Dass dieser Auftakt so gelungen wirkte, lag insbesondere auch daran, dass die Veranstalter es verstanden haben, das Tempo und die Grundstimmung etwas zu drosseln, ohne dass alles zum Erliegen kommt oder langweilig gestreckt wirkte. Beginnend mit einer Montage, die die Herausforderungen des Landes in den vergangenen Monaten aufgriff und einen themenbezogenen Ausblick auf den Abend lieferte und einem Chor von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die aus allen Bundesstaaten und Territorien kommend, die amerikanische Nationalhymne sangen, war es stellenweise patriotisch und staatstragend, emotional eindringlich und nachdenklich. Es wurde ein Umfeld geschaffen, das zum Spitzenkandidaten passt.
Die wichtigsten Themen waren an diesem ersten Tag bewusst gewählt und passten zum aktuellen Stimmungbild in den USA. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie, die Diskussion um Rassismus und Polizeigewalt und auch ganz aktuell die Kritik der Demokraten am US-Präsidenten in Bezug auf die Ausübung des Wahlrechts in Form der Briefwahl, bestimmten thematisch den Abend. Neben den politischen Vertretern traten themenbezogen auch Angehörige der prominenten schwarzen Opfer von Polizeigewalt auf oder etwa eine junge Frau, deren Vater nach einer Coronaerkrankung verstarb.
Einheit und Geschlossenheit statt innerer Diskurs
Ein solcher Parteitag ist nie dazu da, interne Konflikte auszufechten oder die inhaltlichen Leitlinien zu diskutieren und zu verschieben. Er soll nach innen möglichst unkritisch sein, motivieren und die Anhängerschaft auf das Spitzenduo einschwören.
Die Demokraten standen vor der Herausforderung Wahlwerbung zu betreiben, ohne die Ernsthaftigkeit der vorgenannten Themen allzu plakativ zu instrumentalisieren. Und noch eine Aufgabe musste an diesem ersten Tag bewältigt werden. Die Themen sind neben der Aktualität und Bedeutung auch deshalb so gewählt worden, weil Joe Biden als krasses Gegenbeispiel zu Donald Trump als Versöhner der Nation dargestellt werden sollte. Demnach mussten auch Brücken zu den moderaten Republikanern gebaut werden. Gleichzeitig durfte man allerdings auch nicht die große Anhängerschaft des progressiven linken Flügels verschrecken.
Die Organisatoren setzten alles auf eine Karte und versuchten den Spagat schon in dieser ersten Nacht.
Kasich und Sanders als Brückenbauer ihrer jeweilgen Wählerschaft
Die Themenwahl sorgte für eine ruhige und ernsthafte Grundstimmung. Der Republikaner John Kasich, früherer Gouverneur von Ohio sprach dann jenen Parteifreunden ins Gewissen, die die Werte der Partei nicht mehr von ihrem Präsidenten vertreten sehen. Er sei stolz auf seine republikanische Vergangenheit, so Kasich, aber Vorrang habe immer das Land. Dieses Prinzip verkörpere Donald Trump jedoch nicht, so Kasich.
Kasich wollte den Trump-Kritikern seiner Partei die Bedenken nehmen, einen Demokraten zu wählen und versicherte, dass es mit Joe Biden keinen Ruck nach ganz links geben werde. Kasich sagte: "Ich glaube das nicht, weil ich die Haltung des Mannes (Biden) kenne - vernünfig, gewissenhaft und respektvoll."
Es folgte etwas später dann der Auftritt von Bernie Sanders, der nun den Blick der Demokraten wieder weg von den Republikanern und hin zu seiner linken Wählerschaft lenken sollte. Die Frage des Abends war, ob Sanders nur formal dazu aufruft, Biden zu wählen oder ob er ernsthaft Worte findet, die auch tatsächlich einen Teil der Anhängerschaft des Senators dazu bewegen werden, den internen Konkurrenten der Vorwahlen zu unterstützen.
Joe Biden und dessen Wahlkampfteam dürften sehr zufrieden gewesen sein. Denn Sanders hat nicht eine seiner üblichen Reden gehalten. Er versuchte, die Dringlichkeit der Situation zu vermitteln und sagte, dass der gesamte Fortschritt seiner Bewegung seit 2015 auf dem Spiel stehe, würde Donald Trump wiedergewählt werden. Er forderte seine Anhängerschaft eindringlich dazu auf, Joe Biden und Kamala Harris zu wählen und untermauerte diese Aufforderung auch mit einigen inahaltlichen Schnittmengen zwischen ihm und Joe Biden.
Um nicht das Gesicht vor seinen Fans zu verlieren, erwähnte Sanders zwar auch die inhaltlichen Differenzen in der Gesundheitspolitik, schob aber gleich nach, dass Biden Teile daraus auch übernehmen wolle. Eine flammende Rede für einen radikal anderen Kurs der Demokraten blieb dieses Mal aus. Es hätte letztlich nur dazu geführt, dass sich Sanders Anhänger gefragt hätten, wie wahrscheinlich es sei, dass die von Sanders klassich vorgetragenen Missstände von einem Joe Biden gelöst werden würden. Eine klassische Form der Demobilisierung.
Der Spagat ist meiner Einschätzung nach gelungen, indem Kasich auf der einen und Sanders auf der anderen Seite versuchten, die jeweils eigene Anhängerschaft davon zu überzeugen, dass mit Joe Biden in jedem Fall ein nötiger Fortschritt zu erzielen ist und er als Kompromiss für beide Lager jedenfalls eine deutliche Verbesserung zu Donald Trump sei. Die grundlegende und facettenreiche Kritik am US-Präsidenten zog sich durch den gesamten Abend.
Michelle Obama als Highlight des Abends
Sie mündete dann in der Rede Michelle Obamas, die den ersten Tag des Parteitags abschloss. Die frühere First Lady hielt mit rund 19 Minuten die längste Rede des Abends und formulierte eine moralische Anklage gegen Donald Trump.
Als Überschrift des ersten Tages stand die Vereinigung der gespalteten Lager, nicht nur innerhalb der Partei, sondern vielmehr der gesamten Gesellschaft. Michelle Obama hob abschließend die Fähigkeiten Joe Bidens hervor, diese Einigung erzielen zu können.
Michelle Obama bemängelte die Kultur, in der aktuell die Kinder im Land aufwüchsen. Sie würden sich umsehen und fragen, ob die Erwachsenen immer gelogen hätten, wenn es um Werte und die Frage gehe, für was die Gesellschaft einstünde. Ein Resultat aus dem vom Präsidenten verkörperten Mangel an Empathie, so Obama.
"Donald Trump ist der falsche Präsident für unser Land. Er hatte mehr als genug Zeit, zu beweisen, dass er der Aufgabe gewachsen ist. Aber er ist eindeutig überfordert. (...) Er kann einfach nicht derjenige für uns sein, den wir nun brauchen."
Mit dieser Einschätzung schlug Michelle Obama dann die Brücke zu Joe Biden.
Zusammengefasst kann man sagen, dass es den Demokraten gelungen ist, nicht nur die Herausforderung des neuen Formats zu bewältigen. Insbesondere ist die Botschaft geglückt, dass die Partei geschlossen hinter Joe Biden und Kamala Harris steht und auch ein versöhnendens Angebot in Richtung der Republikaner gemacht wird, die mit Donald Trump sehr unzufrieden sind.
Hält die Strategie des Wahlkampfes?
Betrachtet man dies aus der Sicht eines Wahlkampfmanagements wird also versucht, Donald Trump als so unwählbar darzustellen, dass die Alternative nur Joe Biden sein kann und diese Alternative mit gutem Gewissen gewählt werden könne. Inhaltlich wurden die Kernthemen der letzten Monate aufgegriffen. Sollte der Wahlkampf auf dieser Ebene bleiben, kann die Strategie aufgehen. Je weniger inhaltlich darüber hinaus der Wahlkampf von Joe Biden geführt wird, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Lager verschreckt werden. Die Demokraten müssen sich aber natürlich auf konkrete Fragestellungen einstellen. Kritische Stimmen aus den konservativen Medien und vom Wahlkampfteam Trumps bemängeln, dass die Demokraten keine ernsthafte Alternative angeboten hätten und konkrete Inhalte im Wahlkampf fehlen.
Inwieweit in den kommenden Tagen bereits auf andere Themen eingegangen wird und insbesondere was Joe Biden in seiner Rede am Donnerstag aufgreifen wird, bleibt abzuwarten.
Heute stehen neben der Nominierung Bidens insbesondere die Reden seiner Ehefrau, Dr. Jill Biden sowie der früheren Politgrößen Bill Clinton und John Kerry sowie ein kurzer Auftritt der linken Alexandria Ocasio-Cortez auf dem Programm.
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