Die Voraussetzungen im Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump haben sich praktisch von Beginn an kaum geändert. Es bleibt dabei, dass 43 Bundesstaaten und der District of Columbia relativ bis ziemlich sicher den Demokraten oder den Republikanern zugeordnet werden können. Demnach käme Kamala Harris auf 226 Electoral Votes und Donald Trump auf 219. Für den Gesamtsieg sind mindestens 270 Electoral Votes erforderlich.
In den sieben Bundesstaaten mit den übrigen 93 Electoral Votes sieht es wie folgt aus:
Vorweg sei erwähnt, dass die Battleground States als offen eingestuft werden, weil keine klare Tendenz erkennbar ist. In keinem der sieben Bundesstaaten haben Harris oder Trump einen durchschnittlichen Vorsprung von mehr als 2%. Bei einer Fehlertoleranz von 3-4 % pro Wert in den Umfragen und 3,5 % im historischen Vergleich zwischen Umfragen und Ergebnissen, ist keine seriöse Prognose möglich.
Pennsylvania bleibt der spannendste und wichtigste Bundesstaat
Es ist noch kein Must-Win-State, aber ohne Pennsylvania und die dortigen 19 Electoral Votes wird ein Gesamtsieg äußerst schwierig werden - sowohl für Harris als auch für Trump.
Wer Pennsylvania verliert, muss entweder Georgia oder North Carolina plus drei weitere Battleground States gewinnen, wobei selbst dort auch nicht mehr jede Kombination möglich ist. Für Harris käme zudem eine Siegkombination ohne Pennsylvania in Betracht, nämlich bei Erfolgen in Georgia, North Carolina und Michigan.
Die einfachsten Wege zum Sieg führen also über Pennsylvania. Für Harris scheinbar am einfachsten mit Michigan und Wisconsin. Für Trump vermutlich am einfachsten zusammen mit North Carolina und Georgia.
Der letzte Stand laut durchschnittlicher Umfragen (Aktualisierungen folgen noch bis Dienstag Morgen):
Pennsylvania: +0,3 % für Harris
North Carolina: +1,0 % für Trump
Georgia: +1,6 für Trump
Michigan: +1,6 für Harris
Wisconsin: +0,9 für Harris
Arizona: +1,6 für Trump
Nevada: +0,1 % für Harris
Welche Bundesstaaten für Harris und Trump zum Sieg führen und wann es zu einem Patt kommt, findet Ihr HIER.
So eng das Rennen zu sein scheint, es kann am Ende aber auch ein klarer Sieg für beide Seiten im Electoral College herauskommen. Sehen die Umfragen die Demokraten wie 2016 und 2020 tendenziell ein paar Prozentpunkte zu gut, würde Trump alle sieben Battleground States gewinnen. Wurden die Meinungserhebungen zu weit in dessen Richtung korrigiert, würde Harris einen klaren Sieg einfahren. Und dazwischen ist eben auch alles möglich.
Wo sind Überraschungen möglich?
Kann es noch zu Überraschungen in anderen Bundesstaaten kommen? Ja, aber ich sehe hier nur wenige Bundesstaaten, die dafür in Betracht kämen. Ich denke dass die 40 Electoral Votes aus Texas, die 30 aus Florida und die 17 aus Ohio ziemlich sicher an Trump gehen werden. Die Umfragen zeigen hier durchweg stabile Werte für den Republikaner, der ca. 6-7 Prozentpunkte vor Harris gesehen wird.
Auf Seiten der Demokraten scheinen Virginia, New Mexico und Minnesota ähnlich sicher an Harris zu gehen, die dort jeweils ca. 6 % vor Trump gesehen wird.
Ein möglicher Schwachpunkt der Demokraten könnte New Hampshire sein, wobei der Vorsprung von Harris mit 4 % nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass der Bundesstaat zuletzt vor 24 Jahren an die Republikaner ging. Zudem war der Zuspruch für Nikki Haley und die damit verbundene Ablehnung Trumps in den Vorwahlen in New Hampshire besonders ausgeprägt.
Seit dem vergangenen Wochenende ist klar, dass den Republikanern der Bundesstaat Iowa in den Sinn kommt, wenn man von einem überraschenden Verlust spricht. In Iowa wird Trump zwar 5 % in den Umfragen vorne gesehen, die vielzitierte Umfrage des Des Moines Register und Selzer & Co. trägt aber zu einiger Verunsicherung im Trump-Lager bei. Diese Umfrage sieht Harris 3 % vor Trump.
Die 6 Electoral Votes aus Iowa könnten für die Demokraten einen möglichen Verlust Nevadas ausgleichen.
Demokraten droht Mehrheitsverlust im US-Senat
Im US-Senat machen sich die Republikaner große Hoffnung auf einen Machtwechsel.
34 der 100 Sitze werden morgen neu gewählt. Rechnet man alle nicht zu wählenden Sitze und die zusammen, deren Ausgang morgen als gesichert gilt, kommen die Demokraten auf 42 und die Republikaner auf 47 Sitze.
Für eine Mehrheit, die aktuell die Demokraten halten, werden 51 Sitze benötigt. Bei einem 50:50 Patt entscheidet der Vizepräsident mit seiner Stimme. Je nach dem, wer die Präsidentschaftswahl gewinnt, würde hier von einem Patt rechnerisch profitieren.
Der Ausgang in 11 Wahlen um die Senatssitze gilt als offen. Berücksichtigt man einige Tendenzen, die sich in den Umfragen abzeichnen, kann angenommen werden, dass die Demokraten auf 46 und die Republikaner auf 50 Sitze kommen. Vier Wahlen zu den Sitzen für Ohio, Pennsylvania, Texas und Wisconsin blieben offen.
Demnach müssten die Demokraten alle vier komplett offenen Sitze gewinnen, um zumindest einen Patt zu erreichen, was insbesondere in Texas als sehr schwierig angesehen wird.
Aber die Umfragen bei Wahlen zum US-Senat sind noch etwas ungenauer als die zur Präsidentschaftswahl. Deswegen können die vorgenannten 11 Wahlen auch anders als aktuell vermutet ausgehen.
Die Kernaussage für den Senat bleibt aber klar. Alles andere als ein Machtwechsel wäre für die Republikaner eine Enttäuschung. Die Demokraten könnten mit einem Patt gut leben.
Eine detaillierte Übersicht über die relevanten Sitze findet Ihr HIER.
Offenes Rennen im Repräsentantenhaus erwartet
Im US-Repräsentantenhaus müssen die Republikaner hingegen um ihre Mehrheit bangen. Aktuell halten die Republikaner 220 Sitze, während die Demokraten auf 212 kommen. 3 Sitze sind derzeit vakant.
Für eine Mehrheit im Repräsentantenhaus werden 218 Sitze benötigt. Die Modelle sehen momentan für beide Parteien eine wahrscheinliche Sitzanzahl von jeweils 207. Dabei sind noch 21 Sitze offen, von denen also 11 für eine Mehrheit gewonnen werden müssen. Bei zurückhaltender Betrachtung, in der die Modelle die leicht zu einer Partei neigenden Sitze herausrechnen, kämen die Demokraten etwa auf 195 Sitze und die Republikaner auf 199. Statt 21 offener Sitze wären dann 41 Sitze umkämpft. Viel mehr Überraschungen wird es aber kaum geben, so dass die Frage der Mehrheit in etwa 20-40 Congressional Districts entschieden wird.
Betrachtet man nur die komplett offenen 21 Sitze, ist festzustellen, dass davon aktuell 12 Sitze von Republikanern und 9 Sitze von Demokraten gehalten werden.
Im Laufe der Wahlnacht oder darüber hinaus gehe ich auf die dann tatsächlich offenen und entscheidenden Sitze nochmal genauer ein.
Republikaner hoffen auf vollständige Machtübernahme
Die Rennen um das Präsidentenamt und die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus sind völlig offen. Für die Mehrheit im künftigen US-Senat sind die Republikaner favorisiert.
Worst Case für die Demokraten wäre ein kompletter Machtverlust. Trump im Oval Office, Mehrheiten der Republikaner in beiden Kammern des Kongresses und ein konservativer Supreme Court auf Trump-Linie wären eine denkbar schwierige politische Landschaft. Allein die Gestaltungs- und Blockademacht über einige Gouverneure in den Bundesstaaten bliebe den Demokraten noch.
Aber auch die Republikaner könnten vor großen Herausforderungen stehen, verlören sie neben dem Präsidentenamt auch noch die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Eine Diskussion über Trumps Kurs in der Partei wäre unvermeidlich, zu einer Zerreißprobe für die Grand Old Party käme es, bei einem zusätzlich missglückten Mehrheitswechsel im Senat.