Sonntag, 12. Juli 2020

Jo Jorgensen und Howie Hawkins sind die Third Party Candidates 2020

Die Chancen auf den Gewinn von Wahlmännerstimmen bei der US-Präsidentschaftswahl sind für die sog. Third-Party-Kandidaten und insbesondere auch Unabhängige verschwindend gering bis ausgeschlossen. Dies wird auch 2020 der Fall sein.
Dennoch, sowohl die Libertären als auch die Grünen haben erneut Personal aufgestellt, um Stimmen für ihre Positionen zu gewinnen.

Die Libertarian Party geht mit Jo Jorgensen ins Rennen


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by Eliyak, Jo Jorgensen - CC BY-SA 4.0
Die 63-jährige Jorgensen arbeitet als Psychologie Dozentin an der Clemson University in South Carolina. 1996 kandidierte sie bereits für die Libertarian Party als Vizekandidatin an der Seite von Harry Browne. Sie erhielten 0,5 % der Stimmen, was heute ein außergewöhnlich schwaches Ergebnis für die Libertären wäre, zum damaligen Zeitpunkt allerdings das beste seit 1980.

Auf Ihrer Wahlkampfseite www.jo20.com wirbt Jorgensen mit dem Slogan "Real Change for Real People".
Sie verwendete mit "I'm With Her" aber auch denselben Slogan, den Hillary Clinton 2016 hatte. Jorgensen will dabei insbesondere die Frauen ansprechen. Sie hat dabei die Vorwürfe sexueller Belästigung von Frauen im Blick, die gegen die beiden Spitzenkandidaten Donald Trump und Joe Biden erhoben werden.
Jorgensen ist die erste weibliche Präsidentschaftskandidatin der Libertarian Party und die einzige Frau, die 2020 in allen Bundesstaaten der USA als Kandidatin für das Präsidentenamt antritt.

Inhaltlich vertritt Jorgensen klare libertäre Positionen


Sie lehnt ObamaCare oder weitergehende Modelle in der Gesundheitsversorgung wie Medicare for All strikt ab und wirbt für den freien Markt.
Im Rahmen der Coronakrise kritisierte sie die Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die Vergemeinschaftung von Hilfsleistungen.
Jorgensen will zudem die Möglichkeit schaffen, die Rentenversicherung optional abzuwählen. Aktuell zahlen Arbeitnehmende in den USA 6,2 % ihres Einkommens in die Rentenkasse. Jorgensen will die Möglichkeit schaffen, diese 6,2 % bei den Arbeitnehmenden zu belassen. Diese verzichten damit auf staatliche Rentenzahlungen und können die 6,2 % stattdessen in einen individuellen Rentenfond verschiedener Arten investieren.
Außenpolitisch lehnt Jorgensen wirtschaftliche Sanktionen und Handelsembargos ebenso so ab wie finanzielle Hilfeleistungen. Sie fordert die Rückkehr US-Amerikanischer Soldatinnen und Soldaten aus dem Ausland und spricht sich gegen militärische Interventionen aus.
Jorgensen kündigte zudem an, einen sofortigen Stopp des Baus der Grenzmauer zu Mexiko zu veranlassen. Zudem wolle sie eine einwanderungsfreundliche Kultur schaffen.
Beim Thema innere Sicherheit setzt sie auf klassisch liberale Werte und Bürgerrechte. Sie kritisiert den sog. Krieg gegen Drogen als gescheitert und rassistisch. Ebenso seien ihrer Ansicht nach zu viele Menschen in Strafanstalten inhaftiert.
Energie- und umweltpolitisch will Jorgensen die Abschaffung von Kohlekraftwerken erleichtern und stattdessen auf "saubere" und "sichere" Atomkraftwerke setzen.

An Jorgensen Seite kandidiert Spike Cohen als Vizekandidat. Der 38-jährige Cohen aus Baltimore, Maryland betreibt den Podcast "We are Libertarians".
Bemerkenswert ist noch, dass Cohen nicht Jorgensens Wunschkandidat war. Sie favorisierte John Monds. Cohen konnte sich nach drei Wahlgängen aber gegen Monds durchsetzen.



Die Grünen wollen mit Howie Hawkins auch um die Stimmen linker Demokraten werben


Eingangs sei erwähnt, dass der Spitzenkandidat Howie Hawkins nicht nur von den Grünen, sondern auch von den Sozialisten in den USA nominiert wurde. Entsprechend weit links ist auch die programmatische Ausrichtung der Green Party und allen voran von Howie Hawkins und seiner Vizekandidatin Angela Walker.
Hawkins ist Mitbegründer der Grünen in den USA.

 

Kern der Kampagne ist der Green New Deal, nach dem die Bekämpfung des Klimawandels mit der Beseitigung wirtschaftlicher Ungleichheiten einhergehen soll. Dabei soll die Energieversorgung bis 2030 vollständig aus erneuerbaren Energien gewährleistet sein.
Im Gesundheitswesen befürwortet Hawkins ein Modell wie Medicare for All.
Zudem wollen die Grünen und die Sozialisten eine Arbeitsplatzgarantie und beitragsfreie Bildung einführen.

Obwohl die Grünen thematisch den Demokraten traditionell etwas näher stehen, wird vom Duo Hawkins und Walker keinerlei Unterstützung für Joe Biden zu erwarten sein. Hawkins ist für seine kompromisslos ablehnende Haltung gegenüber den Demokraten bekannt.
Auch im Wahlkampf und insbesondere in den sozialen Netzwerken sind Joe Biden und die Demokraten deutlich häufiger Ziel von verbalen Angriffen als Trumps Republikaner.
Hawkins Ziel ist es, eine starke unabhängige Partei links der Demokraten aufzubauen. Er lehnt beispielsweise die Idee ab, die Demokraten durch eine innere Verschiebung nach links mit Personen wie Bernie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez zu beeinflussen. Entsprechend will er möglichst viele linksgerichtete Demokraten von einer Wahl Bidens abhalten.
Eine linke unabhängige Partei hätte langfristig eben nur dann eine Perspektive im amerikanischen Wahlsystem, wenn sie sich Schritt für Schritt als dritte Partei alternativ zu den Demokraten etablieren kann. Dies würde nur mit einer signifikanten Schwächung der Demokraten, eben um die linke Wählerschaft, funktionieren.

Stand heute sind dies nur theoretische Debatten. Dennoch wissen die Demokraten, dass sie stets um beide Ränder ihrer Partei kämpfen müssen, um erfolgreich zu sein. Auf der einen Seite der linke Flügel, der Bernie Sanders oder Elizabeth Warren unterstützte, auf der anderen Seite der moderat-konservative Flügel, der insbesondere die Unabhängigen und moderaten republikanischen Wählerinnen und Wähler im Blick hat.

Howie Hawkins war im Jahr 2000 übrigens im engeren Wahlkampfteam von Ralph Nader aktiv. Zu Naders Kandidatur für die Grünen aber später mehr.

Kanye West Kandidatur bislang nur eine Ankündigung


Schlagzeilen machte zuletzt auch der US-Rapper Kanye West. Er verkündete am Unabhängigkeitstag, als Kandidat zur Präsidentschaftswahl anzutreten. Mit weiteren Details hielt er sich aber zurück. West ist nach heutigem Stand in keinem Bundesstaat offiziell auf dem Wahlzettel.
Damit reiht er sich derzeit in eine Vielzahl von weiteren Kandidatinnen und Kandidaten der "Minor Partys" und "Independents" ein. Diese unterscheiden sich von den beiden Third Party Kandidierenden Jorgensen und Hawkins insofern, als dass sie keinen theoretischen Zugang zum Gewinn der erforderlichen 270 Wahlmännerstimmen haben.
Kanye West, der bei seinen Ambitionen auch von seiner Ehefrau Kim Kardashian und Elon Musk unterstützt wird, hatte 2016 noch Donald Trump unterstützt, inzwischen aber seine Unterstützung für 2020 verweigert, da er mit Trumps Performance bei der Bekämpfung des Coronavirus nicht zufrieden ist.
West ist politisch, soweit bekannt, eher dem konservativ-religiös geprägten Spektrum zuzuordnen. Zuletzt hat er sich im Rahmen der Black Lives Matter Bewegung mehrfach für die Belange der Afroamerikaner in den USA ausgesprochen. Inwieweit Kanye West aufgrund seiner Popularität für Trump und/oder Biden ein Problem werden könnte, hängt auch davon ab, in welchen Bundesstaaten West tatsächlich antreten würde. Ebenfalls nicht auszuschließen ist ein reiner PR-Gag.

Kampf um jede Stimme kann entscheidend sein



Trotz der Aussichtslosigkeit ihrer Kampagnen könnten die Kandidaturen der Third Party Candidates bei engen Wahlausgängen entscheidende Stimmen in Lagern der Republikaner und Demokraten "verloren" gehen.
2016 kamen die Libertären landesweit auf 3,28 % (4.489.221 Stimmen) und die Grünen auf 1,07 % (1.457.216 Stimmen).
Auch in diesem Zusammenhang gilt wieder - die einzelnen Bundesstaaten sind entscheidend. Wenn zwischen Trump und Biden nur wenige Hundert oder Tausend Stimmen liegen, schaut der unterlegene Kandidat häufig wehmütig auf die nicht erreichten Stimmen, die an aussichtslose Kandidaturen gegangen sind.

Inwieweit die Kandidaturen von Jorgensen und Hawkins, welchem der beiden Spitzenkandidaten 2020 schaden, bleibt spekulativ. Allegemein formuliert kann davon ausgegangen werden, dass die Grünen-Wählerinnen und Wähler eher zu Biden tendieren dürften, während die der Libertären je nach Ausrichtung (gesellschaftlich, marktwirtschaftlich, außenpolitisch) zwischen Biden und Trump schwanken müssten.

2016 waren die Ergebnisse in Michigan, Wisconsin und weiteren Bundesstaaten so knapp, dass die jeweils unterlegene Hillary Clinton allein mit der Unterstützung der Grünen Trump noch hätte überholen können.

Welche Auswirkungen die Kandidaturen sog. Third-Party-Candidates haben können, habe ich im Folgenden dargestellt.

Unabhängige und Third-Party-Kandidaten können Wahlen entscheiden


Auszug aus meinem Artikel vom 24.01.2016:

Wie schon angedeutet können sich unabhängige Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen in den USA nicht ernsthafte Chancen auf den Einzug ins Oval Office machen. Dennoch sind diese Kandidaturen für die beiden großen Parteien immer ein Unsicherheitsfaktor und können immense Auswirkungen auf das Gesamtergebnis habe. Ich möchte mal zwei Beispiele anführen, die dies auf ihre jeweils eigene Art verdeutlichen.

RossPerotColor
Ross Perot
1992 war es der konservative Ross Perot, der als unabhängiger Kandidat gegen das Washingtoner Establishment wetterte. Damals war es George W. H. Bush der sich als amtierender republikanischer Präsident um eine zweite Amtszeit im Weißen Haus bewarb und gegen den sich die Kandidatur Perots richtete. Perot trat als grundehrlicher bürgerlicher Kandidat an und erreichte landesweit 18,91 % der Stimmen. Zwar gewann er nicht einen einzigen Bundesstaat und damit auch keine Wahlmännerstimme. Aber es waren zu viele Wähler aus dem Lager der Republikaner, die Perot ihre Stimme gaben, so dass Bill Clinton einen souveränen Erfolg gegen Bush verzeichnen konnte.



Dass ein unabhängiger Kandidat aber nicht mal ein solch gutes Ergebnis wie jenes Ross Perots einfahren muss, um eine Präsidentschaftswahl zu entscheiden, kann man an den Ereignissen aus dem Jahr 2000 ablesen. Vielen dürfte diese Wahl noch immer in bester Erinnerung sein. Al Gore trat gegen George W. Bush an und es war ein historisch knappes Rennen. Nachdem einige TV-Anstalten bereits Bush zum Sieger ernannten und Al Gore auch bereits in einem ersten Telefonat zum Sieg gratulierte, ruderten die Sender in der Wahlnacht bald schon zurück. Noch Wochen nach dem Wahltag stand nicht fest, wer gewonnen hatte. Alle Augen richteten sich auf den Bundesstaat Florida und die Augen der dortigen Wahlhelfer zunächst auf eigenartig gestanzte Lochkarten, die als Wahlzettel genutzt wurden. Später blickte man nur noch auf die Gerichte.

Looking for hanging chad, 2000 Presidential election
Stimmenauszählung
Der Wahlausgang in Florida war so knapp, die Ergebnisse der Auszählung so unsicher, dass ein erbitterter Rechtsstreit entbrannte, ob und welche Stimmzettel nochmals ausgezählt werden sollten. Nach gut zwei Wochen erklärte der Bundesstaat Florida, dessen Gouverneur damals Jeb Bush war, George W. Bush zum Sieger. Auf Gore entfielen 2.912.253 Stimmen, Bush erreichte mit 2.912.790 Stimmen eine Mehrheit von 537 Stimmen. Da die Demokraten aber weiterhin Unregelmäßigkeiten und missverständliche Wahlzettel anprangerten, dauerte es weitere Wochen bis der Supreme Court mit 5:4 Stimmen entschied, dass nicht erneut ausgezählt werde. Bush gewann alle 25 Wahlmännerstimmen in Florida, und hatte am Ende mit 271 Wahlmännerstimmen eine denkbar kleine Mehrheit von 5 Stimmen gegenüber Gore. Im Übrigen war die Wahl Bushs im Jahr 2000, die erste Präsidentschaftswahl seit 1876, in der ein Kandidat Präsident wurde, obwohl er weniger Wählerstimmen als sein Konkurrent gewinnen, aber durch das US-Wahlsystem eine Mehrheit an Wahlmännerstimmen im Electoral College auf sich vereinen konnte. Al Gore hatte nämlich landesweit einen Stimmenvorsprung von rund 543.822 Stimmen erringen können.

Ralph Nader headshot
Ralph Nader
Was hat das nun mit den unabhängigen Kandidaten zu tun? Im Jahr 2000 war es der landesweit bekannte Verbraucherschutzanwalt Ralph Nader, der weder für die Demokraten noch für die Republikaner ins Präsidentschaftsrennen ging. Er kandidierte für die amerikanischen Grünen als sog. Third Party Candidate. Nader war eindeutig dem liberalen Wählerspektrum zuzuordnen. Umfragen ergaben, dass eine deutliche Mehrheit der Anhänger Naders eher Al Gore als George W. Bush gewählt hätten. Aber trotz der Bitten und Warnungen aus dem demokratischen Lager, entschied sich Nader, anzutreten. Er gewann zwar nur rund 2,7 % der Stimmen, aber blickt man auf den knappen Wahlausgang in Florida, hatte dies dramatische Folgen. Nader gewann in Florida 97.488 Stimmen. Geht man davon aus, dass das eindeutig prognostizierte Wahlverhalten der Nader-Unterstützer bei einer Entscheidung zwischen Gore und Bush so eingetreten wäre, hätte es für Al Gore ohne Probleme von den 97.488 Stimmen 538 Stimmen mehr bekommen als sein Konkurrent Bush. Dies hätte dann zum Sieg Gores in Florida gereicht und ihn zum US-Präsidenten gemacht.

In seinem Buch Duell ums Weiße Haus beschreibt Ronald D. Gerste ein weiteres Beispiel für den knappen Wahlausgang in Florida bzw. den Effekt aussichtsloser Kandidaturen. Er erwähnt die zwei linken Politikerinnen Monica Moorehead von der Partei Workers World und ihre Vizekandidatin Gloria La Riva. Sie traten völlig chancenlos nur in fünf Bundesstaaten an, einer davon Florida. Hier gewannen sie nur 1804 Wählerstimmen. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtung ist anzunehmen, dass ihre Wähler sonst eher Al Gore als George W. Bush gewählt hätten. Bei dem bekannten amtlichen Rückstand von 537 Stimmen, bekommen plötzlich auch die Stimmen für das linke Damenduo der Workers World eine besondere Bedeutung.
1992 profitierten die Demokraten vom Third Party Candidate Ross Perot, 2000 waren es also die Republikaner. Auch wenn diese Kandidaten letztlich keine Chance auf das Präsidentenamt haben, einen Einfluss auf den Wahlausgang können sie auf unterschiedliche Weise sehr wohl haben.

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