Vor der Debatte konnte man sich im Wesentlichen auf die folgenden Fragen konzentrieren:
1. Gelingt es Joe Biden, seinen leichten aber stetigen Abwärtstrend in den Umfragen mit einem starken Auftritt zu stoppen?
2. Wer gewinnt das Verfolgerduell Sanders/Warren? Die Senatorin aus Massachusetts trifft erstmals in diesem Wahlkampf direkt auf Joe Biden.
3. Gelingt Kamala Harris ein Comeback nach ihrem letzten Absturz in den Umfragen?
4. Kann sich Pete Buttigieg so in Szene setzen, dass er auf den dringend benötigten Aufschwung in den Umfragen hoffen kann?
5. Können Andrew Yang, Beto O'Rourke und Cory Booker so stark punkten, dass sie auf die Plätze vier und fünf von Harris und Buttigieg blicken können?
6. Nutzen Klobuchar und Castro ihre wohl vorletzte Chance, um nicht endgültig den Anschluss an die vor ihnen liegenden Kandidaten zu verlieren? Für beide werden in den Umfragen nur noch Werte von etwa 1% verzeichnet.
Debatte beginnt mit Streit über Gesundheitsreform
Elizabeth Warren |
Gleich zu Beginn der Debatte kam es zwischen den Spitzenkandidaten zum bereits vielfach gehörten Austausch ihrer Differenzen in dieser Frage. Joe Biden warf insbesondere den uneingeschränkten Befürwortern von Medicare for all vor, dass diese Pläne nicht finanzierbar seien, ohne die Mittelklasse zu belasten. Elizabeth Warren wies dies zurück und hob hervor, dass sie Spitzenverdiener und großen Firmen steuerlich mehr belasten wolle.
Warren versuchte aber auch eine versöhnliche Brücke zu bauen und stellte dar, dass Barack Obamas Reform ein großer Fortschritt sei. Aber es sei eben auch Zeit, eine weitere Optimierung vorzunehmen.
Amy Klobuchar stellte nochmal klar, dass sie gegen die Abschaffung der privaten Krankenversicherung sei. Sie glaube nicht, dass es klug sei, den heute privat Versicherten zu sagen, dass ihre Versicherungen bald hinfällig seien.
Pete Buttigieg distanzierte sich von radikalen Lösungen, wie sie Sanders und Warren vorschlagen. Er wolle den Amerikanern die Wahlfreiheit nicht wegnehmen. Die Politik alleine solle nicht allein und ausschließlich darüber entscheiden, wie sich die Menschen versichern sollen.
Kamala Harris wolle ebenfalls diese Entscheidungsfreiheit erhalten. Um aber nicht wieder in Streitduelle mit ihren Mitbewerbern zu geraten, zielte Harris dann auf US-Präsident Trump ab, der versuche, Obamacare weiter abzuschaffen. Die ganzen Diskussionen und lobenswerten Ziele der Demokraten seien hinfällig, wenn es nicht gelänge, Trump im Oval Office abzulösen.
Castro erntet Buhrufe für flapsigen Umgang mit Biden
Julian Castro |
Zunächst noch sachlich warf Castro Biden vor, auszublenden, dass 10 Mio Menschen weiterhin keinen Krankenversicherungsschutz hätten. Dies sei nicht das Ziel Obamas gewesen. Die Menschen würden zudem bei dem bestehenden System unter Umständen in den finanziellen Ruin getrieben.
Anschließend gerieten beide aneinander, als es um eine Detailäußerung Bidens ging, die ggf. etwas missverständlich formuliert und von Castro aufgegriffen wurde. Dabei ging es um die Frage, ob man sich in eine Grundsicherung einkaufen müsse oder dies nur eine Option sei, bzw. ob Menschen mit wenigen finanziellen Mitteln nicht automatisch versichert seien. Als Biden bestritt es so gesagt zu haben, wie Castro es darstellte, sagte Castro, dass Biden es gerade vor zwei Minuten gesagt habe. Er fragte ihn, ob er tatsächlich vergessen hätte, was er vor zwei Minuten gesagt hätte.
Für diese Äußerung erntete Castro zahlreiche Buhrufe, denn offenbar wirkte es auf viele Zuschauer so, als wollte Castro auf Bidens hohes Alter abzielen und ihn als vergesslichen alten Mann darstellen. Unabhängig von der inhaltlichen Debatte, kam diese Äußerung überhaupt nicht gut an.
Biden wiederholt Fehler aus voriger TV-Debatte
Durch einen der Moderatoren gefragt, ob er die Abschiebepraxis Obamas, die viele Latinos seinerzeit betraf, heute, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Migrationspolitik, als Fehler betrachte, antwortete Biden ausweichend. Obama mit Trump zu vergleichen, sei empörend. Auf Nachfrage, wie er denn aber nun inhaltlich zu den damaligen Abschiebungen stehe, verwies Biden auf die Verantwortung des Präsidenten, er selbst sei der Vizepräsident gewesen.
Das wollte Julian Castro so nicht stehen lassen. Er pflichtete ihm zwar bei, dass ein Vergleich Obamas mit Trump völlig unangemessen sei, Castro kritisierte Biden aber dafür, dass er sich bei den positiven Dingen gerne mit seiner Zusammenarbeit mit Obama schmücke, bei den eher negativen Aspekten die Verantwortung aber von sich weise, bzw ausweiche.
Tatsächlich sollte Joe Biden sich für solche Momente eine andere Strategie überlegen.
Kandidaten mäßigen sich und zeigen Geschlossenheit gegen Trump und dessen Republikaner
Fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Kandidaten von diesem Auftakt selbst etwas geschockt waren. Während sich Andrew Yang weiterhin aus solchen Streitigkeiten heraus hielt und konzentriert, wenn auch manchmal etwas knapp, seine inhaltlichen Punkte machte, sahen sich etwa Cory Booker und Pete Buttigieg in ihrer jeweils eigenen Art aufgefordert, daran zu erinnern, dass man doch bei allen inhaltlichen Differenzen ein weitgehend geschlossenes Bild abgeben sollte.
Die Bekämpfung des Rassismus, die Reform des Justizwesens, die fortwährenden Forderungen nach Verschärfungen der Waffengesetze und eine Abkehr von Trumps restriktiver Migrationspolitik waren zentrale Forderungen praktisch aller Kandidatinnen und Kandidaten. Unterschiede wurde hier lediglich in einigen Details deutlich, die jedoch nicht so sehr ins Gewicht fielen, wie es etwa beim Thema der Gesundheitsversorgung war.
Beto O'Rourke |
Einigkeit bestand ebenfalls darin, dass Trumps Handelskrieg mit China und eine zunehmende Isolation der USA in Handelsfragen auch Firmen, Arbeitnehmern, Landwirten und Familien schade. Elizabeth Warren und Joe Biden hoben die strukturellen Stärken der US-Wirtschaft hervor und forderten, bei Handelsfragen nicht auf die Einhaltung von Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten zu verzichten, wenn ausländische Waren auf den US-Markt gelangen sollten. Pete Buttigieg warf Trump vor, überhaupt keine Strategie zur Lösung des Handelskonflikts zu haben. Booker kritisierte zudem allgemein Trumps Außenpolitik. Er habe ein besseres Verhältnis zu Putin und Kim Jong-un als zu Angela Merkel und Emmanuel Macron.
Den Versuch, die eigenen Wählerinnen und Wähler eher durch Geschlossenheit zu mobilisieren als durch internen Disput zu entmutigen, war wohl auch der Grundgedanke des Eingangsstatements von Kamala Harris. Sie wandte sich dabei mit einer direkten Botschaft an Donald Trump und sagte, dass die Amerikaner mehr als ihn verdient hätten. Mehr als Lügen, Hass und Spaltung.
Einige Gewinner, aber keine entscheidenden Veränderungen
1.
Ein Gewinner ist sicherlich Joe Biden. Die erste der drei Stunden gehörte wohl zu seinen stärksten der bisherigen TV-Debatten. Anders als in den ersten beiden TV-Debatten wirkte Biden wacher, schneller und schärfer formulierend. Er war inhaltlich wie sprachlich klar und lies seinen Gegnern kaum Gelegenheiten, ihn an die Wand zu drängen. Das wichtigste dabei war, dass er zumindest in dieser ersten Stunde keine Zweifel aufkommen lassen hat, dass er einem scharfen Rededuell mit Trump womöglich nicht gewachsen sei. Sein teilweise ausweichendes Antworten (s.o.) fällt da nicht so schwer ins Gewicht, sofern es nicht zu einem Dauerproblem wird.
Bidens Ausgangslage hat sich mit der heutigen Debatte sicherlich wieder stabilisiert.
2.
Bernie Sanders |
Allerdings ist auch festzuhalten, dass es weder Sanders, noch Warren gelungen ist, die Debatte wirklich zu bestimmen. Dafür haben sie sich teilweise zu sehr zurückgenommen und den übrigen Kandidaten zu viel Raum gelassen. Das reicht um im Rennen zu bleiben, für eine Aufholjagd auf Biden könnte das aber zu wenig sein.
3.
Kamala Harris |
Harris punktete mit ihrem Eingangsstatement und war zwischenzeitlich solide an der Diskussion beteiligt. Es gelang ihr aber nicht, dem Abend einen eigenen Stempel aufzudrücken. Harris wird in der Oktoberdebatte die richtige Balance finden müssen. Das vereinende Auftreten beizubehalten und doch die Unterschiede zu den vor ihr liegenden Kandidaten schärfer hervorzuheben, wird die Herausforderung sein.
4.
Pete Buttigieg |
5.
Beto O'Rourke hatte seinen bislang besten Auftritt abgeliefert. Insbesondere seine unmissverständlichen Positionen zur Verschärfung der Waffengesetze gaben ihm ordentlichen Rückenwind. Cory Booker ist ebenfalls ein engagierter Auftritt gelungen, muss aber aufpassen, dass er nicht nur als Ratgeber für die demokratische Partei wahrgenommen wird, der alle immer wieder zur Versöhnung aufruft. Spätestens im Oktober muss Booker auch inhaltlich eine klarere und abgrenzende Kante zeigen.
Andrew Yang |
Cory Booker |
6.
Amy Klobuchar |
Julian Castro dagegen, dürfte seine Chance verpasst haben, wieder Anschluss an O'Rourke, Booker und Yang zu bekommen. Castro fiel nicht deutlich positiver auf als andere, so dass vermutlich doch seine Anspielung auf Bidens Erinnerungsvermögen als unangenehmer Seitenhieb im Gedächtnis der Demokraten bleiben wird.
Insgesamt dürfte der Abend aber keine gravierenden Veränderungen Im Bewerberfeld hervorgerufen haben.
Verloren haben auch die Nicht-Teilnehmer
Insgesamt hat die TV-Debatte mit den 10 Spitzenkandidaten gezeigt, dass aus Sicht der Demokraten genügend hoffnungsvolle Ansätze vorhanden sind. Der Bedarf, in den nächsten Monaten wieder mehr Kandidatinnen und Kandidaten zu sehen und zu hören dürfte verschwunden sein.
Und so sind insbesondere die in dieser Nacht nicht berücksichtigten Demokraten wie Tulsi Gabbard, Marianne Williamson, John Delaney etc. die Verlierer. Bis auf den Milliardär Tom Steyer haben sich für die Oktoberdebatte bislang keine weiteren Demokraten qualifizieren können. Das könnte nun auch so bleiben.
Die nächste TV-Debatte findet am 15./16.10. statt.
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