Montag, 5. August 2019

Das Waffenrecht der USA - wichtige Begriffe kurz erklärt

Themenschwerpunkt: Waffengesetze


Im zweiten Teil der Themenschwerpunktreihe im US-Wahlkampf geht es um das komplexe und äußerst kontrovers diskutierte Waffenrecht der USA. In Deutschland wird häufig der Kopf darüber geschüttelt, wie es immer wieder zu Amokläufen, Massenschießereien und tragischen Unfällen in Amerika kommen kann. Um die Hintergründe der Diskussion auch im Wahlkampf zu verstehen, lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen.

Zunächst ein paar Zahlen: Etwa 30-40% der Haushalte in den USA besitzen Schusswaffen. Es werden pro Jahr (2016-2018) ca. 15.000 Menschen in den USA durch Schusswaffen getötet, weitere ca. 30.000 werden verletzt. Hinzu kommen rund 22.000 Todesopfer durch Suizid mit Schusswaffen. Ca. 700 Kinder unter 11 Jahren werden getötet oder verletzt, ca. 3000 Jugendliche im Alter von 12-17 Jahren werden getötet oder verletzt.

Ursprung der Affinität zu Waffen


Das Recht auf Waffenbesitz basiert auf dem 2. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die ersten zehn Zusatzartikel sind auch unter dem Namen Bill of Rights bekannt.
In dem 2. Zusatzartikel von 1789 heißt es: "Da eine gut ausgebildete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."

Diese Formulierung lässt natürlich einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Ist die Nennung der Miliz eine Zweckbestimmung? Welche Waffen sind gemeint? Ist tatsächlich eine Beeinträchtigung oder gar ein Verbot gemeint? 2008 entschied der Supreme Court, dass schussbereite Handfeuerwaffen zu Hause zur Selbstverteidigung erlaubt sind.

Kompliziert wird die Bewertung des Waffenrechts auch dadurch, dass alle Bundesstaaten zum Teil sehr unterschiedliche Regelungen zum Erwerb, Besitz und Führen von Schusswaffen haben. In nicht allen Bundesstaaten ist z. B. ein Waffenschein zum Kauf einer Schusswaffe erforderlich. Anderswo ist das Führen von geladenen Schusswaffen auch außerhalb der eigenen vier Wände erlaubt, es gibt Unterschiede zwischen dem offenen und dem verdeckten Tragen von Waffen. Es wird differenziert zwischen „normalen“ Schusswaffen, firearms (automatische Waffen), assault weapons (Sturmgewehre) etc. An dieser Stelle gehe ich aber nicht auf jegliche Regulierungen und Unterschiede ein. Wichtig ist zunächst nur, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen der Waffengesetze auch die Diskussionen in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich ausgerichtet sind. Hier findet Ihr eine detaillierte Übersicht der wesentlichen waffenrechtlichen Bestimmungen in den jeweiligen Bundesstaaten.

Diskussionskultur und die Lobbyarbeit der NRA


Häufig wird davon gesprochen, dass das Recht auf Waffenbesitz eine Art Kulturgut sei. Sicher ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der US-Amerikaner dieses Recht als fundamental für seine Freiheit und Sicherheit ansieht. Sie sind meinungsstark und gut organisiert. Die National Rifle Association ist die größte und einflussreichste Waffenvereinigung der USA. Sie zählt ca. 5,5 Mio Mitglieder. Die NRA betreibt aktive Lobbyarbeit und versucht Waffengesetzgebung in ihrem Interesse zu lenken. So werden Politikern Bewertungen (A-F) gegeben. Grob vereinfacht gesagt, erhält ein Politiker, der die  Anliegen der NRA unterstützt ein A und ein Gegner ein F, mit entsprechenden Zwischenkategorien B, C, D. Zu den Midterm Elections 2018 erhielten 93 % der Republikaner ein A-Rating und 91 % der Demokraten ein F-Rating.
Die aktuellen Diskussionen um schärfere Waffengesetze werden mit sehr viel Ideologie und Emotion geführt. Befürworter werden als Verfassungsfeinde bezeichnet, Gegnern von schärferen Regelungen eine Mitschuld an den immer wiederkehrenden Amokläufen und Massenschießereien gegeben.

Die Reform Brady Bill


Es hat in der Vergangenheit vielerlei Reformbemühungen gegeben. Eine der wichtigsten der letzten Jahrzehnte war der Brady Bill oder auch Brady Act. Das Gesetz ist benannt nach dem früheren Pressesprecher Ronald Reagans, James Brady. Dieser wurde von einem Mann niedergeschossen, der zuvor bereits verhaltensauffällig im Zusammenhang mit Schusswaffen geworden war. Der Brady Bill schrieb vor, dass sich die Käufer von Handfeuerwaffen spätestens fünf Tage nach dem Kauf überprüfen lassen müssten, ehe sie die Waffe ausgehändigt bekommen. Innerhalb lizensierter Waffenläden erfolgte eine solche Überprüfung sofort. Die Kontrolle beinhaltete einen Abgleich mit der FBI-Datenbank, ob Vorstrafen oder psychische Erkrankungen, die dem Waffenbesitz entgegen stehen, vorhanden waren.  Das Gesetz wurde 1993 durch Bill Clinton unterzeichnet. 1997 hob es der Oberste Gerichtshof wieder auf. Jedoch nur mit der Begründung, dass die Gesetzgebung in der Zuständigkeit der einzelnen Bundesstaaten liegen müsste. Mehrere Bundesstaaten haben danach jedoch die Regelungen des Brady Bill übernommen.

Background Checks


Die heutige Diskussion um die Background Checks (Hintergrundüberprüfungen) befasst sich mit einer ähnlichen Frage. In den USA werden Background Checks verpflichtend beim Kauf von Schusswaffen bei lizensierten Händlern durchgeführt. Dabei werden die Daten des Käufers an eine Datei des FBI gesandt und binnen weniger Minuten erhält der Händler eine Antwort. Kauft sich jedoch jemand privat eine Schusswaffe, z. B. auch online oder gebraucht, entfallen diese Überprüfungen. Das ist zum Beispiel auch bei den sogenannten Gun Shows in den USA der Fall. Eine Gun Show ist eine Art Messe, bei der man von verschiedenen Verkäufern Schusswaffen erwerben kann. Diese Überprüfungslücke nennt sich "loophole". Befürworter strengerer Waffengesetze verwenden häufig die Worte „close the loophole“ und meinen damit, dass die Gesetzeslücke und das Schlupfloch derjenigen, die sich auf diesem Wege eine Schusswaffe besorgen, geschlossen werden soll. Sie fordern dann Universal Background Checks.

Das Repräsentantenhaus verabschiedete am 27.02.2019 ein Gesetz, wonach es Background Checks beim Verkauf aller automatischen Waffen geben muss. Das Gesetz wurde mit 240 zu 190 Stimmen angenommen, wobei fast alle Demokraten dafür und fast alle Republikaner dagegen stimmten. Damit ist das Gesetz an den Senat weitergegeben worden, wo es bislang noch nicht beschlossen wurde. Dort haben die Republikaner eine Mehrheit. Sollte wider Erwarten das Gesetz auch den US-Senat passieren, müsste Donald Trump als amtierender Präsident noch zustimmen. Trump kündigte aber bereits an, sein Veto gegen das Gesetz auszusprechen, sofern es ihm vorgelegt wird.

Kernforderungen im aktuellen US-Wahlkampf 2019/2020


Neben den Background Checks werden im aktuellen Vorwahlkampf der Demokraten nahezu einhellig insbesondere die Wiedereinführung eines Verbots von Sturmgewehren sowie ein Verbot sowohl von Schusswaffenmagazinen mit hoher Kapazität als auch von Bump Stocks (Schnellfeuerkolben) gefordert. Vereinzelt gibt es auch Forderungen nach der Einführung von Waffenscheinen. Die Positionen der verschiedenen demokratischen Präsidentschaftsbewerber/innen sind jedoch nicht so kontrovers, dass sie ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darstellen. Die Diskussionen werden immer mal wieder auch anlassbezogen verstärkt geführt. Zu einer intensiven Debatte um die Verschärfung der Waffengesetze wird es aber sicherlich im Wahlkampf zur General Election kommen. Donald Trump wird hier mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Zugeständnisse in Richtung der Demokraten machen.


Red Flag Law


Unter dem Begriff Red Flag Law ist im Zusammenhang mit Schusswaffen zu verstehen, dass die Polizei oder Familienangehörige von Schusswaffenbesitzern bei einem zuständigen Gericht die vorübergehende Wegnahme der Waffe beantragen können, wenn begründet werden kann, dass die Person eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Eine solche gesetzliche ERPO Regelung (Extreme Risk Protection Order) gibt es inzwischen in 16 meist demokratisch geprägten Bundesstaaten.

Stand your Ground


Eine weitere wichtige Formulierung bei der Diskussion um Waffengesetze ist das „Stand your Ground (Law)“ Dieses Gesetz erlaubt es z. B. dem Hauseigentümer im Falle eines Einbruchs, den Täter im Zweifel zu erschießen. Lange Zeit war der Bewohner verpflichtet, sich zunächst zurückzuhalten, zurückzuweichen bzw. eine Konfrontation zu vermeiden. Diese Regelung wurde durch das Stand your Ground Gesetz aufgehoben. Das Recht braucht dem Unrecht nicht weichen. Nun ist dem Bewohner innerhalb seines privaten bzw. berechtigten Bereichs erlaubt, sich gegen das rechtswidrige Eindringen/Verletzen (Gewaltverbrechen) zur Wehr (Notwehr) zu setzen. Dass dabei auch der Täter getötet oder schwer verletzt werden kann, ist gesetzlich abgesichert. Der Verteidigende kann nicht strafrechtlich belangt werden. An dieser Stelle verzichte ich auf weitere rechtliche Erläuterungen zu den Definitionen von Gewaltverbrechen, Notwehr etc. die selbstverständlich aber klar geregelt sind. Aber wie auch in Deutschland kennt die Anwendung von Notwehr auch in den USA eine gewisse Grenze. Vereinfacht gesagt: Wenn es offensichtlich ist, dass von einem Angreifer keine ernsthaftere Gefahr ausgeht, ist das Mittel der Notwehr zwar berechtigt aber es muss auch verhältnismäßig bzw. notwendig sein.
Stand your Ground ist nicht so umstritten, wie andere Themen im Zusammenhang mit dem Waffenrecht.

Waffenfreie Zonen und ein staatliches Rückkaufprogramm


Als Folge verschiedener Amokläufe gibt es nicht nur die Forderung nach der Verschärfung von Waffengesetzen. Die NRA und viele konservative Politiker verfolgen dabei den Ansatz, dass waffenfreie Zonen, die es im öffentlichen Raum immer mal wieder gibt, abgeschafft werden sollten. Sie seien eine Einladung für Täter, da sie in diesen Bereichen mit weniger Gegenwehr rechnen könnten. Opfer und Passanten hätten keine Möglichkeit, sich mit Waffen zur Wehr zu setzen. Die Vorschläge werden ergänzt durch die Forderung, dass z. B. Bildungspersonal nach Anleitung Waffen mitführen müssten. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie weit die unterschiedlichen Ansätze auseinander liegen. Zwischen mehr Waffen und weniger Verbote auf der einen Seite und weniger Waffen und schärfere Gesetze auf der anderen Seite scheint in diesem aufgeladenen Konflikt wohl kaum ein Kompromiss möglich sein.

Zusätzlichen Zündstoff erhielt die allgemeine Debatte um das Waffenrecht, als die Möglichkeit eines verpflichtenden staatlichen Rückkaufprogramms für Waffen ins Spiel gebracht wurde. Australien hat den Bürgern die Waffen abgenommen und für finanzielle Entschädigung gesorgt. Der Erfolg dieser Maßnahme ist an einer stark gesunkenen Opferzahl messbar und gilt in Australien als weitgehend unbestritten. Die NRA warf den Befürwortern strengerer Waffengesetze vor, schon immer die Konfiszierung aller Schusswaffen angestrebt zu haben.

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