UPDATE, 13.01., 22:35 Uhr
Zweites Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump
Das US-Repräsentantenhaus hat heute das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump eingeleitet. Mit 232 Ja-Stimmen zu 197 Nein-Stimmen wurde der US-Präsident wegen des Vorwurfs der Anstiftung zur Gewalt angeklagt. 10 republikanische Abgeordnete stimmten für das Amtsenthebungsverfahren. Die Demokraten stimmten geschlossen dafür.
Das Verfahren wird nun an den US-Senat weitergereichtet. Wann genau das passieren wird, hat Nancy Pelosi heute offen gelassen. Im Senat ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, um Trump zu verurteilen. Das bedeutet konkret: Mindestens 17 der 50 republikanischen Senatorinnen und Senatoren müssen mit den Demokraten stimmen. Der einflussreiche Mitch McConnell sagte heute, dass er sich noch nicht entschieden hat, wie er abstimmen wolle. Er gilt als Schlüsselfigur bei der Frage, ob genügend Republikaner für eine Verurteilung stimmen werden.
McConnell teilte zudem mit, dass der Senat frühestens am 19.01.21 mit der Untersuchung des Verfahrens beginnen wird. Damit geht die Verantwortung für das Verfahren an den Demokraten Chuck Schumer über, der künftig der Mehrheitsführer im Senat sein wird.
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Ursprünglicher Artikel vom 13.01.: 01:30 Uhr
Eine Woche vor der Amtsübergabe richtet sich der Blick in Washington weniger auf das, was die Demokraten politisch vorhaben. Vielmehr stehen für die Republikaner wegweisende Tage und Wochen bevor. Denn von dem künftigen Einfluss Donald Trumps hängt auch der Kurs der Grand Old Party in den nächsten Jahren ab. Eine einfache Abstimmung im US-Senat könnte hierbei die Zukunft der republikanischen Partei erheblich beeinflussen.
Eigentlich sollte es nach den Vorstellungen des künftigen US-Präsidenten einen vielbeachteten politischen Neustart geben. Joe Bidens Kabinett ist vollständig benannt, wenn auch noch nicht durch den Senat bestätigt und die vordringlichsten Probleme des Landes sollten in den ersten 100 Tagen wegweisend angegangen werden. In der öffentlichen Berichterstattung dominiert aber noch nicht der politische Wechsel, sondern die Diskussion um das anstehende zweite Amtsenthebungsverfahren gegen den abgewählten Präsidenten Donald Trump. Hinzu kommt zunehmend die Angst vor erneuter Gewalt seitens der Trump-Anhänger rund um die Amtseinführung Bidens. Das FBI rechnet offenbar in den Tagen rund um die Amtsübergabe erneut mit gewalttätigen Angriffen nicht nur in Washington D.C., sondern auch in anderen Bundesstaaten.
Amtsenthebungsverfahren oder Amtsunfähigkeit?
In den vergangenen Tagen wurde immer deutlicher, dass die Demokraten im Kongress Donald Trump für dessen Rolle im Rahmen des Angriffs seiner Anhängerschaft auf das Kapitol in Washington zur Rechenschaft ziehen wollen. Zunächst war unklar, welchen Weg die Demokraten einschlagen wollten. Nancy Pelosi favorisierte zunächst eine Lösung, die ein parlamentarisches Verfahren zumindest als Einstieg vermieden hätte.
Der 25. Zusatzartikel - die Amtsunfähigkeit eines Präsidenten
Nach dem 25. Zusatzartikel (4. Section) der US-Amerikanischen Verfassung kann der Vizepräsident mit einer Mehrheit des Kabinetts den Präsidenten für "amtsunfähig" erklären und ihn entmachten. Mike Pence wäre dann als Acting President bis zur Amtseinführung Bidens eingesetzt worden. Donald Trump hätte sich daraufhin wieder zurück ins Amt bringen können, indem er eine entsprechende Mitteilung an den Kongress sendet, in der er sich selbst die Amtseignung attestiert. Pence und die Kabinettsmehrheit hätten dann ihrerseits eine Art Veto gegen Trumps Entscheidung einlegen können. Dann hätte der Kongress mit jeweils einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus über den Wechsel im Weißen Haus entscheiden müssen.
Der 25. Zusatzartikel kann durch den Vizepräsidenten aktiviert werden, wenn der Präsident "amtsunfähig" ist. Im historischen Zusammenhang ist damit gemeint, dass er physisch oder mental nicht in der Lage ist, das Amt auszuführen. Es geht also nicht, um "schlechte Politik".
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Mike Pence diesen Schritt gehen wird. Zumindest ließ er die vergangenen Tage verstreichen. Eine konkrete Aufforderung des US-Repräsentantenhauses vom heutigen Abend dürfte an dieser Haltung auch nichts ändern. Ein Gespräch mit Nancy Pelosi ließ Pence absagen. Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses verkündete bereits, dass ihre Partei ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten wolle, sollte Mike Pence den 25. Zusatzartikel nicht innerhalb von 24 Stunden aktivieren.
An dieser Stelle befindet sich die aktuelle Debatte am heutigen Abend. Aus meiner Sicht als Außenstehender sind die Kriterien für den 25. Zusatzartikel nicht gegeben. Ohne in eine verfassungsrechtliche Diskussion eintreten zu wollen, ist diese Option meiner Meinung nach zu wählen, wenn ein Präsident, vereinfacht gesagt, nicht mehr zurechnungsfähig ist. Nun gibt es Stimmen, die genau dies seit geraumer Zeit bei Donald Trump beobachten, spätestens seit dem 6. Januar 2021. Ich bin aber überzeugt davon, dass der Präsident sehr genau weiß, was er tut und welche Wirkungen seine Aussagen und Handlungen haben. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb sich Trump in den Tagen nach dem 6. Januar teils mäßigend geäußert hat. Der Aufruf zum Gewaltverzicht und der selbst auferlegte Fokus auf eine geordnete Amtsübergabe wirkten auf mich so, als wollte der Präsident unter Beweis stellen, dass von ihm keine weitere Gefahr in diesem Zusammenhang ausgehe und er damit auch nicht amtsunfähig sei.
Folgt man dieser Einschätzung, dürften die Demokraten auch gar kein Interesse daran haben, Trump für amtsunfähig erklären zu lassen. Die Anschuldigung, dass Trump bewusst und gezielt zu dem gewaltsamen Angriff auf das Kapitol und die Abgeordneten angestiftet hat, trägt nur dann, wenn er auch zurechnungsfähig war. Die Demokraten wollen Trump ein absichtliches Fehlverhalten nachweisen. Und zwar eines, dass geeignet ist, ihn ein zweites Mal parlamentarisch anzuklagen.
Anstiftung zum Aufstand - das 2. Amtsenthebungsverfahren gegen Trump
Es ist also anzunehmen, dass bereits am Mittwoch das US-Repräsentantenhaus über die Einleitung des 2. Amtsenthebungsverfahrens abstimmen wird. Der Anklagepunkt lautet: "Anstiftung zum Aufstand"
Das weitere Procedere ist noch aus dem 1. Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump bekannt. Doch es gibt dieses Mal einige Besonderheiten auf die zu achten sein wird.
Die erforderliche einfache Mehrheit im US-Repräsentantenhaus gilt als sicher. Damit wäre am 13.01.2021 das 2. Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump offiziell eingeleitet. Das Repräsentantenhaus würde ihn anklagen (impeach) und das Verfahren an den US-Senat weitergeben, der dann die Untersuchung führen würde und mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit über die Entfernung aus dem Amt entscheidet. Stellen wir die Frage zunächst zurück, ob die Demokraten eine realistische Chance haben genügend republikanische Stimmen im Senat zu erhalten. Voraussichtlich müssten 17 der 50 Republikaner für eine Amtsenthebung stimmen.
Aber kann ein Präsident überhaupt des Amtes enthoben bzw. für schuldig erklärt werden, der gar nicht mehr im Amt ist? Die Frage ist verfassungsrechtlich nicht eindeutig geklärt. Es finden sich aber keine Belege, die dagegen sprechen.
Donald Trump wird in gut einer Woche, am 20. Januar von Joe Biden abgelöst. Nur für den Fall, dass alle Senatorinnen und Senatoren mitziehen, ist ein Votum bis zum 20. Januar möglich. Das ist aber praktisch ausgeschlossen, berücksichtigt man das Auftreten von Ted Cruz, Josh Hawley etc. noch am Tage des Angriffs auf das Kapitol. Die Anklage des Präsidenten durch das Repräsentantenhaus wird voraussichtlich rechtzeitig erfolgen, die Untersuchung und das "Urteil" des Senats aber erst nach dessen Ausscheiden aus dem Amt. Eine Amtsenthebung im eigentliche Sinne wird es also nicht geben.
Dennoch könnte Trump durch den Senat schuldig im Sinne des Amtsenthebungsverfahrens gesprochen werden, auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Nun kommt eine weitere sehr wichtige Frage hinzu, die sowohl für Demokraten und noch viel mehr für die Republikaner von größter Bedeutung ist.
Der Vollständigkeit wegen, will ich noch anführen, dass es auch andere Rechtsauffassungen darüber gibt, ob ein Amtsenthebungsverfahren auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Amt im Senat verhandelt werden kann.
Trump könnte für künftige Ämter gesperrt werden, wenn...
Für den Fall, dass Trump schuldig gesprochen wird, ist der Weg frei für eine weitere zusätzliche Abstimmung. Es geht dabei um die Frage, ob Donald Trump künftig nochmal als Präsidentschaftskandidat antreten darf. Dieses Recht verliert er nicht automatisch mit einer Amtsenthebung. Unklar ist, welche Mehrheit im Senat für eine solche Beschränkung erforderlich wäre. Es wird davon ausgegangen, dass hierfür eine einfache Mehrheit ausreichend ist. Es ist nirgends festgelegt, dass auch hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist. Sollte Trump aber durch den Senat freigesprochen werden, käme eine Abstimmung über eine solche Sperre für künftige Ämter nicht mehr in Betracht.
Impeachment Trumps beeinflusst auch die Zukunft der Republikaner
Die gesamte Debatte dürfte sich also in den nächsten Tagen und Wochen darauf fokussieren, ob eine Zwei-Drittel-Mehrheit im US-Senat für eine Amtsenthebung Trumps zustande zu bringen ist. Und gerade die Frage der Sperre für künftige Ämter dürfte dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Grundsätzlich stehen die Republikaner vor der Frage, wie es nach der Präsidentschaft Trumps weitergehen soll. Neben der politischen Ausrichtung sind auch personelle und stilistische Fragen innerhalb der Partei zu klären. Sollte Donald Trump Ambitionen haben, 2024 nochmal für eine Amtszeit zu kandidieren, wird es extrem schwierig werden, ihn davon abzuhalten. Sein Einfluss auf die Republikaner ist nach wie vor enorm hoch. Trump kann seine Anhängerschaft praktisch nach Belieben steuern und dafür sorgen, dass vielerorts ihm kritische Republikaner Probleme bei der Mehrheitsbeschaffung in Wahlgängen bekommen.
Wer also ein eigenes Interesse an einer Kandidatur 2024 hat oder zumindest darauf setzt, nicht erneut mit Trump ins Rennen gehen zu müssen, könnte in den kommenden Wochen die Gelegenheit sehen, genau dies auf dem Wege des 2. Amtsenthebungsverfahrens zu erreichen. Sollte Trump mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Senats schuldig gesprochen werden, ist die einfache Mehrheit für eine Sperre für künftige Ämter allein schon mit den Stimmen der Demokraten gesichert. Eine Kandidatur gegen Trump in den republikanischen Vorwahlen wäre also nicht mehr nötig. Natürlich kann Trump auch andere Personen an dieser Stelle einsetzen, etwa seinen Sohn Donald Trump Jr., Ivanka Trump oder Jared Kushner, aber das Original wäre erstmal aus dem Weg.
So groß die Verlockung für einige Republikaner im Kongress auch sein mag, diese Vorgehensweise birgt auch enorme Risiken. Wer will "schuld" sein, an der dauerhaften Entmachtung Trumps? Wer wird den Zorn und die Abkehr seiner Anhängerschaft aushalten? Wer kann es sich leisten, ohne die Zustimmung der Trumpisten in eine Wahl zu gehen?
Es ist eine schwierige Frage für die Republikaner, fast schon ein Dilemma, in das sich die Partei aber auch selbst hinein manövriert hat.
Wie realistisch ist also eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat?
Nehmen wir also an, dass die Demokraten und Unabhängigen ihre Stimmen im Senat beisammen haben, müssen noch 17 republikanische Senatorinnen und Senatoren für eine Amtsenthebung Trumps stimmen. Auch wenn das Repräsentantenhaus nicht auf die Stimmen der Republikaner angewiesen ist, so kann mit der dortigen Abstimmung auch etwas Druck auf die Republikaner im Senat ausgeübt werden. Je mehr Abgeordnete der GOP für das Impeachment Trumps votieren, desto größer wohl auch die Bereitschaft im Senat dem Votum zu folgen.
Heute Abend hat Liz Cheney, die dritthöchste Abgeordnete der Republikaner im Repräsentantenhaus verkündet, dass sie für ein Impeachment Trumps stimmen wird.
Mitch McConnell, noch Mehrheitsführer und wichtigster Republikaner im US-Senat, soll laut einem Bericht des Senders CNN, die Möglichkeit erörtern, die Partei von Trump auf diesem Wege loszulösen.
Sollte sich McConnell für eine Amtsenthebung aussprechen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit möglich. Ansonsten sehe ich aktuell fünf bis sechs Republikaner, die mit den Demokraten stimmen könnten. Dabei handelt es sich um die auch schon in der Vergangenheit teils kritischen Susan Collins aus Maine, Lisa Murkowski aus Alaska, Mitt Romney aus Utah, Patrick Toomey aus Pennsylvania, Ben Sasse aus Nebraska und Joni Ernst aus Iowa.
Die nächsten Tage werden zeigen, inwieweit die Republikaner nun die Weichen für die Zukunft stellen wollen. Soll der Kurs mit Donald Trump gehalten werden (unabhängig davon, ob er tatsächlich Ambitionen hat, 2024 erneut anzutreten) oder soll es einen signifikanten Kurswechsel geben?