Für den Fall Nevada lohnt sich, wie so häufig, ein genauerer Blick in das Zahlenwerk, um den Wert dieses Wahlsieges und dessen Aussagekraft besser beurteilen zu können. Der Nevada Caucus war letztlich in drei wesentliche Kategorien aufgeteilt, das First Vote, das Final Vote und die Berechnung und Zuweisung der County Delegates, die dann abschließend für die Delegiertenverteilung für den Bundesstaat Nevada maßgeblich sind.
Ausgezählt
100 %
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First
Vote
|
Final
Vote
|
County
Deleg.
|
Delegierte
|
Sanders
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34,0
%
|
40,5
%
|
46,8
%
|
24
|
Biden
|
17,6
%
|
18,9
%
|
20,2
%
|
9
|
Buttigieg
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15,4
%
|
17,3 %
|
14,3 %
|
3
|
Warren
|
12,8 %
|
11,5
%
|
9,7
%
|
0
|
Klobuchar
|
9,6
%
|
7,3
%
|
4,2
%
|
0
|
Steyer
|
9,1 %
|
4,1
%
|
4,7
%
|
0
|
Sanders gewinnt in Nevada in vielerlei Hinsicht
Relative Mehrheit im 1. Wahlgang
Das First Vote ist die ursprünglichste Form des Wahlergebnisses und reflektiert am ehesten den grundsätzlichen Zuspruch eines Kandidaten. Das First Vote eines Caucus ähnelt dem Abstimmungsergebnis eines Primary, der mit Abstand am häufigsten gewählten Form der Vorwahlen 2020. Hierbei können zwar auch taktische Überlegungen der Wählerinnen und Wähler insbesondere angesichts der bestehenden 15%-Hürde eine Rolle spielen, die Ergebnisse des First Vote sind aber die unverfälschtesten Zahlen des tatsächlichen Meinungsbildes.
Schaut man sich nun das Ergebnis von Bernie Sanders im First Vote des Nevada Caucus an, ist festzustellen, dass er hierbei auf 34,0 % gekommen ist. Dahinter liegen Biden mit 17,6 %, Buttigieg mit 15,4 %, Warren mit 12,8 %, Klobuchar und Steyer mit jeweils zwischen 9-10 %.
Nun kann man unterschiedlich interpretieren:
Die Sanders wohlgesonnene Variante A: Sanders hat fast doppelt so viel Stimmen erhalten, als der nächste Verfolger Biden und im Verhältnis entsprechend mehr als alle andere Kandidierenden der Demokraten.
Die Sanders kritische Variante B: rund zwei Drittel aller Demokraten haben den Senator nicht gewählt und lehnen ihn möglicherweise sogar ab.
Beide Sichtweisen sind objektiv richtig und je nachdem, vor welche Anhänger man im Wahlkampf tritt, wird eine der beiden Varianten angewandt.
Sanders profitiert vom 2. Wahlgang besonders
Das Final Vote wird nun zur weiteren Bewertung hinzugezogen. Es stellt das Ergebnis dar, nachdem die "non-viable" Kandidaten die 15 % verpasst haben und deren Wählerinnen und Wähler eine 2. Wahl erhielten. Vereinfacht gesagt, wer profitiert vom Ausscheiden unterlegender Kandidaten?
Nach diesem Final Vote kommt Bernie Sanders auf 40,5 %, Biden auf 18,9 %, Buttigieg auf 17,3 %, Warren auf 11,5 %, Klobuchar und Steyer sind nun erstmal zu vernachlässigen.
Die Interpretationsmöglichkeiten sind ähnlich denen nach dem First Vote. Sanders hat doppelt so viele Stimmen wie der Zweitplatzierte, eine Mehrheit von knapp 60% war aber nicht für den Senator.
Delegiertenverteilung entscheidend - Sanders großer Pluspunkt
Es folgt die Delegiertenzuweisung. Hierbei ist eher eine wahlrechtsstrategische bzw. mathematische Interpretation anzuwenden. Sanders kommt hierbei auf etwa 46,8 % der County-Delegiertenstimmen. Biden auf 20,2 % und Buttigieg auf 14,3 %. Warren erhält 9,7 %, Steyer 4,7 % und Klobuchar 4,2 %.
Diese Werte werden nun nicht 1-zu-1 umgerechnet, sondern aufgeschlüsselt nach Congressional Districts und dem Gesamtergebnis für Nevada. Die Aufschlüsselung ergibt, dass Sanders wohl 24 Delegierte gewonnen hat, während Biden auf 9 und Buttigieg auf 3 Delegierte kommt.
Sanders hat also auch hier mehr als doppelt so viele Delegierte wie der Zweitplatzierte. Das ist aber gar nicht entscheidend. Entgegen der Ergebnisse des First und Final Vote, kommt Sanders nicht auf 34 % bzw. auf 40 % der Delegiertenstimmen. Der Senator erhält rund 66 % aller Delegiertenstimmen.
Plakativ ausgedrückt. Aus einer Zweidrittel-Mehrheit gegen Sanders im First Vote, wurde eine Zweidrittel-Mehrheit für Sanders bei der letztlich entscheidenden Delegiertenverteilung.
Wie also ist das Ergebnis für Sanders zu bewerten?
Um es kurz zu machen, das Abschneiden Bernie Sanders beim Nevada Caucus ist ein starker Erfolg für den Senator.
Sanders ist in der Lage, auch in einem Bundesstaat mit hohem Einfluss "nicht-weißer" Bevölkerung, hier insbesondere der Lateinamerikaner, auf Anhieb all seine Konkurrenten deutlich auf die Plätze zu verweisen. Die Wahltagsbefragungen, z. B. von CNN haben gezeigt, dass Sanders Zuspruch bei den Hispanics enorm hoch ist und er hier einen deutlichen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern hat. Zudem hat er bei den Afroamerikanern nicht mehr einen so großen Rückstand auf den erstplatzierten Joe Biden, wie es Sanders 2016 noch im Verhältnis zu Hillary Clinton hatte.
Sanders war zumindest in Nevada nicht der polarisierende Kandidat, wie er gerne mal von Biden, Buttigieg, Klobuchar etc. dargestellt wird. Kein anderer Kandidat, erhielt so viele Stimmen zusätzlich durch das Final Voting. Nun muss an dieser Stelle zwar darauf hingewiesen werden, dass es in einigen Wahlbezirken ggf. auch nur möglich war, sich auf Sanders Seite im Final Vote zu schlagen oder nach Hause zu gehen, da sonst kein Kandidat das First Vote überstanden hatte, aber das ist letztlich nicht maßgeblich. Schließlich haben sich die Anhänger der anderen Kandidaten auch nicht zusammengetan, um einen Gegenpol zu Sanders zu schaffen.
Am Ende zählen nur die Delegierten
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist die Delegiertenberechnung. Für einen Frontrunner ist es ein Problem, wenn er zwei oder drei Mitbewerber hat, die regelmäßig auch Delegiertenstimmen gewinnen. Dann wird es schwierig werden, auf die 1991 erforderlichen Stimmen beim Nominierungsparteitag zu kommen. Andererseits ist es aber auch möglich, dass ein Frontrunner gerade von der Zersplitterung der Stimmen profitiert, wie zuletzt in Nevada geschehen. Wenn nämlich, die Kandidaten C, D und E regelmäßig auf 12, 11 und 10 % Stimmenanteil kommen, gehen sie aufgrund der 15 %-Hürde meistens leer aus. Die eigenen 40 % des Frontrunners erhalten plötzlich ein weitaus stärkeres Gewicht. Sie stehen dann eben nicht mehr in Konkurrenz zu den 20% des Kandidaten B und den 33% von C, D und E. Die 40% stehen dann nur noch im Verhältnis zu den 20 % von B. Es sind eben genau die o.g. wertvollen Zweidrittel.
Daran schließt sich sofort die Frage an, ist es für Sanders nun gut, dass möglichst viele Kandidaten noch lange im Rennen bleiben oder hätte er größere Chancen, wenn sich nur noch 1 Gegenkandidat mit ihm misst. Die Antwort ist folglich: Das hängt davon ab...
Binden die Kandidaten viele Stimmen, die am Ende bei der Delegiertenverteilung wertlos werden und verfallen (15%-Hürde) oder sind es zwei oder drei Kandidaten, möglichst auch noch immer dieselben, die sich kontinuierlich die Hälfte oder mehr Delegiertenstimmen aufteilen.
Aber selbst im 2. Fall wäre festzustellen, dass es keinen Kandidaten gibt, der mehr Delegiertenstimmen als Sanders einsammeln würde. Eine Contested Convention mit dem Frontrunner Sanders wäre vorprogrammiert.
Noch keine Vorentscheidung
Diese Überlegungen stellen den aktuellen Stand dar und sind gewiss keine Prognose zum Ausgang der Vorwahlen der Demokraten 2020. Nur für den Fall, dass Sanders die Stärke beibehält, die übrigen Kandidaten kein Mittel finden, um den Senator zu stoppen, Mike Bloomberg nicht so recht punkten kann und die meisten anderen Bundesstaaten sich der Meinung Nevadas anschließen, würde der Weg Sanders in etwa wie oben beschrieben vorgezeichnet sein. Würden wir nur den Iowa Caucus nach dem obigen Modell bewerten, kämen wir wohl nicht zu einem solch eindeutig positiven Ergebnis. In Iowa profitierte insbesondere Pete Buttigieg vom Final Vote und der Delegiertenberechnung. Da es aber kaum Caucuses gibt, wird die Frage nach dem Final Vote künftig ohnehin in den Hintergrund rücken, da in den anstehenden Primaries nur das im übertragenen Sinne First Vote gilt, in dem die Überlegungen eines Final Votes evtl. schon im Vorfeld der Wahlentscheidung bei den Wählerinnen und Wähler eine Rolle spielen könnten.
Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt zu viele Variablen, um sagen zu können, ob Sanders noch zu stoppen ist. Und weil das so ist und immer auch berücksichtigt werden muss, dass noch 97,5 % aller Delegiertenstimmen zur Wahl stehen, blickt man sowohl als Kandidat als auch als Beobachter am besten nur auf die nächsten anstehenden Vorwahlen. Und wie schnell sich eine Dynamik zu Gunsten oder auch zu Ungunsten eines Kandidaten entwickeln kann, haben die letzten Wochen gezeigt. Aber die vorgenannten Aspekte helfen dabei, die Ergebnisse der kommenden Vorwahlen besser einzuordnen.
Am kommenden Samstag in South Carolina wird es insbesondere um die Frage gehen, wie dicht Sanders an den grundsätzlich in den Südstaaten favorisierten Biden herankommen oder ihn sogar schlagen kann. Evtl. profitiert Biden auch davon, dass sich die Anhängerschaften Buttigiegs oder Klobuchars gewiss die Frage stellen werden, wie groß die Chance sein wird, dass sie mit ihrer Stimme Buttigieg oder Klobuchar über die 15 % verhelfen können. Kommen sie zu dem Ergebnis, dass dies unwahrscheinlich ist, könnten sie eher zu Biden überlaufen, als zu Sanders. Entweder aus inhaltlichen Gründen oder einzig aufgrund der Tatsache, dass sie noch keine Vorentscheidung zugunsten Sanders herbeiführen wollen. Von diesem bzw. einem ähnlichen Effekt könnte aber auch Sanders profitieren. Dieselbe Frage werden sich auch die Warren-Unterstützer stellen. Genauso kann es auch sein, dass einige sagen werden, sie wollen einfach nur einen eindeutigen und starken Spitzenkandidaten der Demokraten und wählen dann den "amtierenden" Frontrunner Sanders.
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