Sonntag, 13. November 2022

Hausgemachtes Trump-Dilemma - Das Leiden der Republikaner nach den Midterms

Die Midterm Elections 2022 waren für die Republikaner eine schwere Enttäuschung, mit potenziell weitreichenden Folgen. Es ist ihnen nicht gelungen, die demokratische Mehrheit im US-Senat zu kippen. Die entscheidenden vor der Wahl als offen eingestuften Bundesstaaten wurden verloren, in Georgia kommt es noch zu einer Stichwahl. Selbst wenn die Republikaner die derzeit erwartete knappe Mehrheit im US-Repräsentantenhaus erreichen, was derzeit noch immer nicht klar ist, wird der Eindruck einer verlorenen Wahl überwiegen.


Zum aktuellen Stand der Midterm Elections findet Ihr weiter alle wichtigen Informationen hier im Liveticker.


Donald Trump wird nicht nur in konservativen Medien, sondern auch innerhalb der republikanischen Partei als Hauptschuldiger für das schwache Abschneiden der GOP verantwortlich gemacht. Die deutlich wahrnehmbare und offensichtlich berechtigte Kritik wirft aber auch die Frage auf, ob es sich die Republikaner nicht zu einfach machen, nun einseitig mit dem Finger auf den früheren Präsidenten zu zeigen? Um diese Frage zu beantworten, ist es erforderlich, nicht nur auf die Kongresswahlen 2022 zu schauen.

Trump, Pentagon leaders honor 9/11 victims
Donald Trump
DOD photo by Navy Petty Officer 1st Class Dominique A. Pineiro
Trump, Pentagon leaders honor 9/11 victims, CC BY 2.0


Demokratische Wahlstrategen feiern Erfolg

Aber beginnen wir mal bei diesen Wahlen. Offensichtlich ist, dass Trumps prominenteste Kandidatinnen und Kandidaten in vielen Fällen gescheitert sind. Dennoch haben es fast 200 Republikaner in den Kongress oder in Ämter auf Ebene der Bundesstaaten geschafft, die Trumps Darstellung von der gestohlenen Wahl 2020 mehr oder weniger vehement teilen. Rund 100 haben verloren. Dies zeigt eine Auswertung der Washington Post.

Die Strategie der Demokraten, bei einigen Vorwahlen der Republikaner für eben jene extreme Kandidaten zu werben oder werben zu lassen, war ebenso risikoreich wie erfolgreich. Je größer die Nähe zum Ex-Präsidenten, desto geringer der Zuspruch der unabhängigen Wählerinnen und Wähler. Dies zeigt auch eine Analyse des Senders CNN. Demnach haben deren Exit Poll Befragungen ergeben, dass Unabhängige überwiegend die Demokraten gewählt haben. Dass die Partei eines amtierenden Präsidenten bei Zwischenwahlen eine Mehrheit der unabhängigen Stimmen erhalten hat, gab es seit 2002 nicht mehr. Unabhängige bei Midterm Elections haben seitdem mit deutlicher Mehrheit immer die Partei unterstützt, die in Opposition zum Weißen Haus stand.

Der Plan der Demokraten ist hier aufgegangen. Besonderes radikale Kandidaten der Republikaner haben sich in den eigenen Vorwahlen durchsetzen können, um dann bei den Midterm Elections in eigentlich strukturell ausgeglichenen Wahlen relativ deutlich zu verlieren. Beste Beispiele dafür sind das Senatsrennen in New Hampshire und die Gouverneurswahl in Pennsylvania. Hier wurden die radikalen Kandidaten der Republikaner Don Bolduc und Doug Mastriano bei den Vorwahlen indirekt unterstützt. Den Demokraten nahestehende PACs schalteten kostenintensive Werbespots, in denen zwar gesagt wurde, dass die Kandidaten zu extrem für den Bundesstaat seien. Dies lenkte zunächst aber den Fokus auf diese Kandidaten und motivierte Anhängerinnen und Anhängern extremer Positionen an den Vorwahlen teilzunehmen. Sie verhalfen diesen Kandidaten so zur Nominierung der Republikaner.

Bei den Demokraten stieß diese Strategie nicht nur auf Zustimmung. Nicht wenige befürchteten, dass bei einem schwachen Abschneiden der eigenen Partei, diese extremen Kandidaten tatsächlich gewinnen könnten und anstelle moderaterer Republikaner in politische Ämter gelangten. Dass im finalen Wahlkampf die Demokraten dann davor warnten, dass Stimmen für Republikaner solche extreme Kandidaten begünstigten, war zwar der konsequente und letzte Schritt des Plans, aber eben auch eine Warnung vor einem in Teilen selbst herbeigeführten Problem. Letztlich ist diese Strategie aber aufgegangen und am Ende war das Ziel erreicht. Die Demokraten habe die meisten dieser Wahlen gewonnen und dem Trump-Flügel bei den Republikanern vor Augen geführt, dass ihre Positionen in umkämpften Bundesstaaten nicht mehrheitsfähig sind. Ein möglicher Erdrutschsieg der Republikaner blieb aus.


Diese Wahlen waren offenbar weniger ein Votum gegen den ebenfalls nicht sonderlich angesehenen Joe Biden, sondern viel mehr eine Absage an Donald Trump - zum wiederholten Male. Die Demokraten haben hier offenbar mit ihren Warnungen vor der Gefahr für die Demokratie einen Nerv getroffen, dessen ausgelöster Schmerz bei vielen unabhängigen Wählerinnen und Wählern so groß war, dass auf diese Weise die eigene schwierige wirtschaftliche Lage in den Hintergrund trat, zumindest aber, nicht das alles entscheidende Thema war.


Nibelungentreue zu Trump belastet die GOP

Wie gefährlich diese Situation nun für die Republikaner werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Partei in den kommenden zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentschaftswahl aufstellen wird. Allen voran steht natürlich die Frage, wer für die Grand Old Party ins Rennen um das Weiße Haus gehen wird.

Eine erneute Kandidatur Donald Trumps hätte aus Sicht der Republikaner Sinn ergeben, wären sie nach diesen Midterm Elections mit großen Mehrheiten die neuen politischen Taktgeber im US-Kongress gewesen. Trump hätte viele Argumente auf seiner Seite gehabt. Es ist aber anders gekommen und es wird nun das offensichtlich, woran die Republikaner aus meiner Sicht schon zu lange leiden. Die Nibelungentreue zu Donald Trump fällt der GOP nun auf die Füße. Egal welche Verfehlungen sich Trump leistete, die Republikaner trauten sich in überwältigender Mehrheit nicht, dem Ex-Präsidenten in die Quere zu kommen. Spätestens nach dem Sturm auf das Kapitol und die nachweislich falsche Darstellung von der gestohlenen Wahl hätte hier ein entschiedene Reaktion der Partei kommen müssen, die so viel wert auf die Verfassungstreue legt.

Die Republikaner befinden sich in einem selbst geschaffenen Dilemma. Folgt die Partei weiter ihrer Gallionsfigur aus den letzten Jahren, läuft sie Gefahr, weitere Wahlniederlagen einzufahren. Immerhin haben die Republikaner unter Trumps Führung nach dessen Sieg 2016 fast nur Verluste hinnehmen müssen. Lediglich die Verteidigung der Senatsmehrheit 2018 steht hier auf der Habenseite.

Die Alternative scheint aber auch nicht sonderlich reizvoll zu sein. Die große und treue Anhängerschaft Trumps muss erstmal überzeugt werden, sich von ihrer Ikone zu lösen. Dies dürfte nur funktionieren, wenn Trump nicht die alleinige Schuld zugeschoben wird.

Jetzt, in einer Phase in der Trump eher eine Belastung als Unterstützung zu sein scheint, wendet man sich von ihm ab, macht ihn zum Sündenbock für das gemeinschaftliche Auftreten der letzten Jahre. Diese Form des Opportunismus zieht sich bei vielen republikanischen Vertretern der ersten und zweiten Reihe durch. Ted Cruz, Mike Pence, Lindsey Graham, Kevin McCarthy, Mitch McConnell um nur einige zu nennen, sie alle haben erstaunliche Haltungswechsel gegenüber Trump vollzogen. Sei es, dass frühere erbitterte Gegner ihn zuletzt hofierten oder aber frühere Weggefährten sich von ihm abwendeten. Hierbei geht Vertrauen in die Urteilsfähigkeit und Verlässlichkeit der republikanischen Führung verloren. Die Zufriedenheitswerte von McCarthy und insbesondere McConnell sind deutlich schwächer, als die ohnehin schon dürftigen Werte Bidens, was auch vor diesen Midterm Elections nur selten thematisiert wurde. Laut einer Zusammenstellung von RealClearPolitics kommt McCarthy auf Zufriedenheitswerte von lediglich 27 %, McConnell gar nur auf 21 %. Präsident Biden liegt hier bei 44 % wieder knapp vor Donald Trump, der auf 42 % kommt. 

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ja, der Kurs Donald Trumps verfängt nicht mehr bei moderaten Republikanern und Unabhängigen. Aber der überwiegende Teil der Partei hat diesem Treiben auch zu lange zugesehen und solange sie von Trump profitierten, haben sie Argumente für ihr Handeln und Unterlassen gefunden. Ich habe bei den Republikanern im Vorfeld der Midterm Elections mit Ausnahme von den ohnehin kritischen Stimmen kein öffentliches Aufbegehren gegen Trump wahrgenommen. Und wenn, dann war dies auf einem erneut opportunistischen Niveau. In den Vorwahlen konnte man sich kaum näher an Trump binden, um dann in vielen Fällen im eigentlichen Wahlkampf gegen die Demokraten wieder moderatere Töne anzuschlagen.

Wenn man den Blick auf die Vorwahlen richtet, führt uns das schon zum nächsten Problem, dass ich meine, bei den Republikanern festgestellt zu haben und dann kommen wir auch zu dem vermeintlichen Heilsbringer Ron DeSantis aus Florida.


Kann Ron DeSantis die Republikaner aus der Krise führen?

Einer der großen Gewinner der Zwischenwahlen auf Seiten der Republikaner war Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Er galt schon vor den Wahlen als größter innerparteilicher Konkurrent Donald Trumps. Diese Konkurrenz basiert aber im Wesentlichen nicht auf unterschiedlichen politischen Ansichten und auch im öffentlichen Auftreten und dem politischen Stil sind zahlreiche Parallelen zwischen DeSantis und Trump erkennbar. DeSantis ist keiner, der Trump grundsätzlich ablehnt, wie etwa Mitt Romney, Adam Kinzinger oder Liz Cheney. Die Konkurrenz liegt vielmehr in den eigenen politischen Ambitionen begründet. DeSantis wird schon lange Interesse an einer Kandidatur für das Präsidentenamt nachgesagt und seine jüngste Wiederwahl mit fast 20% Vorsprung ist ein starkes Signal.

Ron DeSantis 2020 (cropped)
Ron DeSantis
by U.S. Secretary of Defense,
CC BY 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/2.0>


Bei aller Begeisterung derjenigen, die DeSantis nun als den großen Hoffnungsträger der Republikaner sehen wollen, müssen aber auch zwei Relativierungen angeführt werden.

Fakt ist, dass DeSantis ein besonders starkes und im landesweiten Vergleich mit anderen Republikanern herausstechendes Ergebnis erzielt hat. Aber auch der republikanische Parteifreund Marco Rubio hat das Senatsrennen in Florida mit fast 17 % Vorsprung gewonnen. Es muss also festgestellt werden, dass der Bundesstaat Florida immer weiter in Richtung der Republikaner tendiert. Ein Trend, der schon beginnend mit der Niederlage Hillary Clintons 2016 erkennbar war. Diese deutlichen Ergebnisse für DeSantis und Rubio bestätigen aus meiner Sicht nicht nur den Zuspruch für beide, sondern eben auch den strukturellen Wandel Floridas von einem Swing State zu einem Red State.


Aktuell hat DeSantis seine Kandidatur für das Präsidentschaftsamt noch gar nicht verkündet und es ist auch fraglich, ob er es tatsächlich tun wird, sollte Trump wie angenommen in wenigen Tagen seine erneute Kandidatur erklären. DeSantis ist klug genug zu wissen, dass eine unüberlegt übereilte Entscheidung auch schnell nach hinten losgehen kann.

Auch wenn das Ergebnis des Gouverneurs deutlich besser ist als die der Trump-Kandidaten, ist zu beachten, dass Donald Trump diese Kandidaten nicht einfach benannt hat. Sie haben alle den Prozess der Vorwahlen der Republikaner durchschritten und sind als Sieger hervorgegangen. Es besteht also nachweislich ein deutlicher Unterschied, was die republikanische Basis will, ausgedrückt durch deren Votum bei den Vorwahlen, und dem was republikanische und eben auch unabhängige Wählerinnen und Wähler von einem GOP Kandidaten erwarten. Auch hier müssen sich die Republikaner gemeinschaftlich an ihre eigene Nase fassen und die Schuld nicht allein auf Trump abwälzen.


Auch Ron DeSantis müsste sich natürlich durch die Vorwahlen kämpfen. Das Original als Gegner zu haben, ist dann aber auch nochmal etwas anderes als einen Kandidaten auszustechen, der von Trump nur unterstützt wird. Trumps Zuspruch bei der Basis könnte zwar anfangen zu bröckeln, ist aber nach wie vor sehr hoch, auch wenn eine ganz neue YouGov Umfrage, Ron DeSantis schon vor Trump sieht. Ein Wahlkampf zwischen DeSantis, der dann auch noch die Aufgaben als wiedergewählter Gouverneur Floridas parallel erledigen muss und einem Donald Trump, der praktisch ab sofort in den Vorwahlkampf einsteigt und tagein tagaus das Land bereisen und für sich werben kann, würde für DeSantis extrem schwierig werden. Gleichzeitig würde natürlich auch eine innerparteiliche Kursdebatte entbrennen. Trump würde zudem massiv gegen DeSantis vorgehen und allein auf diese Weise für eine Polarisierung unter den Republikanern sorgen.

Zwar ist es möglich, dass sich prominente Republikaner hinter DeSantis vereinigen und ihm den Rücken stärken könnten, nicht wenige wollen aber auch selbst von dem Straucheln des Ex-Präsidenten profitieren. Pence, Cruz, Haley, Graham haben nicht nur darauf gewartet, dass jemand anderes mal ins Rampenlicht tritt. Auch bei den Vorwahlen 2016 konnte Trump letztlich alle anderen in den Schatten stellen, egal wie sehr sie sich gegenseitig unterstützten, was aber auch erst zögerlich geschah, als Trump praktisch der Sieg schon nicht mehr zu nehmen war. Aus taktischen Gründen auf jemanden wie DeSantis zu setzen, weil dieser möglicherweise bessere Chancen hätte, gegen die Demokraten zu gewinnen, ist zwar in der Theorie sinnvoll, das letzte praktische Beispiel 2016 bewies jedoch, dass dieser Gedanke noch nicht so weit gereift war. Auch wenn Trump damals eher belächelt als gefürchtet wurde, war er zumindest zu Beginn der Vorwahlen noch ein Außenseiter. Dennoch erhielt er den überwältigenden Zuspruch der eigenen Parteibasis.


Nur Trump selbst kann die Situation befrieden

Die Republikaner stehen vor schwierigen Zeiten und Entscheidungen. Dabei wollten sie genüsslich den Machtwechsel im Kongress feiern, ggf. dem Ex-Präsidenten die Bühne überlassen und den Demokraten dabei zusehen, wie sie einen entmachteten Joe Biden dazu bringen, nicht noch einmal zu kandidieren. Dass die Demokraten ihre eigenen Herausforderungen haben, sollten sie selbst bei aller Erleichterung nicht vergessen, aber das Votum der amerikanischen Wählerinnen und Wähler bei diesen Midterm Elections war zuvorderst eine Aufforderung an die Republikaner, Klarheit zu schaffen und einen Neuanfang ohne Donald Trump zu wagen.

Das hausgemachte Problem der Republikaner ist zeitnah zu lösen. Zunächst bleibt aber Trumps Entscheidung, voraussichtlich am 15. November, abzuwarten, ob er noch einmal kandidieren wird. Sollte er sich wider Erwarten dagegen entscheiden, würde es den Republikanern eine neue Möglichkeit eröffnen, ggf. auch ohne einen schmerzhaften Vorwahlkampf auf die unabhängigen Wählerinnen und Wähler zuzugehen ohne dabei Trumps Wählerbasis vor den Kopf zu stoßen. Ein harmonischer Machtübergang bei den Republikanern wird nur mit und nicht gegen Trump funktionieren. Auch wenn der Ex-Präsident keine Wahlen mehr gewinnen kann, er ist jederzeit in der Lage, andere republikanische Kandidaten zu verhindern oder ihre Aussichten auf das Weiße Haus zunichte zu machen.

Die Situation erfordert es nun, dass Trump freiwillig Platz macht und den Republikanern einen neuen Weg ermöglicht. Zurückhaltung und Einsicht sind aber keine Begriffe, die ich mit Trump verbinde. Möglicherweise wissen wir in ein paar Tagen mehr.

6 Kommentare:

Polonius hat gesagt…

Sehr gute Analyse, danke sehr!

Danke auch für die immer aktuelle und professionelle Berichterstattung der letzten Tage. Dies war und ist wirklich bei diesem Thema die beste Seite im deutschsprachigen Internet :-)

Polonius hat gesagt…

...und aktuell scheint noch nicht mal sicher zu sein, ob die GOP trotz des anfangs so großen Vorsprungs tatsächlich die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringt....der Vorsprung ist deutlich zusammengeschmolzen und vielleicht wartet auch hier zum Ende noch eine Überraschung.

Thomas hat gesagt…

Danke Polonius!
Ich schaue heute Abend nochmal genauer auf die noch offenen Sitze. Die geringe Mehrheit, egal wer sie bekommt, hat auf jeden Fall den Vorteil, dass durch nur wenige Abweichler Kompromisse möglich sein könnten und so eine inhaltliche Blockade vermieden werden kann.

Anonym hat gesagt…

Tolle Analyse der Situation bei den Republikanern. Es bleibt weiter spannend

Anonym hat gesagt…

Super ausführliche analyse.
Danke

Thomas hat gesagt…

Dane für Euer positives Feedback. Das freut mich!