Freitag, 28. Juni 2019

Kamala Harris gewinnt zweite TV-Debatte der Demokraten: Frontrunner Joe Biden strauchelt bei Angriffen seiner Konkurrenz

Bereits einen Tag nach der ersten TV-Debatte starteten nun weitere zehn Demokraten mit ihrem ersten prominenten Fernsehtermin dieses Wahlkampfs. Im Vorfeld waren zunächst alle Augen auf den derzeitigen Frontrunner Joe Biden gerichtet. Wie würde er sich schlagen und inwieweit würde sein laut Umfragen stärkster Herausforderer Bernie Sanders erste Attacken gegen den früheren Vizepräsidenten setzen? Kamala Harris und Pete Buttigieg wollten den Abstand auf das Spitzentrio verkürzen. Ebenso dabei die Außenseiter Kirsten Gillibrand, Andrew Yang, Eric Swalwell, Marianne Williamson, John Hickenlooper und Michael Bennet.

Kamala Harris "I Want to Hear From You" (cropped)
Kamala Harris
Im Vergleich zur ersten TV-Debatte ging es in der vergangenen Nacht deutlicher kontroverser zu und die Frage nach Gewinnern und Verlierern lässt sich wesentlich eindeutiger beantworten. Joe Biden geriet verbal unter Beschuss und erlebte einen eher schwachen Start in den Wahlkampf. Eindeutige Gewinnerin, auch unter Einbezug der ersten TV-Debatte, ist Kamala Harris, die in vielen Themen offenbar den richtigen Ton traf, gut vorbereitet war und auch den größten Applaus im Saal bekam.



Kamala Harris wohl dosierter Angriff auf Joe Biden


Joseph R. Biden Jr. MSC 2019 (cropped)
Joe Biden
Es war sicherlich der Höhepunkt des Abends. Eigentlich hätte es Joe Biden wissen müssen, dass seine jüngsten Äußerungen zur früheren Zusammenarbeit mit Senatoren, die sich aktiv für die Rassentrennung einsetzten, auch in dieser TV-Debatte nicht ohne Echo bleiben würden. Kamala Harris, die emotional einleitete und über ihre eigenen Erfahrungen als junges Mädchen berichtete, konfrontierte Joe Biden nicht polemisch aber bestimmt mit seinen Äußerungen.
Harris betonte ausdrücklich, dass sie nicht glaube, Biden sei ein Rassist, dieser fühlte sich aber in die Ecke gedrängt und sah sich gezwungen, seine Äußerungen zu erklären. Die Situation wirkte so, als hätte Kamala Harris den früheren Vizepräsidenten moralisch zur Räson gerufen. Nachdem Biden glaubhaft beteurte, wie sehr er sich gegen die Diskriminierung von Schwarzen aber auch anderen Minderheiten eingesetzt habe, ließ die Senatorin aus Kalifornien nicht locker. Sie fragte Biden, ob er es heute als Fehler betrachte, dass er früher gegen das "busing" war. Zur Erläuterung: als "busing" bezeichnet man die Busbeförderung von Kindern zu Schulen anderer Bezirke, um die Rassenintegration zu fördern und die Rassentrennung zu überwinden. Auch in dieser Frage wurde Biden in Rechtfertigungsnöte getrieben. Er verwies letztlich auf eine Formalität, eine Frage der Zuständigkeit. Er sei nicht gegen das "busing" gewesen, sondern dagegen, dass das Department of Education diese Maßnahme anordnen sollte. Harris setzte Biden dann noch abschließend zu und forderte, dass es eben erforderlich sei, Fehlentwicklungen und falsche Entscheidungen staatlicher Einrichtungen zu erkennen und entgegenzuwirken.
Die Art und Weise, wie Harris Joe Biden anging, war klug und maßvoll. Zwar hatte er stets betont, dass er nicht die Ansichten der fraglichen Senatoren in Bezug auf die Rassentrennung teile, jedoch waren seine Äußerungen, sie hätten ihn nie "boy" genannt und verfügten im Vergleich zu Trump über ein Mindestmaß an Zivilität mindestens unsensibel und keinesfalls klug.
Es ist Harris Aufgabe gewesen, den Spitzenreiter in den Umfragen herauszufordern und Biden wird heute eingestehen müssen, dass ihr das gut gelungen ist, ohne dabei unfair zu wirken.

Kamala Harris punktet auch in anderen Fragen


Kamala Harris ist es aber auch bei anderen Themen gelungen, sachlich fundiert und dennoch leicht verständlich und kämpferisch ihre Positionen zu vermitteln. Als es zu Beginn der Debatte, um die Wirtschaft und Arbeitsplätze ging und sich die ersten Differenzen im Bewerberfeld zu gegenseitigen Vorhalten entwickelten, setzte Harris diesem Treiben ein energisches und gut pointiertes Ende. Die Amerikaner wollten nicht hören, wie sich die Demokraten einen Kampf ums Essen lieferten, sie wollten erfahren, wie die Demokraten das Essen auf ihre Tische brächten. Hier applaudierte ihr Joe Biden noch. Harris weiter: Es könne nicht sein, dass ein Amerikaner mehr als einen Job benötige, um sich ein Dach über dem Kopf und ein Essen auf dem Tisch leisten zu können.
Andrew Yang, der sonst kaum wahrnehmbar war und aus meiner Sicht einen der schwächsten Auftritte ablieferte, nutzte das Thema dafür, seine Vorstellung einer Art des bedingungslosen Grundeinkommens in Höhe von 1000 US-Dollar zu präsentieren.
Joe Biden kündigte an, Trumps Steuererleichterungen für besonders Reiche wieder abzuschaffen.


Bernie Sanders wieder im Wahlkampfmodus von 2016


Bernie Sanders February 2019
Bernie Sanders
Bei Sanders hatte ich den Eindruck, dass er direkt aus einem TV-Duell mit Hillary Clinton 2016 kam. Es gab kaum ein Thema, wo er nicht den Bogen schlug und den Kampf gegen die Wall Street, die fossilen Industrien, die großen Versicherungskonzerne oder die NRA ausrief. Damit erfüllte er sicherlich die Erwartungen seiner treuen Anhänger, allerdings konkurriert er eben nicht nur mit einer Establishment-Kandidatin, sondern mit weitaus mehr und differenzierten Positionen. Sanders setzte sich auch zur Wehr, als Eric Swalwell gleich zu Beginn den ersten Angriff des Abends auf Joe Biden startete. Swalwell forderte den früheren Vizepräsidenten auf, Platz zu machen, für eine neue Generation. Nachdem Biden sachlich darauf anwortete, schaltete sich Sanders ein, der sich mit 77 Jahren offenbar auch angesprochen fühlte. Der Senator aus Vermont hob hervor, dass es darauf ankomme, wer den Mut habe, es mit den vorgenannten Konzernen aufzunehmen, um die Probleme zu lösen. Dies sei keine Frage des Lebensalters oder nur einer Generation.

Eric Swalwell 116th Congress
Eric Swalwell
Swalwell und Sanders standen noch einmal bei dem Problem der Waffengewalt in den USA im Mittelpunkt der Debatte. Während Swalwell diesen Kampf zu seinem vorangigsten Thema als US-Präsident machte, unter anderem mit einem Programm zum Rückkauf von Sturmwaffen, geriet Sanders aufgrund seiner früheren Haltung zur Verschärfung der Waffengesetze unter Druck. Auch dies erinnerte an 2016. Eine kritische Frage der Moderatorin zu diesem Thema, bezeichnete Sanders als eine falsche Interpretation seiner Haltung, worauf die Moderatorin feststellte, dass es sich dabei um ein Zitat Sanders gehandelt habe. Konkret ging um eine Aussage Sanders, dass die Verschärfung von Waffengesetzen in der Verantwortung der einzelnen Bundesstaaten bleiben solle, also im Umkehrschluss nicht unbedingt das Thema eines US-Präsidenten sei.

Auch hier nutzte Kamala Harris die Gelegenheit, um deutlich einzuhaken. Als Präsidentin würde sie dem Kongress 100 Tage Zeit geben, um eine Lösung zur ausufernden Waffengewalt zu finden. Gelänge es dem Kongress nicht, etwas Sinnvolles auf den Weg zu bringen, würde sie per Executive Order handeln.
Pete Buttigieg stellte fest: Wenn mehr Waffen die USA sicherer machten, wären die USA das sicherste Land der Welt, aber diese Gleichung funktioniere eben so nicht.

Pete Buttigieg zeichnete sich durch sachlich fundierten Auftritt aus

 

Der Bürgermeister von South Bend, der es in den Umfragen der vergangenen Monate schaffte, aus dem Bereich 0-1% herauszukommen und dem sogar der Sprung in die Top 5 gelang, machte vieles gut und leistete sich keine Schwächen oder Fehler. Ein herausragender Auftritt war es aber auch nicht. Seine inhaltliche Souveränität und Vielseitigkeit wird ihm helfen, nicht aus dem Fokus der Öffentlichkeit und der demokratischen Anhänger zu fallen. Meiner Bewertung nach ist sein Auftritt, mit der Cory Bookers aus der ersten TV-Debatte zu vergleichen. Die Schlagzeilen gehörten heute anderen, aber sicher gehörte Buttigieg zu den besten vier Kandidaten der beiden Abende.

Einwanderung erneut zentrales Thema


Pete Buttigieg (33022594432)
Pete Buttigieg
Buttigieg forderte das 11 Mio illegale Einwanderer auch Zugang zu einer vernünftigen Gesundheitsversorgung erhalten sollten, ein Standpunkt, den alle teilten. Das eigentliche Problem sei aber, dass diese nicht registrierten Migranten, keine Perspektive hätten, amerikanische Staatsbürger zu werden. Diese Aussicht müsse ihnen gegeben werden, um die daraus resultierenden Probleme zu vermeiden.
Erneut gelang es Kamala Harris, an diesem Abend zu punkten, indem sie die Konsequenzen veranschaulichte. Sie prangerte an, dass illegale Einwanderer, die Opfer eines Verbrechens geworden sind, nicht die Hilfe der Polizei suchten, weil sie Angst vor einer Abschiebung hätten. Außerdem kritisierte sie auch direkt den US-Präsidenten, dem sie vorwarf, in Not befindliche und Hilfe suchende Menschen an der Grenze abzulehnen.
John Hickenlooper, der einen unaufälligen Abend erlebte, pflichtete ihr bei und forderte humanitäre Hilfen und ein Ende der Familientrennung. Auch Marianne Williamson meldete sich zu Wort und sprach in diesem Zusammenhang von staatlichem Kidnapping, wenn Kinder von ihren Müttern getrennt würden.


Diffenrenzen bei Gesundheitsversorgung


Bei der Frage wie das System der Gesundheitsversorgung zu refomieren sei, offenbarten sich viele Differenzen, auch wenn das Ziel einer Gewährleistung ärztlicher Behandlungen für alle Amerikaner Konsens war.
Joe Biden stellte heraus, welch großer Erfolg Obamacare sei und dass er daran festhalten und die Reform weiter verbessern wolle. Für die komplette Abschaffung von privaten Krankenversicherungen sprachen sich Bernie Sanders und Kamala Harris aus. Sanders forderte unmissverständlich, dass alle für Medicare for all aufstehen und protestieren sollten. Nur so werde man sich gegen Pharmaunternehmen und Versicherungskonzerne durchsetzen können.
Kirsten Gillibrand January 2019
Kirsten Gillibrand
Kirsten Gillibrand war da etwas defensiver in ihren Forderungen. Medicare for all sei nur durch einen Übergang zu erreichen. Sie unterstützte Sanders im Grundsatz, verlangte aber eine vierjährige Übergangsphase, in der die Menschen selbst entscheiden sollten, ob sie sich staatlich absichern oder privat versichert bleiben wollten. Dadurch solle auch ein Wettbewerb unter den Versicherungen entstehen. Sie sei sich sicher, dass sich Medicare for all auf diesem Wege durchsetzen würde.
Marianne Williamson ging in der Debatte nochmal gedanklich einen Schritt zurück und hinterfragte, weshalb Amerikaner überhaupt so häufig erkrankten. Dies sei zu beleuchten, bevor man sich überlege, wie die Erkrankungen behandelt werden sollten.


Fazit: Joe Biden zeigt sich schon zu Beginn des Wahlkampfs verwundbar, Kamala Harris mit dem stärksten Auftritt aus zwei Debatten mit 20 Demokraten. 


Joe Biden musste erleben, dass ihm die Demokraten die Kandidatur nicht kampflos überlassen werden. Offenbar war Biden noch nicht ihm Wahlkampfmodus angekommen. Will er in künftigen Debatten punkten, was er zweifelsfrei kann, muss er selbst Angriffe setzen und darf sich nicht auf den Umfragewerten ausruhen. Den Wahlkampf nur zu verwalten, reicht bei der Konkurrenz nicht aus. Biden wirkte, als hätte er mit so viel Widerstand gleich zu Beginn nicht gerechnet. Kamala Harris ist es gelungen, den Demokraten zu zeigen, dass es auch Alternativen zu dem früheren Vizepräsidenten und dem teils eintönigen Vorstellungen Bernie Sanders gibt und präsentierte sich selbst in Bestform. Pete Buttigieg fiel durch ein ruhiges und sachliches Aufreten quer durch die wichtigsten Themenfelder auf. Etwas mehr Angriffslust darf es im Laufe der kommenden Monate aber schon noch sein.
Von den Außenseitern gelang es insbesondere Kirsten Gillibrand, sich immer wieder in Szene zu setzen. Michael Bennet, Andrew Yang, John Hickenlooper, Marianne Williamson und mit Abstrichen Eric Swalwell ist es dagegen nicht gelungen, sich für künftige Debatten im Spitzenfeld zu empfehlen.

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