Die Chancen auf den Gewinn von Wahlmännerstimmen bei der US-Präsidentschaftswahl sind für unabhängige Kandidaten oder solche anderer Parteien als die Demokraten und Republikaner verschwindend gering bis ausgeschlossen. Dies wird auch in diesem Jahr der Fall sein. Es ist nicht damit zu rechnen, dass eine einzige der 538 Electoral Votes nach Wahlergebnis an jemand anderen als Biden oder Trump gehen wird.
Dennoch kann an diesen unabhängigen Kandidaten nicht vorbei gesehen werden. Sie sind in der Lage, den Ausgang der Wahl entscheidend zu beeinflussen. Traditionell stellen die Grünen und die Libertären eigene Kandidaten auf. In diesem Jahr wird das Interesse am Abschneiden von Robert F. Kennedy Jr. besonders groß sein. Er tritt als Unabhängiger an und kommt in Umfragen teilweise auf zweistellige Werte.
Wem diese Kandidaten mehr Stimmen "wegnehmen" werden, ist dabei die entscheidende Frage. In den kommenden Wochen stelle ich hier die bislang drei bekannten Kandidaten vor, die derzeit bekannt sind und denen zumindest Ergebnisse über 1% zuzutrauen sind. Bei Abständen von weniger als 0,5 % zwischen Biden und Trump definitiv relevante Werte. Neben Kennedy, tritt der ebenfalls Unabhängige Cornel West an. Die Grünen schicken wie schon 2016 Jill Stein ins Rennen. Mit ihrer Kurzvorstellung beginne ich heute.
Jill Stein: Kandidatin der Green Party
Aus Reihen der Demokraten gab es an der Kandidatur Steins im Jahr 2016 besonders viel Kritik. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie bei aussichtsloser Lage mit ihrer Kandidatur entscheidende Stimmen von Hillary Clinton wegzog und so Donald Trump den Gesamtsieg ermöglichte. Wie eng das Rennen zwischen Trump und Clinton in einigen Bundesstaaten war und welchen indirekten Einfluss andere Kandidaten haben können, hatte ich im Nachgang der Wahl 2016 mit der folgenden Tabelle dargestellt. Die Tabelle zeigt die Ergebnisse aus Wisconsin, Pennsylvania und Michigan.
Trump Clinton Johnson Stein Differenz Wisconsin(10) 1.409.46747,9 % 1.382.21046,9 % 106.4423,6 % 30.9801,1 % +27.257 Pennsylvania(20) 2.912.94148,8 % 2.844.70547,6 % 142.6532,4 % 48.9120,8 % +68.236 Michigan(16) 2.279.80547,6 % 2.268.19347,4 % 173.0573,6 % 50.7001,1 % +11.612
Jill Stein ist eine entschiedene Kritikerin des Zweiparteiensystems in den USA.Inhaltliche Kernforderungen sind eine konsequentere Klima- und Umweltpolitik der USA. Sie fordert einen "Real Green New Deal", der mit massiven Investitionen in "Grüne" Arbeitsplätze, Industrien und Technologien verknüpft ist.Des weiteren will sie den Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, Schwarzen, Hispanics, der Indigenen Bevölkerung, der LGBTQ+ Community und anderen Minderheiten verstärken.Außerdem gehören der 15 Dollar Mindestlohn und eine kostenfreie Bildung sowie ein besserer Zugang zum Gesundheitswesen zu ihren Kernforderungen.
In welchen Bundesstaaten Jill Stein antreten wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach aktuellem Stand wird sie in über der Hälfte aller Bundesstaaten antreten können, da sie die nötige Unterstützung erhalten hat. Einen genaueren Blick auf die Swing States wird es dann nochmal etwa zwei Monate vor der Wahl geben.
Ende April folgen die Kurzvorstellungen von Robert F. Kennedy Jr. und Cornel West.
Bis dahin habe ich nochmal einige historische Einflüsse der sog. Third-Party-Candidates herausgesucht.
Unabhängige und Third-Party-Kandidaten können Wahlen entscheiden
Auszug aus meinem Artikel vom 24.01.2016:
Wie schon angedeutet, können sich unabhängige Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen in den USA nicht ernsthafte Chancen auf den Einzug ins Oval Office machen. Dennoch sind diese Kandidaturen für die beiden großen Parteien immer ein Unsicherheitsfaktor und können immense Auswirkungen auf das Gesamtergebnis haben. Ich möchte mal zwei Beispiele anführen, die dies auf ihre jeweils eigene Art verdeutlichen.
Dass ein unabhängiger Kandidat aber nicht mal ein solch gutes Ergebnis wie jenes Ross Perots einfahren muss, um eine Präsidentschaftswahl zu entscheiden, kann man an den Ereignissen aus dem Jahr 2000 ablesen. Vielen dürfte diese Wahl noch immer in bester Erinnerung sein. Al Gore trat gegen George W. Bush an und es war ein historisch knappes Rennen. Nachdem einige TV-Anstalten bereits Bush zum Sieger ernannten und Al Gore auch bereits in einem ersten Telefonat zum Sieg gratulierte, ruderten die Sender in der Wahlnacht bald schon zurück. Noch Wochen nach dem Wahltag stand nicht fest, wer gewonnen hatte. Alle Augen richteten sich auf den Bundesstaat Florida und die Augen der dortigen Wahlhelfer zunächst auf eigenartig gestanzte Lochkarten, die als Wahlzettel genutzt wurden. Später blickte man nur noch auf die Gerichte.
Stimmenauszählung im Jahr 2000 in Florida |