Nach Georgia und Nevada ist New Hampshire die dritte von vier Möglichkeiten der Republikaner den Demokraten einen Sitz im US-Senat abzunehmen. Die demokratische Amtsinhaberin Maggie Hassan tritt erstmals zur Wiederwahl an. Der republikanische Herausforderer wurde gestern in New Hampshire gewählt. In einem sehr knappen Rennen gewann Don Bolduc.
New Hampshire - der Purple State
Der kleine Bundesstaat im Nordosten der USA ist rein rechnerisch ein sehr ausgeglichenes Terrain. Er ist ist weder übermäßig demokratisch, noch republikanisch geprägt. Kein anderer Bundesstaat liegt im Vergleich zum landesweiten Ergebnis der USA bei Kongress- und Gouverneurswahlen so dicht am Durchschnitt. Laut Fivethirtyeight wird nur 0,3 % demokratischer gewählt, als der Landesmittelwert. Dichter kommt kein anderer Bundesstaat heran.
Auch die Wählerregistrierung bestätigt laut Ballotpedia diesen Trend. 31% sind registrierte Demokraten, 30% Republikaner und 39% Unabhängige oder Andere.
Bei Präsidentschaftswahlen konnten die Demokraten zuletzt regelmäßig gewinnen, wenn auch im Falle von Hillary Clinton 2016 nur äußerst knapp. George Bush war der letzte Republikaner der 2000 die Wahlmännerstimmen aus New Hampshire holen konnte.
Bei den Gouverneurswahlen, die ausnahmsweise alle zwei Jahre abgehalten werden, konnte dagegen der Republikaner Chris Sununu seit 2016 insgesamt drei Mal in Folge gewinnen und tritt dieses Jahr erneut an.
Der nun neu zu wählende Sitz im US-Senat war über Jahrzehnte in republikanischer Hand, ehe die heutige Amtsinhaberin Maggie Hassan 2016 mit einer hauchdünnen Mehrheit von rund 1000 bei ca. 750.000 abgegebenen Stimmen die Republikanerin Kelly Ayotte von ihrem Sitz verdrängte.
1974 kam es übrigens bei genau diesem Sitz New Hampshires im US-Senat zu dem wohl engsten Wahlausgang in der Geschichte der USA, zumindest ist mir kein weiteres so knappes Ergebnis bei einer so wichtigen Wahl bekannt. Der Republikaner Louis Wyman erhielt 49,6618 %, der Demokrat John Durkin 49,6609 %. Tatsächlich waren es nur zwei Stimmen, die den Unterschied bei 223.363 abgegebenen Stimmen ausmachten.
Der zweite Sitz New Hampshire im US-Senat hält seit 2008 die Demokratin Jeanne Shaheen.
Die genannten Wählerstrukturen, das durchschnittliche Wahlverhalten und die unterschiedlichen Siegerinnen und Sieger bei Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Senatswahlen belegen die Einstufung New Hampshire als Purple State, also als violetter Bundesstaat, nicht demokratisch blau und eben auch nicht republikanisch rot.
Es kommt also umso mehr auf die aktuelle Stimmungslage und insbesondere auf die jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten an, die wir uns nun genauer anschauen.
Maggie Hassan - die Amtsinhaberin
Die 64-jährige Demokratin ist in New Hampshire keine Unbekannte gewesen, als sie 2016 erstmals in den US-Senat gewählt wurde. Von 2013 bis 2017 war Hassan Gouverneurin des Bundesstaats, bevor sie dann nach Washington in den Kongress wechselte. Zuvor war sie bereits Abgeordnete im Senat von New Hampshire.
Hassan gewann die Wahl 2016 mit nur 0,15 % gegen Kelly Ayotte und konnte mit dem Wechsel des Sitzes genau das erreichen, was sie nun als Amtsinhaberin verhindern will.
In den diesjährigen Vorwahlen holte Hassan knapp 90 % der Stimmen.
Maggie Hassan U.S. Senate Photographic Studio-Renee Bouchard, Public domain |
Politisch steht Hassan loyal hinter der Biden-Regierung. In fast allen Fragen, votierte sie im Senat im Sinne des US-Präsidenten. 2016 legte sie ihre Schwerpunkte in den Bereich der Klimapolitik und der Selbstbestimmung der Frau insbesondere in Bezug auf Abtreibung, Verhütung und Betreuung bei Schwangerschaften.
Gerade ihr jahrelanges Engagement für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen wird in den kommenden Wochen vermutlich in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gerückt werden. Seit gestern steht fest, wer ihr Herausforderer sein wird. Maggie Hassan schreibt auf ihrer Wahlkampfhomepage: "Don Bolduc ist ein Extremist, er verbreitet die "Big Lie" und würde für ein landesweites Abtreibungsverbot stimmen".
Don Bolduc - Herausforderer und Wunschgegner der Demokraten
Am Ende war es dann doch deutlich spannender als angenommen. Die Umfragen hatten Don Bolduc, einen früheren Brigadegeneral der US Army, bei den republikanischen Vorwahlen mit einem zweistelligen Vorsprung auf dem ersten Platz gesehen. Nach einer langen Auszählungsnacht stand er dann zwar als Sieger fest, kam mit 36,8% aber nur knapp vor Chuck Morse mit 35,5% ins Ziel.
Wie schon in vielen anderen Bundesstaaten musste sich damit ein eher gemäßigter Republikaner dem Hardliner und Trump-Unterstützer geschlagen geben. Bolduc leugnet den Wahlsieg Joe Bidens bis heute. Auf seiner Homepage stellt sich Bolduc als starker "American Soldier" dar, der nach den Anschlägen vom 11. September die Terroristen in Afghanistan bekämpft habe und sich nun gegen den Angriff von Innen zur Wehr setzt. Die in dem Video suggerierte Gleichsetzung von Terroristen mit Joe Biden und Maggie Hassan ist ein Beispiel, weshalb moderate Republikaner sich Sorgen um die Erfolgsaussichten ihrer Partei in New Hampshire machen.
Die Rechnung der Demokraten ist vielerorts und insbesondere in den Battleground States ähnlich: je rechter, konservativer und extremer der republikanische Gegenkandidat ist, desto größer sind die eigenen Gewinnchancen. In einem Bundesstaat wie New Hampshire, der wie eingangs erwähnt kaum ausgeglichener sein könnte, ist dieser theoretische Ansatz nachzuvollziehen, auch wenn es meines Erachtens immer besser ist, die eigenen Stärken voranzustellen als die vermeintlichen Schwächen der Gegner anzuprangern.
Das Establishment der Republikaner jedenfalls teilte im Vorfeld des Primary die Annahme der Demokraten und unterstützte eben nicht Don Bolduc, sondern den nun unterlegenen Morse. Der republikanische Gouverneur New Hampshires Chris Sununu sprach sich ebenso für Morse aus, wie Mitch McConnell. Sununu sagte, dass Bolduc ein Verschwörungstheoretiker sei, nachdem dieser den Gouverneur als kommunistischen Sympathisanten Chinas bezeichnet hatte.
Selbst im Umfeld Donald Trumps wurden Vorbehalte gegen Bolduc laut. Der frühere Wahlkampfmanager Trumps Corey Lewandowski warnte einem Bericht der Zeitung The Hill zufolge den Ex-Präsidenten davor, Bolduc offiziell zu unterstützen, da dieser kein seriöser Kandidat sei. Trump positionierte sich in dieser Vorwahl letztlich nicht.
Die Demokraten hatten wie auch schon in anderen Bundesstaaten mehr oder weniger direkt in den Vorwahlkampf der Republikaner eingegriffen. So wurden durch verschiedene PAC's die den Demokraten nahe stehen, Fernsehspots geschaltet, in denen der rechte Flügel der Republikaner indirekt motiviert wird für Bolduc zu stimmen, da der in diesen Kreisen nicht sonderlich beliebte Mitch McConnell gute Verbindungen zu Chuck Morse pflege.
Diese Strategie kann aus wahlkampftaktischen Gründen zwar aufgehen, sollte Maggie Hassan allerdings verlieren, hätten die Demokraten einen gewissen Beitrag dazu geleistet, dann mit einem sehr rechten Senator Bolduc oder anderen Republikanern dieses Kalibers politische Kompromisse aushandeln zu müssen.
Fazit: New Hampshire dürfte zu einer vertanen Chance der Republikaner werden
Es ist also nicht so, dass die Republikanische Führung das Problem nicht gesehen hätte und vielleicht überraschen die Wählerinnen und Wähler New Hampshires auch viele politische Beobachterinnen und Beobachter, aber die Chancen auf einen Wahlsieg der Republikaner sind aus meiner Sicht mit dieser Vorwahlentscheidung nicht gestiegen. Zwar mag es sein, dass ein Chuck Morse nicht von der extremen Rechten gewählt worden wäre, die Anzahl der gemäßigten Republikaner und Unabhängigen, die Bolduc vehement ablehnen, dürfte in New Hampshire jedoch deutlich größer sein.
Aktuell liegen noch keine aussagekräftigen Umfragen für das Duell Hassan vs Bolduc vor, frühere Meinungserhebungen zeigten aber bereits, dass Maggie Hassan tendenziell einen leichten Vorsprung von bis zu 5 % gegenüber ihren damals möglichen republikanischen Gegenkandidaten hatte. Wendet sich die politische Stimmung im Land nicht wieder deutlich zugunsten der Republikaner, dürfte Bolduc kaum Aussicht auf einen Erfolg haben.
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