Donnerstag, 5. März 2020

Zweikampf nach dem Super Tuesday - die aktuelle Lage der Demokraten

UPDATE, 11.03.2020: Eine aktualisierte Bewertung folgt in Kürze! Joe Biden hat in Michigan, Missouri und Mississippi gewonnen. In Washington deutet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen an, weshalb sich Biden und Sanders die dortigen Delegierten weitgehend teilen dürften.

Der Super Tuesday 2020 hat bei den Demokraten gehalten, was sein Name verspricht. Nach vielen Monaten des Wahlkampfs und den ersten Vorwahlen im Februar, in denen noch ganz andere Kandidaten eine Rolle spielten, hat der Super Tuesday innerhalb einer Nacht zwar nicht alle offenen Fragen geklärt, aber doch viele Antworten gegeben.

Joe Biden ist der Sieger dieses Abends. Biden hat in 10 Bundesstaaten gewonnen, darunter auch in Texas. Bernie Sanders, der eigentlich einen Vorsprung auf seine Mitbewerber herausholen wollte, kommt mit 4 Siegen, darunter in Kalifornien, hinter Biden ins Ziel. Noch ist die Delegiertenverteilung nicht abgeschlossen, aber Biden dürfte doch einen Vorsprung haben.

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Joe Biden by Gage Skidmore

Zudem haben Mike Bloomberg und Elizabeth Warren ihre Kandidaturen beendet. Bloomberg unterstützt Joe Biden. Ob Warren ebenfalls eine Unterstützung, ggf. für Bernie Sanders, ausspricht, ist derzeit noch nicht klar.
UPDATE: Elizabeth Warren will aktuell noch keine konkrete Unterstützung aussprechen. Sie wolle etwas Abstand gewinnen und benötige noch Zeit, um darüber nachzudenken.


Biden vs. Sanders - Vorteil für Biden, aber noch keine Entscheidung


Joe Biden hat sich bislang einen kleinen Vorsprung bei der Delegiertenverteilung erarbeitet. Noch sind die Zahlen des Super Tuesday nicht gesichert, aber Biden dürfte am Ende vor Sanders liegen. Mit Kalifornien und Texas haben zwei der drei größten Bundesstaaten (Einwohner/Delegierte) bereits gewählt.

Wo also könnte Bernie Sanders noch gewinnen?


Im gesamten Westen der USA, also an der Pazifikküste mit Washington und Oregon sowie in Alaska, in den Rocky Mountains und dem westlichen Heartland, mit Idaho, Wyoming, Montana, North Dakota, South Dakota, Nebraska und Kansas sowie an der südlichen Grenze in Arizona und New Mexico dürfte Sanders grundsätzlich im Vorteil gegenüber Biden sein.
Insgesamt sind in den eben aufgeführten Bundesstaaten 417 Delegierte zu gewinnen.

Joe Biden dagegen setzt weiter auf die Südstaaten. In Florida, Georgia, Mississippi und Louisiana wird Sanders keine Chance gegen Biden haben. In diesen Bundesstaaten sind insgesamt 414 Delegierte zu gewinnen.

Der Vergleich zwischen dem Westen und den Südstaaten wird sich, grob überschlagen, aufheben und keine Entscheidung bringen.

Rust Belt wird die Entscheidung bringen


Bleibt also noch der Rust Belt mit Michigan, Illinois, Indiana, Ohio, Pennsylvania und ich nehme auch noch Wisconsin dazu. Hier sind insgesamt 768 Delegierte zu vergeben und der Ausgang dürfte aktuell als offen bezeichnet werden.

Will Sanders die Nominierung gewinnen, muss er im Rust Belt siegen, je deutlicher, desto besser. Denn an der Ostküste in New York, New Jersey, Maryland und Connecticut sind nochmals 556 Delegierte zu gewinnen. Hier sehe ich Joe Biden als Favoriten.

Die weiteren kleinen Bundesstaaten wie Kentucky, West Virginia, Rhode Island und Delaware dürften sich die beiden Spitzenreiter wieder aufteilen. Ebenso Missouri und Puerto Rico.

Michigan am kommenden Dienstag im Fokus


Die nächsten Vorwahlen finden am Dienstag, 10.03.20, statt. Dann wird in Michigan, Washington, Missouri, Mississippi, Idaho und North Dakota gewählt.
Zweifelsfrei wird mit besonderer Spannung das Ergebnis aus Michigan zu erwarten sein. Kann Biden hier gegen Sanders gewinnen, wird die Aussicht für Sanders, wie eben dargestellt immer düsterer.
Die amtierende Gouverneurin Michigans, Gretchen Whitmer hat heute ihre Unterstützung für Joe Biden erklärt.

Sanders sollte Strategie überdenken


Bernie Sanders ist also gefordert, einen Plan zu entwerfen, der ihn im Rust Belt siegen lässt und Bidens Stärke an der Ostküste in Frage stellt bzw. eindämmt.
Es darf aber angezweifelt werden, dass Sanders von seiner bisherigen Strategie abweicht. Diese Zweifel sind auch der Grund dafür, weshalb ich Biden in der Favoritenrolle sehe.

Bernie Sanders
Bernie Sanders by Gage Skidmore

Bernie Sanders ist es, und das hat der Super Tuesday gezeigt, nicht gelungen, Wählerschichten außerhalb seiner eigenen Basis signifikant zu gewinnen. Aus meiner Sicht ist Sanders kritische und kompromisslose Haltung gegenüber dem politischen Gegner ein Grund für dieses Versäumnis. Entscheidend dabei ist, dass Sanders nicht nur Trump angreift, sondern sich, wie zuletzt am Abend des Super Tuesday geschehen, ganz allgemein gegen das politsche Establishment der Demokraten und namentlich gegen Joe Biden stellt. Diese polarisierende Art motiviert die eigene Wählerschaft immer mehr, vergrößert sie aber keineswegs.

Natürlich muss Sanders seine Mitbewerber in der Phase der Vorwahlen angreifen. Er selbst hat ja auch regelmäßig einzustecken. Es ist aber eine Stilfrage, wie das geschieht. Niemand beklagt sich, wenn Sanders inhaltlich für Medicare for All, seine Weitsicht in der Frage des Irak-Kriegs, seine kritische Haltung gegenüber der Wall Street etc. vorträgt und für seine Positionen kämpft. Wenn er aber Trump und Biden zumindest emotional in einer Wahlkampfrede nicht deutlich auseinanderhält, schadet das Sanders Ansehen, sowohl in der Partei der Demokraten, als auch bei der Fähigkeit moderate Wählerschichten der Demokraten oder Unabhängigen für sich zu gewinnen.

In diesem Zusammenhang muss auch auf die Generalkritik, die Vorwahlen seien manipuliert kritisch geblickt werden. Es liegen keine Hinweise und schon gar keine Beweise dafür vor, dass bei den Vorwahlen der Demokraten manipuliert wurde. Auch wenn Sanders dies nicht selbst öffentlich erklärt, so ist dieser Vorwurf besonders häufig aus dessen Wahlkampflager bzw. von dessen Unterstützern zu hören und zu lesen. Donald Trump erhebt diesen Vorwurf ebenfalls. Die Demokraten würden gezielt Sanders durch manipulierte Vorwahlen von der Spitzenkandidatur fernhalten. Wenn sich Sanders nicht ausdrücklich von dieser Einstellung distanziert und eine klare Aussage zur Integrität der demokratischen Wahlprozesse ausbleibt, schadet er nicht nur seiner eigenen Kandidatur, sondern auch dem Ansehen der Demokraten insgesamt. Er könnte sogar deren Siegchancen gegen Trump minimieren. 

Will Sanders im Rust Belt und an der Ostküste punkten, muss er in der Lage sein, auch andere Demokraten inhaltlich, mehr aber noch, emotional abzuholen. Eine Eigenschaft, die Joe Biden zuletzt eindrucksvoll gezeigt hat.
Es ist doch offensichtlich, dass Joe Biden nicht der alles überstrahlende Topkandidat war. Wären Buttigieg und Klobuchar nicht aus dem Rennen ausgestiegen und hätten sie sich nicht hinter Biden gestellt, wäre Biden heute wohl in einer anderen Lage. Hätte er folglich keinen Vorsprung vor Sanders, wäre wohl auch Mike Bloomberg noch dabei.

Joe Biden hat gezeigt, dass man mit moderaten Tönen, nicht polarisierend, aktuell zumindest bei den Demokraten einen besseren Nerv trifft und dennoch gerade dadurch auch einen Gegenpol zu Donald Trump darstellt. 

Moderate Demokraten versammeln sich hinter Biden


Selten ist es einem Kandidaten in dieser Art und Weise gelungen, ein Ruder binnen so kurzer Zeit herumzureißen. Joe Biden hat Iowa als 4. und New Hampshire als 5. verloren. In Nevada leicht verbessert, aber dennoch deutlich nicht gewonnen. Geldgeber für den Wahlkampf waren rar, Bidens Werbeausgaben zwangsläufig verschwindend gering.

Es war nicht nur diese eine Wahlnacht, sondern auch die rund 48 Stunden davor, die schon andeuteten, in welche Richtung es am Super Tuesday gehen könnte.

Begonnen hat der Siegeszug Joe Bidens aber mit der Unterstützung von Jim Clyburn in South Carolina. Clyburn ist einflussreich, Majority Whip der Demokraten im US-Repräsentantenhaus und ein Idol der Schwarzen gerade in Clyburns Heimat South Carolina. Durch dessen Unterstützung und auch etwa der des früheren Gouverneurs von Virginia, Terry McAuliffe, erhielt Biden wertvollen Rückenwind. Das unterschied ihn auch von Mike Bloomberg. Der Sieg Bidens in South Carolina war der Grundstein für den Erfolg am Super Tuesday. Es folgten die Unterstützungen von Buttigieg, Klobuchar und O'Rourke. Biden punktete am Super Tuesday und erreichte so, dass noch ein Mitbewerber aus dem Rennen ausstieg. Mit Mike Bloomberg ist damit der letzte große Mitwerber im moderaten Lager raus. 
Biden profitiert zudem auch von Bloombergs teuer aufgebauter Wahlkampfinfrastruktur. Bloomberg erklärte, dass er Biden fortan ohne Einschränkungen unterstütze. Damit erhält Biden nicht nur einen finanziellen Push, sondern auch das Personal und die Infrastruktur Bloombergs.
Der moderate Flügel der Demokraten hat sich also hinter Joe Biden versammelt.

Gewinnt Sanders die Unterstützung Elizabeth Warrens?



Eine solche Unterstützung wünscht sich auch Bernie Sanders und blickt dabei auf Elizabeth Warren. Warren hat heute ihre Ambitionen aufgegeben und hat ihre Kandidatur beendet. Sie steht Sanders inhaltlich sehr nahe, hatte aber auch in diesem Wahlkampf ihren Konflikt mit Sanders, als es um die Frage ging, ob Sanders behauptet hätte, dass eine Frau nicht gegen Donald Trump gewinnen könnte. Gegenseitige Lügenvorwürfe standen öffentlich in einer TV-Debatte zur Schau gestellt im Raum.

Die Situation bei Sanders ist aber mit der Bidens nicht so einfach zu übertragen. Zum einen bringt Warren nicht so viel Stimmengewicht mit, wie Buttigieg, Klobuchar und Bloomberg, zum anderen sind ihre Wählerinnen und Wähler strukturell nicht mit denen Sanders vergleichbar. Auch wenn Warren programmatisch links-progressiv ist, ihr Wählerklientel ist nicht so weit links, wie viele Sanders-Unterstützer. Warrens Basis war vor allem weiblich und galt als links-elitär und gut gebildet.

Aktuell ist noch nicht klar, ob Warren Sanders unterstützt. Ob in einem solche Falle dies auch nennenswerte Auswirkungen auf dessen Stimmenanteile gegenüber Biden hätte, ist nicht selbstverständlich.
UPDATE: Elizabeth Warren will aktuell noch keine konkrete Unterstützung aussprechen. Sie wolle etwas Abstand gewinnen und benötige noch Zeit, um darüber nachzudenken.


Contested Convention unwahrscheinlich - Entscheidung im 1. Wahlgang


Durch die neuesten Entwicklungen und dem anstehenden Zweikampf zwischen Biden und Sanders ist nun auch eine Contested Convention unwahrscheinlich geworden, praktisch vom Tisch. Biden und Sanders liegen aktuell bei rund 600 Delegierten oder darüber. Es sind noch 2840 Delegierte zu gewinnen. Beide Spitzenkandidaten würden selbst bei einer Aufteilung von 50% zu 50% der 2840 Delegierten auf die erforderliche Mindestanzahl von 1991 Delegierten auf dem Nominierungsparteitag kommen. Damit wäre auch die Frage, wer wie viele Superdelegierte für sich gewinnen kann, nicht mehr relevant, allenfalls ein Indiz für den Support in den jeweiligen Bundesstaaten.


Milliardäre scheitern in den Vorwahlen


Die Vorwahlen der Demokraten haben gezeigt, dass man sich die Spitzenkandidatur nicht einfach kaufen kann. Mike Bloomberg hat ca. 500 Mio US-Dollar in Werbung investiert, stand einen Tag zur Wahl und gab dann auf. Tom Steyer musste ebenfalls ohne einen einzigen Delegierten seine Kandidatur beenden. Zwar wären Bloomberg und Steyer ohne ihr Geld gar nicht erst so weit gekommen, aber Biden, Sanders, Buttigieg und Co. haben bewiesen, dass Überzeugungskraft, Verlässlichkeit und Wurzeln in der Partei nicht zu schlagen sind. Was mit Bloomberg gewesen wäre, hätte Biden in South Carolina verloren, bleibt spekulativ.

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