Freitag, 25. Oktober 2024

Zum Wahlkampfendspurt wird alles aufgeboten

Das Wahlkampffinale 2024 ist eingeläutet und viele Wählerinnen und Wähler in den USA haben von ihrem Wahlrecht auch schon Gebrauch gemacht.
Mit Ausnahme von Oklahoma haben alle Bundesstaaten mit dem Early Voting begonnen. Insgesamt haben bereits fast 30 Mio US-Amerikaner ihre Stimme bereits abgeben, sei es per Briefwahl oder persönlich, wo diese Möglichkeit besteht.
Es ist nicht möglich, Ableitungen darüber zu treffen, was dies für den Wahlausgang bedeutet. Aber in vielen Bundesstaaten ist zu beobachten, dass registrierte Republikaner deutlich mehr beim Early Voting teilnehmen, als es noch 2020 der Fall wahr. Dies dürfte einfach an dem Umstand liegen, dass Donald Trump in diesem Jahr seine Anhänger auffordert, auch von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, hatte er 2020 noch davon abgeraten. Dies könnte aber in der logischen Folge dazu führen, dass der Anteil der registrierten Republikaner am Wahltag selbst etwas geringer sein wird als vor vier Jahren.

Harris und Trump legten Fokus bislang auf Rust Belt


Für Kamala Harris und Donald Trump sind nun die letzten finalen Tage der heißen Wahlkampfphase angebrochen. Noch 12 Tage werben, Reden halten, Interview geben.

Gemessen an der reinen Anzahl der Wahlkampfauftritte war Donald Trump etwas aktiver unterwegs als Kamala Harris. Beide haben sich meist auf die Battleground States konzentriert.


Harris war seit ihrer Kandidatur:
  • 14 x Pennsylvania
  • 12 x Michigan
  • 9 x Wisconsin
  • 8 x Georgia
  • 6 x North Carolina
  • 4 x Arizona
  • 2 x Nevada

Trump war in diesem Zeitraum:
  • 21 x Pennsylvania
  • 10 x North Carolina
  • 10 x Michigan
  • 7 x Georgia
  • 6 x Wisconsin
  • 5 x Arizona
  • 5 x Nevada

Bei den Vizekandidaten war Tim Walz bislang etwas aktiver unterwegs als JD Vance.

Kamala Harris und Donald Trump fahren nun zum Finale nochmal alles auf, was möglich ist. Die Botschaften werden klarer und radikaler. Kamala Harris konzentriert sich insbesondere darauf, vor einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps zu warnen und bezeichnet ihn dabei immer wieder als "zunehmend verwirrt und instabil", zuletzt auch als Faschisten.
Der Republikaner alles wieder in Ordnung zu bringen, was die Biden-Harris-Regierung zerstört habe.


Kamala Harris mit Prominenz und einem symbolischen Ort


Kamala Harris setzt bei ihren letzten Auftritten auch nochmal auf große Namen aus Politik und Musik. Folgende Auftritte sind bislang bekannt:

  • In diesen Minuten tritt sie in Clarkston im Großraum Atlanta, Georgia zusammen mit Barack Obama und Bruce Springsteen auf.
  • Morgen Abend folgt dann ein gemeinsamer Auftritt mit Beyoncé in Houston, Texas mit dem Schwerpunkt Frauenrechte.
  • Am Samstag ist eine Veranstaltung gemeinsam mit Michelle Obama in Michigan geplant.
  • Am kommenden Dienstag wird Harris in der Ellipse in der Nähe des Weißen Hauses eine Rede halten, genau an dem Ort, von wo aus Donald Trump am 06. Januar 2021 seine Anhänger aufforderte zum Kapitol zu ziehen.

Donald Trump stellt Auftritte mit Nikki Haley in Aussicht


Auch Donald Trump soll sich nochmal Unterstützung dazu holen. Nikki Haley soll auf den letzten Metern verhindern, dass der Plan der Demokraten aufgehe, ihre Unterstützer auf die Seite von Kamala Harris zu holen. Heute Abend ist Donald Trump aber zunächst bei zwei Veranstaltungen in Tempe, Arizona und in Las Vegas, Nevada unterwegs. Am Freitag ist Trump dann in Traverse City, Michigan

Es wäre ein weiterer Baustein in Trumps Wahlkampfstrategie, selbst durch radikales Auftreten seine Anhänger maximal zu mobilisieren und auf der anderen Seite durch Verwässerung seiner eigenen Aussagen auch durch andere Unterstützer gleichzeitig eine Normalität zu suggerieren, die moderate Republikaner weiter an ihn binden soll.


Auch die Vizekandidaten sind natürlich weiter unterwegs. Tim Walz kämpft bei drei verschiedenen Auftritten in North Carolina (Durham, Greenville und Wilmington) ebenso um wichtige Stimmen, wie JD Vance in Waterford, Michigan.

Sonntag, 20. Oktober 2024

Die interessantesten Counties der wichtigen Battleground States

Der Wahlkampf in den USA befindet sich noch nicht ganz auf der Zielgeraden, viel Zeit bleiben aber Kamala Harris und Donald Trump nicht mehr, um die entscheidenden Stimmen für sich gewinnen zu können. Landesweit haben schon über 13 Mio Wählerinnen und Wähler ihre Stimme im Rahmen des Early Votings abgegeben. Sie können nun nicht mehr im Wahlkampf erreicht werden, ihre Stimmen haben Harris und Trump dafür bereits sicher.


In der Wahlnacht den Überblick behalten

16 Tage vor der Wahl lohnt sich so langsam ein erster Blick auf die Wahlnacht und ggf. die darauf folgenden Tage, wenn es knapp wird und lange gezählt werden muss. Die wichtigsten Entwicklungen und aktuelle Auszählungsergebnisse gibt es hier natürlich auch wieder für alle entscheidenden Bundesstaaten. Um bei den vielen Zahlen nicht den Überblick zu verlieren, ist es wichtig, einige Details zu den Auszählungen zu kennen und immer auch zu berücksichtigen. Die Bundesstaaten zählen unterschiedlich aus. Einige zählen zuerst die Briefwahlstimmen, andere wiederum die Wahlzettel, die am Wahltag abgegeben wurden. Dann kommt es auch darauf an, welche Counties bereits Zahlen gemeldet haben und wie hoch der Anteil aller dort abgegeben Stimmen ist. So kann es sein, dass sich die Stimmenverhältnisse von Stunde zu Stunde stark verändern.

Anders als bei Wahlen in Deutschland, wo Wahltagsbefragungen in Prognosen einfließen und gemeldete Zahlen im Hintergrund ausgewertet und zu Hochrechnungen verarbeitet werden, können in den USA gemeldeten Zahlen fortlaufend mitverfolgt werden. Einerseits ist dies natürlich etwas spannender, da man auch schneller mit Informationen versorgt wird, andererseits fehlt häufig die Einordnung, was diese minütlichen kleinteiligen Veränderungen in den Auszählungsständen tatsächlich für den Wahlausgang bedeuten. Aus welchem County stammen die Zahlen? Aus welcher Stadt dieses Counties stammen sie? Wieviel Prozent sind dort schon ausgezählt? Wie wurde vor vier Jahren dort abgestimmt, welche Veränderungen hat es im Vergleich dazu gegeben? Es sind viele Faktoren zu berücksichtigen, weshalb es wichtig ist, immer detailliert hinzuschauen, um sich nicht voreilig von den reinen Zahlen in die Irre führen zu lassen.


Die Counties liefern die wertvollsten Informationen

Beim Blick in diese Details kann man sich aber auch verlieren. In den ersten Stunden nach Schließung der Wahllokale eines Bundesstaats empfehle ich maximal auf die Ebene der Counties zu blicken und diese nicht noch weiter aufzusplitten. Wer also Interesse und die Ruhe hat, kann die Wahlen auch zusätzlich auf diese Weise verfolgen. Es ändert aber nichts daran, dass auch hier der Blick auf die Battleground States zu richten ist. Natürlich gibt es auch in anderen Bundesstaaten Counties, die vielaussagende Ergebnisse liefern können, Ziel soll ja aber sein, sich nicht unnötig mit zu vielen Daten zu überfrachten. Stattdessen sollte der Fokus auf die wichtigsten Zahlen der Nacht gelegt werden. Im Folgenden sind einige Counties aufgeführt, die besonders aussagekräftige Ergebnisse liefern können. Die Auswahl dieser Counties ist aber nicht zufällig erfolgt.

Klar ist, dass Kamala Harris in den Metropolen und Großstädten Philadelphia, Pittsburgh, Detroit, Atlanta, Phoenix, Milwaukee, Charlotte usw. besonders stark abschneiden wird und Donald Trump dagegen zuverlässig die vielen ländlichen Regionen gewinnen wird. Hierbei stellt sich beidseitig die Frage, wie viel des eigenen Potenzials in den Hochburgen abgerufen werden kann. Kann Harris punktuell in den Großstädten so viele Stimmen holen, dass sie gegen die breite Flächenstärke Trumps ankommen kann oder kann Trump so viele kleine Counties mit großem Abstand gewinnen, dass es reichen wird, den Rückstand aus den bevölkerungsstarken Hochburgen der Demokraten wettzumachen?

Klar ist aber auch, dass der Kampf um alles dazwischen die dritte Größe in diesem Rennen ist. Kleinstädte, Vororte am Rande der Großstädte. Hier mischen sich die Verhältnisse und es kommt zu knappen Abständen. Bei der Auswahl der Counties für die Wahlnacht ist dies auch berücksichtigt. Hinzu kommen auch Faktoren, wie die Bevölkerungsstruktur zusammengesetzt ist, wie hoch beispielsweise der Anteil Weißer, Schwarzer, Hispanics usw. ist. Es geht bei der Auswahl der Counties also nicht zwingend darum, festzustellen, aus welchem Bereich nun die meisten Stimmen zu erwarten sind, sondern um Ableitungen auf das Gesamtergebnis des Bundesstaats zu erhalten.

In der Wahlnacht und der ggf. nötigen Folgezeit werde ich immer mal wieder auf diese voraussichtlich aussagekräftigen Counties eingehen.


Aussagekräftige Counties der Swing States im Überblick


Pennsylvania 


Biden gewann Pennsylvania 2020 mit 50,01 % zu 48,84 %, rund 81.000 Stimmen Differenz bei ca. 6,9 Mio abgegebener Stimmen.

  • Erie County, 2020 ca. 140.000 Stimmen, 49,8 % Biden zu 48,8 % Trump
  • Northampton County, 2020 ca. 170.000 Stimmen, 49,8 Biden zu 49,0 % Trump
  • Lackawanna County, 2020 ca. 115.000 Stimmen, 53,7 % Biden zu 45,3 % Trump

Northampton County, im Nordosten von Allentown und Erie County am gleichnamigen See gelegen, sind in Pennsylvania besonders interessant, da hier Biden jeweils mit etwa 1 % vor Trump landete, also in etwa das Ergebnis für Pennsylvania Gesamt erzielte.
Trump erreichte 2016 erstmals seit 1988 wieder eine Mehrheit für die Republikaner im Northampton County und gewann den Bundesstaat Pennsylvania erstmals auch wieder seit 1988 für die Republikaner. 2020 lag er hier wieder hinter Biden und die Demokraten holten Pennsylvania wieder zurück. Für Erie County gilt das Gleiche seit 1992, wer hier gewinnt, holt auch den Bundesstaat. Das muss dieses Jahr nicht zwangsläufig wieder so sein, aber beide Counties liefern sehr gute Vergleichswerte.

Lackawanna County hat mit etwa 81 % einen sehr hohen und einen höheren Anteil weißer Wählerinnen und Wähler als der Durchschnitt Pennsylvanias. Das Durchschnittseinkommen liegt unterhalb des Bundesstaatsdurchschnitts. Mit Scranton befindet sich eine klassische deindustrialisierte (Stahl, Kohle, Eisen) Stadt im Lackawanna County, deren Einwohner besonders auf die wirtschaftliche Entwicklung und Kostensteigerungen blicken. Diese Bedingungen sind die Basis für Donald Trumps Erfolg 2016 im Rust Belt gewesen. Der Zuspruch für die Demokraten ist tendenziell zurückgegangen. Insbesondere Hillary Clinton (49,79 %) verlor hier 2016 gegenüber Obama 2012 13 %, blieb aber noch 3 % vor Trump. Joe Biden konnte diesen Abstand zu Trump wieder auf gut 8 % ausbauen. Aber Scranton ist auch der Geburtsort Bidens, weshalb schwer einzuschätzen ist, in wie weit dies bei dem verbesserten Ergebnis eine Rolle spielte. Je dichter Kamala Harris an Bidens Wert herankommt und nicht auf das Niveau von Clinton abfällt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Harris in diesem Jahr Pennsylvania gewinnen kann. Wenn Trump es hier nicht gelingt, sein Potenzial auch in Wählerstimmen umzusetzen und mindestens 46-47 % gewinnt, wird es auch andernorts in Pennsylvania und im Rust Belt schwierig werden.

In den bevölkerungsstarken Hochburgen der Demokraten in Philadelphia (Phil. County) und Pittsburgh (Allegheny County) geht es für Kamala Harris insbesondere um die Mobilisierung der eigenen Wähler, ein Umstand, der entsprechend auch bei den anderen Battleground States zu beobachten ist. Bleiben ein signifikanter Teil der Demokraten in den Großstädten und Metropolen zuhause, kann dieser Verlust anderswo in den mittelgroßen Vorstädten kaum aufgeholt werden. 

Georgia 


Biden gewann Georgia 2020 mit 49,47 % zu 49,24 %, rund 11.500 Stimmen Differenz bei ca. 5,0 Mio abgegebener Stimmen.

  • Cobb County, 2020 ca. 400.000 Stimmen, 56,3 % Biden zu 42,0 % Trump
  • Fulton County, 2020 ca. 510.000 Stimmen, 72,6 % Biden zu 26,2 % Trump
  • DeKalb County, 2020 ca. 375.000 Stimmen, 83,1 % Biden zu 15,7 % Trump

Das Cobb County, liegt im Nordwesten von Atlanta (Fulton County), der bevölkerungsstarken Hochburg der Demokraten. Der Großraum Atlanta hat über die Hälfte aller Stimmberechtigen Georgias. Cobb County ist ein Teil dieses Großraums und aufgrund seiner strukturellen Beschaffenheit mit vielen Kleinstädten und Vororten und einer sehr diversen Bevölkerungsstruktur besonders wertvoll für die Analyse und Hochrechnung der Ergebnisse in Georgia. Die Anteile weißer und schwarzer, lateinamerikanischer und asiatischer Bevölkerung sind hier ähnlich der des gesamten Bundesstaats.

Die Republikaner hatten in Cobb County stets die Mehrheit bei Präsidentschaftswahlen gewonnen, Donald Trump allerdings zwei mal in Folge verloren. War der Abstand zwischen Trump und Clinton noch bei 2 %, hatte Trump 2020 gegenüber Biden mit 14 % das Nachsehen. Ein Grund, weshalb die Demokraten Georgia gewonnen hatten.
Sollte Trump diesen Rückstand wieder verringern können, wäre dies ein wichtiger Indikator für ein verbessertes Gesamtergebnis in Georgia, was bei dem knappen Ergebnis aus 2020 schon für die Republikaner reichen könnte, den Bundesstaat zurückzugewinnen.

Die besondere Relevanz von Fulton County, was die Stadt Atlanta beinhaltet und das östlich angrenzende DeKalb County ist sehr einfach zu beschreiben. Gelingt es Kamala Harris hier nicht, eine besonders hohe Wahlbeteiligung zu erzielen, werden die Demokraten ihren Erfolg aus 2020 kaum wiederholen können. Fast ein Fünftel aller Stimmen Georgias wurden hier abgegeben und die Demokraten haben hier mit 72,6 und 83,1 % ihre Hochburgen.

North Carolina


Trump gewann North Carolina 2020 mit 49,93 % zu 48,59 %, rund 75.000 Stimmen Differenz bei ca. 5,5 Mio abgegebener Stimmen.

  • Wake County, 2020 ca. 650.000 Stimmen, 62,2 % Biden zu 35,8 % Trump
  • Nash County, 2020 ca. 52.000 Stimmen 49,6 % Biden zu 49,4 % Trump
  • Wilson County, 2020 ca. 41.000 Stimmen 50,9 % Trump zu 48,1 % Biden

Das bevölkerungsreichste (rund 1,2 Mio) und immer weiter wachsende Wake County umfasst die Hauptstadt North Carolinas, Raleigh mit knapp 0,5 Mio Einwohnern. Die Einwohnerzahl hat sich in den vergangenen 25 Jahren in etwa verdoppelt. Der Anteil der Schwarzen ist hier deutlich höher als im Bundesdurchschnitt. Der Zuzug von jüngeren und überdurchschnittlich gebildeten Menschen (mehrere Universitäten sind hier ansässig) prägt diese Region ebenfalls. Diese strukturelle Kombination führte zu immer besseren Ergebnissen für die Demokraten. In dieser Wachstumsphase seit dem Jahr 2000 haben die Demokraten ihren Stimmenanteil bei Präsidentschaftswahlen stetig von 46 % auf zuletzt 62 % erhöht, mit einem kleinen Knick 2012 bei der Wiederwahl Obamas. Von 2012 bis 2016 konnten die Demokraten hier rund 2,5 % zulegen. Von 2016 bis 2020 waren es nochmal fast 5 %. Sollte dieser Trend anhalten, in etwa in Richtung 65 % gehen, wären die Hälfte des Gesamtrückstands der Demokraten in North Carolina aus 2020 wettgemacht.

Der Verschiebungseffekt innerhalb North Carolinas, also dass der Zuwachs teilweise durch den Wegzug aus anderen Bereichen des Bundesstaats erzielt wird, muss dabei natürlich auch berücksichtigt werden. Viele neue Einwohner kommen aber aus anderen Bundesstaaten, hier insbesondere New York oder Virginia. Wake County wirbt zudem auch in anderen Metropolregionen wie Los Angeles und Austin um den Zuzug von gut gebildeten jungen Menschen, denen die Lebenserhaltungskosten dort zu hoch geworden sind.
Ein erneutes Zulegen der Demokraten wäre also ein Zeichen dafür, dass Harris bei einer Mischung aus Großstadt, Vorstadt und ländlichem Raum gut abschneidet.

Nash County und Wilson County sind dagegen deutlich bevölkerungsärmer aber aufgrund ihrer knappen Ergebnisse in 2020 und ihrer Bevölkerungsstruktur interessant. Beide Counties haben ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen ländlicher weißer und schwarzer Bevölkerung. Sollte Trump hier in diesem Jahr mit einigen Prozent Vorsprung gewinnen, wäre dies ein Indikator dafür, dass er auch dieses Jahr in North Carolina vorne liegen könnte. In Nash County lag er zuletzt nur 0,2 % hinter Biden und Wilson County etwa 2,8 % vor dem Demokraten.


Michigan

Biden gewann Michigan 2020 mit 50,62 % zu 47,84 %, rund 154.000 Stimmen Differenz bei ca. 5,6 Mio abgegebener Stimmen.

  • Wayne County, 2020 ca. 875.000 Stimmen, 68,4 % Biden zu 30,3 % Trump
  • Kent County2020 ca. 360.000 Stimmen, 52,0 % Biden zu 45,9 % Trump

Wayne County beinhaltet auch die Stadt Detroit. Keine andere Stadt in den USA steht so sehr für den Untergang der Automobilindustrie. Detroit hat heute nur noch etwa ein Drittel der Bevölkerung im Vergleich zu Ihren besten Zeiten. Dennoch ist Detroit mit über 600.000 Einwohner die mit Abstand größte Stadt Michigans und auch heute noch ist die Automobilindustrie ein bedeutender Faktor.
Wayne County hat heute mit ca. 38 % einen besonders hohen Anteil schwarzer Bevölkerung, der etwa drei mal so hoch ist, wie im Bundesdurchschnitt. Das Einkommen ist hier niedriger als im Schnitt, ebenso der Wert an Grundstücken und Immobilien. Die Armutsrate ist fast doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt.

Die Demokraten werden auch in diesem Jahr wieder die Mehrheit in Wayne County gewinnen, aber der Abstand zu den Republikanern kann hier ein wesentliches Indiz sein, wie gut Kamala Harris sowohl im Rust Belt insgesamt und insbesondere bei den Schwarzen abschneidet.
Donald Trump gewann 2016 den Bundesstaat Michigan, wobei er im Wayne County mit 29 % zu 66 % gegen Hillary Clinton verlor. Für die Demokraten war dies aber ein historisch schlechtes Ergebnis. Obwohl Trump hier vier Jahre später seinen Anteil nochmal um einen Prozentpunkt auf 30 % steigern konnte, verbesserte Joe Biden das Ergebnis der Demokraten um zwei Prozentpunkte auf 68 % bei um fast 100.000 Stimmen gestiegener Wahlbeteiligung.
Wayne County wird also für Michigan ein wesentlicher Prüfstein für Donald Trump werden. Er setzt aktuell sehr auf steigende Zustimmungswerte insbesondere bei  männlichen Schwarzen. Kann er abermals seinen Anteil erhöhen, also über 30 % erreichen, müsste Kamala Harris schon an den Wert von Joe Biden aus dem Jahr 2020 herankommen. Der Abstand in Michigan war zwar relativ komfortabel für die Demokraten, aber sollte ein erstarkter Trump im Wayne County zu verzeichnen sein, dürfte dies auch in anderen vergleichbaren Teilen des Bundesstaate feststellbar sein und der Vorsprung der Demokraten wäre schnell dahin.

Und noch aus einem anderen Grund ist Wayne County von besonders hoher Bedeutung. Im Großraum Detroit, etwas in Hamtramck oder Dearborn leben sehr viele muslimische und arabischstämmige Amerikaner. Die Biden-Harris Regierung steht hier im Zusammenhang mit der Rolle der USA bei der Unterstützung Israels besonders in der Kritik und die Demokraten befürchten signifikante Verluste. Diese Kritiker werden gewiss nicht Donald Trump wählen, könnten dafür aber ins Lager der Nichtwähler oder anderer Drittkandidaten wechseln. Von den schätzungsweise 450.000 bis 500.000 Arab Americans in Michigan leben etwa 350.000 Menschen im Großraum Detroit, die aus dem Libanon, Syrien, Irak, Gaza, Jordanien oder dem Jemen kommen.
Kamala Harris und Joe Biden bemühen sich daher verbal um eine differenzierte Haltung gegenüber Israel und Premierminister Netanjahu, aus Sicht vieler Arab Americans reicht dies aber nicht aus.

Im Vergleich zu Wayne ist Kent County dagegen deutlich ausgeglichener strukturiert. Es enthält die Stadt Grand Rapids und war immer schon stärker republikanisch geprägt. Die Republikaner büßten hier aber insbesondere unter Donald Trump stimmen ein. Beim Sieg Barack Obamas im Jahr 2012 konnte Mitt Romney Kent County trotzdem noch mit 7,5 % Vorsprung gewinnen. Beim schwachen Abschneiden Hillary Clintons 2016 konnte Donald Trump aber schon nur noch mit 3 % Vorsprung gewinnen. 2020 hatte Joe Biden dann 6 % Vorsprung vor Trump, der ein historisch schlechtes Ergebnis für die Republikaner einfuhr.
Kent County wäre abseits von den Besonderheiten des Wayne County ein guter Indikator, ob die Demokraten grundsätzlich ihre Ergebnisse von 2020 in Michigan halten können oder ob Trump das republikanische Potenzial wieder besser ausschöpfen kann. 

Kamala Harris könnte die mögliche Abwanderung der Arab Americans wohl nur dann verkraften, wenn sie andernorts wie in Kent County nicht auch noch Verluste hinnehmen muss. 

Wisconsin


Biden gewann Wisconsin 2020 mit 49,45 % zu 48,82 %, rund 20.000 Stimmen Differenz bei ca. 3,3 Mio abgegebener Stimmen.

  • Waukesha County2020 ca. 270.000 Stimmen, 38,8 % Biden zu 59,6 % Trump
  • Brown County2020 ca. 160.000 Stimmen, 45,5 % Biden zu 52,7 % Trump

Für Wisconsin habe ich zwei Counties ausgewählt, die trotz Trumps knapper Niederlage 2020 mehrheitlich für den Republikaner gestimmt haben. Waukesha County grenzt westlich an das Milwaukee County, die bevölkerungsstarke Hochburg der Demokraten. Waukesha County ist vereinfacht gesagt: weißer, gebildeter und wohlhabender als der Durchschnitt Wisconsins.
Donald Trump holte bei seinem Sieg Wisconsins 2016 im Waukesha County rund 60 % und büßte bei seiner Niederlage im Jahr 2020 davon nur etwa 0,4 % ein. Joe Biden dagegen verbesserte das Ergebnis von Hillary Clinton um fast 5,5 % und lag damit auch besser als Barack Obama in den Jahren 2008 und 2012, was ein deutliches Indiz dafür ist, dass die Demokraten hier strukturell aufholen.
Sollte Trump in gut zwei Wochen in Waukesha County einen Wert von 60 % plus x erreichen, hat er gute Chancen, den Bundesstaat Wisconsin zum zweiten Mal nach 2016 zu gewinnen.

Brown County enthält neben ländlichen Regionen und kleinen Städten auch die Stadt Green Bay an der gleichnamigen Bucht des Lake Michigan. Das County ist strukturell mit dem gesamten Bundesstaat Wisconsin vergleichbar, weshalb politische Beobachter hier immer besonders genau hinschauen.
Es sind nicht die reinen Ergebnisse des Brown County, die auf Wisconsin übertragbar sind, aber die Entwicklungen geben Aufschluss über die Performance der Kandidaten. Barack Obama gewann Wisconsin 2008 mit etwa 14 % Vorsprung vor John McCain und 2012 nur noch mit etwa 7 % vor Mitt Romney. Im Brown County gewann Obama 2008 noch mit 9 Prozentpunkten Vorsprung, 2012 lag er aber schon hinter Romney.
Die sichere Bank Wisconsin verloren die Demokraten 2016 dann an Donald Trump der den Bundesstaat zunächst knapp gewann, dann 2020 wieder knapp an Biden verlor. Im Brown County konnte Trump 2016 Romneys Vorsprung entsprechend nochmal ausbauen und lag zweistellig vor Clinton, konnte dann aber 2020 mit nur noch 7 % Vorsprung gewinnen.
Für 2024 bedeutet dies, dass ein 8-9 Prozentpunkte Vorsprung Donald Trumps im Brown County auf einen Sieg des Republikanern im gesamten Bundesstaat hindeuten könnte.

Arizona


Biden gewann Arizona 2020 mit 49,36 % zu 49,06 %, rund 10.500 Stimmen Differenz bei ca. 3,5 Mio abgegebener Stimmen.

  • Maricopa County2020 ca. 2,1 Mio Stimmen, 50,3 % Biden zu 48,1 % Trump

In Arizona konzentriere ich mich auf Maricopa County. Über 60 % aller Wählerinnen und Wähler Arizonas geben hier ihre Stimme ab und dominieren mit ihrem Wahlverhalten das Ergebnis des Bundesstaats außerordentlich. Der Anteil an Weißen, Schwarzen und Hispanics entspricht hier ziemlich genau dem Durchschnitt Arizonas, wobei hier insbesondere der mit über 30 % hohe Anteil an Hispanics hervorzuheben ist.
Maricopa County wählte praktisch immer mehrheitlich republikanisch mit teils deutlichen zweistelligen Abständen, so dass auch Arizona für die Republikaner immer fest eingerechnet wurde.
2016 zeichnete sich aber schon ein Wandel ab, da hier anders als in vielen Teilen der Swing States des Rust Belts Hillary Clinton im Vergleich zu ihren Vorgängern ein besseres Ergebnis für die Demokraten einfuhr, die Republikaner unter Trump aber deutlich federn lassen mussten, insbesondere zugunsten sog. Drittkandidaten. Trump gewann 2016 dennoch sowohl Maricopa County als auch den Bundesstaat Arizona mit einem Abstand von 3-4 %.
2020 aber war es dann soweit. Erstmals seit 1948 votierte Maricopa County mit gut 2% Vorsprung mehrheitlich für die Demokraten und Joe Biden gewann den Bundestaat Arizona äußerst knapp mit 0,3 % Abstand.
Es sind die gemäßigten Republikaner, die nicht die glühendsten Unterstützer Donald Trumps sind, die in Maricopa County und damit wohl auch für Arizona den Ausschlag geben werden. Der 2018 verstorbene und in Arizona überaus beliebte Senator des Bundesstaats, John McCain, stand wie kaum ein anderer für die innerparteiliche Opposition gegen die Trump-Bewegung. Bleibt es bei ihrer aktiven Ablehnung Donald Trumps, dürfte es der Republikaner schwer haben, den Bundesstaat zurückzuerobern. Kann Trump dagegen etwa von der kritischen Haltung der Republikaner in Bezug auf die Einwanderungspolitik der Demokraten hier wieder profitieren, wäre es eben nur ein hauchdünner Rückstand verglichen mit 2020, den Trump schnell wettgemacht hätte.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es auch ein vielbeachtetes Senatorenrennen in Arizona gibt, bei dem der Demokrat Ruben Gallego gegen die bei moderaten Republikanern eher unbeliebte Trump-Anhängerin Kari Lake antritt, um den aktuellen Senatssitz der von den Demokraten zu den Unabhängigen gewechselten Kyrsten Sinema neu zu besetzen, die nicht erneut antritt. Umfragen sehen hier Gallego relativ solide vor Kari Lake, während die Umfragen zwischen Harris und Trump weitaus offener sind. Hierbei wird zu beobachten sein, inwiefern Harris von dem Duell Gallego vs Lake in puncto Mobilisierung profitieren kann.


Nevada


Biden gewann Nevada 2020 mit 50,06 % zu 47,67 %, rund 33.500 Stimmen Differenz bei ca. 1,4 Mio abgegebener Stimmen.

  • Clark County2020 knapp 1 Mio Stimmen, 53,7 % Biden zu 44,3 % Trump
  • Washoe County2020 ca. 260.000 Stimmen, 50,8 % Biden zu 46,3 % Trump

Was Maricopa County für Arizona ist, ist Clark County nochmal umso so deutlicher für Nevada. Etwa 75 % aller Stimmen in Nevada werden in Clark, dem County mit der Metropole Las Vegas, abgegeben.
Es ist die Basis für die stetigen Erfolge der Demokraten in Nevada bei Präsidentschaftswahlen. Im Clark County kommen sie regelmäßig über 50 %. Hillary Clinton konnte hier 2016 52,4 % holen und lag damit knapp 11 % vor Trump. Dieser konnte den Rückstand 2020 auf rund 9 % leicht verringern.
Kann Kamala Harris hier einen Vorsprung von mindestens 7,5-8 % halten, hat sie gute Chancen, die Serie der Demokraten fortzusetzen. Trump wird seine starken Ergebnisse in den übrigen ländlichen Regionen Nevadas kaum noch derart steigern können, dass er einen größeren Rückstand in Clark County aufholen könnte. Trump lag in vielen Counties zwar mit teils über 70 % Vorsprung vor Joe Biden, die Counties sind aber so klein, dass Trump hier jeweils nur wenige Tausend Stimmen aufholen kann. Für den vollständigen Ausgleich des 91.000 Stimmen Rückstands aus Clark County reicht das eben nicht aus.

Je dichter Trump aber an einen Rückstand von nur noch 7 % herankommt, desto größer wird noch die Bedeutung einer anderen Region in Nevada. Washoe County ist mit Abstand der zweitgrößte Bereich Nevadas und könnte bei einem sehr knappen Ausgang den entscheidenden Ausschlag geben. Es ist das einzige County, das die Demokraten 2020 neben Clark County gewannen. Hier lag Biden aber nur 4,5 % vor Trump.
Der Großraum um die Stadt Reno im Nordwesten des Bundesstaats wählt seit den Obama-Jahren mehrheitlich demokratisch, wenn auch nur mit zuletzt relativ geringen Abständen. Die Demokraten hatten 2012 3,7 %, 2016 1,2 % und 2020 4,5 % Vorsprung. Trumps Rückstand im gesamten Bundesstaat Nevada bewegte sich bei den letzten beiden Wahlen mit jeweils 2,4 % exakt in diesem Bereich.


Nebraska Congressisonal District 2


Biden gewann Nebraska CD2 mit 52,3 % zu 45,7 %, rund 22.000 Stimmen Differenz.

  • Douglas County, 2020 ca. 280.000 Stimmen, 54,4 % Biden zu 43,1 % Trump

Douglas County ist mit der Stadt Omaha ein wesentlicher Bestandteil des Congressional District 2 von Nebraska, der unabhängig vom Gesamtergebnis Nebraskas 1 Electoral Vote an den Sieger des CD2 vergibt (Splitting the Votes).
Kamala Harris benötigt in Douglas County einen Vorsprung von mindestens 4,5 % um den CD2 Nebraskas zu gewinnen. Hillary Clinton hatte 2016 im Douglas County nur einen Vorsprung von etwa 2,4 % und verlor den CD2 an Donald Trump. Joe Biden gewann Douglas County mit gut 11%, was einen Vorsprung von etwa 6 % im CD2 bedeutete.

Donnerstag, 17. Oktober 2024

Wahl-O-Mat für die US-Präsidentschaftswahl

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat in Deutschland den sog. "Wahl-O-Mat" bei Bundes- und Landtagswahlen etabliert.

Auch in den USA gibt es ähnliche englischsprachige Angebote zur Präsidentschaftswahl 2024. Für diejenigen, die sich noch kein ausreichendes Bild von Kamala Harris, Donald Trump und weiteren Kandidaten machen konnten oder die Positionen einfach etwas vertiefender vergleichen wollen, habe ich mal eine Möglichkeit ausgesucht, die auch qualitativ ansprechend ist.


Über 200 Fragen bei I Side With
(Link führt direkt zum Political Quiz)


Optional gibt bis über 200 Fragen (über "show more questions" abrufbar), die auch nach individueller Wichtigkeit eingestuft werden können. Die Auswertung zeigt Ergebnisse und zahlreiche Analysen Eurer Antworten zu allen Wahlen (Präsidentschaftswahl, Senat, Repräsentantenhaus usw.) auch aufgeschlüsselt nach Bundesstaaten und weiteren Kriterien. Die Auswertung kann sowohl für die Kandidaten als auch partei- und ideologiebezogen abgerufen werden.
Dabei werden entsprechend auch nicht nur die Kandidaten zur Präsidentschaftswahl berücksichtigt, sondern je nach Eurer Auswahl beispielsweise auch Senatoren.
Sehr detaillierte und differenzierte Antwortmöglichkeiten sind ebenfalls optional vorhanden (über "other stances"), wenn man sich nicht klar für ja oder nein aussprechen möchte. Wer sich die Zeit nimmt, wird sich hier sehr wohl fühlen. Ich empfehle die Fragen in englischer Sprache zu lesen und zu beantworten, da die vorhandene Übersetzung teilweise etwas sinnentfremdet ist. Alternativ kann man aber auch Deutsch auswählen. Zusätzlich können auch weitergehende Informationen zu den Themen und Fragen abgerufen werden.
Wer nicht so viel Zeit investieren will, kann auch Fragen einfach auslassen. Ich empfehle aber mindestens 50 Fragen oder jeweils 3 aus allen Themengebieten zu beantworten, um ein verwertbares Ergebnis zu bekommen. Später können dann auch die weiteren übrigen Fragen zusätzlich beantwortet werden und die Auswertung angepasst werden. Ergebnisse können und sollten evtl. auch gespeichert werden. 

Insbesondere denjenigen, die in den USA wahlberechtigt sind, will ich aber auch den Hinweis geben, dass hier nicht nur die aussichtsreichen Kandidaten berücksichtigt werden, sondern auch Personen, die keine Chance auf einen Wahlerfolg haben. Jede Stimme für einen anderen Kandidaten oder eine andere Kandidatin könnte also Kamala Harris oder Donald Trump fehlen. Über Filterfunktionen können die Ergebnisse aber auch eingegrenzt werden.
Für die Kandidaten, die kleinen Parteien angehören oder unabhängig sind, ist die Berücksichtigung bei diesem Political Quiz aber auch immer eine Chance bekannter zu werden und die eigenen Positionen bekannter zu machen. Dies geht in einem praktischen Zwei-Parteien-System und einer starken Polarisierung sonst völlig unter.

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Erste Zahlen zur Briefwahl in Pennsylvania

Die Präsidentschaftswahl in den USA war vor vier Jahren auch geprägt von der Frage, welchen Einfluss Briefwahlstimmen haben werden. Bei keiner anderen Wahl wurden so viele Stimmen per Brief abgegeben, wie 2020, was sicherlich auch an der Corona-Pandemie lag. Aber nicht nur die hohe Anzahl der Briefwählenden, sondern auch die Diskussionen um diese Form der Stimmabgabe blieben in Erinnerung. Donald Trump streute bewusst Falschbehauptungen über einen möglichen Wahlbetrug durch Briefwähler bzw. den Wahlprozess. Er tat dies vor der Wahl, um nach der Wahl diese Legende weiterzuentwickeln und seine Niederlage abzustreiten.

Zweifel an Briefwahl 2020 waren Trumps Eigentor 


Aus meiner Sicht war es einer der größten Fehler Trumps im damaligen Wahlkampf, die eigene Wählerschaft zu demotivieren, auf diese Weise ihre Stimme abzugeben. Plakativ gesagt, ist es nicht klug, den eigenen Wählern das Misstrauen in eine solche Stimmabgabe einzureden und sie auf diese Weise wochenlang von der Stimmabgabe abzuhalten und dann alles auf den einen Tag der Wahl zu konzentrieren. Schließlich können sich Wähler noch von einem abwenden oder aus anderen Gründen kurzfristig nicht an der Wahl teilnehmen. Nach dem Motto: "Was man hat, das hat man" sicherte sich Joe Biden über Wochen schon die Stimmen vieler Demokraten, die von der Briefwahl Gebrauch machten.
Und man konnte das auch eindeutig in der Wahlnacht und den darauf folgenden Tagen beobachten. Trump lag in den Bundesstaaten zunächst gut, die die Stimmen des Wahltags als erstes auszählten, verlor dann aber dort an Vorsprung, als die Briefwahlstimmen am Ende ausgezählt wurden. Dort wo zuerst die Briefwahlstimmen dran waren, lag Trump ungewöhnlich stark zurück und holte dann zum Ende hin auf.

Trump korrigiert Fehler aus 2020


In diesem Jahr hat Trump offenbar dazugelernt und erklärt nun seinen Anhängern, dass sie auf jeden Fall und so schnell wie möglich wählen sollten, ganz gleich, auf welche Weise. Aus dessen Wahlkampfteam waren im Laufe des Jahres weiterhin noch Zweifel am System der Briefwahl zu hören. Dennoch zeigt der Haltungswechsel, dass dem Republikaner klar ist, dass es auf jede einzelne Stimme ankommen wird. Zudem haben ihm die Gerichte landesweit gezeigt, dass die Briefwahlstimmen zurecht alle ausgezählt wurden und in das Ergebnis eingeflossen sind.

Aktuelle Zahlen aus Pennsylvania


Ich habe mir die aktuellen Zahlen zum Early Voting und zur Briefwahl aus dem wohl wichtigsten Bundesstaat Pennsylvania angesehen.


Angeforderte Briefwahlunterlagen


Nach aktuellem Stand, drei Wochen vor der Wahl, haben in Pennsylvania rund 1,7 Mio registrierte Wähler Briefwahlunterlagen angefordert. Gut 1 Mio davon sind registrierte Demokraten, was einen Anteil von 59,6 % ausmacht. Rund 485.000 sind registrierte Republikaner, was 28,5 % ausmacht. Unabhängige und kleine Parteien kommen auf 11,9 %.

2020 wurden im Vergleich dazu insgesamt, also inkl. der letzten drei Wochen bis zur Wahl, rund 3,09 Mio Briefwahlunterlagen abgerufen. 62 % waren Demokraten, 25 % Republikaner und 12 % Unabhängige.


Abgegebene Stimmen per Briefwahl


Aber angeforderte Briefwahlunterlagen sind noch keine abgegebenen Stimmen.
In diesem Jahr sind mit heutigem Stand für Pennsylvania folgende Zahlen bekannt.

Bislang wurden 536.000 Stimmen per Briefwahl abgegeben. 66,9 % davon von Demokraten, 24,3 % von Republikanern und knapp 8,8 % von Unabhängigen.

2020, auch hier wieder insgesamt über den gesamten Zeitraum bis zum Wahltag, kamen im Vergleich dazu 65 % aller abgegebenen Briefwahlstimmen in Pennsylvania von registrierten Demokraten, 24 % von Republikanern und 11 % von Unabhängigen.


Rückgabequote pro Partei


Aktuell liegt die Rückgabequote der Demokraten bei 35 %, der Republikaner bei 27 % und der Unabhängigen bei 23 %.

In 2020 hatten final 87,7 % der Demokraten ihren angeforderten Stimmzettel auch wieder abgegeben. Bei den Republikanern dagegen lag die Quote bei 79,4 %. Unabhängige kamen auf 84 %.


Welche Trends können aus diesen Zahlen abgeleitet werden?


Sollte sich die vorgenannten Trends in diesem Jahr also so fortsetzen, können für Pennsylvania folgende Ableitungen getroffen werden.

  • Der Anteil der Republikaner bei den angeforderten Briefwahlzetteln wächst leicht an, unabhängig davon, wie viele Unterlagen insgesamt beantragt werden.
  • Die Demokraten würden dagegen ihren ohnehin schon deutlich höheren Anteil an abgegebenen Briefwahlzetteln nochmals leicht erhöhen können.
  • Die Rückgabequote weist aktuell eine Differenz zwischen Demokraten und Republikanern auf, die identisch ist mit der finalen Quote 2020.

Diese Ableitungen helfen ggf. den Wahlkampfteams ihre Schwerpunkte richtig zu setzen. Aufrufe und Erinnerungen Briefwahlunterlagen wieder abzugeben können je nach Situation in den Counties, zu denen nochmals aufgeschlüsselt konkrete Zahlen vorliegen, platziert werden.
Für die Wahlnacht muss dann berücksichtigt werden, dass in Pennsylvania die Auszählungen wieder mit unterschiedlichen Tendenzen erfolgen können. Sollten die Demokraten erneut deutlich stärker per Brief wählen, könnte sich ein Bild wie 2020 in etwa wiederholen. Erhöhen die Republikaner ihren Anteil an Briefwählenden, könnte eine Aufholjagd von Kamala Harris weniger stark ausfallen, wie die von Joe Biden in 2020, was aber auch davon abhängig ist, welche Counties dann noch zu welchem Anteil offen sind.

Sicher ist aber, dass anhand der hier vorliegenden Zahlen keinerlei Ableitungen zum Wahlergebnis getroffen werden können. Schließlich ist unklar, wie hoch der Anteil der Demokraten und Republikaner ist, die jeweils auch für ihren eigenen Kandidaten gestimmt haben. Auch ist überhaupt nicht bekannt, wie sich die Unabhängigen hier entschieden haben.
Hinzu kommt die Frage, wie viele Menschen dann noch am Wahltag ihre Stimme abgeben.

*Alle aufgeführten Zahlen für dieses Jahr stammen von Votehub.
Die Vergleichszahlen von 2020 stammen vom Pennsylvania Secretary of State`s office.

Samstag, 12. Oktober 2024

Swing States immer offener - Harris und Trump mit unterschiedlichen Strategien

So intensiv der Wahlkampf auch ist, nennenswerte Bewegungen in den Umfragen sind kaum erkennbar. Ein Trend aber hat sich durchgesetzt: Harris und Trump nähern sich in den Swing States immer mehr an.
Die durchschnittlichen Umfragen für die sieben Battleground States sehen in fünf von sieben Bundesstaaten einen Unterschied von unter 1%.

Trump holt in vielen Swing States auf


Dabei ist erkennbar, dass Donald Trump in den letzten sechs Wochen insbesondere im Rust Belt aufgeholt hat. Er konnte seine Rückstände in Michigan, Pennsylvania und Wisconsin verringern. Auch in Arizona konnte er das Blatt wenden.
Dagegen hat sich sein Vorsprung in Georgia verringert und sein Rückstand in Nevada vergrößert.

Die folgende Tabelle zeigt die aktuellen durchschnittlichen Umfragestände im Vergleich zu denen vor ca. 6 Wochen.


Vorsprung Harris = blau Vorsprung Trump = rot

aktuell

vor sechs Wochen

Entwick-lung

Pennsylvania

+ 0,7

+ 1,6

+ 0,9

Michigan

+ 1,5

+ 2,9

+ 1,4

Wisconsin

+ 1,7

+ 3,3

+ 1,6

North Carolina

+ 0,5

+ 0,1

+ 0,4

Georgia

+ 0,8

+ 1,3

+ 0,5

Arizona

+ 0,9

+ 1,2

+ 2,1

Nevada

+ 0,9

+ 0,4

+ 0,5




Klares Ergebnis trotz enger Umfragen?


Die aktuellen Umfragen zeigen also ein uneingeschränkt offenes Rennen. Denn sowohl die momentanen Abstände in den Meinungserhebungen als auch die Veränderungen der letzten Wochen und Monate sind so marginal, dass sie komplett in die Fehlertoleranz fallen.
Die meisten Umfragen weisen eine Fehlertoleranz von ca. 3-4 % für jeden erhobenen Wert aus, also bis zu 8% bei den Abständen zwischen zwei Kandidaten.

Wie vor einigen Wochen bereits dargestellt, ist es bei Präsidentschaftswahlen nicht ungewöhnlich, dass durchschnittliche Umfragen und tatsächliche Ergebnisse rund 4-5 % abweichen, bei Wahlen zum Senat und Repräsentantenhaus liegt dieser Wert noch etwas höher. 

Dies ist auch der Grund, dass das Endergebnis im Electoral College sehr unterschiedlich ausfallen kann, obwohl nur wenige Zehntausende Stimmen den Unterschied ausmachen können.
Ein so enges und offenes Rennen, wie es sich derzeit abzuzeichnen scheint, bedeutet also nicht zwangsläufig auch einen knappen Ausgang der Wahl.

Natürlich kann es sein, dass Harris oder Trump mit 270 zu 268 Electoral Votes jeweils mit nur zwei Electoral Votes gewinnen. Das ist logischerweise der Fall, wenn die Swing States von unterschiedlichen Kandidaten gewonnen werden.


Trump gewinnt mit 2 Electoral Votes durch
Pennsylvania, North Carolina und Georgia


Harris gewinnt mit 2 Electoral Votes durch
Pennsylvania, Michigan und Wisconsin


Liegen die Umfragen aber generell tendenziell einseitig zugunsten von Harris oder Trump daneben, kann bei diesen engen Meinungserhebungsergebnissen auch sehr einfach eine Differenz von rund 100 Electoral Votes zustande kommen.


Trump gewinnt mit 86 Electoral Votes Vorsprung
durch Sieg in alles Swing States
Harris gewinnt mit 100 Electoral Votes Vorsprung
durch 
Sieg in alles Swing States

Harris und Trump wählen unterschiedliche Strategien der Mobilisierung


Je dichter der Wahltag heranrückt, desto wichtiger ist der Unterschied, ob bei den Umfragen "nur" registrierte Wählerinnen und Wähler berücksichtigt wurden oder ob diese Gruppe auch nochmal befragt wurde, wie wahrscheinlich es ist, dass sie auch tatsächlich an der Wahl teilnehmen (Likely Voters, in Umfragen meist mit LV statt RV für Registered Voters abgekürzt).

Eine allgemeine Stimmung bei allen Registrierten muss eben nicht zwingend am Wahltag auch abgebildet werden. Wenn Harris oder Trump also ihre grundsätzliche Zustimmung nicht in tatsächliche Wählerstimmen umwandeln können, lassen sie Potenzial liegen.

Ein weiterer Faktor spielt zunehmend eine größere Rolle. Die Anzahl der Unentschlossenen wird in den nächsten Wochen tendenziell abnehmen. Die letzten Wochen des Wahlkampfs sollten eher dazu führen, dass sich bislang Unentschlossene final entscheiden.

Donald Trump und Kamala Harris sind also gefordert, diese beiden Potenziale bestmöglich abzurufen. Einerseits die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft steigern (RV in LV umwandeln) und andererseits Unentschlossene final für sich zu gewinnen. 


Trump setzt auf radikalen Populismus um sein ganzes Potenzial auszuschöpfen


Das von CNN angedachte TV-Duell zwischen Harris und Trump hat der Republikaner abgelehnt. Ebenso sagte er im Gegensatz zu Harris das auf CBS traditionell sehr bekannte Interview bei "60 Minutes" ab. Der Republikaner verzichtet ohnehin weitgehend auf die traditionellen Mainstream-Medien. Offenbar geht er davon aus, dass er auf diesen Sendern oder auch bei Zeitungen wie der New York Times oder der Washington Post keine Wählerinnen und Wähler mehr überzeugen kann. Trump zieht sich zunehmend in für ihn angenehme Formate zurück. Auftritte bei großen wie kleinen rechten und nationalistischen Podcasts oder anderen Social Media Kanälen sind an der Tagesordnung, wie auch seine Auftritte vor Ort in den Swing States.
Inhaltlich haben Trump und dessen Unterstützer nochmal an Aggressivität zugelegt und bedienen dabei immer stärker Rassismus und Verschwörungstheorien. Ausländer würden das Morden und Töten in ihren Genen haben, Haitianer in Ohio die Haustiere der Amerikaner essen, die Demokraten beeinflussen das Wetter und Kamala Harris lenke Hilfsgelder für Hurrikan-Opfer an illegale Einwanderer um.
Diese offensichtlichen und nachgewiesenen Lügen sind nicht geeignet, die moderate Wechselwählerschaft zu begeistern. Das weiß auch das Wahlkampfteam Trumps. Sie setzen also voll eine maximale Emotionalisierung und Mobilisierung ihrer Stammwählerschaft, von der sie meinen, sie hätte Trump 2016 zum Sieg geführt. Vor acht Jahren waren es auch die zahlreichen Tabubrüche im Wahlkampf, die Trump letztlich nicht geschadet haben und für einen Erfolg gegen eine in den entscheidenden Swing States schwächelnde Hillary Clinton sorgten.
Trump gibt sich bewusst nicht mehr präsidial. Sei es aufgrund seiner Erfahrungen bei der Niederlage in 2020 oder schlicht deswegen, weil er weiß, dass inhaltlich für ihn nicht mehr aus der politischen Mitte herauszuholen ist.

Harris setzt auf schlummerndes Wählerpotenzial


Kamala Harris dagegen versucht nun genau diese von Trump vernachlässigte Mitte anzusprechen und hat sich inhaltlich gegen einen klaren linken Kurs entschieden. Anstatt von verschärften Waffengesetzen spricht sie von ihrer eigenen Schusswaffe der Marke Glock. Medicare for all ist kein Thema mehr und der Kampf gegen den Klimawandel ist selbst nach zwei desaströsen Hurrikans maximal eine Randnotiz in diesem Wahlkampf. Dazu kommt kein eindeutiger Schulterschluss mit einer pro-palästinensischen und muslimischen Wählerschaft der Demokraten in Michigan.

Harris setzt auf Überzeugungsarbeit bei den Themen Wirtschaft, Arbeit und Einwanderung. Ihre vermeintlichen Schwachstellen geht sie offensiv an. Aber sie weiß auch, dass das ggf. nicht reichen kann. Trotz eines radikalisierten Trumps kann sie mit Ausnahme des Unterschieds zu den Werten Joe Bidens bislang keine nennenswerten Erfolge in den Umfragen verzeichnen.
Fraglich ist, ob dieser Kurs aufgehen wird. Für einen Kehrtwende hin zum linken Flügel der Demokraten ist es zu spät. Unvermeidlich geht Harris nun also das Risiko ein, dass diese Wählerinnen und Wähler, die an Bidens Sieg in 2020 einen wichtigen Anteil hatten, frustriert zuhause bleiben. Sie setzt darauf, dass sie auf den letzten Metern des Wahlkampfs schon alle zur Wahl gehen werden, um Trumps Wiedereinzug ins Weiße Haus zu verhindern. Erst nach der Wahl wird Harris wissen, ob die Angst vor einer Rückkehr des Republikaners genauso groß ist, wie es 2020 der Wunsch war, Trump abzuwählen.

Harris setzt also anders als Trump auf einen Kurs der Mitte. Da sie aber auch festgestellt haben dürfte, dass dies bislang noch nicht so aufgegangen ist, versucht sie nun sehr gezielt gänzlich andere Wählerschichten zu erreichen. Zwar nutzt sie die klassischen Formate wie etwa das bereits erwähnte 60 Minutes Interview auf CBS. Auch vereinbarte sie einen Town Hall Auftritt auf CNN. Eine Welle an Interviews und Auftritten in den klassischen Medien sieht aber anders aus. Blickt man auf die Auftritte der letzten zwei Wochen, ist erkennbar, dass Harris teilweise politikferne Formate auswählt, um hier einfach auch mögliche Wählerinnen und Wähler zu erreichen, die keine klassischen politischen Medien konsumieren. 

Die Late Night Show mit Stephen Colbert besuchten zwar auch schon andere Politiker aus dem progressiven Spektrum, dennoch ist dies im Vergleich zu einem Interview mit CNN, Fox News, NBC, ABC oder CBS weniger politisch ausgerichtet. Ein noch viel prägnanteres Beispiel ist Harris Auftritt beim Podcast "Call Her Daddy" mit Alex Cooper. Der Podcast hat auf Youtube knapp 1 Mio überwiegend junge weibliche Abonnentinnen, bei Instagram sind es 2,5 Mio Follower, knapp 4 Mio bei TikTok und zweitgrößter Podcast bei Spotify in 2022. Politik gehört aber nicht zu den Hauptthemen und auch nebensächlich soll sie nur selten mal angeschnitten werden. Es folgten Auftritte in der Howard Stern Show um im Frühstücksfernsehen bei "The View".

Ob diese Taktik aufgehen wird, ist unklar, die Strategie dafür um so klarer. Wer sich als politisch Interessierter bislang nicht zwischen Trump und Harris entscheiden konnte, wird auch nach einem weiteren politischen Interview noch Grübeln. Wer vom linken Flügel der Demokraten jetzt noch immer zuhause bleiben will, dürfte nur noch schwer erreichbar sein. Warum also nicht eine ganz andere bislang kaum berücksichtigte Wählerschaft ansprechen? 

Dienstag, 8. Oktober 2024

Prognose US-Repräsentantenhaus 2024


Das US-Repräsentantenhaus ist neben dem US-Senat eine der beiden Kammern des Kongresses in Washington. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre vollständig neu gewählt, die Wahltermine fallen alle vier Jahre auf den Tag der Präsidentschaftswahl und sind dazwischen Teil der Midterm Elections (zuletzt 2022).

Neben dem Weißen Haus und dem US-Senat ist das Repräsentantenhaus eine der drei wichtigsten politischen Institutionen. Auch wenn Vergleiche zum deutschen Wahlsystem und Staatswesen nie so richtig passen, ist der Wahlprozess zum Repräsentantenhaus am ehesten mit der Wahl zum Deutschen Bundestag vergleichbar, allerdings nur bezogen auf die Erststimme, also das Direktmandat.

Die USA sind in 435 Congressional Districts aufgeteilt, aus denen Abgeordnete, die "Congressmen/Congresswomen" oder "Representatives" mit einfacher Mehrheit in das "House" gewählt werden. Eine Mehrheit ist bei 218 Sitzen erreicht.

Im Gegensatz zum Senat, in den jeder Bundesstaat zwei Senatorinnen oder Senatoren entsendet, orientiert sich die Verteilung der Sitze im Repräsentantenhaus an der Bevölkerungszahl der jeweiligen Bundesstaaten. So hat Kalifornien 52, Texas 38, Wyoming oder Delaware z. B. nur jeweils 1 Sitz.

Bei den Midterm Elections 2022 hatten die Republikaner die bis dahin bestehende Mehrheit der Demokraten abgelöst. Aktuell halten die Republikaner 220 Sitze, während die Demokraten auf 212 kommen. 3 Sitze sind derzeit vakant.


Offener Wahlausgang - Demokraten hoffen auf Machtwechsel

Während sich die Republikaner gute Chancen ausrechnen, einen Mehrheitswechsel im US-Senat zu erreichen, müssen sie im Repräsentantenhaus um ihren Einfluss bangen.

Praktisch alle seriösen Modelle sehen derzeit ein offenes Rennen um die künftige Mehrheit. Es kann angenommen werden, dass von den 435 Sitzen rund 395 Sitze relativ sicher eine der Parteien zugeordnet werden können. Entsprechend sind rund 40 Sitze in diesem Jahr besonders umkämpft, von denen wiederum die Hälfte als völlig offen gelten.

Beide Parteien kommen basierend auf Umfragen und Erfahrungen früherer Wahlen in den Einschätzungen verschiedener Modelle auf gut 205 Sitze. Von den dann noch offenen 25 Sitzen müssten entsprechend 13 Sitze für eine Mehrheit gewonnen werden.

Kurz vor der Wahl gehe ich nochmal näher auf die dann voraussichtlich entscheidenden offenen Congressional Districts ein.




Die Karte zeigt einen durchschnittlichen Stand der Umfragen und Vorhersagen vier verschiedener Modelle (Sabato's Crystal Ball, Cook Political Report, Fox News, Split Ticket,  CNalysis, Elections Daily und Inside Elections) und wurde von 270towin.com zusammengeführt.

Wie oben bereits erwähnt, entscheidet die Bevölkerungszahl maßgeblich über die Anzahl der Congressional Districts. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Landkarte für das Repräsentantenhaus meist stark rot geprägt ist. Das bedeutet, dass die großen Flächen mit wenig Bevölkerung meist für Republikaner stimmen, während die für die Demokraten stimmenden blau gefärbten Ballungszentren der Metropolen nur wenig Fläche einnehmen.

Zur Verdeutlichung habe ich exemplarisch die Congressional Districts für New York City und Los Angeles in den folgenden Karten größer dargestellt. Im Süden des Bundesstaats New York befindet sich New York City, im Süden des Bundesstaats Kalifornien befindet sich Los Angeles Jede Fläche mit einer Zahl entspricht einem Congressional District.


Bundesstaat New York


New York City


Bundesstaat Kalifornien


Großraum Los Angeles

Das Repräsentantenhaus ist neben dem Senat maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt und hat insbesondere das Budgetrecht als ein Alleinstellungsmerkmal. Nur in dieser Kammer können Finanz- und Haushaltsgesetze eingebracht werden. Erst danach gehen die Ergebnisse weiter an den Senat.

Die Arbeit im Repräsentantenhaus erfolgt in Fachausschüssen, die ähnlich wie in Deutschland thematisch aufgeteilt sind.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Vance überzeugt taktisch und stilistisch bei TV-Duell - Walz hat kritische Prüfung bestanden

Man konnte fast den Eindruck gewinnen, dass das TV-Duell der letzten Nacht etwas aus der Zeit gefallen war. Ungewöhnlich respektvoll ging es zu. Es wurde mehr über sachliche Themen gesprochen und diskutiert, als man es aus den vergangenen Präsidentschaftsdebatten gewohnt war. Kein Platz für persönliche Beleidigungen oder maßlose Selbstüberhöhungen. Tim Walz und JD Vance haben ihre Prüfungen auf großer Bühne bestanden und haben dem Wahlvolk gezeigt, wie man in aufgeheizten Zeiten auch miteinander umgehen kann.

Die komplette Debatte:




Wie viel davon aus Überzeugung oder eher taktischem Kalkül geschah, bleibt indes offen. Dass sich beide Kontrahenten aber im Laufe des Abends mit diesem Stil angefreundet hatten, war unübersehbar. Es ist lange her, dass zwei Kandidaten zur Präsidentschaftswahl sich so häufig einander zuwandten und sagten, dass man ja inhaltlich bei der einen oder anderen Zustandsbeschreibung kaum auseinander liege.


Vance gewinnt mehr Nutzen aus dem Duell

Als Zuschauer kann man natürlich nur bewerten, was man objektiv sieht. Bei der Frage, wessen Abend aber letztlich gelungener war, spielt auch die eigene Zielsetzung des Kandidaten oder dessen Wahlkampfteam eine Rolle.
Ich bewerte die Auftritte der letzten Nacht beide grundsätzlich positiv, der Republikaner Vance hat aber mehr Vorteile aus diesem Duell mitgenommen und aus meiner Sicht dieses damit auch knapp gewonnen.

Die Aufgabe für Vance war es, seine persönlichen Zustimmungswerte zu steigern und nicht zu einer Belastung für das republikanische Spitzenduo zu werden. Für Vance standen hierbei die unabhängigen Wechselwähler im Vordergrund. Dass sein Auftritt den Hardlinern unter den Trumpisten zu weichgespült gewesen sein dürfte,, spielt keine Rolle, da sie ohnehin Trump wählen und nicht Adressaten der vergangenen Nacht waren.
Vance ist es gelungen, höflich, selbstsicher, klar und inhaltlich auf der Höhe agierend aufzutreten. Das Bild, was ein Teil der Öffentlichkeit von ihm hatte, konnte er geraderücken oder hat zumindest fast alles Erforderliche dafür getan, dass zweifelnde Unentschlossene beruhigt sein können und sich nun doch zu Trump durchringen können.

Walz konnte oder wollte Vance nicht immer stellen

Dass ihm das gelungen ist, lag aber auch an seinem Gegenkandidaten. Tim Walz hat den Republikaner über weite Strecken gewähren lassen. Es war ja nicht so, als hätte Vance bei aller Freundlichkeit und Sachlichkeit nur wahre Dinge ausgesprochen. Einigen falschen Behauptungen hat er eben nur den Umhang der Sachlichkeit übergeworfen oder hat kritische Fragen vermieden zu beantworten. Dass die Republikaner die Retter der Gesundheitsreform Obamacare wären, war für die meisten Zuschauer neu. Ob Vance Kinder und Eltern bei Abschiebungen trennen würde, beantwortete er ebenso wenig, wie die Frage, ob er die republikanische Niederlage bei der letzten Präsidentschaftswahl eingestehen würde. Und auch die Darstellung, dass Trump einen friedlichen Übergang am 6.Januar 2021 ermöglichte, war ein Rückfall in seine sonst nicht selten zutage tretenden Verhaltensweisen in sozialen Netzwerken oder Wahlkampfveranstaltungen.

Tim Walz hat es nicht geschafft, JD Vance mit diesen Widersprüchen inhaltlicher und stilistischer Art unter Druck zu setzen. Zwar hat er Dinge richtig gestellt, inhaltliche Unterschiede auch gut herausgearbeitet, der richtige Zugriff fehlte aber. Vance fragliche Wandlung vom Populisten des Wahlkampfs zum sachlich-höflichen Debattierer im selbigen, ließ Walz dem Republikaner meist durchgehen. Nur ganz zum Schluss gelang es dem Demokraten, seinen Kontrahenten wirklich schwach aussehen zu lassen, als dieser es eben nicht schaffte, Trumps Wahlniederlage 2020 einzuräumen und sich so selbst ein wenig um den vollständigen Verdienst des Abends brachte.

Evtl. wollte Walz dies aber auch nicht. Es war vor dem TV-Duell klar, dass der Demokrat mit diesem Format etwas fremdelt. Er ging folglich auch sichtlich nervöser in das Duell und verlor so schon den Auftakt des Abends. Je länger die Debatte ging, desto sicherer wurde er. Aber auch bei ihm ging es darum, dieselbe Wählerschicht der Mitte für sich zu gewinnen. Hätte Walz nun übertrieben und den ruhigen Vance immer wieder attackiert, wäre der Demokrat als derjenige aus dem Duell gegangen, der den Zwist der vergangenen Jahr aufrechterhielt. Wohlwollend kann man also sagen, dass es Walz in Kauf nahm, Vance nicht allzu sehr herauszufordern, um selbst als überparteilicher souveräner und erfahrener Kandidat bei den Zuschauern in Erinnerung zu bleiben. Herausragende Debattierer hätten beide Ziele in Einklang bringen können.

Auch Vance opfert Ziele

Aber auch bei JD Vance tauchen beim zweiten Hinsehen strategische Fragen auf. Dem Republikaner ist es eben auch nicht gelungen, oder er hat darauf verzichtet, Tim Walz weiter als linksradikalen Irren zu diskreditieren. Wenn Trump also die Strategie weiter verfolgt, das Duo Harris/Walz als linke Bedrohung für die USA darzustellen, um so die Unentschlossen zu ihm zu treiben, war die letzte Nacht ein Rückschlag. Ist es also alles gar nicht so schlimm mit den Demokraten, könnten sich nun einige fragen, wenn Vance und Walz im Fernsehen so gut miteinander konnten? Und wie verhält es sich mit der Glaubwürdigkeit seiner Person, wenn Vance so unterschiedlich auftreten kann. Alles nur berechnende Taktik?

Das ist eben das Problem, wenn die eigene Authentizität anderen taktischen Zielen untergeordnet wird. Welcher Vance ist nun der echte? Solche grundlegenden Vertrauensfragen sollten bei Kandidaten zu diesem Zeitpunkt eines Wahlkampfes eigentlich nicht aufkommen. Da Vance aber von historisch schwachen Beliebtheitswerten kam, blieb ihm wohl aber auch nichts anderes übrig, als hier Prioritäten setzen.


Tim Walz musste sich seinerseits auch den Fragen zum Wahrheitsgehalts eigener Aussagen bezüglich eines Aufenthalts in Hongkong im Sommer des Jahres 1989 stellen. Walz hatte früher behauptet, zum Zeitpunkt der Proteste auf dem Tian'anmen Platz dort gewesen zu sein. Tatsächlich war er aber erst einige Monate später nach China gereist. Er gab schon in den vergangenen Wochen zu, dass er sich in diesem Punkt versprochen habe und bettete das in ein Bild von ihm selbst ein, was ihn zusammengefasst so zeichnet, als würde er rhetorisch manchmal etwas auf Abwege geraten, er sei manchmal ein Dummkopf in solchen Dingen. Ob Walz damals bewusst gelogen hat oder tatsächlich nur etwas unpräzise formulierte, muss jeder selbst bewerten. Walz wählte in der letzten Nacht aber den Weg, sich etwas verniedlichend, als nahbarer Mensch darzustellen, der auch mal Fehler machte und diese auch zugebe. Dies ist auch ein Weg, authentisch zu wirken oder auch hier wohlwollend formuliert, es tatsächlich zu sein.


Vorteile bei Vance überwiegen

Zusammengefasst denke ich, dass JD Vance insgesamt von diesem Duell profitiert hat. Er hat alles getan, um das Negativ-Image etwas abzuschütteln und zumindest oberflächlich ist ihm das gut gelungen. Gleichzeitig prägte sein Kommunikationsstil an dem Abend die Atmosphäre der gesamten Debatte, die Tim Walz aufnahm und seinerseits mit Leben füllte.
Walz hat sich nach anfänglichen Schwierigkeiten gefangen und konnte später auch eigene gute Akzente setzen. Der Demokrat hat aber einige Punkte liegen gelassen, die ihn zum Sieger des Abends hätten machen können. So überwiegen die Vorteile doch eher bei Vance.

Insgesamt dürfte der Ausgang dieses Duells aber doch eher nur marginalen bis gar keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt haben. Dafür hätte einer der beiden Kandidaten sich deutlich disqualifizieren müssen oder aber in so herausragender Form argumentieren müssen, dass dessen Performance über Wochen noch in den Köpfen bleibt und Gesprächsthema ist. Beide Kandidaten haben darauf verzichtet, dieses hohe Ziel zu erreichen und waren erfolgreich darin, keine Bürde für ihre Spitzenkandidaten zu sein. Somit liegt nun alles wieder in den Händen von Kamala Harris und Donald Trump, bzw. in denen aller Wählenden in den USA.