Freitag, 9. August 2019

Umfragen: Trump vs Biden, US-Wahl 2020

Republican Elephant & Democratic Donkey - Icons

Stand: 02.11.2020, landesweite Umfragen (für Wahlausgang weniger relevant).

HIER findet Ihr die Umfragen zu den die Wahl entscheidenden Swing States.




Trump
Biden
Vorsprung
Durchschnitt
43,9 %
50,7 %
+ 6,8
YouGov
27.10.
43 %
54 %
+ 11
Emerson
26.10.
45 %
50 %
+ 5
NBC
31.10.
42 %
52 %
+ 10
Rasmussen
01.11.
47 %48 %+ 1
JTN/RMG
31.10.
44 %
51 %
+ 7
Quinnipiac
01.11.
39 %
50 %
+ 11
FOX News
29.10.
44 %
52 %
+ 8
IBD/TIPP
01.11.
46 %
49 %
+ 3
The Hill
28.10.
45 %49 %+ 4
SUSA
31.10.
44 %52 %+ 8

Quelle: realclearpolitics.com

Montag, 5. August 2019

Das Waffenrecht der USA - wichtige Begriffe kurz erklärt

Themenschwerpunkt: Waffengesetze


Im zweiten Teil der Themenschwerpunktreihe im US-Wahlkampf geht es um das komplexe und äußerst kontrovers diskutierte Waffenrecht der USA. In Deutschland wird häufig der Kopf darüber geschüttelt, wie es immer wieder zu Amokläufen, Massenschießereien und tragischen Unfällen in Amerika kommen kann. Um die Hintergründe der Diskussion auch im Wahlkampf zu verstehen, lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen.

Zunächst ein paar Zahlen: Etwa 30-40% der Haushalte in den USA besitzen Schusswaffen. Es werden pro Jahr (2016-2018) ca. 15.000 Menschen in den USA durch Schusswaffen getötet, weitere ca. 30.000 werden verletzt. Hinzu kommen rund 22.000 Todesopfer durch Suizid mit Schusswaffen. Ca. 700 Kinder unter 11 Jahren werden getötet oder verletzt, ca. 3000 Jugendliche im Alter von 12-17 Jahren werden getötet oder verletzt.

Ursprung der Affinität zu Waffen


Das Recht auf Waffenbesitz basiert auf dem 2. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die ersten zehn Zusatzartikel sind auch unter dem Namen Bill of Rights bekannt.
In dem 2. Zusatzartikel von 1789 heißt es: "Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

Diese Formulierung lässt natürlich einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Ist die Nennung der Miliz eine Zweckbestimmung? Welche Waffen sind gemeint? Ist tatsächlich eine Beeinträchtigung oder gar ein Verbot gemeint? 2008 entschied der Supreme Court, dass schussbereite Handfeuerwaffen zu Hause zur Selbstverteidigung erlaubt sind.

Kompliziert wird die Bewertung des Waffenrechts auch dadurch, dass alle Bundesstaaten zum Teil sehr unterschiedliche Regelungen zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen haben. In nicht allen Bundesstaaten ist z. B. ein Waffenschein zum Kauf einer Schusswaffe erforderlich. Anderswo ist das Führen von geladenen Schusswaffen auch außerhalb der eigenen vier Wände erlaubt, es gibt Unterschiede zwischen dem offenen und dem verdeckten Tragen von Waffen. Es wird differenziert zwischen „normalen“ Schusswaffen, firearms (automatische Waffen), assault weapons (Sturmgewehre) etc. An dieser Stelle gehe ich aber nicht auf jegliche Regulierungen und Unterschiede ein. Wichtig ist zunächst nur, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der Waffengesetze auch die Diskussionen in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich ausgerichtet sind. Hier findet Ihr eine detaillierte Übersicht der wesentlichen waffenrechtlichen Bestimmungen in den jeweiligen Bundesstaaten.

Diskussionskultur und die Lobbyarbeit der NRA


Häufig wird davon gesprochen, dass das Recht auf Waffenbesitz eine Art Kulturgut sei. Sicher ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der US-Amerikaner dieses Recht als fundamental für seine Freiheit und Sicherheit ansieht. Sie sind meinungsstark und gut organisiert. Die National Rifle Association ist die größte und einflussreichste Waffenvereinigung der USA. Sie zählt ca. 5,5 Mio Mitglieder. Die NRA betreibt aktive Lobbyarbeit und versucht Waffengesetzgebung in ihrem Interesse zu lenken. So werden Politikern Bewertungen (A-F) gegeben. Grob vereinfacht gesagt, erhält ein Politiker, der die  Anliegen der NRA unterstützt ein A und ein Gegner ein F, mit entsprechenden Zwischenkategorien B, C, D. Zu den Midterm Elections 2018 erhielten 93 % der Republikaner ein A-Rating und 91 % der Demokraten ein F-Rating.
Die aktuellen Diskussionen um schärfere Waffengesetze werden mit sehr viel Ideologie und Emotion geführt. Befürworter werden als Verfassungsfeinde bezeichnet, Gegnern von schärferen Regelungen eine Mitschuld an den immer wiederkehrenden Amokläufen und Massenschießereien gegeben.

Die Reform Brady Bill


Es hat in der Vergangenheit vielerlei Reformbemühungen gegeben. Eine der wichtigsten der letzten Jahrzehnte war der Brady Bill oder auch Brady Act. Das Gesetz ist benannt nach dem früheren Pressesprecher Ronald Reagans, James Brady. Dieser wurde von einem Mann niedergeschossen, der zuvor bereits verhaltensauffällig im Zusammenhang mit Schusswaffen geworden war. Der Brady Bill schrieb vor, dass sich die Käufer von Handfeuerwaffen spätestens fünf Tage nach dem Kauf überprüfen lassen müssten, ehe sie die Waffe ausgehändigt bekommen. Innerhalb lizensierter Waffenläden erfolgte eine solche Überprüfung sofort. Die Kontrolle beinhaltete einen Abgleich mit der FBI-Datenbank, ob Vorstrafen oder psychische Erkrankungen, die dem Waffenbesitz entgegen stehen, vorhanden waren.  Das Gesetz wurde 1993 durch Bill Clinton unterzeichnet. 1997 hob es der Oberste Gerichtshof wieder auf. Jedoch nur mit der Begründung, dass die Gesetzgebung in der Zuständigkeit der einzelnen Bundesstaaten liegen müsste. Mehrere Bundesstaaten haben danach jedoch die Regelungen des Brady Bill übernommen.

Background Checks


Die heutige Diskussion um die Background Checks (Hintergrundüberprüfungen) befasst sich mit einer ähnlichen Frage. In den USA werden Background Checks verpflichtend beim Kauf von Schusswaffen bei lizensierten Händlern durchgeführt. Dabei werden die Daten des Käufers an eine Datei des FBI gesandt und binnen weniger Minuten erhält der Händler eine Antwort. Kauft sich jedoch jemand privat eine Schusswaffe, z. B. auch online oder gebraucht, entfallen diese Überprüfungen. Das ist zum Beispiel auch bei den sogenannten Gun Shows in den USA der Fall. Eine Gun Show ist eine Art Messe, bei der man von verschiedenen Verkäufern Schusswaffen erwerben kann. Diese Überprüfungslücke nennt sich "loophole". Befürworter strengerer Waffengesetze verwenden häufig die Worte „close the loophole“ und meinen damit, dass die Gesetzeslücke und das Schlupfloch derjenigen, die sich auf diesem Wege eine Schusswaffe besorgen, geschlossen werden soll. Sie fordern dann Universal Background Checks.

Das Repräsentantenhaus verabschiedete am 27.02.2019 ein Gesetz, wonach es Background Checks beim Verkauf aller automatischen Waffen geben muss. Das Gesetz wurde mit 240 zu 190 Stimmen angenommen, wobei fast alle Demokraten dafür und fast alle Republikaner dagegen stimmten. Damit ist das Gesetz an den Senat weitergegeben worden, wo es bislang noch nicht beschlossen wurde. Dort haben die Republikaner eine Mehrheit. Sollte wider Erwarten das Gesetz auch den US-Senat passieren, müsste Donald Trump als amtierender Präsident noch zustimmen. Trump kündigte aber bereits an, sein Veto gegen das Gesetz auszusprechen, sofern es ihm vorgelegt wird.

Kernforderungen im aktuellen US-Wahlkampf 2019/2020


Neben den Background Checks werden im aktuellen Vorwahlkampf der Demokraten nahezu einhellig insbesondere die Wiedereinführung eines Verbots von Sturmgewehren sowie ein Verbot sowohl von Schusswaffenmagazinen mit hoher Kapazität als auch von Bump Stocks (Schnellfeuerkolben) gefordert. Vereinzelt gibt es auch Forderungen nach der Einführung von Waffenscheinen. Die Positionen der verschiedenen demokratischen Präsidentschaftsbewerber/innen sind jedoch nicht so kontrovers, dass sie ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darstellen. Die Diskussionen werden immer mal wieder auch anlassbezogen verstärkt geführt. Zu einer intensiven Debatte um die Verschärfung der Waffengesetze wird es aber sicherlich im Wahlkampf zur General Election kommen. Donald Trump wird hier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Zugeständnisse in Richtung der Demokraten machen.


Red Flag Law


Unter dem Begriff Red Flag Law ist im Zusammenhang mit Schusswaffen zu verstehen, dass die Polizei oder Familienangehörige von Schusswaffenbesitzern bei einem zuständigen Gericht die vorübergehende Wegnahme der Waffe beantragen können, wenn begründet werden kann, dass die Person eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Eine solche gesetzliche ERPO Regelung (Extreme Risk Protection Order) gibt es inzwischen in 16 meist demokratisch geprägten Bundesstaaten.

Stand your Ground


Eine weitere wichtige Formulierung bei der Diskussion um Waffengesetze ist das „Stand your Ground (Law)“ Dieses Gesetz erlaubt es z. B. dem Hauseigentümer im Falle eines Einbruchs, den Täter im Zweifel zu erschießen. Lange Zeit war der Bewohner verpflichtet, sich zunächst zurückzuhalten, zurückzuweichen bzw. eine Konfrontation zu vermeiden. Diese Regelung wurde durch das Stand your Ground Gesetz aufgehoben. Das Recht braucht dem Unrecht nicht weichen. Nun ist dem Bewohner innerhalb seines privaten bzw. berechtigten Bereichs erlaubt, sich gegen das rechtswidrige Eindringen/Verletzen (Gewaltverbrechen) zur Wehr (Notwehr) zu setzen. Dass dabei auch der Täter getötet oder schwer verletzt werden kann, ist gesetzlich abgesichert. Der Verteidigende kann nicht strafrechtlich belangt werden. An dieser Stelle verzichte ich auf weitere rechtliche Erläuterungen zu den Definitionen von Gewaltverbrechen, Notwehr etc. die selbstverständlich aber klar geregelt sind. Aber wie auch in Deutschland kennt die Anwendung von Notwehr auch in den USA eine gewisse Grenze. Vereinfacht gesagt: Wenn es offensichtlich ist, dass von einem Angreifer keine ernsthaftere Gefahr ausgeht, ist das Mittel der Notwehr zwar berechtigt aber es muss auch verhältnismäßig bzw. notwendig sein.
Stand your Ground ist nicht so umstritten, wie andere Themen im Zusammenhang mit dem Waffenrecht.

Waffenfreie Zonen und ein staatliches Rückkaufprogramm


Als Folge verschiedener Amokläufe gibt es nicht nur die Forderung nach der Verschärfung von Waffengesetzen. Die NRA und viele konservative Politiker verfolgen dabei den Ansatz, dass waffenfreie Zonen, die es im öffentlichen Raum immer mal wieder gibt, abgeschafft werden sollten. Sie seien eine Einladung für Täter, da sie in diesen Bereichen mit weniger Gegenwehr rechnen könnten. Opfer und Passanten hätten keine Möglichkeit, sich mit Waffen zur Wehr zu setzen. Die Vorschläge werden ergänzt durch die Forderung, dass z. B. Bildungspersonal nach Anleitung Waffen mitführen müssten. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie weit die unterschiedlichen Ansätze auseinander liegen. Zwischen mehr Waffen und weniger Verbote auf der einen Seite und weniger Waffen und schärfere Gesetze auf der anderen Seite scheint in diesem aufgeladenen Konflikt wohl kaum ein Kompromiss möglich sein.

Zusätzlichen Zündstoff erhielt die allgemeine Debatte um das Waffenrecht, als die Möglichkeit eines verpflichtenden staatlichen Rückkaufprogramms für Waffen ins Spiel gebracht wurde. Australien hat den Bürgern die Waffen abgenommen und für finanzielle Entschädigung gesorgt. Der Erfolg dieser Maßnahme ist an einer stark gesunkenen Opferzahl messbar und gilt in Australien als weitgehend unbestritten. Die NRA warf den Befürwortern strengerer Waffengesetze vor, schon immer die Konfiszierung aller Schusswaffen angestrebt zu haben.

Donnerstag, 1. August 2019

TV-Debatte der Demokraten: Schwerstarbeit für deutlich besseren Joe Biden

Im Vorfeld der zweiten TV-Debatte der Demokraten in Detroit waren alle Augen auf Joe Biden gerichtet. Nach seinem äußerst schwachen Auftritt in der ersten Debatte in Miami, war er gefordert, deutlich besser zu performen, um nicht den Eindruck zu erwecken, er könnte womöglich auch in einer Debatte gegen Donald Trump nicht bestehen. Fraglich war, ob es zu einer erneuten scharfen Auseinandersetzung mit Kamala Harris kommen sollte. Es wurde erwartet, dass Cory Booker in Harris Rolle schlüpft und den Frontrunner der Demokraten angreift. Booker musste punkten, um zu beweisen, dass er zur Spitze dazugehört. Für alle anderen Kandidaten ging es an diesem Abend bereits um das politische Überleben ihrer Kampagnen.


Joe Biden unter Dauerbeschuss


Selten war es so schwierig, Gewinner und Verlierer einer TV-Debatte zu benennen. Der Charakter der gestrigen Debatte lässt sich insbesondere mit den Worten "intensiv" und "kontrovers" bezeichnen. Wer sich einen Abend zum Wohlfühlen oder Stunden eines gemeinsamen Aufbruchs der Demokraten erhoffte, wurde enttäuscht. Das Format des Abends erfüllte im Kern seine eigentliche Bestimmung: Die Demokraten befinden sich im Vorwahlkampf und Ziel dieses Kampfes ist es insbesondere, die Konkurrenten auszustechen.

Vice President Joe Biden Doug Jones (cropped)
Joe Biden
Wer die Vorwahlen gewinnen will, muss an die Spitze des Kandidatenfeldes gelangen. Dort steht nach wie vor Joe Biden und, die gestrige Zusammensetzung berücksichtigend, im weiteren Sinne auch Kamala Harris. Da war es nicht anders zu erwarten, dass sich insbesondere der frühere Vizepräsident praktisch die gesamte Debatte hindurch zahlreicher Angriffe von fast allen Seiten ausgesetzt sah.
Joe Biden stand unter verbalen Dauerbeschuss und anders als bei seinem vorigen Auftritt, war er besser vorbereitet, schlagfertiger und scheute seinerseits die Einzelduelle nicht. Insofern war es ein deutlich verbesserter Auftritt des aktuellen Frontrunners der Demokraten. Ihm ist es trotz der vielen Attacken gelungen, Schaden abzuwenden. Manch einer sieht ihn gar als Gewinner des Abends, wobei hier sicherlich auch Einschränkungen vorzunehmen sind. Ja, er ließ sich nicht vorführen und war durchgängig auf der Hut, parierte die Angriffe. Es war Schwerstarbeit für Biden, die er nach Kräften über zwei Stunden hinweg erledigte. Betrachtet man die Konstellation, dass er an der Spitze der Umfragen steht und es seine Aufgabe ist, diese zu verteidigen, so war es ein gelungener Abend. Er war der Verteidiger.
Aber der Abend offenbarte auch teilweise seine Schwächen. Er ließ sich immer wieder das Wort von den Moderatoren abschneiden. Sobald diese die Redezeit beendeten, stoppte Biden auch brav seinen Beitrag mitten im Satz oder streute noch schnell ein "wie auch immer..." ein. Andere Kandidaten waren da wesentlich hartnäckiger und brachten ihre Gedanken trotz der Unterbrechungen der Moderatoren noch schnell zu Ende. Aber das ist nur eine stilistische Facette seines Auftritts gewesen.

Biden offenbarte die Spaltung seiner Partei


Das Problem dieser zahlreichen Angriffe ist es, dass Biden nur selten seine eigenen Positionen positiv darstellen konnte. Dadurch, dass er auch inhaltlich immer wieder mit Gegenpositionen konfrontiert war, musste er auch inhaltlich Stellung beziehen und sich aktiv gegen andere Ansichten in seiner Partei stellen. Natürlich, das ist auch die Aufgabe des Spitzenreiters, es bleibt aber eben der Eindruck zurück, dass er nicht für alle Wählerinnen und Wähler der Demokraten spricht. Das ist nicht sein persönliches Problem, sonders das einer inhaltlich in Teilen gespaltenen Partei, aber diese Spaltung wurde an der Person Joe Biden immer wieder deutlich. Daran konnte Biden aber auch nichts ändern. Sein Auftritt war ehrlich, die inhaltlichen Konflikte suchend - und findend. Er hat dadurch auch bewiesen, dass er bereit zu sein scheint, es als Spitzenkandidat mit Donald Trump aufnehmen zu können. Denn von dem Republikaner werden gewiss nicht weniger Angriffe kommen.

Einen weiteren Pluspunkt an diesem Abend konnte Biden mit seinem Eingangsstatement erzielen. In der Mitte der Bühne stehend, bezog er seine Mitstreiter mit ein und richtete seine Botschaft direkt an Donald Trump. Die Vielfalt, die der Präsident heute auf dem Podium bei der TV-Debatte beobachten könne, sei eine Stärke der USA und zeichne das Land aus.

Kamala Harris füllt neue Rolle aktiv aus - nicht ganz so stark wie zuvor


Kamala Harris April 2019
Kamala Harris
Es war ein klassischer Rollenwechsel, der bei Kamala Harris zu beobachten war. War sie noch bei der TV-Debatte im Juni, die alles überstrahlende Gewinnerin, so musste sie gestern feststellen, dass sie selbst Ziel verschiedener Attacken wurde. Harris stieg in den vergangenen Wochen in den Umfragen auf das Niveau von Bernie Sanders und Elizabeth Warren auf. Dort wo, auch alle anderen erstmal hinwollen. Und das bekam sie auch zu spüren. Ich war schon etwas überrascht, dass bereits gleich zu Beginn der Debatte Biden und Harris wieder Angesicht zu Angesicht im Streitgespräch über die Gesundheitsversorgung standen. Es war nicht nur ein kurzer Schlagabtausch. Unablässig machte sie Biden inhaltliche Vorwürfe, dieser feuerte gleich zurück. Ein turbulenter Beginn des Abends und für Harris ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Die Senatorin aus Kalifornien wurden ihrerseits von verschiedenen Seiten angegangen. Biden und insbesondere Tulsi Gabbard waren die Absender der Angriffe auf Harris.
Viele Beobachter sehen Harris als Verliererin des Abends. Diese Einschätzung teile ich nicht, wohl zur Kenntnis nehmend, dass sie auch keine Gewinnerin war. Harris hat sich erneut inhaltlich sehr gut vorbereitet, konnte ihre Positionen meist gut vertreten und blieb erneut hartnäckig an den Themen dran. Sie dürfte wohl keinen Schritt nach vorne gemacht, aber ihre Positionen im Spitzenfeld der Demokraten sehr wohl verteidigt haben.

Cory Booker gelang ein erfrischender Auftritt


Cory Booker February 2019 (cropped)
Cory Booker
Biden und Harris also in der Verteidigerposition. Einer, dem ein offensiver, aber gleichzeitig auch freundlicher Auftritt gelang, war Cory Booker. Manchmal etwas flapsig, aber nie respektlos oder inhaltlich unangemessen. Booker bewegt sich in den Umfragen auf dem Niveau von Beto O'Rourke. Hinter Buttigieg und vor allen anderen 1%-Kandidaten. Seine Performance in der vergangenen Nacht reichte locker aus, um sich von dem Gros des Bewerberfeldes in der dritten Reihe abzuheben und war geeignet, auch O'Rourke als Nummer 6 der Demokraten abzulösen.
Wie bereits erwähnt, war es eine intensive und kontroverse Debatte. Dabei gelang es dem Senator aus New Jersey mehr als allen anderen, eine freundliche Lockerheit zu wahren ohne den Eindruck zu erwecken, er würde die Diskussionen nicht ernst nehmen.
Booker und Harris rahmten Joe Biden auf der Bühne ein und nahmen ihn in die Zange. Alle drei Kandidaten waren die Protagonisten des Abends, während Booker und Harris auf gegenseitige Angriffe verzichteten.

Gillibrand erneut mit vielen Redeanteilen


Kirsten Gillibrand January 2019
Kirsten Gillibrand
Blicken wir auf die übrigen Kandidierenden, so ist mir insbesondere Kirsten Gillibrand als engagiert in Erinnerung geblieben. Sie hatte nach den drei vorgenannten den größten Redeanteil und verstand es, sich in Szene zu setzen. Nicht alles lief perfekt, so etwa ein von Biden stark parierter Angriff. Gillibrand hatte ihm vorgehalten, dass er sich in den 80ern mit Anmerkungen gegenüber Frauen geäußert hätte, wonach sie besser zuhause arbeiten sollten. Er machte deutlich, dass das nicht seine Position sei und fragte Gillibrand, was denn angesichts zahlreicher gemeinsamer Auftritte, bei denen sie sich gegenseitig unterstützt hatten, zwischenzeitlich passiert sei, ausgenommen der Tatsache, dass sie nun für das Präsidentenamt kandidiere. Sie ließ von ihm ab. Abgesehen von diesem nicht optimalen Intermezzo, gelang es Gillibrand aber, sichtbar zu sein. Dabei sicherte sie sich zu nahezu allen Themen Redezeit. Strategisch ist ist fast alles gelungen, was eine Kandidatin bei 1% Umfrageergebnis erreichen muss. Ob es reichen wird, sich für die nächste Debatte zu qualifizieren, bleibt abzuwarten.


Castro überzeugt aus dem übrigen Kandidatenfeld


Julian Castro by Gage Skidmore (cropped)
Julian Castro
Bevor ich inhaltlich auf einige Kernthemen des Abends eingehe, bleibt noch ein Blick auf die übrigen Kandidaten. Julian Castro ist dabei sicherlich ähnlich positiv zu erwähnen wie Gillibrand zuvor. Castro, früherer Minister unter Obama, fiel durch kurze und präzise Statements auf. Insbesondere bei seinem Kernthema einer Einwanderungsreform konnte er sich immer wieder in Szene setzen.

Bei den übrigen Kandidaten habe ich Zweifel, inwieweit sie zufrieden und erfolgreich aus dem Abend gingen. Michael Bennet, ein Kandidat auf der Linie von Joe Biden, präsentierte sich als ruhiger Vertreter des moderaten Flügels und konnte sicherlich den einen oder anderen Punkt an die eher konservativen Wähler der Demokraten richten, ohne sich dabei ständigen Angriffen erwähren zu müssen. Bill de Blasio fiel auf, da er praktisch keinen Redebeitrag beendete, ohne Joe Biden kritisch anzugehen. Was in der Theorie richtig ist, passte aber eben nicht in jeder Situation. Seine Strategie erschien mir etwas zu durchsichtig zu sein.

Andrew Yang 1 (cropped)
Andrew Yang
Wer das Kernthema von Andrew Yang bislang noch nicht kannte, dürfte heute schlauer sein. Yang schlägt eine Art bedingungsloses Grundeinkommen von 1000 US-Dollar im Monat vor und ließ diesen Vorschlag praktisch bei jedem Thema in seine Antworten einfließen. Sicherlich hätte die Umsetzung seines Vorschlags vielerlei Auswirkungen auch auf Themen der Gesundheit, Bildung, Arbeit etc. aber das wird sicherlich nicht ausreichen, um sich im Feld der Demokraten durchsetzen zu können. Es mag sein, dass er dadurch einige Befürworter gewonnen hat, die ihn in den Umfragen auf 2-3 % steigen lassen, aber nachhaltig wirkte sein Auftritt nicht.
Jay Inslee, der ähnlich wie Yang insbesondere für ein Thema, Klimawandel, steht, vermied es aber scheinbar bewusst, die Auswirkungen bei jedem Themenfeld unterzubringen. 


Gesundheitspolitik bleibt das Topthema bei den Demokraten


Biden und Harris im Diskurs zu Obamacare und Medicare for all


Nach den Eingangsstatements begann der Abend mit dem Thema Gesundheitsversorgung.
Kamala Harris kritisierte die Pläne Joe Bidens als unzulänglich. Das bestehende Gesundheitssystem sei zu teuer und funktioniere nicht. Die Versicherungen trieben die Preise in Höhe. Sie befürworte eine Wahlfreiheit zwischen einer öffentlichen und einer privaten Option. Bidens Festhalten an Obamacare würde die Defizite im aktuellen System nur manifestieren.
Joe Biden verteidigte seine Haltung gegen Harris und auch de Blasio. Obamacare funktioniere und solle weiter verbessert werden. Es folgte der bereits mehrfach gehörte Austausch von Argumenten zu dem Thema. Biden zielte dann in Richtung Harris zurückfeuernd darauf ab, dass ihre und die Pläne der progressiven Kräfte der Partei viel zu teuer seien. Mit ihm werde es keine Steuererhöhungen für die Mittelklasse geben.
Kamala Harris blieb hartnäckig dran und warf Biden vor, dass er 10 Mio Amerikaner ohne jegliche Krankenversicherung einfach hinnehmen würde.

Michael Bennet April 2019
Michael Bennet
Biden bekam Unterstützung von Michael Bennet. Der Senator aus Colorado wies daraufhin, dass Harris Pläne und die der übrigen linken Kandidaten zur Folge hätten, dass viele bestehende Versicherungen über die Arbeitnehmer oder privater Art illegal würden. Außerdem würden die Kosten 70 % der bundesweiten Steuereinnahmen in den nächsten 10 Jahren verschlingen.
Harris konterte nochmal und hob hervor, dass es nicht sein könne, dass Menschen nur deshalb in einem unbeliebten Job blieben, aus Angst ihre Krankenversicherung zu verlieren.

Joe Biden setzte ebenfalls nochmal nach und warf Kamala Harris vor, beim Thema Gesundheitsversorgung verschiedene Auffassungen vertreten zu haben. Mit Doppelzüngigkeit sei Donald Trump aber nicht zu schlagen. Spätestens ab hier war deutlich, dass Biden diesen Abend wesentlich kampfbereiter gestalten wollte.

Auch in Richtung Bill de Blasio verteidigte sich Biden. Niemand müsse nach den Plänen Bidens in den privaten Versicherungen gefangen bleiben. Die sog. public option stehe jedem als Alternative frei.
Cory Booker schlug sich auf die Seite von Kamala Harris und stellte ebenfalls fest, dass das gesamte Gesundheitssystem der USA kaputt sei. Er kritisierte zudem, dass sich die Republikaner angesichts dieser kontroversen Debatte der Demokraten freuen würden. Ein Vorwurf, den er auch beim Thema Einwanderung in Richtung seiner Partei nochmal wiederholte. Ein Appell, der angesichts der nun mal bestehenden unterschiedlichen Positionen zumindest für mich etwas fragwürdig erscheint.

Biden auch beim Thema Einwanderung unter Beschuss


Julian Castro führte zum Thema Einwanderungspolitik ein und forderte die Aufhebung der Section 1325, da dies der einzige Weg sei, die von Trump geförderte Trennung von Kindern und Eltern an der Grenzen zu stoppen. Außerdem forderte Castro, seit Jahren in den USA illegal lebende Menschen eine Möglichkeit zur Einbürgerung anzubieten.
Castro kritisierte Biden, dass er daran festhalte, illegale Einwanderung weiterhin als kriminelle Straftat anzusehen und nicht als zivilrechtliches Vergehen. Auch Castro selbst habe in der Vergangenheit Fehler bei diesem Thema gemacht, im Gegensatz zu Biden, habe er aber daraus gelernt.
Cory Booker schlug in die gleiche Kerbe und führte aus, dass Bidens Haltung jene Kräfte stärke, die illegale Einwanderung weiterhin als kriminell betrachteten und Trump eine Rechtfertigung seiner Menschenrechtsverletzungen ermöglichten.
Auch Kirsten Gillibrand wolle illegale Einwanderung als ziviles Vergehen bewerten. Menschen die vor Kriminalität und Gewalt geflüchtet seien, würden dadurch nicht zu Kriminellen, wenn sie Zuflucht in den USA suchten.

Michael Bennet befürworte Einbürgerungspläne, stellte sich aber gegen die Abschaffung der bestehenden Regelungen beim illegalen Grenzübertritt. Kamala Harris kritisierte, dass es nicht sein könne, dass Kinder an der Grenze wie Kriminelle behandelt, separiert und eingesperrt würden. Bennet stimmte ihr in diesem Punkt zu.

Jay Inslee presidential announcement - March 1, 2019 - 01 (cropped)
Jay Inslee
Joe Biden blieb bei seiner Haltung, dass die Menschen geordnet in die USA kämen müssten, alles andere sei illegal, es sei denn, es seien Asylsuchende. In diesem Zusammenhang sprach er sich auch dafür aus, verstärkt die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Jay Inslee, Gouverneur von Washington behauptete, dass aktuell ein weißer Nationalist im Weißen Haus sitze. Inslee erinnerte daran, dass er als erster Gouverneur gegen Trumps Muslim Ban geklagt habe. Inslee forderte deutlich mehr Einwanderung in die USA. Er selbst wolle in Washington noch mehr syrische Flüchtlinge aufnehmen. Das zeichne die USA als Einwanderungsland aus. 

Booker und de Blasio nehmen Biden beim Thema Abschiebungen in die Mangel


Es begann mit einer Frage von Moderator Don Lemon an Joe Biden. Lemon hielt ihm vor, dass unter der Präsidentschaft Obamas rund 800.000 illegal in den USA lebende Menschen abgeschoben worden seien. Joe Biden stellte nach einiger Zeit fest, dass er diese Entwicklung nicht fortsetzen wolle.

Diese Antwort provozierte aber Nachfragen und sorgte für einen schwachen Moment des Frontrunners. Bill de Blasio wollte von Biden wissen, was er denn als Obamas Vizepräsident gegen die Abschiebungen unternommen habe.
Biden antwortete zunächst ausweichend, stellte fest, dass Obama viel für illegale Einwanderer getan habe. Es sei bizarr, ihn in dieser Frage auf eine Stufe mit Donald Trump zu stellen. Nun kam der stärkste Moment de Blasios an diesem Abend, als er schlicht feststellte, dass Biden auf seine Frage nicht eingegangen sei und ihn erneut zur Stellungnahme aufforderte. Joe Biden wich erneut aus und stellte fest, dass er ja nur der Vizepräsident gewesen sei und seine Meinung auch mal für sich behalten habe.

Diese Antwort rief Cory Booker auf den Plan. Der Senator aus New Jersey warf Biden vor, weiterhin ausweichend auf de Blasios Frage zu antworten. Zudem würde sich Biden wie kein anderer Kandidat im Wahlkampf auf Obama beziehen. Dann könne er nicht wegschauen, wenn es mal unangenehme Fragen zu Obama gebe.


Booker und Biden streiten über Justizreform


Erstmals in diesem Vorwahlkampf wurde das Thema einer Justizreform stärker in den Mittelpunkt gestellt. Dabei gerieten erneut Cory Booker und Joe Biden aneinander, flankiert von Beiträgen der übrigen Konkurrenten.
Cory Booker hinterfragte kritisch, dass Joe Biden in den 90ern eine Justizreform auf den Weg gebracht habe, die zu massenhaften Inhaftierungen geführt habe und wesentlichen Anteil am heutigen Zustand des Justizwesens der USA habe. Biden sei es nicht gelungen, das Problem in all den Jahren seines Einflusses zu lösen. Viel zu häufig seien Menschen eingesperrt worden, anstatt, ihnen Hilfe zu geben. Biden schoss zurück und kritisierte Bookers Rolle, als er 2007 Bürgermeister von Newark wurde. Damals hätte Booker die fragwürdige Praxis der Stop and Frisk (anhalten und durchsuchen) Kontrollen befürwortet. 75 % dieser Kontrollen seien illegal gewesen. Danach hätte Booker in seiner Zeit als Bürgermeister nichts mehr in dieser Sache auf den Weg gebracht.

Bill de Blasio January 2019.jpg
Bill de Blasio
Die Diskussion wird in der Folge auf das Thema Polizeigewalt gelenkt, wobei New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio mit einem konkreten Fall konfrontiert wird und sich Vorwürfen von Julian Castro und Kirsten Gillibrand ausgesetzt war, wonach de Blasio für die Entlassung des Polizisten Daniel Pantaleo hätte sorgen müssen. Pantaleo wurde 2014 beschuldigt, für den Tod des dunkelhäutigen asthmakranken Eric Garner verantwortlich zu sein. Garner erstickte und starb im Rahmen seiner Festnahme.
Am 16. Juli 2019 verkündete das US-Justizministerium, keine Anklage gegen Pantaleo zu erheben. Pantaleo wurde im Dienst belassen. Kamala Harris kritisierte dabei auch die Rolle Donald Trumps.

Tulsi Gabbard greift Kamala Harris an


Tulsi Gabbard (46457947934)
Tulsi Gabbard
Ein ziemlich überraschender Angriff erfolgte dann noch von Tulsi Gabbard. Sie kritisierte Kamala Harris für ihre Zeit als Generalstaatsanwältin und Justizministerin im Bundesstaat Kalifornien. Harris hätte 1500 Menschen nur wegen des Konsums von Marihuana ins Gefängnis gebracht und selbst nur gelacht, wenn sie nach dem eigenen Konsum gefragt worden sei. Außerdem hätte Harris erst gerichtlich dazu gezwungen werden müssen, Beweise offenzulegen, die einen Unschuldigen vor der Hinrichtung bewahrten. Inhaftierte hätten länger in Gefängnissen sitzen müssen, als ihre Strafen es eigentlich vorsahen.

Harris ging inhaltlich nicht auf die Vorhalte ein, stellte aber fest, dass sie für die Legalisierung von Marihuana und Gegnerin der Todesstrafe sie. Außerdem sei sie sehr stolz auf ihre Arbeit als Attorney General von Kalifornien.


Wie geht es nun weiter?


Die nächsten TV-Debatten der Demokraten finden am 13. und 14. September statt. Um sich für die Teilnahme zu qualifizieren müssen die Kandidaten zwei Kriterien erfüllen:


  • In mindestens vier unterschiedlichen Umfragen muss bundesweit ein Wert von mindestens 2 % bis zum 28.08. erreicht werden. Alternativ reichen auch 2% in einem der vier ersten Bundesstaaten der Vorwahlen aus. Das sind Iowa, New Hampshire, Nevada und South Carolina.
  • Es müssen bis zum 28.08. mindestens 130.000 Einzelspenden eingegangen sein, davon mindestens jeweils 400 in 20 Bundesstaaten.


Aktuell erfüllen diese Kriterien: Joe Biden, Bernie Sanders, Elizabeth Warren, Kamala Harris, Pete Buttigieg, Cory Booker und Beto O'Rourke.