Von den ursprünglich 27 Kandidatinnen und Kandidaten sind bereits 10 aus dem Rennen ausgestiegen. Von den verbliebenen 17 Bewerbern sind weitere 7 so aussichtslos, dass ich sie an dieser Stelle auch nicht weiter berücksichtige.
Bleiben noch 10 Kandidatinnen und Kandidaten, die derzeit noch eine mehr oder weniger relevante Rolle beim Ausgang der Vorwahlen 2020 spielen.
UPDATE: Am 24.11.2019 verkündete Mike Bloomberg seine Kandidatur für die Demokraten. Dies ist in diesem Artikel noch nicht berücksichtigt.
Ein Quartett wird es unter sich ausmachen
Diese 10 Namen können auch nochmal kategorisiert werden. Vier Kandidatinnen und Kandidaten rechne ich Chancen auf den Gewinn von Delegiertenstimmen zu. Damit hätten sie natürlich Einfluss auf den Ausgang der Vorwahlen. Konkret sind dies:
Kategorie 1:
Joe Biden, Elizabeth Warren, Bernie Sanders und Pete Buttigieg
Den übrigen sechs Bewerberinnen und Bewerbern würde ich aktuell keine nennenswerten Chancen auf den Gewinn von Delegiertenstimmen zurechnen. Dennoch nehmen sie über messbare Umfragewerte im unteren einstelligen Bereich und durch deren Teilnahme an den TV-Debatten Einfluss auf den Wahlkampf. Konkret sind dies:
Kategorie 2:
Kamala Harris, Andrew Yang, Amy Klobuchar, Cory Booker, Tom Steyer und Tulsi Gabbard
Alle weiteren Kandidatinnen und Kandidaten haben aus meiner Sicht in keinster Weise mehr Einfluss auf den Vorwahlkampf der Demokraten. Hierbei handelt es sich um:
Kategorie 3:
Julian Castro, John Delaney, Michael Bennet, Steve Bullock, Marianne Williamson, Wayne Messam und Joe Sestak.
Nur die Delegierten zählen
Bevor ich aber zu den einzelnen Kandidaten komme, will ich eines nochmals vorwegschicken. Die Vorwahlen 2020 der Demokraten werden sich signifikant von denen aus dem Jahr 2016 unterscheiden. Mit Hillary Clinton und Bernie Sanders gab es 2016 bei den Demokraten zwei Kandidaten auf die sich alle Delegiertenstimmen aufteilten. Voraussichtlich wird dies 2020 anders sein. Die Delegiertenstimmen werden unter 3 bis 4 Kandidatinnen und Kandidaten aufgeteilt, nämlich jenen, die die Hürde von 15 % in einem Primary oder Caucus übersprungen haben (nähere Details zum Vergabeverfahren in den jeweiligen Bundesstaaten erkläre ich hier rechtzeitig). Anders als bei den Republikanern, bei denen in manchen Bundesstaaten das Prinzip "The Winner takes it all" oder alternativ "The Winner takes most" gilt, werden bei den Demokraten die Delegiertenstimmen im Kern proportional zum Wahlergebnis verteilt, was für einen Spitzenkandidaten in Umfragen bzw. einem knappen Gewinner bei den Vorwahlen eher nachteilig ist.
Ein Beispiel, einfach überschlagen gerechnet, ohne Besonderheiten in der Delegiertenverteilung der einzelnen Districts der Bundesstaaten:
Ein Bundesstaat vergibt 100 Delegiertenstimmen. Das Wahlergebnis lautet: Kandidat A erhält 32%, B 28%, C 25% und D 15%. Entsprechend erhält Kandidat A 32 Delegiertenstimmen, 68 Delegiertenstimmen gehen nicht an A, sondern teilen sich auf die anderen Kandidaten B, C und D auf. A hätte einen Vorsprung von 4 Delegiertenstimmen vor B.
Bei einem Ergebnis mit zwei starken Kandidaten (siehe 2016) hätte fiktiv mal angenommen A evtl. 54 % und B 46 % erhalten. Nicht nur hätte A dann einen doppelt so hohen Vorsprung vor B (nämlich 8 Delegiertenstimmen), insbesondere das Gesamtverhältnis von 32 zu 68 hätte sich verschoben zu 54 zu 46. Dieser Vergleich ist eine exemplarische Annahme, natürlich kann B auch deutlich profitieren und A mit Hilfe der Stimmen der nicht vorhandenen C und D überholen.
Contested Convention wahrscheinlich
Erkennbar ist jedenfalls, dass es bei den Demokraten wesentlich schwieriger werden wird, frühzeitig eine Vorentscheidung zu erzielen. Ein Spitzenkandidat, der immer "nur" knapp gewinnt und ab und an mal Zweiter wird, dürfte es schwer haben, auf die erforderliche Anzahl von 1990 Delegiertenstimmen zu kommen (3979 Delegierte haben die Demokraten insgesamt zu vergeben). Die 50% sind nur bei deutlich starken Wahlergebnissen zu erreichen oder wenn in den besonders großen Bundesstaaten mit vielen Delegiertenstimmen auch besonders starke Ergebnisse erzielt werden. Kalifornien z. B. hat allein schon 416 Delegiertenstimmen zu vergeben.
Die Neuerung 2020, dass Superdelegierte auf dem Nominierungsparteitag, erst im 2. Wahlgang stimmberechtigt sind, bekommt dann nochmal eine besondere Bedeutung. Erreicht kein Kandidat die 1990 (50%) Delegiertenstimmen, kommt es zu einem 2. Wahlgang. Dies dürfte bei den Demokraten 2020 mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall sein, so dass die Superdelegierten 2020 auch wieder eine relevante Rolle spielen werden. Es wird vermutlich insgesamt 766 Superdelegierte geben, im 2. Wahlgang sind dann 2373 Delegiertenstimmen erforderlich.
Bei dem 2. Wahlgang ist zu beachten, dass es sich nicht um eine klassische Stichwahl der zwei besten Kandidaten handelt. Der 2. Wahlgang ist eine sog. Contested Convention, hierbei werden die Delegierten des 1. Wahlgangs von ihrer Bindung an die Ergebnisse der Vorwahlen befreit. Es findet praktisch eine komplett neue Abstimmung statt.
Joe Biden - der schwächelnde Favorit
Joe Biden war von Beginn an der Topfavorit der Demokraten. Schon vor Bekanntgabe seiner Kandidatur lag er in den Umfragen vorne. Mit Beginn des Wahlkampfes allerdings musste Biden feststellen, dass sich die innerparteiliche Konkurrenz nicht kampflos ergeben wird. Er wurde verbal angegriffen und offenbarte Schwächen bei den TV-Debatten. Der andauernde Druck und die Polarisierung zwischen gemäßigten und linken Demokraten führten dazu, dass sich Bidens Umfragewerte deutlich nach unten bewegten. Dennoch hat mit einer kurzen Ausnahme die Spitzenposition der Demokraten bislang verteidigen können. Biden liegt im Durchschnitt bei etwa 29 % und damit inzwischen wieder deutlich vor dem Verfolgerduo Warren und Sanders, die auf 17-21 % kommen.
Dennoch kann der frühere Vizepräsident mit dem bisherigen Verlauf des Wahlkampfs nicht zufrieden sein. Nicht nur der Abschwung in den Umfragen, sondern auch stagnierende Werte beim Einsammeln von Wahlkampfspenden machen Biden zu schaffen. Hier standen Warren, Sanders und Buttigieg zuletzt besser da.
Die größte Herausforderung für Joe Biden wird es sein, die Gesamtperformance derart zu verbessern, dass Zweifel an seiner Person gering gehalten bzw. ausgeräumt werden. Joe Biden ist der Kandidat des Establishments der Demokraten, ein moderater, erfahrener Pragmatiker. Und genau dieses Establishment und der moderate Flügel der Demokraten machen sich zunehmend Sorgen, dass sich Biden lediglich durchwurschteln könnte und am Ende eines langen kräftezehrenden Wahlkampfs als geschwächter Sieger der Demokraten ins Rennen gegen Donald Trump geschickt wird.
Bidens großes Plus sind aber weiterhin die Umfragewerte bei der Frage, welcher Demokrat die besten Chancen gegen Trump hätte. Aktuell liegt Biden dort im Schnitt bundesweit 8,8% vor dem Republikaner. Warren, Sanders und Buttigieg kommen zwar auch auf positive Werte, werden aber eben schwächer als Biden eingeschätzt. In den entscheidenden Swing States steht Trump übrigens deutlich besser da, als im bundesweiten Trend.
Pete Buttigieg in Lauerstellung
Bidens größter inhaltlicher Konkurrent im moderaten Lager der Demokraten ist derzeit Pete Buttigieg. Der Bürgermeister von South Bend, Indiana, gilt als die Alternative des moderaten Flügels, sollte Biden die Unterstützung weiter verloren gehen. Buttigieg liegt zwar in den Umfragen nur bei gut 7% und steht damit auch nur auf Rang 4 der Demokraten, aber er hat sich dort stabilisiert (im Gegensatz zu Kamala Harris). Buttigieg steht inhaltlich Biden näher, als etwa im Vergleich zu Warren und Sanders.
Buttigiegs Nachteil ist, dass er bundesweit deutlich weniger bekannt ist als Joe Biden oder eben auch Warren und Sanders. Buttigiegs Umfragewerte steigen dort, wo er auch bekannter wird. Das kann man deutlich in den Early Primary States Iowa und New Hampshire erkennen. Nach einem fokussierten Wahlkampf in diesen beiden Bundesstaaten liegt Buttigieg dort teilweise schon vor Joe Biden. Buttigieg kommt in Iowa auf 17% und liegt damit 5 % hinter Warren und 2 % vor Biden und Sanders. In New Hampshire hat er schwächere Werte als in Iowa, liegt aber in einer letzten Umfrage auch bereits bei 10 % und damit über dem bundesweiten Durchschnitt.
Die fortwährend hohen Spendeneinnahmen und die Umfrageergebnisse aus Iowa und New Hampshire belegen, dass der Wahlkampf Buttigiegs funktioniert und nachhaltig ist. Ein Auf und Ab wie bei Kamala Harris ist bei ihm nicht zu erkennen. Buttigieg hat sich inzwischen als klare Nr. 4 etabliert.
Sein Ziel muss nun sein, den Trend fortzusetzen und bis zum Start der Vorwahlen weiter Punkte zu sammeln und ggf. regelmäßig die 15 % in den einzelnen Bundesstaaten zu knacken.
Elizabeth Warren und Bernie Sanders kämpfen um die Gunst des linken Flügels
Elizabeth Warren hat den ersten großen Angriff ihrer Mitbewerber überstanden. Nach ihrem Aufwind in den Umfragen musste sie zwar wieder ein kleines Minus hinnehmen und sich erneut hinter Joe Biden einordnen, ein klarer Abschwung sieht aber anders aus. Aktuell liegt Warren bei gut 20 % und damit 9 Prozentpunkte hinter Biden. Und die Senatorin aus Massachusetts führt auch weiterhin die Umfragen in Iowa und New Hampshire an. Sie hat sich, gemessen an den Umfragewerten, als die Herausforderin von Joe Biden bislang behaupten können und damit Bernie Sanders den Wind aus den Segeln genommen. Sanders liegt derzeit auf dem 3. Platz. Angesichts der krankheitsbedingten Pause einerseits ein Erfolg, andererseits zu wenig, um den Favoritenstatus zu erreichen. Sanders Vorteil ist die loyale und unerschütterliche Gefolgschaft seiner Anhänger. Sein Nachteil dabei ist aber auch, dass es so wirkt, als sei sein Potenzial nahezu ausgeschöpft, wenn nicht die Unterstützer anderer ausgeschiedener Kandidaten neu verteilt werden. Im letzten halben Jahr haben sich Sanders Werte meist zwischen 15-17% bewegt. Das zeigt, wie wenig Bewegung bei dem Senator aus Vermont besteht. Wer ihn heute nicht wählen mag, wird es auch morgen nicht tun. Wer ihn aber heute schon unterstützt, wird dies auch morgen noch tun. Das ist solide, nicht mehr und nicht weniger.
Die Hoffnung des linken Flügels, dass Joe Biden nur durch eine Kandidatin oder einen Kandidaten herausgefordert wird, dürfte nicht in Erfüllung gehen. Zu groß ist die jeweilige Unterstützung für Warren und Sanders. Und angesichts der möglichen Contested Convention besteht auch kein Handlungsdruck. Erst wenn Biden eine realistische Chance hat, die 1990 Delegiertenstimmen im 1. Wahlgang zu erreichen, müssen sich Warren und Sanders einig werden. Ansonsten wird später, im 2. Wahlgang, frei verhandelt.
Dieser öffentlich unausgesprochene Nichtangriffspakt dürfte nur dann vorzeitig aufgekündigt werden, wenn Sanders oder Warren häufiger mal an der 15 % - Hürde bei den Vorwahlen scheitern. Dann wären die 14% oder weniger eben verschenkt, was wiederum Biden in die Karten spielen würde.
Kamala Harris Abschwung kaum noch aufzuhalten, Andrew Yang stagniert
Nach dem starken Zwischenhoch Anfang des Sommers, als Kamala Harris in den Umfragen auf 15 % kletterte, folgte ein deutlicher Abschwung, der sie nun an das Ende ihrer Kampagne führt. Derzeit steht sie in den Umfragen bei 3,9 % - so schwach wie noch nie. Zudem musste sie 3 ihrer 4 Wahlkampfbüros in New Hampshire schließen und Berater entlassen. Das Geld und die Unterstützung fehlen Die Senatorin aus Kalifornien versucht nun alles auf Iowa zu setzen, in der Hoffnung, dass sie mit der ersten Vorwahl nochmal zurück ins Rampenlicht kommt.
Da sich Kamala Harris bereits für die beiden anstehenden TV-Debatten im November und Dezember qualifiziert hat, ist davon auszugehen, dass Harris auch als Kandidatin ins neue Jahr gehen wird.
Das gilt auch für Andrew Yang, obwohl seine Qualifikation mangels entsprechender Umfragewerte zumindest für die TV-Debatte kurz vor Weihnachten noch aussteht. Ähnlich wie bei Sanders, hat sich Andrew Yang eine verlässliche Anhängerschaft aufgebaut. Und im Gegensatz zu Harris oder anderen Kandidaten, die in etwa auf Augenhöhe mit Yang liegen, stimmen bei ihm auch die Spendeneinnahmen.
Nichtsdestotrotz gehören Harris und Yang zweifelsfrei zu den Kandidaten, die nach dem Vorwahlauftakt im Februar 2020 aus dem Rennen aussteigen könnten. Dauerhafte Ergebnisse unter 5% werden ihren Wahlkampf nicht sinnvoll am Leben erhalten können.
Klobuchar, Booker, Gabbard und Steyer - vier Kandidaten mit unterschiedlichen Tendenzen
Amy Klobuchar hat sich mit der letzten TV-Debatte nochmal gerade so in das letzte Quartal 2019 gerettet. Sie konnte sich in den Umfragen verbessern und kommt bundesweit nun in etwa auf den Wert von Andrew Yang und auch in Iowa konnte sie zulegen. Hier liegt sie bereits auf dem fünften Platz bei 3,7 %. Klobuchar hat das Problem, dass sie zwei aussichtsreiche Kandidaten vor sich hat, die inhaltlich auf ihrer Linie liegen. Der eine ist Joe Biden, der andere Pete Buttigieg. Auch wenn Klobuchar sich hartnäckig bis nach Iowa retten kann, denke ich nicht, dass sie sich stark verbessern kann und weit entfernt von Delegiertenstimmen landen wird.
Cory Booker könnte aus meiner Sicht schon der nächste Kandidat aus den Top 10 sein, der sich verabschieden könnte. Ohnehin habe ich den Eindruck, dass er die Aufmerksamkeit des Vorwahlkampfes nutzen will, um seine Popularität zu erhöhen und im nächsten Jahr auf eine Wiederwahl als Senator von New Jersey setzt. Solange ihm die Fernsehauftritte sicher sind, lohnt sich ein Verbleib im Wahlkampf. Für die TV-Debatte im November hat er sich bereits qualifiziert, die Dezember-Debatte dürfte er allerdings nach heutigem Stand nicht mehr erreichen.
Tulsi Gabbard und Tom Steyer setzen alles auf Iowa und New Hampshire. Die kontroversen Positionen Gabbards und der Einsatz von viel Geld auf Seiten Tom Steyers reichen zwar aus, um in den ersten beiden Vorwahlen nicht unter ferner liefen ins Ziel zu kommen, nachhaltig dürfte das Konzept aber nicht sein. Beide kommen in diesen Bundesstaaten auf 2-3 %, bundesweit stehen sie schwächer da.
Kommt noch ein Last-Minute-Kandidat?
Angesichts eines so offenen Rennens bei den Demokraten und insbesondere eines eher schwächelnden Joe Bidens tauchen immer wieder Spekulationen auf, dass noch ein starker Kandidat oder eine aussichtsreiche Kandidatin als Last-Minute-Candidate ins Rennen einsteigt. Dabei tauchen die unterschiedlichsten Namen auf. Von einer Revanche Hillary Clintons ist die Rede, Ambitionen von John Kerry oder Michael Bloomberg werden den beiden nachgesagt. Nicht wenige blicken hoffnungsvoll auf Michelle Obama. Sogar Nancy Pelosi wird genannt, für den Fall, dass sie Donald Trump erfolgreich zu Sturz bringen könnte. Aber auch etwas weniger prominente Kandidaten wie Eric Holder oder Sherrod Brown werden gehandelt.
Um es kurz zu machen: Die Wahrscheinlichkeit eines Last-Minute-Kandidaten ist gering und verringert sich von Woche zu Woche. Der Einstieg in ein so großes Kandidatenfeld macht nur dann Sinn, wenn die Person über alle Flügel hinweg Zuspruch erhält und von jetzt auf gleich in der Lage ist, einen ganzen Wahlkampfapparat aus dem Boden zu stampfen. Zudem müssten erhebliche Wahlkampfsummen in kürzester Zeit generiert werden. Meine Prognose ist, dass dort niemand mehr kommen wird.
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