Freitag, 26. November 2021

Gerrymandering - Bedeutung und Auswirkung der Wahlbezirkszuschnitte

Zur Vorschau auf die Kongresswahlen 2022 gehört klassisch die genaue Betrachtung der Aussichten für die Wahlen zum Senat und Repräsentantenhaus. Bei den nun anstehenden Midterm Elections spielt unabhängig von der politischen Stimmungslage aber auch der Neuzuschnitt der 435 Wahlbezirke (Congressional Districts) eine wichtige Rolle. Dieser findet alle 10 Jahre statt und wird in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich behandelt. Der Begriff "Gerrymandering" taucht in diesem Zusammenhang immer wieder auf und ist für die erwähnte Vorschau von Bedeutung.

Der Begriff "Gerrymandering" ist ein zusammengesetztes Kunstwort aus dem Namen Elbrige Gerry und einem Salamander. Gerry unterzeichnete im Jahr 1812 als Gouverneur von Massachusetts ein Gesetz, das die neuen Wahlbezirke festlegte. Die auf einer Karte geschlängelte Form wurden von einem Karikaturisten der Boston Gazette mit den Umrissen eines Salamanders verglichen. Im Folgenden erläutere ich, was es mit dem "Gerrymandering" auf sich hat.

Zunächst ist der Neuzuschnitt der Wahlbezirke ein festgelegter Prozess. Die Bundesstaaten entscheiden eigenständig, wer diesen Zuschnitt vornehmen darf und welche Bedingungen dabei eingehalten werden müssen. Das Gerrymandering ist ein negativ besetzter Begriff, bei dem eine Partei gezielt versucht, sich durch den Neuzuschnitt eines Wahlbezirks einen Vorteil zu verschaffen.


Voraussetzung: Mehrheitswahlrecht

Grundvoraussetzung für das Gerrymandering ist das u.a. in den USA bestehende Mehrheitswahlrecht. Relevanz entfaltet es im Rahmen der "großen" landesweiten Wahlen nur bei der Abstimmung zum US-Repräsentantenhaus, da hier die einzelnen Wahlbezirke eine Rolle spielen. Bei der Präsidentschaftswahl, der Wahl zum US-Senat oder auch bei den Gouverneurswahlen spielt der Wahlbezirkszuschnitt keine Rolle, da hier jeweils alle Stimmen eines Bundesstaats zusammengezählt werden.


Die Bedeutung von "wertlosen Stimmen"

Um das Prinzip des Gerrymandering besser zu verstehen, ist zu beachten, dass es im Mehrheitswahlrecht im Endeffekt zwei Formen von sog. "wertlosen" Stimmen gibt. Jene Stimmen, die verfallen und jene, die überflüssig werden.

Beispiel

Bei einer Abstimmung in einem Wahlbezirk von 100 Menschen erreicht A 41 Stimmen und B 59 Stimmen. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts hat B die Mehrheit von 51 erforderlichen Stimmen erreicht und die Wahl und in diesem Fall einen Sitz im Repräsentantenhaus gewonnen. A dagegen hat die Wahl verloren und gewinnt faktisch nichts.

Es "verfallen" also die 41 Stimmen für A, sie werden praktisch wertlos. Zudem sind 8 Stimmen für B "überflüssig" und damit ebenfalls wertlos, da für den Sieg nur 51 Stimmen erforderlich waren.

 

Die Arten des Gerrymandering

Da in den USA grundsätzlich bekannt ist, in welchen Wahlbereichen, wie viele registrierte Demokraten und Republikaner leben, ist es durchaus möglich, auch unter Hinzuziehung früherer Ergebnisse aus diesen Bereichen, Rückschlüsse über ein grundsätzliches Wahlverhalten zu ziehen. Datenbanken können bis auf einzelne Straßen genau die Auswirkungen von Neuzuschnitten berechnen.

Beim Gerrymandering geht es nun darum, beim Neuzuschnitt von Wahlbezirken die Effekte der zu erwartenden vorgenannten "wertlosen" Stimmen zum eigenen Nutzen und zum Schaden des politischen Gegners möglichst effizient auszunutzen.

Die folgende Grafik soll dies besser veranschaulichen und dient als Grundlage für die weiteren Erklärungen. Der Urheber der Grafik hat mit "How to steal an election" eine Überschrift gewählt, die auch letztlich den Kern der negativen Kritik am Gerrymandering beschreibt. Grundsätzlich ist Gerrymandering aber legal und hat nichts mit Wahlbetrug zu tun. Es gibt aber Einschränkungen, auf die ich später noch eingehe.

Vorab sei noch erwähnt, dass die Beispiele natürlich stark vereinfacht sind und auch nur der theoretischen Erklärung dienen. Zu sehen sind drei Darstellungen eines z. B. fiktiven Bundesstaats mit 50 Kästchen, die die Wahlbereiche (hier Precincts) darstellen. Zur weiteren Vereinfachung gehe ich davon aus, dass jedes Kästchen eine Wählerin / ein Wähler ist. 20 haben für die Rote Partei (40%) und 30 für die Blaue Partei (60%) abgestimmt.


How to Steal an Election - Gerrymandering
Steve Nass, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Dieser Bundesstaat muss nun in 5 Congressional Districts eingeteilt werden. Es werden also Wahlbezirke geschaffen, aus denen je eine/ein Abgeordnete/r in das US-Repräsentantenhaus gewählt wird. Aufgrund der erhaltenen Stimmen könnte die Blaue Partei grob 3 Sitze gewonnen haben und die Rote Partei 2 Sitze, je nach Verteilung der Kästchen. Dies wäre vereinfacht der Fall, wenn fünf Wahlbezirke senkrecht von oben nach unten zu je 10 Kästchen gezogen worden wären. Die beiden Spalten links würden je zu 100% an die Rote Partei und die drei Spalten rechts an die Blaue Partei gehen. In Realität würden die Wahlbezirke natürlich gemischt und anhand z. B. natürlicher oder verwaltungspolitischer Grenzen gezogen werden.


Wie bereits erwähnt, kennen die Parteien im Vorfeld der Wahl häufig die Wählerstrukturen der jeweiligen Bereiche. Kommt es zu einer Neuziehung der Wahlbezirksgrenzen, werden diese mit einem durchschnittlichen Wahlausgang als kommendes Ergebnis angenommen. Nun wollen beide Parteien die Wahlbezirke so zuschneiden, dass sie jeweils davon profitieren. Wer überhaupt über den neuen Zuschnitt bestimmen darf, erkläre ich später.


1. Beispiel: Cracking (auch Zerstreuung)

In der mittleren Darstellung will die Blaue Partei maximalen Nutzen ziehen. Die Wahlbezirke werden so zusammengesetzt, dass Blau immer 6 zu 4 gewinnt und aufgrund des Mehrheitswahlrechts alle 5 Abgeordnete für diesen Bundesstaat stellen darf und Rot komplett leer ausgeht. In diesem Beispiel gelingt es der Blauen Partei, viele rote "verfallende wertlose" Stimmen zu "schaffen", von denen Rot überhaupt nicht profitieren kann. Blau schneidet im Endeffekt überproportional stark ab (5:0).


2. Beispiel: Packing (Hochburgbildung)

In der rechten Darstellung durfte die Rote Partei offenbar über den Wahlbezirkszuschnitt bestimmen. In diesem Fall ist es der Roten Partei gelungen, trotz weniger zu erwartender Stimmen, die Mehrzahl der Congressional Districts zu gewinnen (3:2). Diese sind im Vorfeld der Wahl so zugeschnitten worden, dass die vielen Stimmen für Blau hauptsächlich in zwei Districts konzentriert wurden. Damit wurden also zwei Blaue Hochburgen geschaffen, in denen jeweils 9 Stimmen eines Districts für blau votierten und nur jeweils eine für Rot. Kurz gesagt 8 Stimmen Vorsprung sind 7 zu viel. Somit sind in diesen beiden Hochburgen insgesamt 14 Stimmen für Blau "überflüssig" und damit "wertlos" geworden. Rot gewinnt mehr Sitze, trotz weniger Stimmen.


Es gibt noch weitere Anwendungsszenarien, nach denen sich die Parteien z.B. im Vorfeld klar einigen, wer strukturell die Wahlbezirke gewinnen soll, um lange und kostspielige Wahlkämpfe zu vermeiden.


Strategien beim Gerrymandering 

Mithilfe dieser zwei grundlegenden Varianten des Gerrymanderings verfolgen die Parteien unterschiedliche Strategien. Bei der Auswahl der Strategie können z. B. demografische Veränderungen oder die zu erwartende politische Stimmungslage eine entscheidende Rolle spielen. Das folgende Beispiel soll dies nochmal veranschaulichen.

In einem fiktiven Bundesstaat gibt es 33 Congressional Districts. Vor der letzten Wahl wurden 5 Districts der Blauen Partei sicher zugeordnet, 2 galten als wahrscheinlich für Blau, in 8 wurde ein Kopf an Kopf Rennen vorausgesagt, 9 galten als wahrscheinlich für die Rote Partei und 9 als sicher für Rot. Das letzte Wahlergebnis entsprach diesen Annahmen.

Da die Rote Partei auch in den Parlamenten dieses Bundesstaats zufällig die Mehrheit hat, darf sie in diesem fiktiven Fall auch über den Neuzuschnitt der Congressional Districts entscheiden. Rot steht nun vor der Frage, ob sie versuchen will, die 8 Kopf an Kopf Rennen zu gewinnen und vielleicht sogar die 2 Sitze zu erringen, die als wahrscheinlich für Blau eingestuft wurden. Oder will Rot neben den eigenen sicheren 9 Sitzen auch die 9 als nur "wahrscheinlich für Rot" eingestuften Sitze sichern?

Das Beispiel ist von oben nach unter zu lesen. Es ist natürlich stark vereinfacht, um den theoretischen Ansatz besser zu veranschaulichen.

 

1. Variante

Die etwas defensivere Variante setzt eher auf die Verteidigung und Sicherung der Sitze, die man in der Vergangenheit bereits gewonnen hat. 

2. Variante

Eine offensive Variante kann ins Auge gefasst werden, wenn das Ziel verfolgt wird, "unentschiedene" und/oder zuletzt knapp verlorene Wahlbezirke künftig zu gewinnen.  





















Natürlich sind die Überlegungen und Möglichkeiten der Nutzung in Realität deutlich komplexer und vielfältiger, ich hoffe aber, die Grundzüge hier verständlich dargestellt zu haben.


Wer bestimmt über den Zuschnitt?

Für die Zuschnitte der Congressional Districts sind zunächst die einzelnen Bundesstaaten zuständig. Die politischen Vertreter in den Parlamenten können festlegen, wer darüber bestimmt und welche Kriterien eingehalten werden müssen.

Möglich ist, dass die Partei, die zum Zeitpunkt des Neuzuschnitts eine Mehrheit im House of Representatives des jeweiligen Bundesstaats hat, die Grenzen der Wahlbezirke allein bestimmen kann. In einigen Bundesstaaten geschieht dies aber auch unter Beteiligung beider Parteien (Mehrheit und Minderheit). Die dritte Möglichkeit ist, dass unabhängige Kommissionen über den Zuschnitt entscheiden, auch um ein Gerrymandering zu verhindern.


Einzuhaltende Kriterien

Um den "Missbrauch" bei der Neuziehung der Wahlbezirksgrenzen einzudämmen, ist die Kreativität der Verantwortlichen in einigen Bundesstaaten durch verschiedene einzuhaltende Kriterien eingeschränkt worden. Neben der Einwohnerzahl, die einigermaßen gleich groß sein sollte, und dem Verbot einzelne Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren, können zusätzliche Kriterien beispielsweise sein:

  • Der Wahlbezirk sollte eine strukturelle Bevorzugung einer Partei vermeiden (weitgehender Ausschluss des Gerrymanderings)
  • Wahlbezirke sollten sich an bestehenden verwaltungspolitischen Grenzen orientieren (z. B. Counties, Städte, Stadtteile etc.)
  • Der Wahlbezirk muss ein zusammenhängendes Territorium sein (Man kann alle Orte des Wahlbezirks erreichen, ohne diesen einmal verlassen zu müssen)
  • Der Wahlbezirk sollte eine möglichst kompakte und einfache Form des Territoriums haben (also das Gegenteil des o. g. Salamanders)

Die vorgenannten zusätzlichen Kriterien gelten aber lediglich in weniger als der Hälfte der US-Bundesstaaten. Besonders stark eingeschränkt sind die Möglichkeiten des Gerrymanderings z. B. in Kalifornien, Florida, New York, Ohio, Oregon, Arizona, Colorado, Michigan, Washington, Iowa oder Utah.

Texas, Illinois, Indiana, Arkansas, Maryland, Massachusetts oder Connecticut (und weitere) dagegen, haben sich keinerlei zusätzliche Kriterien gesetzt.

Wer mehr Details zu den Kriterien und wo sie gelten, wissen will, empfehle ich als Infoquelle die hier verlinkte Seite der National Conference of State Legislatures. Bei der dort aufgeführten tabellarischen Übersicht der Bundesstaaten, ist jeweils die dazugehörige Zeile "Congressional" relevant, wenn es um die Wahlbezirke zur Wahl des US-Repräsentantenhauses geht.


Ein Beispiel für den eigentümlichen Verlauf von Wahlbezirksgrenzen ist die Entwicklung in North Carolina, hier in den Jahren 1992 bis 2001. Klagen und Gerichtsurteile nach der Neuziehung der Wahlbezirksgrenzen 1990 führten in den Folgejahren immer wieder zu Veränderungen. Zuletzt im Jahr 2016 wurde mittels der Anwendung einiger der oben genannten Kriterien die Ziehung wenig nachvollziehbarer Grenzen in North Carolina eingeschränkt.

North Carolina Congressional Districts 1992-2001
Furfur, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons


Versuche des Verbots

Ich behaupte mal, dass Politikerinnen und Politiker grundsätzlich ungerne Einfluss abgeben. Obwohl alle unter dem Gerrymandering leiden könnten, so wollen auch nur wenige auf die Chance verzichten, davon profitieren zu können.

Dennoch, in diesem Jahr haben die Demokraten rechtzeitig versucht, mit ihren Mehrheiten im Kongress das Gerrymandering per Gesetz auf Bundesebene deutlich zu erschweren. Dafür hätten sie intern nach eigenen Angaben die nötigen Mehrheiten auch zusammengehabt. Während das Repräsentantenhaus tatsächlich für das Gesetz votierte, kam es im Senat aber nicht zu einer Abstimmung, da die Republikaner einen Filibuster androhten. Bei einem Filibuster wird im Senat durch die Ausnutzung der unbegrenzten Redezeit, eine Abstimmung verhindert. Ein Filibuster kann nur mit 60 Stimmen im Senat verhindert werden. Diese bekamen die Demokraten nicht zusammen, da mindestens 9 Republikaner hätten mitstimmen müssen.

Der US Supreme Court urteilte im Jahr 2019 zudem, dass Bundesgerichte Gerrymandering nicht verbieten dürften. Geklagt wurde gegen die Neuziehung der Wahlbezirksgrenzen in North Carolina und Maryland. Der Oberste Gerichtshof der USA vertrat mehrheitlich die Auffassung, dass dies eine politische Frage sei. Bundesgerichte sollten hier keinen lenkenden Einfluss nehmen.


Welche Auswirkungen hat das Gerrymandering 2022?

Wie sieht es nun aber konkret im kommenden Jahr aus? Klar ist, dass sich beide Parteien, Republikaner und Demokraten, des Gerrymanderings bedienen, soweit es gesetzlich erlaubt ist. Auch wenn die Demokraten aktuell prinzipiell dagegen sind, schöpfen sie ihre Möglichkeiten aus, um nicht strukturell einen so großen Nachteil zu erleiden, dass sie keine realistische Chance mehr haben, die Wahlen zum Repräsentantenhaus zu gewinnen.

Dennoch muss festgehalten werden, dass die Republikaner vom Gerrymandering deutlich mehr profitieren. Aufgrund der politischen Mehrheiten und jeweiligen Regeln in den Bundesstaaten ergibt sich folgendes Bild des Einflusses beim Neuzuschnitt der Congressional Districts.







Die Tabelle zeigt "lediglich" die Einflussmöglichkeiten der Parteien auf. Nur weil die Republikaner zu 187 Districts die Grenzen ziehen dürfen, bedeutet das natürlich nicht, dass sie diese alle gewinnen. Der eigene Nutzen des Gerrymanderings steigt aber mit der Anzahl der Districts.


In diesem Zusammenhang ist auch noch interessant, wie viele Sitze eigentlich vor einer Wahl umkämpft sind. Je nach Prognosemodell schwanken da natürlich die Zahlen. Aber im Groben kann schon gesagt werden, dass etwa vor der Wahl im Jahr 2020 von den 435 Sitzen, rund 300 bereits sicher einer der beiden Parteien zugeordnet werden können. Das hat neben "natürlichen" Hochburgen auch mit den Auswirkungen des Gerrymanderings zu tun, insbesondere dann, wenn die oben angesprochene 1. strategische Variante vorwiegend genutzt wird.

Weitere etwa 85 Sitze konnten einer der beiden Parteien als zumindest "wahrscheinlich" zugeordnet werden. So blieben 2020 letztlich nur rund 50 Sitze bei denen mit einem engen Wahlausgang gerechnet wurde.

Im Jahr 2022 hat sich durch die Neuziehung der Wahlbezirke die Zahl als offen geltender SItze nochmals reduziert. Demokraten und Republikaner haben sich beide 8-9 Districts "gesichert". Nur noch 30-35 Districts werden im klassischen Sinne als offen umkämpft angesehen.


weitere Quellen: Washington Post, New York Times, fivethirtyeight.com

Montag, 1. November 2021

Midterm Elections 2022 - Kongresswahlen in den USA - Senat und Repräsentantenhaus

Die Kongresswahlen in den USA genießen nicht so viel internationale Aufmerksamkeit, wie die Präsidentschaftswahl, dennoch haben sie eine enorme Bedeutung für die Arbeit des Präsidenten. Eine konstruktive Politik am Kongress vorbei ist nicht möglich. Die Demokraten haben bei den letzten Wahlen 2020 in beiden Kammern, dem Senat und Repräsentantenhaus, eine Mehrheit errungen.

Joe Biden kann daher grundsätzlich auch wesentliche politische Entscheidungen ohne die Zustimmung der Republikaner durchsetzen. Jedoch ist die Mehrheit insbesondere im Senat hauchdünn, so dass Abweichler aus den eigenen Reihen große Reformvorhaben blockieren können und sich dieser Macht auch bewusst sind. Die Investitionsprogramme für Infrastruktur, Soziales und Klimaschutz konnte US-Präsident Biden aufgrund auch fehlender Einzelstimmen seiner Demokraten im Kongress noch nicht durchsetzen. 

Die Kongresswahlen 2022 werden auch als Stimmungstest für die ersten zwei Jahre der Präsidentschaft Biden bewertet. Aber nicht nur das Ergebnis wird von Bedeutung sein. Insbesondere bei den Republikanern lohnt sich ein Blick auf die Vorwahlen. Für die Grand Old Party geht es auch um eine Richtungsentscheidung. Wird die Partei weiter vom Trump-Lager dominiert oder können sich moderate Kandidatinnen und Kandidaten durchsetzen?



Capitol Building Full View.jpg
Das Kapitol in Washington D.C. - Sitz des Senats und Repräsentantenhauses


Was ist der Kongress?


Der Kongress der USA ist die gesetzgebende Gewalt in den Vereinigten Staaten und besteht in der Form eines Zweikammer-Parlaments, dem Senat und dem Repräsentantenhaus.
Als Legislative ist der Kongress im Wesentlichen zuständig für die Gesetzgebung, verfügt über das Budgetrecht und kontrolliert die Exekutive und damit auch den Präsidenten der USA.

Im Kongress eingebrachte Gesetzesvorlagen werden in den entsprechenden Fachausschüssen im Senat und Repräsentantenhaus getrennt voneinander beraten und abgestimmt. Die Zustimmung beider Kammern zu dem im Wortlaut gleichen Gesetz ist erforderlich. Ggf. wird ein Vermittlungsausschuss (Conference Committee) eingesetzt, um Einigkeit und die erforderliche Gleichheit der Beschlussfassungen herzustellen. Das Inkrafttreten eines Gesetzes erfolgt erst nach Zeichnung oder durch Ignorieren des US-Präsidenten. Legt der Präsident dagegen ausdrücklich sein Veto gegen ein Gesetz ein, kann es nicht inkrafttreten. Wird ein solches Gesetz nach einem Veto des Präsidenten jedoch durch beide Kammern mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit bestätigt, kann der Präsident es nicht mehr verhindern.

Der Präsident hat nicht das Recht an Sitzungen des Senats und des Repräsentantenhauses teilzunehmen. Einmal im Jahr jedoch hält er vor dem Kongress die vielbeachtete Rede zur Lage der Nation, "State of the Union".


Unterschiede zwischen Senat und Repräsentantenhaus


Der Senat (Senate)


In den Senat der Vereinigten Staaten von Amerika werden aus jedem der 50 Bundesstaaten (Washington D.C. ist kein Bundesstaat) jeweils zwei Senatoren gewählt. Der Senat gilt daher als Vertretung der einzelnen Bundesstaaten. Insgesamt hat die Kammer 100 Sitze, eine Mehrheit erfordert also 51 Sitze.

Aktuell haben die Republikaner 50 Sitze und die Demokraten 48. Hinzu kommen noch 2 Sitze für Unabhängige, die grundsätzlich aber den Demokraten zugerechnet werden können, was momentan einen 50 zu 50 Patt bedeutet.
Den Vorsitz des Senats hat qua Amt die Vizepräsidentin der USA inne. Derzeit ist dies die Demokratin Kamala Harris. Sie entscheidet mit ihrer Stimme bei einem 50 zu 50 Patt zwischen Republikanern und Demokraten. Damit haben die Demokraten aktuell zumindest strukturell eine Einstimmenmehrheit.
 
Zweithöchstes Mitglied im Senat ist der "Präsident pro tempore", dies ist aktuell der Demokrat Patrick Leahy aus Vermont.
Die beiden Parteien haben je nach Stimmenverhältnis zudem einen Mehrheitsführer (Majority Leader), aktuell der Demokrat Chuck Schumer aus New York und einen Minderheitenführer (Minority Leader), aktuell der Republikaner Mitch McConnell aus Kentucky.

Wie oben beschrieben, wirkt der Senat wesentlich bei der Gesetzgebung mit. Die Hoheit über das Budgetrecht liegt jedoch beim Repräsentantenhaus. Ansonsten können beide Kammern Gesetze zur Behandlung einbringen.
Die Kontrolle der Exekutive ist eine weitere wesentliche Aufgabe des Senats. So tritt er als Gericht bei den sog. Impeachment-Verfahren (Amtsenthebungsverfahren) auf. Allerdings kann nur das Repräsentantenhaus ein solches Verfahren einleiten.
Laut Verfassung muss der Senat dem US-Präsidenten zudem "Rat und Zustimmung" bei der Besetzung von hohen Regierungsämtern wie dem Supreme Court oder auch bei der Ratifikation von internationalen Verträgen geben.

Sollte bei der Wahl des US-Vizepräsidenten keiner der Kandidaten eine Mehrheit von 270 Wahlmännerstimmen beim Electoral College erhalten, wählt der Senat den neuen Vizepräsidenten mit einfacher Mehrheit. Zur Wahl stehen dabei die beiden Kandidaten mit den meisten Wahlmännerstimmen.


Das Repräsentantenhaus (House)


Das Repräsentantenhaus ist die Volksvertretung der USA. Es werden insgesamt 435 Abgeordnete, die "Congressmen/Congresswomen" oder "Representatives" in das "House" gewählt. Die Abgeordneten werden direkt gewählt. Für die Mehrheit im Repräsentantenhaus sind also 218 Sitze erforderlich. Die aktuelle Mehrheit halten die Demokraten mit 221 Sitzen. Die Republikaner verfügen über 213 Sitze. Ein weiterer Sitz ist derzeit vakant. Zudem gibt es noch 6 nicht-stimmberechtigte Abgeordnete von den Virgin Islands, den Northern Mariana Islands, aus Puerto Rico, Guam, dem District of Columbia und American Samoa.
Vorsitzende Sprecherin des US-Repräsentantenhauses ist derzeit die Demokratin Nancy Pelosi.
Demokratischer Mehrheitsführer ist Steny Hoyer aus Maryland. Republikanischer Minderheitenführer ist Kevin McCarthy aus Kalifornien.

Während jeder Bundesstaat einheitlich zwei Senatoren für den Senat stellt, orientiert sich die Verteilung der Sitze im Repräsentantenhaus an der Bevölkerungszahl der jeweiligen Bundesstaaten. So hat Kalifornien 53, Texas 36, Wyoming, Montana oder Delaware z. B. nur jeweils 1 Sitz.

Wie der Senat ist auch das Repräsentantenhaus maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt. Wie oben bereits beschrieben, ist insbesondere das Budgetrecht ein Alleinstellungsmerkmal des Repräsentantenhauses. Nur in dieser Kammer können Finanz- und Haushaltsgesetze eingebracht werden. Erst danach gehen die Ergebnisse weiter an den Senat.

Die Arbeit im Repräsentantenhaus erfolgt in Fachausschüssen, die ähnlich wie in Deutschland thematisch aufgeteilt sind.

Sollte bei der Wahl des US-Präsidenten keiner der Kandidaten eine Mehrheit von 270 Stimmen beim Electoral College erhalten, wählt das Repräsentantenhaus den neuen Präsidenten mit einfacher Mehrheit aus den drei Kandidaten mit den meisten Wahlmännerstimmen.


Wahlen zum Kongress


Die Legislaturperioden zwischen Senat und Repräsentantenhaus unterscheiden sich. Das Repräsentantenhaus wird alle 2 Jahre neu gewählt. In den Senat wird man dagegen für 6 Jahre gewählt, wobei alle zwei Jahre ein Drittel des Senats neu zur Abstimmung steht.

Kongresswahlen findet also alle 2 Jahre statt, immer in geraden Jahren. Die Wahlen zwischen zwei Präsidentschaftswahlen werden "Midterm Elections" genannt.

Gewählt wird immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November. (Es ist nicht der erste Dienstag im November.)

Der Vizepräsident entscheidet bei Patt im Senat


Kommt es, wie aktuell, zu einem Patt im Senat (50:50) zwischen Demokraten und Republikanern, entscheidet die Vorsitzende des Senats, also die US-Vizepräsidentin mit ihrer Stimme.


Website Repräsentantenhaus

Donnerstag, 27. Mai 2021

Aktualisierung des Blogs

Nach einigen Monaten Pause möchte ich Euch einen kurzen Überblick geben, wie es mit dem Blog weitergeht:

Im Sommer 2021 erfolgt eine Aktualisierung des Blogs.

Ab 4. Quartal 2021 befasse ich mich hier für etwa ein Jahr mit den Kongresswahlen 2022 (08.11.22). Geplant sind Updates alle ein bis zwei Wochen bis die heiße Phase der letzten zwei Monate beginnt, in der dann wieder häufiger Inhalte kommen.

Ab 3. Quartal 2023 folgt dann wieder die kontinuierliche Berichterstattung zur US-Präsidentschaftswahl 2024. Hierbei werden voraussichtlich zu Beginn die Vorwahlen der Republikaner im Fokus stehen. Sollte bei den Demokraten Joe Biden nur eine Amtszeit absolvieren, würden hier natürlich auch die Vorwahlen relevant werden.

Ich hoffe, Ihr seid dann auch wieder mit dabei.


Mittwoch, 13. Januar 2021

Die Zukunft der Republikaner ist eng mit dem 2. Impeachment Trumps verbunden

UPDATE, 13.01., 22:35 Uhr

Zweites Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Trump

Das US-Repräsentantenhaus hat heute das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump eingeleitet. Mit 232 Ja-Stimmen zu 197 Nein-Stimmen wurde der US-Präsident wegen des Vorwurfs der Anstiftung zur Gewalt angeklagt. 10 republikanische Abgeordnete stimmten für das Amtsenthebungsverfahren. Die Demokraten stimmten geschlossen dafür.

Das Verfahren wird nun an den US-Senat weitergereichtet. Wann genau das passieren wird, hat Nancy Pelosi heute offen gelassen. Im Senat ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich, um Trump zu verurteilen. Das bedeutet konkret: Mindestens 17 der 50 republikanischen Senatorinnen und Senatoren müssen mit den Demokraten stimmen. Der einflussreiche Mitch McConnell sagte heute, dass er sich noch nicht entschieden hat, wie er abstimmen wolle. Er gilt als Schlüsselfigur bei der Frage, ob genügend Republikaner für eine Verurteilung stimmen werden.

McConnell teilte zudem mit, dass der Senat frühestens am 19.01.21 mit der Untersuchung des Verfahrens beginnen wird. Damit geht die Verantwortung für das Verfahren an den Demokraten Chuck Schumer über, der künftig der Mehrheitsführer im Senat sein wird.

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Ursprünglicher Artikel vom 13.01.: 01:30 Uhr


Eine Woche vor der Amtsübergabe richtet sich der Blick in Washington weniger auf das, was die Demokraten politisch vorhaben. Vielmehr stehen für die Republikaner wegweisende Tage und Wochen bevor. Denn von dem künftigen Einfluss Donald Trumps hängt auch der Kurs der Grand Old Party in den nächsten Jahren ab. Eine einfache Abstimmung im US-Senat könnte hierbei die Zukunft der republikanischen Partei erheblich beeinflussen.


Eigentlich sollte es nach den Vorstellungen des künftigen US-Präsidenten einen vielbeachteten politischen Neustart geben. Joe Bidens Kabinett ist vollständig benannt, wenn auch noch nicht durch den Senat bestätigt und die vordringlichsten Probleme des Landes sollten in den ersten 100 Tagen wegweisend angegangen werden. In der öffentlichen Berichterstattung dominiert aber noch nicht der politische Wechsel, sondern die Diskussion um das anstehende zweite Amtsenthebungsverfahren gegen den abgewählten Präsidenten Donald Trump. Hinzu kommt zunehmend die Angst vor erneuter Gewalt seitens der Trump-Anhänger rund um die Amtseinführung Bidens. Das FBI rechnet offenbar in den Tagen rund um die Amtsübergabe erneut mit gewalttätigen Angriffen nicht nur in Washington D.C., sondern auch in anderen Bundesstaaten.


Amtsenthebungsverfahren oder Amtsunfähigkeit?


In den vergangenen Tagen wurde immer deutlicher, dass die Demokraten im Kongress Donald Trump für dessen Rolle im Rahmen des Angriffs seiner Anhängerschaft auf das Kapitol in Washington zur Rechenschaft ziehen wollen. Zunächst war unklar, welchen Weg die Demokraten einschlagen wollten. Nancy Pelosi favorisierte zunächst eine Lösung, die ein parlamentarisches Verfahren zumindest als Einstieg vermieden hätte.


Der 25. Zusatzartikel - die Amtsunfähigkeit eines Präsidenten


Nach dem 25. Zusatzartikel (4. Section) der US-Amerikanischen Verfassung kann der Vizepräsident mit einer Mehrheit des Kabinetts den Präsidenten für "amtsunfähig" erklären und ihn entmachten. Mike Pence wäre dann als Acting President bis zur Amtseinführung Bidens eingesetzt worden. Donald Trump hätte sich daraufhin wieder zurück ins Amt bringen können, indem er eine entsprechende Mitteilung an den Kongress sendet, in der er sich selbst die Amtseignung attestiert. Pence und die Kabinettsmehrheit hätten dann ihrerseits eine Art Veto gegen Trumps Entscheidung einlegen können. Dann hätte der Kongress mit jeweils einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus über den Wechsel im Weißen Haus entscheiden müssen.

Der 25. Zusatzartikel kann durch den Vizepräsidenten aktiviert werden, wenn der Präsident "amtsunfähig" ist. Im historischen Zusammenhang ist damit gemeint, dass er physisch oder mental nicht in der Lage ist, das Amt auszuführen. Es geht also nicht, um "schlechte Politik".


Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Mike Pence diesen Schritt gehen wird. Zumindest ließ er die vergangenen Tage verstreichen. Eine konkrete Aufforderung des US-Repräsentantenhauses vom heutigen Abend dürfte an dieser Haltung auch nichts ändern. Ein Gespräch mit Nancy Pelosi ließ Pence absagen. Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses verkündete bereits, dass ihre Partei ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten wolle, sollte Mike Pence den 25. Zusatzartikel nicht innerhalb von 24 Stunden aktivieren.


An dieser Stelle befindet sich die aktuelle Debatte am heutigen Abend. Aus meiner Sicht als Außenstehender sind die Kriterien für den 25. Zusatzartikel nicht gegeben. Ohne in eine verfassungsrechtliche Diskussion eintreten zu wollen, ist diese Option meiner Meinung nach zu wählen, wenn ein Präsident, vereinfacht gesagt, nicht mehr zurechnungsfähig ist. Nun gibt es Stimmen, die genau dies seit geraumer Zeit bei Donald Trump beobachten, spätestens seit dem 6. Januar 2021. Ich bin aber überzeugt davon, dass der Präsident sehr genau weiß, was er tut und welche Wirkungen seine Aussagen und Handlungen haben. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb sich Trump in den Tagen nach dem 6. Januar teils mäßigend geäußert hat. Der Aufruf zum Gewaltverzicht und der selbst auferlegte Fokus auf eine geordnete Amtsübergabe wirkten auf mich so, als wollte der Präsident unter Beweis stellen, dass von ihm keine weitere Gefahr in diesem Zusammenhang ausgehe und er damit auch nicht amtsunfähig sei.

Folgt man dieser Einschätzung, dürften die Demokraten auch gar kein Interesse daran haben, Trump für amtsunfähig erklären zu lassen. Die Anschuldigung, dass Trump bewusst und gezielt zu dem gewaltsamen Angriff auf das Kapitol und die Abgeordneten angestiftet hat, trägt nur dann, wenn er auch zurechnungsfähig war. Die Demokraten wollen Trump ein absichtliches Fehlverhalten nachweisen. Und zwar eines, dass geeignet ist, ihn ein zweites Mal parlamentarisch anzuklagen.


Anstiftung zum Aufstand - das 2. Amtsenthebungsverfahren gegen Trump


Es ist also anzunehmen, dass bereits am Mittwoch das US-Repräsentantenhaus über die Einleitung des 2. Amtsenthebungsverfahrens abstimmen wird. Der Anklagepunkt lautet: "Anstiftung zum Aufstand"

Das weitere Procedere ist noch aus dem 1. Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump bekannt. Doch es gibt dieses Mal einige Besonderheiten auf die zu achten sein wird.

Die erforderliche einfache Mehrheit im US-Repräsentantenhaus gilt als sicher. Damit wäre am 13.01.2021 das 2. Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump offiziell eingeleitet. Das Repräsentantenhaus würde ihn anklagen (impeach) und das Verfahren an den US-Senat weitergeben, der dann die Untersuchung führen würde und mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit über die Entfernung aus dem Amt entscheidet. Stellen wir die Frage zunächst zurück, ob die Demokraten eine realistische Chance haben genügend republikanische Stimmen im Senat zu erhalten. Voraussichtlich müssten 17 der 50 Republikaner für eine Amtsenthebung stimmen.

Aber kann ein Präsident überhaupt des Amtes enthoben bzw. für schuldig erklärt werden, der gar nicht mehr im Amt ist? Die Frage ist verfassungsrechtlich nicht eindeutig geklärt. Es finden sich aber keine Belege, die dagegen sprechen.

Donald Trump wird in gut einer Woche, am 20. Januar von Joe Biden abgelöst. Nur für den Fall, dass alle Senatorinnen und Senatoren mitziehen, ist ein Votum bis zum 20. Januar möglich. Das ist aber praktisch ausgeschlossen, berücksichtigt man das Auftreten von Ted Cruz, Josh Hawley etc. noch am Tage des Angriffs auf das Kapitol. Die Anklage des Präsidenten durch das Repräsentantenhaus wird voraussichtlich rechtzeitig erfolgen, die Untersuchung und das "Urteil" des Senats aber erst nach dessen Ausscheiden aus dem Amt. Eine Amtsenthebung im eigentliche Sinne wird es also nicht geben.

Dennoch könnte Trump durch den Senat schuldig im Sinne des Amtsenthebungsverfahrens gesprochen werden, auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Nun kommt eine weitere sehr wichtige Frage hinzu, die sowohl für Demokraten und noch viel mehr für die Republikaner von größter Bedeutung ist.

Der Vollständigkeit wegen, will ich noch anführen, dass es auch andere Rechtsauffassungen darüber gibt, ob ein Amtsenthebungsverfahren auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Amt im Senat verhandelt werden kann.


Trump könnte für künftige Ämter gesperrt werden, wenn...


Für den Fall, dass Trump schuldig gesprochen wird, ist der Weg frei für eine weitere zusätzliche Abstimmung. Es geht dabei um die Frage, ob Donald Trump künftig nochmal als Präsidentschaftskandidat antreten darf. Dieses Recht verliert er nicht automatisch mit einer Amtsenthebung. Unklar ist, welche Mehrheit im Senat für eine solche Beschränkung erforderlich wäre. Es wird davon ausgegangen, dass hierfür eine einfache Mehrheit ausreichend ist. Es ist nirgends festgelegt, dass auch hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist. Sollte Trump aber durch den Senat freigesprochen werden, käme eine Abstimmung über eine solche Sperre für künftige Ämter nicht mehr in Betracht.


Impeachment Trumps beeinflusst auch die Zukunft der Republikaner


Die gesamte Debatte dürfte sich also in den nächsten Tagen und Wochen darauf fokussieren, ob eine Zwei-Drittel-Mehrheit im US-Senat für eine Amtsenthebung Trumps zustande zu bringen ist. Und gerade die Frage der Sperre für künftige Ämter dürfte dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Grundsätzlich stehen die Republikaner vor der Frage, wie es nach der Präsidentschaft Trumps weitergehen soll. Neben der politischen Ausrichtung sind auch personelle und stilistische Fragen innerhalb der Partei zu klären. Sollte Donald Trump Ambitionen haben, 2024 nochmal für eine Amtszeit zu kandidieren, wird es extrem schwierig werden, ihn davon abzuhalten. Sein Einfluss auf die Republikaner ist nach wie vor enorm hoch. Trump kann seine Anhängerschaft praktisch nach Belieben steuern und dafür sorgen, dass vielerorts ihm kritische Republikaner Probleme bei der Mehrheitsbeschaffung in Wahlgängen bekommen.

Wer also ein eigenes Interesse an einer Kandidatur 2024 hat oder zumindest darauf setzt, nicht erneut mit Trump ins Rennen gehen zu müssen, könnte in den kommenden Wochen die Gelegenheit sehen, genau dies auf dem Wege des 2. Amtsenthebungsverfahrens zu erreichen. Sollte Trump mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Senats schuldig gesprochen werden, ist die einfache Mehrheit für eine Sperre für künftige Ämter allein schon mit den Stimmen der Demokraten gesichert. Eine Kandidatur gegen Trump in den republikanischen Vorwahlen wäre also nicht mehr nötig. Natürlich kann Trump auch andere Personen an dieser Stelle einsetzen, etwa seinen Sohn Donald Trump Jr., Ivanka Trump oder Jared Kushner, aber das Original wäre erstmal aus dem Weg.

So groß die Verlockung für einige Republikaner im Kongress auch sein mag, diese Vorgehensweise birgt auch enorme Risiken. Wer will "schuld" sein, an der dauerhaften Entmachtung Trumps? Wer wird den Zorn und die Abkehr seiner Anhängerschaft aushalten? Wer kann es sich leisten, ohne die Zustimmung der Trumpisten in eine Wahl zu gehen?

Es ist eine schwierige Frage für die Republikaner, fast schon ein Dilemma, in das sich die Partei aber auch selbst hinein manövriert hat.


Wie realistisch ist also eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat?


Nehmen wir also an, dass die Demokraten und Unabhängigen ihre Stimmen im Senat beisammen haben, müssen noch 17 republikanische Senatorinnen und Senatoren für eine Amtsenthebung Trumps stimmen. Auch wenn das Repräsentantenhaus nicht auf die Stimmen der Republikaner angewiesen ist, so kann mit der dortigen Abstimmung auch etwas Druck auf die Republikaner im Senat ausgeübt werden. Je mehr Abgeordnete der GOP für das Impeachment Trumps votieren, desto größer wohl auch die Bereitschaft im Senat dem Votum zu folgen.

Heute Abend hat Liz Cheney, die dritthöchste Abgeordnete der Republikaner im Repräsentantenhaus verkündet, dass sie für ein Impeachment Trumps stimmen wird.

Mitch McConnell, noch Mehrheitsführer und wichtigster Republikaner im US-Senat, soll laut einem Bericht des Senders CNN, die Möglichkeit erörtern, die Partei von Trump auf diesem Wege loszulösen.

Sollte sich McConnell für eine Amtsenthebung aussprechen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit möglich. Ansonsten sehe ich aktuell fünf bis sechs Republikaner, die mit den Demokraten stimmen könnten. Dabei handelt es sich um die auch schon in der Vergangenheit teils kritischen Susan Collins aus Maine, Lisa Murkowski aus Alaska, Mitt Romney aus Utah, Patrick Toomey aus Pennsylvania, Ben Sasse aus Nebraska und Joni Ernst aus Iowa.


Die nächsten Tage werden zeigen, inwieweit die Republikaner nun die Weichen für die Zukunft stellen wollen. Soll der Kurs mit Donald Trump gehalten werden (unabhängig davon, ob er tatsächlich Ambitionen hat, 2024 erneut anzutreten) oder soll es einen signifikanten Kurswechsel geben?

Donnerstag, 7. Januar 2021

US-Kongress bestätigt Wahlergebnis des Electoral College - Einsprüche der Republikaner scheitern

Joe Biden hat nun auch die letzte formale Hürde vor seiner Amtseinführung genommen. Der US-Kongress hat das Ergebnis des Electoral College bestätigt. Erwartungsgemäß entfielen 306 Stimmen auf Biden und 232 auf Trump.
Gegen die Bestätigung der Ergebnisse aus Arizona und Pennsylvania wurden durch republikanische Senatoren und Abgeordnete Einspruch eingelegt.

Für Arizona legten Senator Ted Cruz aus Texas und der Abgeordnete Paul Gosar aus Arizona Einspruch ein. Der Senat stimmte mit 93:6 schließlich für die Bestätigung des Ergebnisses. Das Repräsentantenhaus stimmte mit 303:121 für die Bestätigung. 

Für Pennslyvania legten Senator Josh Hawley aus Missouri und der Abgeordnete Scott Perry aus Pennslyvania Einspruch ein. Der Senat stimmte mit 92:7 für die Bestätigung des Ergebnisses. Das Repräsentantenhaus votierte mit 282:138 für die Bestätigung.

Weitere Einsprüche für die Bundesstaaten Nevada und Michigan scheiterten bereits im Vorfeld, da es keine unterstützende Stimme aus dem Senat gab.

Die Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten Joe Biden findet am 20. Januar statt. 

Die Abstimmung wurde durch die stundenlange gewaltsame Besetzung des Kapitols in Washington durch Trump-Anhänger unterbrochen. Nachdem Sicherheitskräfte die Ordnung wiederhergestellt hatten, wurde der Abstimmungsprozess fortgesetzt. 

Dienstag, 5. Januar 2021

Demokraten erreichen Machtwechsel im US-Senat

Aktuelle Zwischenergebnisse der Stichwahlen:

Die Demokraten Raphael Warnock und Jon Ossoff haben die beiden Senatorensitze für den Bundesstaat Georgia gewonnen. Damit kommen die Republikaner und Demokraten/Unabhängige auf jeweils 50 Sitze im US-Senat. Mit der Stimme der künftigen Vizepräsidentin Kamala Harris haben die Demokraten damit eine 51:50 Stimmenmehrheit.

Georgia: Senatssitz Class 2

David Perdue: 49,7 % 
Jon Ossoff: 50,3 %


Georgia: Senatzsitz Class 3 Special Election

Kelly Loeffler: 49,3 %
Raphael Warnock: 50,7 % 


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Im vergangenen November wurde der US-Senat zu einem Drittel neu gewählt. Seitdem sind noch zwei Sitze ausstehend, die heute per Stichwahl entschieden werden. Beide Sitze gehören zum Bundesstaat Georgia, so dass dort in den letzten Wochen praktisch eine Fortsetzung und Intensivierung des Wahlkampfes 2020 stattgefunden hat. Noch-Präsident Trump und der künftige US-Präsident Biden haben mit Auftritten am gestrigen Tage direkt vor Ort geworben.

Flag of Georgia (U.S. state).svg
Flagge des Bundesstaats Georgia, Public Domain, Link


Demokraten benötigen zwei Siege, Republikaner reicht einer aus


Die Ausgangssituation könnte kaum knapper sein. Für eine Mehrheit im US-Senat benötigen die Republikaner 51 Sitze, den Demokraten würden 50 Sitze reichen, da sie mit Kamala Harris als künftige Vizepräsidentin der USA bei einem Patt die entscheidende Stimme sicher hätten.

Nach den Wahlen im November kommen die Republikaner auf 50 Sitze, die Demokraten (inkl. 2 Unabhängiger) auf 48 Sitze. Zwei Sitze sind noch ausstehend, eben die beiden aus Georgia.

Wollen die Demokraten eine Mehrheit im Senat erreichen, müssen sie in der kommenden Nacht beide Sitze gewinnen. Den Republikanern reicht hingegen folglich der Gewinn einer der beiden Sitze aus.

Die Bedeutung dieser beiden Stichwahlen ist enorm hoch. Gelingt es den Republikanern, einen Sitz zu gewinnen, könnten sie künftig die Politik Joe Bidens und der Demokraten, die eine Mehrheit im Repräsentantenhaus halten, blockieren, sofern sie einheitlich abstimmen. Für Biden und die Demokraten wäre eine Mehrheit im Senat demnach eine wesentliche Grundvoraussetzung für ihre politischen Ziele. Ist diese nicht gegeben, wird Biden auf die Kompromissbereitschaft beider Parteien angewiesen sein.

In Georgia treten der Republikaner David Perdue gegen den Demokraten Jon Ossoff sowie die Republikanerin Kelly Loeffler gegen den Demokraten Raphael Warnock an.


Wahlergebnisse der ersten Wahlen im November


Georgia: Senatssitz Class 2

Perdue (R): 49,7 %; 2.462,617 Stimmen
Ossoff (D): 47,9 %; 2.374.519 Stimmen

Hazel (L): 2,3 %; 115.039 Stimmen


Georgia: Senatzsitz Class 3 Special Election

Loeffler (R): 25,9 %; 1.273.214 Stimmen
Warnock (D): 32,9 %; 1.617.035 Stimmen

Collins (R): 20.0 %; 980.454 Stimmen 
Jackson (D): 6,6 %; 324.118 Stimmen
Liebermann (D): 2,8 %; 136.021 Stimmen
Johnson-Shealey (D): 2,2 %; 106.767 Stimmen
James (D): 1,9 %, 94.406 Stimmen
Andere: 7,7 %

Laut Umfragen zeichnet sich keine eindeutige Tendenz in den beiden Rennen ab, so dass mit einer spannenden Wahlnacht gerechnet wird.

Die Wahllokale schließen in der kommenden Nacht um 01:00 Uhr deutscher Zeit. Die Zwischenergebnisse findet Ihr wie gewohnt auch wieder hier im Blog.
Am Early Voting haben bereits über 3 Mio Wählerinnen und Wähler teilgenommen, das entspricht gut 39% der registrierten Wahlberechtigten.

Offizielle in Georgia wehren sich weiter gegen Trump


Georgia stand auch zuletzt nochmal im Fokus, weil Donald Trump weiterhin versucht, nachträglichen Einfluss auf die Wahlergebnisse zu nehmen. Trotz seiner von allen offiziellen Stellen bestätigten Wahlniederlage und der Rechtmäßigkeit der Wahl im Bundesstaat Georgia, ist Trump der Auffassung die Wahl gewonnen zu haben. In einem von der Washington Post veröffentlichten Telefongesprächs forderte Trump den Secretary of State Georgias (Brad Raffensberger) auf, die erforderlichen Stimmen zu finden und konfrontierte ihn mit der Aufforderung, betrügerische Wahlmanipulationen zu melden und nachzugehen. Dies sei laut dem Präsidenten versäumt worden. Raffensberger, ebenfalls Republikaner, erinnerte den Präsidenten daran, dass sie offenbar unterschiedliche Zahlen und Erkenntnisse hätten. Er lehnte schließlich das Ansinnen Trumps ab.
Die republikanische Partei tut sich sehr schwer im Umgang mit den falschen Behauptungen des Präsidenten. Eine Vielzahl von Abgeordneten im Repräsentantenhaus und ebenso 12 Senatoren unterstützen im Kern die Linie des Präsidenten. Andere Republikaner warnen wiederholt davor, die Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit über Bord zu werfen.