Aus diesem Grund hatte ich im Vorfeld der Debatte vier wesentliche Fragestellungen aufgeworfen, die ich nun noch einmal aufgreifen möchte.
1. Wie geht Pete Buttigieg mit seiner neuen Rolle um, kann er dem Druck der Konkurrenz standhalten?
2. Kann Joe Biden Zweiflern und Kritikern an seinem Wahlkampf den Wind aus den Segeln nehmen?
3. Hält der unausgesprochene Nichtangriffspakt zwischen Elizabeth Warren und Bernie Sanders?
4. Wer kann aus der zweiten und dritten Reihe die möglicherweise letzte Chance nutzen und zum Sprung zum Spitzenquartett ansetzen?
Betrachtet man den Abend insgesamt, ist zunächst festzustellen, dass es schon spannendere TV-Nächte gegeben hat. Ein Zehner-Kandidatenfeld ist zu groß, um wirklich ins Detail zu gehen und Kontroversen auszufechten. Wenn dieses Kandidatenfeld dann auch noch immer wieder mit Einzelfragen konfrontiert wird, ohne, dass es dabei offensichtliche inhaltliche Unterschiede ausdiskutieren kann, wird es für die Zuschauer schon mal etwas langatmig. Umso herausragender sind dann die Momente, in denen die Bewerberinnen und Bewerber doch mal aufeinander eingehen. Augenblicke, die auch den zusehenden Wählerinnen und Wählern in Erinnerung bleiben. Einige Demokraten haben dies auch für sich zu nutzen gewusst.
1. Pete Buttigieg geht gestärkt und unbeschadet aus dem Abend hervor
Pete Buttigieg by Gage Skidmore |
Es gab nur wenige Versuche, etwa von Tulsi Gabbard und Amy Klobuchar, die dann doch auf die geringe bundespolitische Erfahrung des 37-jährigen Buttigieg abzielten. Der aber nutzte diese vermeintliche Schwäche, um den Spieß umzudrehen. Er zeichnete ein Bild, das auch eine Schwäche Hillary Clintons gegen Donald Trump 2016 ausmachte. Buttigieg zielte auf den Zuspruch vieler Klein- bzw. Vorstädter ab, den Donald Trump erhielt und schlug den Bogen zum politischen Machtzentrum der USA, nach Washington D.C. Häufig würde man aus der Sicht Washingtons in das kleine South Bend blicken, was hier nur symbolisch für die bürgernahe Kommunalpolitik angeführt wird. Buttigieg sprach in diesem Moment all jene an, die aus der pragmatischen alltäglichen Sicht der Bürgerinnen und Bürger der USA mit Abneigung auf politische Machtspielchen zwischen den Parteien im Kongress nach Washington blicken. Aus deren Sicht, sei Washington D.C. klein bzw. von geringer Bedeutung. Es war eine kluge Umkehr der Sichtweise, die zwar vermutlich nicht diejenigen überzeugen konnte, die sich an seiner geringen Erfahrung stören. Jenen, die sich gedanklich nicht mit dem politischen Washington identifizieren können, sprach Buttigieg aber aus den Herzen. Und das sind auch zum Teil die Wählerinnen und Wähler, die 2016 genau aus diesem Grund auch nicht Hillary Clinton, sondern Donald Trump wählten.
Buttigieg griff diese Strategie auch im Ansatz nochmal in seinem Schlussstatement auf. Es war zugleich eine forsche Herausforderung an das Spitzentrio, ohne es namentlich zu nennen. Pete Buttigieg wolle ein Angebot sowohl für progressive als auch moderate Demokraten machen, was insgesamt aber auch geeignet ist, moderate Republikaner anzusprechen, die sich nicht mehr heimisch in ihrer Partei unter Trump fühlen und die, wie Buttigieg vermutete, auch diese TV-Debatte der Demokraten verfolgten.
Es war für Buttigieg wieder ein weiterer Schritt nach vorne. Will er aber auch tatsächlich ernsthafte Chancen auf die Nominierung haben, muss er seine Bekanntheit in den großen bedeutenden Bundesstaaten spätestens bis Anfang März zum Super Tuesday deutlich steigern. Er wird Gelegenheit dazu bekommen.
2. Joe Bidens Performance erneut nicht optimal
Joe Biden by Gage Skidmore |
War Joe Biden deshalb ein Verlierer des Abends? Ja, weil er sich nicht verbessern konnte und Alternativen zu ihm, wie etwa Pete Buttigieg oder Amy Klobuchar zu viel Raum ließ. Dennoch hat er auch keine so schlechte Leistung abgegeben, die nun seine Unterstützer davonlaufen lässt. Für Joe Biden wäre es wichtig, wenn die Vorwahlen möglicht bald begännen. Ergebnisse, die in vielen Bundesstaaten zeigen, dass er die Nr. 1 ist. Sein Format sind die TV-Debatten nicht. Kleinere persönlichere Auftritte liegen ihm einfach mehr.
3. Nichtangriffspakt zwischen Warren und Sanders hält
Für Elizabeth Warren und Bernie Sanders war es ein Abend, wie schon viele andere zuvor. Von beiden erfuhr man nichts Neues. Sie hatten solide Auftritte, erfüllten die Erwartungen ihrer Fans. Nein, gegenseitige Angriffe gab es nicht, kaum auch mal inhaltliche Angriffe auf die Konkurrenz. Bernie Sanders schob einmal die Bemerkung ein, dass, anders als er selbst, Joe Biden für den Irak-Krieg gestimmt hätte. Das war es dann aber auch schon. Die üblichen inhaltlichen Differenzen wurden aufgrund der Debattenführung durch die vier Moderatorinnen nicht so stark deutlich, wie bei den vorigen TV-Auftritten. An der Ausgangslage hat sich für Warren und Sanders nichts geändert. Sie sind und werden auch die Wahl des linken Flügels bleiben. Die Frage, wie sie dort miteinander auskommen werden, haben sie erneut vertagt. Andere Kandidatinnen und Kandidaten werden ihnen das Feld auf der linken demokratischen Seite nicht mehr streitig machen. Aber das war auch vorher schon klar. Verpasst haben beide die Chance, Pete Buttigieg klein zu halten. Sie ließen ihn gewähren. Vielleicht ist es ihnen ganz recht, dass Joe Biden einen Konkurrenten hat, der ihm Stimmen abnehmen könnte. Sie dürfen aber nicht übersehen, dass auch sie Stimmen an Buttigieg verlieren könnten. Und nur in wenigen Bundesstaaten liegen Warren und Sanders so deutlich über der 15%-Hürde, dass sie sich über leichte Stimmenverluste keine Sorgen machen müssten. 15% sind erforderlich, um Delegiertenstimmen in den Vorwahlen zu gewinnen.
4. Klobuchar stark, Yang bemerkenswert, Gabbard ein Fremdkörper
Amy Klobuchar by Lorie Shaull |
An einigen Stellen gelang es der Senatorin aus Minnesota auch humorvolle Pointen zu platzieren. Viel wichtiger aber waren die gelungenen One-Liner. Beispielsweise behauptete sie, wer meine, dass es eine Frau nicht mit Donald Trump aufnehmen könne, liege falsch, da es Nancy Pelosi jeden Tag schaffe. Auch hier war ihr die Zustimmung aus dem Saal sicher. Das sind alles keine tiefgründigen Argumente, aber bei Themen, die meist ohnehin alle Kandidatinnen und Kandidaten unterstützen, kommt es darauf an, entweder besonders glaubwürdig zu sein oder eben die Themen einprägsam zu platzieren. Das ist Amy Klobuchar an diesem Abend gelungen.
Anders als Yang, Booker, Steyer, Gabbard usw. hat Klobuchar bereits die Qualifikation zur Dezember-Debatte in Los Angeles erreicht. Ihr Auftritt in Atlanta war ausreichend stark, um vermutlich den Weg bis zum Iowa Caucus beschreiten zu können.
Andrew Yang by Gage Skidmore |
Tulsi Gabbard by Gage Skidmore |
Tulsi Gabbard wirkt in diesem Wahlkampf wie ein Fremdkörper auf der Bühne der Demokraten. Natürlich darf sie ihre Meinung vertreten, auch wenn sie von denen anderer Kandidatinnen und Kandidaten erheblich abweicht. Dafür ist der Wettbewerb um die besten Positionen da. Es ist aber schon höchst fraglich, ob Gabbard eine mehrheitliche Zustimmung finden wird, indem sie die gesamte Partei häufig pauschal angreift und diskreditiert. Dies wird dazu führen, dass sie selbst eine sichere Basis von 2-4% in den Umfragen behält, diese aber ganz sicher nicht vergrößern wird. Schlimmer noch für die Demokraten: diese 2-4% könnte Gabbard sogar so weit vom übrigen Kandidatenfeld distanzieren, dass deren Zuspruch für den späteren Nominierten unerreichbar sein werden.
Besonders viel Gegenwind erfuhr Gabbard an diesem Abend von Kamala Harris. Harris hatte noch eine Rechnung mit Gabbard zu begleichen, nachdem diese Harris in einer früheren Debatte angriff und auf dem falschen Fuß erwischte. Ein Moment, der den Abschwung Harris in diesem Wahlkampf markierte.
Harris hob nun hervor, dass mit Gabbard eine Kandidatin auf der Bühne stehe, die über vier Jahre lang auf FoxNews die Politik Obamas kritisierte, den Kontakt zu Steve Bannon suchte, um sich mit dem Präsidenten im Trump-Tower zu treffen und sich zudem auch noch mit dem syrischen Machthaber Assad zusammensetzte. Dass eine solche Kandidatin im November vor den Vorwahlen noch immer auf der Bühne der TV-Debatten stünde, sei schon bemerkenswert.
Auch Pete Buttigieg schlug in die gleiche Kerbe. Er verfüge zwar nicht über Gabbards Erfahrung im Kongress, dafür habe er aber so viel politische Urteilskraft, sich nicht mit Assad zu treffen. Gabbard verwies darauf, dass sich auch frühere populäre Präsidenten mit ihren ärgsten politischen Feinden getroffen hätten, um Probleme zu lösen.
Gabbard machte ihre Punkte, es sind aber häufig nicht die Punkte der Partei gewesen.
Cory Booker ließ einmal aufhorchen, als er Joe Biden mit der Frage nach der Legalisierung von Marihuana konfrontierte. Biden würde dies ablehnen. Laut Booker sei dies aber eine Frage der Kriminalisierung des Marihuanakonsums. Der Konsum sei ein Privileg der Oberschicht. Andere würden völlig unnötig und unverhältnismäßig in die Mühlen der Justiz geraten. Damit versuchte Booker sich als Sprachrohr der "einfachen" Leute anzubieten und zugleich Bidens Haltung als elitär und nicht volksnah darzustellen.
Bei Tom Steyer blieb in Erinnerung, dass der Kampf gegen den Klimawandel bei ihm oberste Priorität habe. Für Booker und Steyer könnte es der letzte Auftritt bei einer TV-Debatte in diesem Wahlkampf gewesen sein.
Die nächste TV-Debatte findet in Los Angeles, Kalifornien, am 19. Dezember statt. Sie wird von PBS Newshour und Politico ausgestrahlt. Qualifiziert sind bereits Joe Biden, Elizabeth Warren, Bernie Sanders, Pete Buttigieg, Kamala Harris und Amy Klobuchar.
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