Da die inhaltlichen Themen bereits vielfach diskutiert wurden und die Positionen der Kandidatinnen und Kandidaten weitgehend bekannt sind, blickten die Wahlkampfbeobachter insbesondere auch auf die jeweilge Performance der Teilnehmenden. Die Ausgangslage vor dem Iowa Caucus ist klar.
Das Spitzenquartett um Biden, Sanders, Buttigieg und Warren kämpfen um die Delegiertenstimmen. Dabei liegen sie alle in den Prognosen weniger als 5% auseinander, was je nach Umfrage innerhalb der Fehlertoleranz liegt. Biden und Sanders liegen fast gleichauf bei 20-21%, dahinter folgt Pete Buttigieg mit ca. 18,5% und Elizabeth Warren kommt auf 16%.
In den letzten Tagen hatte es erstmals Spannungen zwischen Bernie Sanders und Elizabeth Warren gegeben, die mögliche Äußerung Sanders, eine Frau könnte 2020 nicht gegen Donald Trump gewinnen, schlug hohe Wellen. Daher standen diese beiden heute besonders im Fokus. Daneben ist auch von Bedeutung gewesen, wie sich Pete Buttigieg nach zuletzt wieder abfallenden Zustimmungswerten präsentierte. Amy Klobuchar musste eine herausragende Debattennacht abliefern, um nochmal einen Last Minute Push für den Iowa Caucus zu erhalten. Bleibt Klobuchar am 03.02.2020 deutlich unter 10% könnte das schon ihr Aus bedeuten. Eine Teilnahme am New Hampshire Primary ist keineswegs gewiss. Es könnte also ihr letzter großer Wahlkampfauftritt im TV für diese Vorwahlen gewesen sein.
Klobuchar nutzt Ihre (vorerst) letzte Chance
Amy Klobuchar kämpft und liefert immer bessere Wahlkampfauftritte ab - so auch in der vergangenen Nacht. Die Senatorin aus Minnesota ist ganz sicher eine Gewinnerin der TV-Debatte gewesen. Bei dieser Bewertung muss ihre Ausgangslage betrachtet werden. Klobuchar gilt als moderate Kandidatin. Inhaltlich konkurriert sie mit Joe Biden und Pete Buttigieg um eine ähnliche Wählerschaft (betrachtet man nur die Debattenteilnehmer der letzten Nacht). In diesem Vergleich musste sie bestehen und das tat sie. Gerade mit ihren differenzierten und immer wieder knappen aber dennoch begründeten Beiträgen gelang es ihr, jene Wählerinnen und Wähler anzusprechen, die vor einem eher linken und plakativen Bernie Sanders zurückschrecken.
Klobuchar gelang es immer wieder, thematisch ihre Punkte zu setzen. Ihre Angriffe galten den inhaltlichen Positionen einiger ihrer Mitbewerber sind aber nie in persönlichen Attacken formuliert worden.
So führte sie beispielsweise aus, weshalb sie nicht für einen kompletten Rückzug aller US-Truppen aus dem Mittleren Osten sei, bezeichnete das Konzept Medicare for All als Wunschtraum und präfierte auch eine Diskussion über eine bessere Vernetzung der schulischen Bildung zum Arbeitsmarkt anstelle von Debatten über kostenfreie Bildung. Kurzum, sie sprach den Vertretern des moderaten Flügels der Demokraten aus den Herzen.
Joe Biden nimmt erfolgreich seine Rolle an
Joe Biden befindet sich in einer anderen Position als Klobuchar. Während die Senatorin darum kämpfen muss, in Bereiche vorzustoßen, die ihr die Aussicht auf Delegiertenstimmen ermöglichen, findet sich der frühere Vizepräsident seit Monaten an der Spitze der Umfragen wieder. Seine Aufgabe ist es nun, diese Position zu verwalten, ohne dabei zu siegessicher zu wirken und letztlich die Umfragen dann auch in tatsächliche Wählerstimmen umzuwandeln. Bidens Stärke in der vergangenen Nacht war seine Souveränität. Er hatte beispielsweise keine Schwierigkeiten damit, seine Fehleinschätzung zum Irak-Krieg einzugestehen und sie auch als solche zu bezeichnen.
Diese Gelassenheit konnte man auch zum Ende der Debatte hin noch einmal feststellen als es um den Versuch Trumps ging, belastendes Material gegen die Bidens zu sammeln. Biden sagte, dass es keine wirkliche Rolle spiele, ob Trump ihm habe schaden wollen. Er hege keinen Groll. Er müsse nicht nur in der Lage sein zu kämpfen, sondern auch zu heilen. Als US-Präsident wolle er dies auch versuchen.
Biden präsentierte sich als Frontrunner aus einer Position der Stärke heraus. Er polterte nicht direkt auf seine Herausforderer ein und goss auch im Streit mit Donald Trump kein zusätzliches Öl ins Feuer. Für viele US-Amerikaner könnte dies mal als eine wohltuende Abwechslung empfunden worden sein. Diese präsidiale Haltung dürfte innerhalb der demokratischen Partei seinen eigenen Anhängern gefallen haben. Die Anhängerschaft Sanders oder Warrens dürfte zunächst ohnehin für ihn nicht erreichbar sein. Aber da er eben in den Umfragen vorne liegt, könnte diese Strategie zum jetzigen Zeitpunkt genau die richtige sein.
Pete Buttigieg bleibt seiner Linie treu
Während ich Amy Klobuchar und Joe Biden schon als Gewinner bewerten würde, ist der Auftritt Pete Buttigiegs doch nochmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Klar ist, dass Buttigieg ungeachtet seiner politischen Positionen wie kaum ein anderer Kandidat fachlich und rhetorisch zu überzeugen weiß. Dennoch befindet er sich in einer Position, aus der heraus er einerseits mit einem scheinbar übermächtigen Joe Biden zu tun hat und andererseits mit einer ihm inhaltlich nahe stehenden und sich immer weiter verbessernden Amy Klobuchar fertig werden muss. Auch Mike Bloomberg macht dem Bürgermeister aus South Bend zu schaffen, zwar nicht in Iowa, aber bundesweit.
Während es für Joe Biden fast schon irrelevant ist, wie er in Iowa abschneidet, sind Buttigieg und Klobuchar auf ein dortiges Top-Ergebnis angewiesen. Buttigiegs Auftritt letzte Nacht darf demnach nicht mit dem eines Joe Biden verglichen werden, sehr wohl aber mit dem Amy Klobuchars. Und in diesem Vergleich war Buttigieg seinem Temperament entsprechend schon etwas zurückhaltender.
Neben diesem eher subjektivem Empfinden kommt noch einer weiterer wesentlicher Punkt hinzu, der Buttigiegs Auftritt eher als durchschnittlich erscheinen lässt. Neben der Tatsache, dass er Schwierigkeiten haben wird, Bidens Anhänger für sich zu gewinnen, ist seine Schwäche, bei "Schwarzen" Wählerinnen und Wählern zu punkten, die größte strategische Herausforderung seines Wahlkampfes. Darauf angesprochen sagte er bei der TV-Debatte, dass die Schwarzen, die ihn gut kennen würden, ihn auch unterstützten. Der größte Fehler sei es zudem "schwarze Stimmen" als selbstverständlich anzusehen.
Die Einschätzung mag zwar zutreffend sein und sicherlich ist es auch kaum möglich, das Vertrauen der schwarzen Gemeinde binnen weniger Monate zu gewinnen, insbesondere dann nicht, wenn sie sich offenbar bei Joe Biden seit Jahrzehnten gut aufgehoben fühlen. Aber lediglich auf seine mangelnde Bekanntheit abzuzielen, könnte dann doch zu wenig sein. Im Februar findet unter anderem auch die Vorwahl in South Carolina statt, hier kommt es auf den Zuspruch der schwarzen Wähler unter den Demokraten an. Ebenso in den anderen klassischen Südstaaten. Wer dort überhaupt keinen Zugang findet, wird sicher nicht Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Es war die Schwäche Bernie Sanders 2016 gegen Hillary Clinton und es dürfte 2020 erneut zu einem Problem für einige Kandidaten werden.
Warren vs Sanders - Hat Sanders es gesagt oder nicht?
Wie eingangs beschrieben, wurde natürlich auch auf das vermeintliche Zitat Sanders, eine Frau könnte 2020 nicht gegen Trump gewinnen, eingangen. Ein Moment an dem sich tatsächlich auch ein Wahlkampf entscheiden kann. Sanders hat es nicht optimal gelöst. Zum einen bestritt er, es gesagt zu haben, während Warren die mediale Darstellung bestätigte. Unabhängig davon, was ich oder ein einzelner glaubt, kann bei einigen Wählerinnen und Wählern der Eindruck zurückbleiben, Sanders würde nicht offen und ehrlich mit dem Thema umgehen. Es wäre nicht so kompliziert gewesen, eine solche Aussage in einen Kontext zu bringen, der weitgehend unverfänglich ist. Aber klar, wenn er es tatsächlich nicht gesagt hat, kommt eine relativierende Äußerung natürlich nicht in Betracht. Aber dann hätte er Warren deutlich schärfer für ihre Darstellung angehen müssen. Beide vermieden aber den offenen und ausufernden Streit auf der Bühne. Elizabeth Warren nutzte klug die Gelegenheit, Sanders das Problem zu überlassen, ohne ihn augenscheinlich in den Rücken zu fallen. Sanders sei ihr Freund und sie wolle mit ihm darüber nicht streiten. Übrig bleibt ein unnötiger Konflikt zur absoluten Unzeit für Sanders.
Elizabeth Warren entkrampfte die Diskussion darüber und führte noch an, dass die Männer auf der Bühne zusammen 10 Wahlen verloren hätten, während die beiden Frauen (Klobuchar und sie selbst) keine einzige Wahl verloren hätten.
Aber auch die übrige Performance Sanders war nicht mehr als das bislang bekannte Auftreten. Und an dieser Stelle muss erneut die Ausgangslage betrachtet werden. Während sich Joe Biden darauf beschränken kann, eine scheinbare Führung zu verwalten, ist Sanders gefordert, irgendwann einen entscheidenden Schritt nach vorne zu machen. War das Ziel, Wählerinnen und Wähler von Biden wegzulotsen, ist dies mit einem klassischen Sanders-Auftritt sicher nicht gelungen. Natürlich kann der Senator immer wieder bei denen punkten, die Biden es übel nehmen, für den Irak-Krieg gestimmt zu haben. Dass Sanders dagegen votierte, ist hinlänglich bekannt. An wen richten sich also seine Worte? Sanders manifestiert des Status Quo, verpasst die Chancen etwas Neues einzubringen.
Und wenn es das Ziel war, die Anhängerschaft Elizabeth Warrens anzusprechen, dürfte der Abend auch kein Fortschritt gewesen sein.
Wenn Sanders gewinnen will, muss er irgendwann seine andauernde Offensive anders ausrichten. Offenbar gelingt es ihm nicht, Warren so sehr auszustechen, dass sie chancenlos zurückbleibt. Gleichzeitig kann oder will Sanders auch nicht, versöhnliche und moderatere Töne anstimmen und Positionen einnehmen, die ihm eine größere Zustimmung im moderaten Lager der Demokraten ermöglichen. An diesen Umständen hat er bei der TV-Debatte in der letzten Nacht nichts ändern können.
Elizabeth Warren könnte profitieren
Noch ist nicht absehbar, wie sich die Geschichte um Sanders mögliche Äußerung weiterentwickeln wird. Aber Warren könnte hier als Gewinnerin hervorgehen. Sie hatte nun auch keine herausragenden neuen Positionen oder Konzepte vorzubringen, aber der Rückstand zu Sanders in den letzten Umfragen könnte sich durch ihren Umgang mit Sanders verringern. Niemand aus Warrens Lager wird deswegen zu Sanders wechseln. Aber jenen, die Sanders bislang unterstützten und nicht sicher sind, ob sie ihm in diesem Fall glauben können, hat Warren einen Weg geebnet, ihre Stimme auch der Senatorin aus Massachusetts zu geben. Sie hat eben nicht auf Sanders eingedroschen, so dass sich möglichst keine emotionalen Schutzmechanismen in dessen Anhängerschaft entwickeln konnten. Das war für Warren die größte Herausforderung an diesem Abend und sie hat sie gemeistert.
Zudem gelang es ihr im fast schon traditionellen Konflikt um die Zukunft der Gesundheitsversorgung der USA, die führende Rolle für große Lösungen in dieser Debatte einzunehmen. Sie war es hauptsächlich, die mit Pete Buttigieg darüber diskutierte. Bernie Sanders war hierbei an diesem Abend nur die Nr. 2 auf der Seite der Befürworter von Medicare for All.
Tom Steyer gelang kein Coup
Um es kurz zu machen, Tom Steyer ist es nicht gelungen, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Es stellt nicht seine komplette Antwort auf die Frage nach seinen Vorstellungen zur Außenpolitik dar, aber der Verweis darauf, dass er viel gereist sei, wirkte doch etwas deplatziert. Grundsätzlich zielte er darauf ab, dass es nicht nur auf reine Erfahrung, sondern eben auch auf Urteilsfähigkeit ankomme.
Steyer wirkte nicht so, als würde er zu den anderen fünf Kandidatinnen und Kandidaten dazugehören. Er richtete seine Worte meist direkt in die Kamera. Die übrigen Teilnehmenden gingen nicht groß auf ihn ein. Sein Image, nur wegen seiner finanziellen Möglichkeiten und die damit verbundenen massiven Werbeausgaben noch immer eine Rolle zu spielen, ist er nicht losgeworden. Vielleicht wollte er das auch nicht oder er nimmt es auch nicht in dieser Form wahr. Direkte Rededuelle hätten ihm aber sicherlich geholfen, als inhaltliche Alternative wahrgenommen zu werden. So bleibt der Eindruck, nur einen weiteren langen Werbespot mit Tom Steyer gesehen zu haben.
Zugegeben, diese Darstellung reduziert seinen Auftritt sehr. Aber nüchtern betrachtet, bleibt die Frage, was Tom Steyer mehr oder anderes anbieten kann, als die etablierten und teils sehr erfahrenen Politiker der Demokraten. Er steht zwar in den Bundesstaaten, in denen er massiv Werbung macht, in den Umfragen nicht aussichtslos dar, aber spätestens am Super Tuesday wird die Erkenntnis kommen, dass das nicht ausgereicht hat.
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