Sonntag, 24. Juli 2022

Utah - Unabhängiger fordert Republikaner heraus

Die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat könnten bekanntlich enger nicht sein. Auch bei den diesjährigen Midterm Elections wird es voraussichtlich auf jeden Sitz ankommen. Zur ohnehin schon spannenden Ausgangslage könnte in diesem Jahr noch eine weitere Ungewissheit kommen, die ggf. auch über den Wahltag hinaus Bestand hätte.

Im Bundesstaat Utah wird der republikanische Amtsinhaber Mike Lee durch den unabhängigen Evan McMullin herausgefordert. Utah ist eine republikanische Hochburg, der letzte Sieg eines Demokraten bei einer Senatswahl liegt über 50 Jahre zurück und daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Allerdings lohnt sich in diesem Jahr ein genauerer Blick auf das Duell um den Sitz im Senat.


McMullin setzt auch auf Trump-Kritiker in der GOP


Einen der beiden Senatorensitze des Bundesstaats Utah hält aktuell der Republikaner Mitt Romney, der dieses Jahr nicht zur Wahl steht. Er ist einer der prominentesten und schärfsten parteiinternen Kritiker Donald Trumps. Trumps Beliebtheit in Utah ist ohnehin vergleichsweise gering. Betrachtet man die Ergebnisse bei Präsidentschaftswahlen erhielt Trump eher schwache Werte für einen Republikaner in diesem Bundesstaat. Zwar konnte er sowohl 2016 als auch 2020 gewinnen. Während in den Jahren davor die Republikaner Werte von teils über 70% einfuhren, kam Trump 2020 jedoch nur auf 58 %. Vier Jahre zuvor gewann er in Utah mit nur 45,5 %, was daran lag, dass ein unabhängiger Kandidat neben Donald Trump und der Demokratin Hillary Clinton antrat. Es handelte sich um den heutigen unabhängigen Kandidaten Evan McMullin, der ohne Aussicht auf Erfolg immerhin 21,5 % gewann. McMullin wurde damals von Trump-Kritikern innerhalb der republikanischen Partei motiviert zur Wahl anzutreten.


Evan McMullin October 2019
Evan McMullin


McMullin tritt nun gegen den Amtsinhaber Mike Lee an. Lee, 2016 selbst noch ein Kritiker Trumps hat sich inzwischen zu einem loyalen Trump-Unterstützer gewandelt und wird daher auch vom früheren Präsidenten unterstützt. Lee zählt zu den konservativsten Politikern im US-Senat und wird innerhalb der republikanischen Partei dem rechten Flügel zugeordnet.

Lee wird in Utah sicherlich nicht das volle republikanische Potenzial ausschöpfen können. Es ist zu erwarten, dass ein gewisser Anteil der Romney-Wähler und Trump-Gegner sehr genau beobachten, wie sich Mike Lee in Zukunft positionieren wird. Mitt Romney hat bislang auf eine offizielle Unterstützung seines Parteifreundes verzichtet.


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Amtsinhaber Mike Lee, by Gage Skidmore


Demokraten unterstützen McMullin


Eine unabhängige Alternative, die eben nicht aus den Reihen der Demokraten kommt, dürfte hier durchaus Aussicht auf Erfolg haben, insbesondere, wenn es ein in Utah bekannter Politiker wie McMullin ist.

In einem Dreier-Rennen zwischen Republikaner, Demokraten und Unabhängigen hätte wohl auch McMullin kaum eine Chance. Dies haben auch die Demokraten erkannt und entschieden, aufgrund der Aussichtslosigkeit eigener Kandidatinnen und Kandidaten den unabhängigen McMullin zu unterstützen, um so die Chance zu wahren, den Republikanern einen "sicheren" Sitz streitig zu machen.


Hat McMullin tatsächlich eine Chance?


Bei der letzten Wahl des Sitzes von Mike Lee im Jahr 2016 gewann der Republikaner mit 41 % Vorsprung vor seiner demokratischen Herausforderin. Lee holte 68 %, Misty Snow kam auf nur 27 %.

Eine aktuelle Umfrage von Deseret News zeigt, wie sehr sich diese eindeutigen Verhältnisse durch die Kandidatur McMullins verschoben haben. Demnach kommt Lee derzeit auf 41 % und McMullin auf 36 %. Fünf Prozentpunkte Vorsprung deuten darauf hin, dass die Wahl des Republikaners keineswegs eine sichere Angelegenheit ist. Sollte sich dieses Stimmungsbild bestätigen oder sogar noch zugunsten McMullins verstärken, hätte er eine realistische Chance, am Wahlabend die Nase vorn zu haben. Die Demokraten in Utah dürften trotz des Umstandes, keinen eigenen Kandidaten zu haben, maximal motiviert sein, ihre Stimme abzugeben, was sonst in Utah angesichts der geringen Siegchancen eher nicht der Fall ist.


Das Rennen zwischen Lee und McMullin nehme ich bei der nächsten Aktualisierung der Vorschau auf die Midterm Elections in meine Übersicht mit auf.


Welche Auswirkungen hätte ein Sieg McMullins?


Sollte McMullin tatsächlich gewinnen, ist er aber keineswegs mit den anderen beiden unabhängigen Senatoren im Senat, Bernie Sanders und Angus King gleichzustellen. Während die beiden Senatoren aus Vermont und Maine klar den Demokraten zuzuordnen sind, hat McMullin bereits angekündigt, im Falle eines Einzugs in den Senat auch unabhängig bleiben zu wollen. Sollten die Mehrheitsverhältnisse also weiterhin jede einzelne Stimme im Senat zur entscheidenden machen, würde McMullin eine sehr einflussreiche Rolle einnehmen. Er könnte dann ggf. beiden Parteien nach Belieben zur Mehrheit verhelfen.


Politisch ist McMullin eher den Republikanern zuzuordnen, seine Motivation gegen die Partei 2016 bei der Präsidentschaftswahl und dieses Jahr bei den Kongresswahlen anzutreten, basiert auf seiner ablehnenden Haltung gegenüber Donald Trump und dessen Einfluss auf die GOP. McMullin kritisierte auch das ablehnende und boykottierende Verhalten der republikanischen Führung in Bezug auf den Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das Kapitol am 06. Januar und das Agieren Donald Trumps in diesem Zusammenhang.


Das Duell zwischen Lee und McMullin ist daher in erster Linie eine Abstimmung des Bundesstaats Utah, in welche Richtung die republikanische Partei künftig gehen soll. Die Demokraten hoffen darauf, mit McMulllin im Senat auf einen verhandlungsbereiten Politiker außerhalb der eigenen Reihen zu treffen.

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