Arizona mit einem Abstand von 3-4 %.
2020 aber war es dann soweit. Erstmals seit 1948 votierte Maricopa County mit gut 2% Vorsprung mehrheitlich für die Demokraten und Joe Biden gewann den Bundestaat Arizona äußerst knapp mit 0,3 % Abstand.
Es sind die gemäßigten Republikaner, die nicht die glühendsten Unterstützer Donald Trumps sind, die in Maricopa County und damit wohl auch für Arizona den Ausschlag geben werden. Der 2018 verstorbene und in Arizona überaus beliebte Senator des Bundesstaats, John McCain, stand wie kaum ein anderer für die innerparteiliche Opposition gegen die Trump-Bewegung. Bleibt es bei ihrer aktiven Ablehnung Donald Trumps, dürfte es der Republikaner schwer haben, den Bundesstaat zurückzuerobern. Kann Trump dagegen etwa von der kritischen Haltung der Republikaner in Bezug auf die Einwanderungspolitik der Demokraten hier wieder profitieren, wäre es eben nur ein hauchdünner Rückstand verglichen mit 2020, den Trump schnell wettgemacht hätte.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es auch ein vielbeachtetes Senatorenrennen in Arizona gibt, bei dem der Demokrat Ruben Gallego gegen die bei moderaten Republikanern eher unbeliebte Trump-Anhängerin Kari Lake antritt, um den aktuellen Senatssitz der von den Demokraten zu den Unabhängigen gewechselten Kyrsten Sinema neu zu besetzen, die nicht erneut antritt. Umfragen sehen hier Gallego relativ solide vor Kari Lake, während die Umfragen zwischen Harris und Trump weitaus offener sind. Hierbei wird zu beobachten sein, inwiefern Harris von dem Duell Gallego vs Lake in puncto Mobilisierung profitieren kann.
Nevada
Biden gewann Nevada 2020 mit 50,06 % zu 47,67 %, rund 33.500 Stimmen Differenz bei ca. 1,4 Mio abgegebener Stimmen.
- Clark County, 2020 knapp 1 Mio Stimmen, 53,7 % Biden zu 44,3 % Trump
- Washoe County, 2020 ca. 260.000 Stimmen, 50,8 % Biden zu 46,3 % Trump
Was Maricopa County für Arizona ist, ist Clark County nochmal umso so deutlicher für Nevada. Etwa 75 % aller Stimmen in Nevada werden in Clark, dem County mit der Metropole Las Vegas, abgegeben.
Es ist die Basis für die stetigen Erfolge der Demokraten in Nevada bei Präsidentschaftswahlen. Im Clark County kommen sie regelmäßig über 50 %. Hillary Clinton konnte hier 2016 52,4 % holen und lag damit knapp 11 % vor Trump. Dieser konnte den Rückstand 2020 auf rund 9 % leicht verringern.
Kann Kamala Harris hier einen Vorsprung von mindestens 7,5-8 % halten, hat sie gute Chancen, die Serie der Demokraten fortzusetzen. Trump wird seine starken Ergebnisse in den übrigen ländlichen Regionen Nevadas kaum noch derart steigern können, dass er einen größeren Rückstand in Clark County aufholen könnte. Trump lag in vielen Counties zwar mit teils über 70 % Vorsprung vor Joe Biden, die Counties sind aber so klein, dass Trump hier jeweils nur wenige Tausend Stimmen aufholen kann. Für den vollständigen Ausgleich des 91.000 Stimmen Rückstands aus Clark County reicht das eben nicht aus.
Je dichter Trump aber an einen Rückstand von nur noch 7 % herankommt, desto größer wird noch die Bedeutung einer anderen Region in Nevada. Washoe County ist mit Abstand der zweitgrößte Bereich Nevadas und könnte bei einem sehr knappen Ausgang den entscheidenden Ausschlag geben. Es ist das einzige County, das die Demokraten 2020 neben Clark County gewannen. Hier lag Biden aber nur 4,5 % vor Trump.
Der Großraum um die Stadt Reno im Nordwesten des Bundesstaats wählt seit den Obama-Jahren mehrheitlich demokratisch, wenn auch nur mit zuletzt relativ geringen Abständen. Die Demokraten hatten 2012 3,7 %, 2016 1,2 % und 2020 4,5 % Vorsprung. Trumps Rückstand im gesamten Bundesstaat Nevada bewegte sich bei den letzten beiden Wahlen mit jeweils 2,4 % exakt in diesem Bereich.
Nebraska Congressisonal District 2
Biden gewann Nebraska CD2 mit 52,3 % zu 45,7 %, rund 22.000 Stimmen Differenz.
- Douglas County, 2020 ca. 280.000 Stimmen, 54,4 % Biden zu 43,1 % Trump
Douglas County ist mit der Stadt Omaha ein wesentlicher Bestandteil des Congressional District 2 von Nebraska, der unabhängig vom Gesamtergebnis Nebraskas 1 Electoral Vote an den Sieger des CD2 vergibt (Splitting the Votes).
Kamala Harris benötigt in Douglas County einen Vorsprung von mindestens 4,5 % um den CD2 Nebraskas zu gewinnen. Hillary Clinton hatte 2016 im Douglas County nur einen Vorsprung von etwa 2,4 % und verlor den CD2 an Donald Trump. Joe Biden gewann Douglas County mit gut 11%, was einen Vorsprung von etwa 6 % im CD2 bedeutete.