Die erste TV-Debatte stellt inoffiziell auch den Beginn des Vorwahlkampfes dar. Die Republikaner sind letzte Nacht in dieses lange Ausscheidungsrennen gestartet. Nicht mit von der Partie war Donald Trump, der freiwillig auf diese und wohl auch die folgenden Debatten mit seinen Herausforderern verzichtet. Er veröffentlichte zeitgleich ein aufgezeichnetes Interview mit Tucker Carlson.
Die ganze erste TV-Debatte der Republikaner im Video auf Youtube
Für diesen ersten wichtigen Wahlkampfabend hatten sich noch weitere acht Republikaner qualifiziert. An der von FOX News ausgestrahlten Debatte nahmen folgende Bewerber teil:
- Ron DeSantis
- Vivek Ramaswamy
- Mike Pence
- Nikki Haley
- Chris Christie
- Tim Scott
- Asa Hutchinson
- Doug Burgum
Bei der Bewertung dieser ersten TV-Debatte kommt es aus meiner Sicht weniger darauf an, wo die einzelnen Personen politisch inhaltlich stehen oder was sie im Detail für Pläne haben. Vielmehr hat dieser Wahlkampfauftakt, wie auch mindestens noch die nächste Debatte, die Funktion der Rollenfindung. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn der wichtigste Kandidat nicht dabei ist. Dass mit einem Demokraten der letzte Gegner im Kampf um das Weiße Haus, erst weit nach den Vorwahlen in den finalen drei Präsidentschaftsdebatten mit einem anwesend ist, liegt auf der Hand. Nun aber fehlt mit Donald Trump auch schon der erste eigentliche Gegner auf der Bühne. Auf dem Weg zur Nominierung der Republikaner müssen alle Herausforderer ihre Rolle finden und schnellstmöglich den Ausscheidungswettbewerb mindestens in der Wahrnehmung ihrer Wählerinnen und Wähler beginnen.
Aus diesem Grund bewerte ich diese erste Debatte insbesondere auch an diesem Kriterium. Wem ist es gelungen eine Rolle einzunehmen und dabei ggf. einen anderen auszustechen? Und natürlich ist dabei auch nicht die jeweilige Erwartungshaltung außer Acht zu lassen, die es im Vorfeld der Debatte gab.
Weiter schwieriges Terrain für Trump-Kritiker
Noch während der Begrüßungsrunde der Kandidaten, als sie selbst noch nicht einmal zu Wort kamen, wurde schon deutlich, wie die Sympathien im Publikum verteilt waren oder präziser gesagt, wer es an diesem Abend und wohl auch in Zukunft schwer haben wird. Die Rede ist von Chris Christie und Asa Hutchinson, was uns auch schon zur ersten Rolle bringt. Der aktive Gegenpart zu Donald Trump.
Aus den bisherigen Auftritten war schon bekannt, dass sich Christie und Hutchinson aktiv und ausdrücklich gegen Donald Trump positionieren. Da dieser aber innerhalb der republikanischen Partei immer noch sehr beliebt ist, quittierten Zuschauer in Milwaukee, Wisconsin die Anwesenheit dieser beiden Herausforderer bereits zu Beginn mit leichten Buh-Rufen. Es sollten nicht die letzten an diesem Abend gewesen sein. Insbesondere der frühere Gouverneur von New Jersey teilte kräftig und pointiert gegen Trump aus und stellte auch die anderen Teilnehmer auf der Bühne bzgl ihrer Haltung zum Ex-Präsidenten zur Rede. Christie hob mehrfach hervor, dass es auch um den Schutz der Verfassung der USA gehe, die Trump nicht respektiere. Christie weiß, dass er von dieser aktuellen republikanischen Partei nicht nominiert werden wird. Aber er brachte beherzt seinen Anteil ein, um Trumps Dominanz zu brechen. Asa Hutchinson verlor sich dagegen in wenig inspirierenden Ausführungen. Der frühere Gouverneur von Arkansas zeigte sich bodenständig konnte aber nicht genügend Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und darum geht es eben auch oder insbesondere zu Beginn eines Ausscheidungswahlkampfes. Klarer Sieger in diesem Duell: Chris Christie
Chris Christie Maryland GovPics, CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0> |
Gemessen an den hohen Erwartungen, die an Christie in Hinblick auf dessen Debattenfähigkeit gerichtet waren, lieferte er aber kein ganz so starkes Auftreten ab, wie einst 2016 als er praktisch mit einer Frage Marco Rubio aus dem Rennen schmiss.
Je radikaler, desto erfolgreicher?
Ein weiteres Pärchen bildete die Mitte auf der Bühne, die aber zugleich politisch den rechten Rand der Partei darstellt. In der Mitte standen die beiden Kandidaten, die in den Umfragewerten am Aussichtsreichsten platziert sind. Selbst ohne Donald Trump schaffte es derzeit kein gemäßigter Kandidat der Republikaner einen dieser ersten beiden Verfolgerplätze einzunehmen.
Ron DeSantis und Vivek Ramaswamy lieferten sich das Duell um die Rolle des Trump 2.0.
Solange Trump nicht in Ungnade fällt, haben es ohnehin alle Kandidaten schwer, ihm nahe zu kommen. Sollte es aber eine Entwicklung geben, die darauf hinausläuft, dass der Ex-Präsident deutlich an Zustimmung verliert, wird insbesondere diese Rolle des logischen Nachfolgers für Donald Trump relevant werden. Denn die politische Ausrichtung der Republikaner bzw. die Vorliebe der Partei für den Stil ihres bisherigen Frontrunners wird sich nicht so schnell ändern.
Bei dem Duell DeSantis vs Ramaswamy ist auch auf die Ausgangslage zu blicken. Ron DeSantis lag insbesondere nach seinem beachtlichen Sieg 2022 bei der Wiederwahl zum Gouverneur von Florida deutlich vor den übrigen Mitbewerbern. In Umfragen konnte er teilweise Werte um die 30 % erreichen und war damit unangefochtener Anführer des Verfolgerfeldes. Diese Werte haben sich inzwischen halbiert. DeSantis liegt nun unter 15 %. In diesem Zeitraum des Abstiegs, etwa seit Frühjahr diesen Jahres, begann der Wahlkampf und Aufstieg des Geschäftsmannes Vivek Ramaswamy. Der 38-Jährige liegt aktuell mit 7-8 % auf dem dritten Platz. Will einer von beiden tatsächlich Trump Konkurrenz machen, müssen sie sich gegenseitig aus dem Rennen nehmen. Nicht sofort, aber möglichst noch vor Beginn der Vorwahlen in knapp fünf Monaten. Je schneller, desto besser.
Vivek Ramaswamy by Gage Skidmore, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0> |
Ramaswamy trat laut, selbstbewusst, populistisch und sich inhaltlich bewusst und gezielt von den anderen abgrenzend auf. DeSantis versuchte dies auch, kam aber hierbei an seine Grenzen, die er offenbar nicht bereit war zu überschreiten. Bestes Beispiel hierfür war die Frage, ob die USA die Ukraine weiter mit Waffen und Geld bei ihrer Verteidigung unterstützen sollten. Ramaswamy machte sofort keinen Hehl daraus, wo er stand und ließ keine Gelegenheit aus, zu verdeutlichen, dass ihm keiner folgen wollte. Er stellte sich klar gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine und verglich deren Verteidigungskampf gegen Russland mit dem Kampf der USA gegen die illegale Einwanderung an der Grenze zu Mexiko. DeSantis wollte diese Klarheit nicht äußern, aber dennoch kritisch sein. Der Gouverneur stellte die Bedingung, dass die Europäer einen höheren Beitrag leisten müssten, als bisher.
Ramaswamy punktete hier im direkten Vergleich mit einer extremeren Haltung. Ich erinnere daran, dass es hier um einen Rollenkampf geht, vereinfacht gesagt, wer ist der extremste Politiker mit dem größten Populismus. Dass sich Ramaswamy natürlich durch eine solche Haltung bei einigen Republikanern definitiv disqualifiziert hat, gehört dann eben auch zur ganzen Wahrheit. Nikki Haley führte ihn unter großem Applaus vor und erteilte ihm in Sachen Außenpolitik und dem Rollenverständnis der USA eine Lektion, flankiert von Mike Pence und Chris Christie. Alle wollten genau dieses Bild, auch Ramaswamy. Er will der Außenseiter sein, so wie einst Donald Trump 2015.
Ein weiteres Beispiel war die Diskussion um den Klimawandel. Ramaswamy schlug den Pflock mit der Behauptung ein, der Klimawandel sei erfunden und ein Scherz. Daran kamen andere eben nicht mehr vorbei.
Ron DeSantis by Gage Skidmore, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0> |
Ron DeSantis hat dieses Duell um den schärfsten und extremsten Nachfolger Trumps verloren, vorerst. Aber vielleicht hilft es ihm in den kommenden Monaten dabei, seinen eigenen Weg zwischen Ramaswamy und den übrigen Kandidaten zu finden. Evtl. lässt es ihn weniger bedrohlich für die republikanische Mitte wirken. Jedenfalls war es interessant zu beobachten, dass es nicht DeSantis war, der die meisten Angriffe auf der Bühne einstecken musste. Vivek Ramaswamy hat die meisten dieser Verbalattacken bewusst provoziert, seine Aufmerksamkeit erhalten und die gewünschte Rolle gewonnen und eingenommen.
Bricht man es nur auf diese Rollenfrage herunter, war Vivek Ramaswamy ein Sieger des Abends. Aber er hat eben auch einen ordentlichen Teil der Wählerinnen und Wähler verschreckt. Als Trump 2.0 wäre er aber die ideale Besetzung. Er kann wie Trump 2015/2016 auf die Politiker schimpfen, sich als finanziell unabhängig bezeichnen und polarisiert. Verständnis für die Anklagen und Ermittlungen gegen Trump: Fehlanzeige.
Die "neuen" Kompromisskandidaten
Eine dritte Rolle suchten Nikki Haley und Tim Scott. Beide halten sich weitgehend neutral aus der Diskussion Pro oder Contra Trump heraus und versuchten bei sich zu bleiben und einen anderen Fokus auf den Vorwahlkampf zu legen. Haley gelang es hierbei neben der bereits erwähnten Attacke gegen Ramaswamy zur Außenpolitik an verschiedenen Stellen kompromissfähige Töne zu finden und dabei meist sehr sachlich zu bleiben. Mike Pence kritisierte die moderate Linie als führungsschwach. Als einzige Frau im Bewerberfeld versuchte sie auch zielgerichtet die weiblichen Wählerinnen der Republikaner anzusprechen. Sie forderte zum Beispiel mehr Respekt für Frauen beim Thema Abtreibungsrechte ein. Die republikanische Partei erinnerte sie daran, dass es die eigenen Vertreter im Kongress waren, die auch in den Trump Jahren 2017-2021 erhebliche Schulden machte und die Staatsausgaben hoch hielten. Vorausgegangen war die Kritik an die Demokraten unter Biden, denen viele Republikaner vorwerfen, eine ausufernde Ausgabenpolitik zu betreiben.
Nikki Haley by Gage Skidmore, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0> |
Nikki Haley stach an dem Abend heraus. Anders als Tim Scott gelang es Haley an den richtigen Stellen Debatten-Leidenschaft zu entwickeln. Scott dagegen wirkte insgesamt etwas zu brav. Auch er setzt auf weniger Konfrontation, etwas mehr Profilierung hätte es angesichts der 3 % in den Umfragen aber schon sein dürfen. Im Duell um die Rolle der sachlichen Kompromisskandidatin hatte Haley die Nase vorn.
Mike Pence und die Frage nach der Perspektive
Etwas schwieriger in eine Rolle einzuordnen ist Mike Pence. Der frühere Vizepräsident bricht inhaltlich nicht mit Trumps Präsidentschaft. Er hält seinen früheren Chef aber persönlich nicht mehr für geeignet. Pence wichtigstes Thema an diesem Abend war sein eigenes Wirken am 06. Januar 2021. Hier erhielt er ein überwältigendes Lob, insbesondere von Chris Christie. Pence ist stolz darauf, sich hinter die Verfassung der USA und im Gegensatz dazu nicht hinter Trump gestellt zu haben. Ansonsten präsentierte sich Pence als bibeltreuer Republikaner. Seine souveräne und ruhige Art sind die Zuschauer gewohnt.
Mike Pence by Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0> |
Ist er ein Gewinner des Abends? Zumindest kein Verlierer. Pence hat eben mit einem Rollenproblem zu kämpfen. Er ist weder ein Neuanfang, noch eine reine Fortsetzung der Trump-Ära. Er genießt nicht mehr das Vertrauen der Trump-Anhänger, entwickelt aber auch kaum eine Sogwirkung in die Wählerschaften Christies oder Haleys hinein. Mike Pence wird sich mehr einfallen lassen müssen, als er in der letzten Nacht gezeigt hat. Aber es war ein solider Auftritt. Keiner kritisierte Vivek Ramaswamy mehr als Mike Pence.
Es bleibt aber unabhängig davon, wie Pence seinen Wahlkampf führt, fraglich bis unwahrscheinlich, dass er eine Chance haben wird. Wie soll die weitere Entwicklung aussehen? Die Trump-Anhänger dürften für Pence unwiederbringlich verloren sein, mindestens solange sich Trump nicht einsichtig zeigt und Pence für dessen Verhalten "freispricht". Pence dürfte in Hinblick auf die mangelnde Unterstützung aus dem Trump-Lager kaum größere Chancen haben als Chris Christie.
Doug Burgum, Gouverneur von North Dakota, spielte bei dieser Debatte keine nennenswerte Rolle. Wie so häufig gelingt es absoluten Außenseiterkandidaten nicht, eine solche Debatte zu lenken. Sie wollen diese seltenen Gelegenheiten nutzen, um sich vorzustellen und sich zu erklären. Dabei werden scheinbar auswendig gelernte Redebeiträge angeboten. Eine solche Performance reicht nicht aus, um sich in einem so großen Bewerberfeld zu behaupten.
Fazit - drei Gewinner, zwei Zufriedene und Trump
Zusammengefasst können aus meiner Sicht Vivek Ramaswamy, Chris Christie und Nikki Haley mit dem Abend sehr zufrieden sein. Ron DeSantis und Mike Pence müssen künftig zulegen. Tim Scott, Asa Hutchinson und Doug Burgum haben aus meiner Sicht ihre Chancen nicht genutzt, wobei ich bei Tim Scott noch Potenzial nach oben sehe.
Bleibt nur noch die Frage, wie es sich mit Donald Trump verhält. Ungeachtet dessen, was er bei Tucker Carlson gesagt hat, darf der Ex-Präsident mit der Debatte zufrieden gewesen sein. Niemand hat so herausragend performed, dass sich Trump Sorgen machen müsste. Insbesondere war es kein Gala-Abend für Ron DeSantis.
Nächste TV-Debatte in fünf Wochen
Die zweite TV-Debatte der Republikaner findet in knapp fünf Wochen am 27.September statt. In Simi Valley, Kalifornien, sollten dann die Gewinner der letzten Nacht interessiert sein, ihre Rollen zu manifestieren und diese auch fortan in signifikant gesteigerte Umfragewerte umwandeln. Insgesamt wäre es der Grand Old Party zu wünschen, den Ausscheidungsprozess der Trump-Verfolger zu beschleunigen.
Bereits für die zweite Debatte qualifiziert sind alle Teilnehmer der letzten Nacht, ausgenommen Hutchinson und Burgum. Diese haben aber natürlich noch die Möglichkeit, die erforderlichen Kriterien zu erreichen. Trump wird auf eigenen Wunsch erneut nicht dabei sein.
1 Kommentar:
Toller Artikel!
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