Freitag, 5. April 2024

Unabhängige und Third-Party-Candidates mit Einfluss - Die Grüne Jill Stein

Die Chancen auf den Gewinn von Wahlmännerstimmen bei der US-Präsidentschaftswahl sind für unabhängige Kandidaten oder solche anderer Parteien als die Demokraten und Republikaner verschwindend gering bis ausgeschlossen. Dies wird auch in diesem Jahr der Fall sein. Es ist nicht damit zu rechnen, dass eine einzige der 538 Electoral Votes nach Wahlergebnis an jemand anderen als Biden oder Trump gehen wird. 

Dennoch kann an diesen unabhängigen Kandidaten nicht vorbei gesehen werden. Sie sind in der Lage, den Ausgang der Wahl entscheidend zu beeinflussen. Traditionell stellen die Grünen und die Libertären eigene Kandidaten auf. In diesem Jahr wird das Interesse am Abschneiden von Robert F. Kennedy Jr. besonders groß sein. Er tritt als Unabhängiger an und kommt in Umfragen teilweise auf zweistellige Werte.

Wem diese Kandidaten mehr Stimmen "wegnehmen" werden, ist dabei die entscheidende Frage. In den kommenden Wochen stelle ich hier die bislang drei bekannten Kandidaten vor, die derzeit bekannt sind und denen zumindest Ergebnisse über 1% zuzutrauen sind. Bei Abständen von weniger als 0,5 % zwischen Biden und Trump definitiv relevante Werte. Neben Kennedy, tritt der ebenfalls Unabhängige Cornel West an. Die Grünen schicken wie schon 2016 Jill Stein ins Rennen. Mit ihrer Kurzvorstellung beginne ich heute. 


Jill Stein: Kandidatin der Green Party



Jill Stein kommt gebürtig aus Chicago, Illinois, und ist wird in einigen Wochen 74. Geburtstag feiern. Stein kandidierte bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2012 und 2016 für die Green Party. 2012 holte Stein landesweit 0,4 % der Stimmen, vier Jahre später waren es 1,07 %


Aus Reihen der Demokraten gab es an der Kandidatur Steins im Jahr 2016 besonders viel Kritik. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie bei aussichtsloser Lage mit ihrer Kandidatur entscheidende Stimmen von Hillary Clinton wegzog und so Donald Trump den Gesamtsieg ermöglichte. Wie eng das Rennen zwischen Trump und Clinton in einigen Bundesstaaten war und welchen indirekten Einfluss andere Kandidaten haben können, hatte ich im Nachgang der Wahl 2016 mit der folgenden Tabelle dargestellt. Die Tabelle zeigt die Ergebnisse aus Wisconsin, Pennsylvania und Michigan.



Trump
Clinton
Johnson
Stein
Differenz
Wisconsin
(10)
1.409.467
47,9 %
1.382.210
46,9 %
106.442
3,6 %
30.980
1,1 %
+27.257
Pennsylvania
(20)
2.912.941
48,8 %
2.844.705
47,6 %
142.653
2,4 %
48.912
0,8 %
+68.236
Michigan
(16)
2.279.805
47,6 %
2.268.193
47,4 %
173.057
3,6 %
50.700
1,1 %
+11.612



Jill Stein ist eine entschiedene Kritikerin des Zweiparteiensystems in den USA.
Inhaltliche Kernforderungen sind eine konsequentere Klima- und Umweltpolitik der USA. Sie fordert einen "Real Green New Deal", der mit massiven Investitionen in "Grüne" Arbeitsplätze, Industrien und Technologien verknüpft ist.
Des weiteren will sie den Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, Schwarzen, Hispanics, der Indigenen Bevölkerung, der LGBTQ+ Community und anderen Minderheiten verstärken.
Außerdem gehören der 15 Dollar Mindestlohn und eine kostenfreie Bildung sowie ein besserer Zugang zum Gesundheitswesen zu ihren Kernforderungen.

In welchen Bundesstaaten Jill Stein antreten wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach aktuellem Stand wird sie in über der Hälfte aller Bundesstaaten antreten können, da sie die nötige Unterstützung erhalten hat. Einen genaueren Blick auf die Swing States wird es dann nochmal etwa zwei Monate vor der Wahl geben.


Ende April folgen die Kurzvorstellungen von Robert F. Kennedy Jr. und Cornel West.

Bis dahin habe ich nochmal einige historische Einflüsse der sog. Third-Party-Candidates herausgesucht.


Unabhängige und Third-Party-Kandidaten können Wahlen entscheiden


Auszug aus meinem Artikel vom 24.01.2016:

Wie schon angedeutet, können sich unabhängige Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen in den USA nicht ernsthafte Chancen auf den Einzug ins Oval Office machen. Dennoch sind diese Kandidaturen für die beiden großen Parteien immer ein Unsicherheitsfaktor und können immense Auswirkungen auf das Gesamtergebnis haben. Ich möchte mal zwei Beispiele anführen, die dies auf ihre jeweils eigene Art verdeutlichen.

1992 war es der konservative Ross Perot, der als unabhängiger Kandidat gegen das Washingtoner Establishment wetterte.


RossPerotColor
Ross Perot


Damals war es George W. H. Bush, der sich als amtierender republikanischer Präsident um eine zweite Amtszeit im Weißen Haus bewarb und gegen den sich die Kandidatur Perots richtete. Perot trat als grundehrlicher bürgerlicher Kandidat an und erreichte landesweit 18,91 % der Stimmen. Zwar gewann er nicht einen einzigen Bundesstaat und damit auch keine Wahlmännerstimmen. Aber es waren zu viele Wähler aus dem Lager der Republikaner, die Perot ihre Stimme gaben, so dass Bill Clinton einen souveränen Erfolg gegen Bush verzeichnen konnte.


Dass ein unabhängiger Kandidat aber nicht mal ein solch gutes Ergebnis wie jenes Ross Perots einfahren muss, um eine Präsidentschaftswahl zu entscheiden, kann man an den Ereignissen aus dem Jahr 2000 ablesen. Vielen dürfte diese Wahl noch immer in bester Erinnerung sein. Al Gore trat gegen George W. Bush an und es war ein historisch knappes Rennen. Nachdem einige TV-Anstalten bereits Bush zum Sieger ernannten und Al Gore auch bereits in einem ersten Telefonat zum Sieg gratulierte, ruderten die Sender in der Wahlnacht bald schon zurück. Noch Wochen nach dem Wahltag stand nicht fest, wer gewonnen hatte. Alle Augen richteten sich auf den Bundesstaat Florida und die Augen der dortigen Wahlhelfer zunächst auf eigenartig gestanzte Lochkarten, die als Wahlzettel genutzt wurden. Später blickte man nur noch auf die Gerichte.

Looking for hanging chad, 2000 Presidential election
Stimmenauszählung im Jahr 2000 in Florida

Der Wahlausgang in Florida war so knapp, die Ergebnisse der Auszählung so unsicher, dass ein erbitterter Rechtsstreit entbrannte, ob und welche Stimmzettel nochmals ausgezählt werden sollten. Nach gut zwei Wochen erklärte der Bundesstaat Florida, dessen Gouverneur damals Jeb Bush war, George W. Bush zum Sieger. Auf Gore entfielen 2.912.253 Stimmen, Bush erreichte mit 2.912.790 Stimmen eine Mehrheit von 537 Stimmen. Da die Demokraten aber weiterhin Unregelmäßigkeiten und missverständliche Wahlzettel anprangerten, dauerte es weitere Wochen bis der Supreme Court mit 5:4 Stimmen entschied, dass nicht erneut ausgezählt werde. Bush gewann alle 25 Wahlmännerstimmen in Florida, und hatte am Ende mit 271 Wahlmännerstimmen eine denkbar kleine Mehrheit von 5 Stimmen gegenüber Gore. Im Übrigen war die Wahl Bushs im Jahr 2000, die erste Präsidentschaftswahl seit 1876, in der ein Kandidat Präsident wurde, obwohl er weniger Wählerstimmen als sein Konkurrent gewinnen, aber durch das US-Wahlsystem eine Mehrheit an Wahlmännerstimmen im Electoral College auf sich vereinen konnte. Al Gore hatte nämlich landesweit einen Stimmenvorsprung von rund 543.822 Stimmen erringen können.


Was hat das nun mit den unabhängigen Kandidaten zu tun? Im Jahr 2000 war es der landesweit bekannte Verbraucherschutzanwalt Ralph Nader, der weder für die Demokraten noch für die Republikaner ins Präsidentschaftsrennen ging.


Ralph Nader headshot
Ralph Nader


Er kandidierte für die amerikanischen Grünen als sog. Third Party Candidate. Nader war eindeutig dem liberalen Wählerspektrum zuzuordnen. Umfragen ergaben, dass eine deutliche Mehrheit der Anhänger Naders eher Al Gore als George W. Bush gewählt hätten. Aber trotz der Bitten und Warnungen aus dem demokratischen Lager, entschied sich Nader, anzutreten. Er gewann zwar nur rund 2,7 % der Stimmen, aber blickt man auf den knappen Wahlausgang in Florida, hatte dies dramatische Folgen. Nader gewann in Florida 97.488 Stimmen. Geht man davon aus, dass das eindeutig prognostizierte Wahlverhalten der Nader-Unterstützer bei einer Entscheidung zwischen Gore und Bush so eingetreten wäre, hätte Al Gore ohne Probleme von den 97.488 Stimmen 538 Stimmen mehr bekommen als sein Konkurrent Bush. Dies hätte dann zum Sieg Gores in Florida gereicht und ihn zum US-Präsidenten gemacht.

In seinem Buch Duell ums Weiße Haus beschreibt Ronald D. Gerste ein weiteres Beispiel für den knappen Wahlausgang in Florida bzw. den Effekt aussichtsloser Kandidaturen. Er erwähnt die zwei linken Politikerinnen Monica Moorehead von der Partei Workers World und ihre Vizekandidatin Gloria La Riva. Sie traten völlig chancenlos nur in fünf Bundesstaaten an, einer davon Florida. Hier gewannen sie nur 1804 Wählerstimmen. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtung ist anzunehmen, dass ihre Wähler sonst eher Al Gore als George W. Bush gewählt hätten. Bei dem bekannten amtlichen Rückstand von 537 Stimmen, bekommen plötzlich auch die Stimmen für das linke Damenduo der Workers World eine besondere Bedeutung.
1992 profitierten die Demokraten vom Third Party Candidate Ross Perot, 2000 waren es also die Republikaner. Auch wenn diese Kandidaten letztlich keine Chance auf das Präsidentenamt haben, einen Einfluss auf den Wahlausgang können sie auf unterschiedliche Weise sehr wohl haben.