Mittwoch, 17. Oktober 2018

Unabhängige könnten für das Repräsentantenhaus die Entscheidung bringen

In meinem letzten Artikel hatte ich dargestellt, mit welchen Schwierigkeiten die Demokraten im Kampf um einen Mehrheitswechsel im Senat zu kämpfen haben. Sie müssen in vielen republikanisch geprägten Bundesstaaten ihre Kandidatinnen und Kandidaten durchbringen, was bei einer starken Mobilisierung beider Seiten eher den in den jeweiligen Bundesstaaten strukturell stärkeren Parteien, hier den Republikanern, helfen würde. Ein Mehrheitswechsel im Senat scheint daher eher unwahrscheinlich zu sein.

Anders ist die Ausgangslage für das Repräsentantenhaus. Nehmen wir die aktuellen Umfragen und Prognosen als Bewertungsbasis, ist festzustellen, dass etwa 20-30 Sitze nicht einer der beiden Parteien zugerechnet werden können.

Während die Schlüsselbundesstaaten für den Senat aber eher klassisch republikanisch geprägt sind, handelt es sich bei den 20-30 Wahlbezirken für das Repräsentantenhaus meist um eher ausgeglichene Bereiche, die aber 2016 mehrheitlich republikanisch gewählt haben. Weder die Demokraten, noch die Republikaner haben hier jedoch einen eindeutigen strukturellen Vorteil. Die meisten dieser Disctricts liegen in den Vororten oder im Speckgürtel der Großstädte, wie z. B. Chicago in Illinois, Richmond in Virginia, Los Angeles und San Francisco in Kalifornien oder etwa Charlotte in North Carolina. Moderate Demokraten und Republikaner prägen die Wählerstruktur. Eine starke Mobilisierung kommt beiden Parteien gleichermaßen zu Gute. Die Entscheidung aber könnten neben lokalen Themen oder individuellen Stärken und Schwächen der Kandidatinnen und Kandidaten insbesondere die unabhängigen Wählerinnen und Wähler bringen.

Insgesamt spielen hier eher jene eine entscheidende Rolle, die keine Trump-Fans sind, sich aber von ihm auch nicht unbedingt abschrecken lassen. Solange die Ergebnisse stimmen, können sie sich eine Unterstützung des Präsidenten vorstellen. Sie würden aber auch moderate oder konservative Demokraten wählen, eher nicht jedoch einen linksprogressiven Bernie Sanders z. B.  Jene, die also pragmatisch orientiert sind und nicht aus ideologischen Gründen eine bestimmte Partei wählen, können hier den entscheidenden Ausschlag geben. Es sind keine Wahlbezirke, in denen durchweg etwa Afroamerikaner oder Latinos überdurchschnittlich vertreten sind, ebenso wenig sind weiße Evangelikale hier überrepräsentiert. Eine einheitliche Ausprägung ist im Vergleich dieser Wahlbezirke nicht erkennbar. Die Wählerstruktur bildet einen unauffälligen Durchschnitt ab, mal etwas ländlicher geprägt, mal mit einem Hang zum Urbanen. Ein struktureller Vorteil für Demokraten oder Republikaner, der in allen dieser 20-30 Districts gilt, ist nicht festzustellen.
  • Anm.: Zu allen Districts findet Ihr bei Wikipedia teils sehr detaillierte Angaben zur Bevölkerungsstruktur und Übersichten früherer Wahlergebnisse (Bezeichnung ist der Bundesstaat und die Nummer des Districts, z. B. Virginia's 7th Congressional District, kurz VA7). Eine Übersicht, welche Districts besonders umkämpft sind, findet Ihr HIER (grau hinterlegt, Toss Up)

In diesen Wahlbezirken kommt es zudem besonders auf Stabilität an. Den Menschen geht es meist wirtschaftlich zumindest ausreichend gut, sie haben Interesse an einer sachlichen Politik, die ihren Status Quo sichert, leicht verbessert, aber in keinem Fall gefährdet. Das unterscheidet sie von abgehängten Regionen, in denen vorwiegend Enttäuschung und Resignation die Wahlentscheidung beeinflussen oder vom liberalen teils wohlhabenden großstädtischen Milieu, das einen andauernden Fortschritt mit Veränderungen einfordert und zudem von wirtschaftlichen Krisen nicht existenziell betroffen ist.

Um also die Wählerinnen und Wähler dieser Districts anzusprechen und eine Mehrheit zu gewinnen, reicht es nicht aus, auf die klassische eigene Basis zu setzen, obgleich es ohne die eigene Wählerinnen und Wähler natürlich auch nicht geht.
Die Unabhängigen und potenziellen Wechselwähler werden angesprochen, indem man ihnen Themen präsentiert, die auf ihren Wunsch nach Stabilität abzielen: Arbeitsplätze, Gesundheitsversorgung, Einkommen, Bildung, Sicherheit. Beide Parteien haben hier ihre eigenen Ansätze, die sie im Wahlkampf vertreten. Durchschlagenden Erfolg meinen aber die Wahlkampfstrategen insbesondere mit der Angst bzw. den Negativemotionen der Wählerinnen und Wähler erreichen zu können. So ist im Fernsehen und Radio lokal immer wieder Negativwerbung über die jeweilige Konkurrenz zu sehen und zu hören. Ein beliebtes Beispiel ist dabei insbesondere das explizite Hervorheben unbeliebter Politiker der jeweils anderen Seite. Da der US-Präsident laut Umfragen unter Unabhängigen und den meisten Demokraten eher negativ gesehen wird, lassen die Demokraten kaum eine Chance aus, darauf hinzuweisen, dass der republikanische Gegenkandidat den Präsidenten bei diesem oder jenem Gesetz unterstützt habe. Andersrum ist bei republikanischer Negativwerbung kaum ein Name häufiger zu hören als der, der als unpopulär geltenden Nancy Pelosi, Sprecherin der Demokraten im Repräsentantenhaus. Kaum eine Spitzenpolitikerin in den USA kommt bei Unabhängigen schlechter weg. Aber auch inhaltlich werden vermeintliche Ängste und Sorgen des Wahlvolks angesprochen. Republikaner weisen daraufhin, dass mit den liberalen Demokraten die illegale Migration aus Mexiko zunimmt und damit auch ein wirtschaftlicher Abschwung, der Verlust von Arbeitsplätzen und ein Anstieg der Kriminalität einhergehe. Die Demokraten warnen vor den Folgen möglicher Handelskriege, die durch Donald Trump forciert werden und zielen dabei ebenfalls auf die Bedürfnisse nach Stabilität ab.

Der Kampf um die Unabhängigen und Parteianhänger beider Seiten hin zur politischen Mitte wird den entscheidenden Ausschlag in vielen dieser als offen geltenden Wahlbezirke bringen. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit auf einen Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus deutlich größer als im Senat. Die Umfragen sprechen derzeit eher für die Demokraten, aber Donald Trump und die Republikaner wissen natürlich, wie sie Wahlkampf betreiben müssen. So wird im Endspurt der heißen Wahlkampfphase auch ein drohender Stillstand des politischen Betriebs eine Rolle spielen. Wenn sich die Demokraten zu sehr auf Trump einschießen, müssen sie in Kauf nehmen, dass man ihnen nicht zutraut, konstruktiv mit dem Präsidenten und einer republikanischen Mehrheit im Senat zusammenzuarbeiten. Das Szenario von unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Kammern des US-Kongresses könnte die Befürchtung vor einer Lähmung des politischen Betriebs und einem zunehmenden Streit derart schüren, dass die oben beschriebenen Wählerinnen und Wähler zurückschrecken und lieber den Republikanern und Donald Trump weitere zwei Jahre der klaren Mehrheitsverhältnisse ermöglichen wollen. Die Strategie Trumps wird es also sein, gute wirtschaftliche Zahlen zu präsentieren für die er künftig nur dann garantieren könne, wenn der Kongress hinter ihm stehe.
Die Demokraten müssen in den letzten Wochen die Balance zwischen Angriff und Kooperation und Verhandlungsbereitschaft finden. Dies garantiert ihnen die Mobilisierung der eigenen Wählerbasis und soll zugleich Vertrauen bei den für das Repräsentantenhaus so wichtigen Wechselwählern und Unabhängigen schaffen.

Eine aktuelle Übersicht über die verschiedenen Prognosen zum Repräsentantenhaus findet ihr HIER.

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