Donnerstag, 10. November 2016

Trumps Wahlsieg und die Folgen - eine Wahlnachlese und ein Ausblick, wie es weitergeht

Donald Trump hat es also geschafft. Nachdem er im Frühjahr während der Vorwahlen schon quasi im Alleingang das republikanische Establishment vorführte und besiegte, folgte nun der Triumph über das Establishment der Demokraten. Aber ganz alleine hat er das natürlich nicht erreicht. Es waren fast 60 Mio Amerikaner, die Trump ins Weiße Haus wählten. Nach den letzten Zahlen zwar wohl etwa 200.000 Stimmen weniger als Clinton erreicht hat, aber dennoch hat der Republikaner die entscheidende Rückendeckung durch das Wahlvolk erhalten.


Kommt die Wahl Trumps überraschend, haben die Umfrageinstitute versagt?


Jein! Ich persönlich hatte ja auch auf einen knappen Erfolg Clintons gesetzt, war mir aber wirklich nicht sicher, ob es tatsächlich auch so kommen würde. Es gab genügend Anzeichen dafür, dass das Rennen offen war. Viele sagen heute, dass die Umfrageinstitute falsch gelegen hätten. Das ist aber nur teilweise richtig und zutreffend für einige Bundesstaaten, darauf komme ich auch gleich nochmal zurück. Aber letztlich haben die Umfragen auch ausreichend Spielraum zur Interpretation gelassen.
Die landesweiten Umfragen haben Clinton vorn gesehen. So ist es auch gekommen, wenn auch nicht so deutlich, wie angenommen. Wie oben erwähnt, hat sie ja tatsächlich mehr Stimmen erhalten als der Republikaner. In anderen Bundesstaaten wie Florida, Pennsylvania, Iowa oder North Carolina, die allesamt durch Trump gewonnen wurden, haben die durchschnittlichen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen prognostiziert, im Falle Floridas, North Carolinas und Iowas sogar mit leichter Tendenz zu Trump. Bundesstaaten wie Ohio, Arizona und Georgia waren bei der letzten Prognose ohnehin schon rot markiert.
Die Umfrageinstitute haben auch immer darauf hingewiesen, dass ein gewisser Fehlerwert von bis zu 3 % einkalkuliert muss, insbesondere bei einer Wahl mit so untypischen Voraussetzungen. Und so musste man immer damit rechnen, dass kleine Verschiebungen möglich sind, die große Veränderungen mitbringen konnten. Dafür sind die Abstände der beiden Kandidaten zu gering gewesen.

Überraschend ist aber sicherlich, dass es Trump gelungen ist, die Bundesstaaten Wisconsin und evtl. auch Michigan zu gewinnen. Hier haben die Umfragen tatsächlich eine andere Tendenz gesehen. Und so ist das eingetreten, was für einen Sieg Trumps erforderlich war. Ich erinnere nochmal an die drei formulierten Bedingungen unter Hinweis auf die Karte 3 der Artikels vom 23. Oktober.

1. Er muss die klassischen republikanischen Staaten für sich gewinnen.
2. Er muss die Swing States gewinnen.
3. Er muss einen "sicheren" demokratischen Staat gewinnen.


Bedingung 1 hat Trump klar erfüllt, Bedingung 2, mit der kleinen Ausnahme Nevadas auch. Die sechs Wahlmännerstimmen aus Nevada waren aber nicht mehr relevant. Der entscheidende Faktor bei dieser Wahl war Nr. 3. Hillary Clinton hat zu viele "sichere" demokratische Staaten verloren. Allein schon mit Pennsylvania hätte es für Trump bekanntlich gereicht. Dass nun noch Wisconsin und evtl. Michigan (das steht momentan noch nicht abschließend fest) dazugekommen sind, war nicht zu erwarten. Diese drei Bundesstaaten haben Hillary Clinton die Niederlage gebracht. Es sind exakt jene Staaten, die Donald Trump von Beginn an im Visier hatte. Der Rust Belt war sein Ziel und hier hat er entscheidend gepunktet. Dass es eine Schwachstelle Clintons sein würde, war ihm bewusst, schließlich hatte sie schon während der Vorwahlen hier federn lassen müssen. Bernie Sanders hatte sowohl den Wisconsin Primary als auch den Michigan Primary gegen Clinton gewonnen.

War Clinton die beste Wahl der Demokraten?

Kann man aus der Niederlage im Rust Belt den Schluss ziehen, dass Sanders bessere Chancen gegen Trump gehabt hätte? Evtl. ja, weil er bessere persönliche Werte als Clinton hat und insbesondere eine Bewegung hinter sich wusste, die mit viel Engagement einen Wechsel der Politik in Washington wollte. Zwar in eine andere Richtung als Trump, aber dennoch hätte Sanders diejenigen, die einen Wechsel der politischen Verhältnisse wollten, mit seinen Ideen einfangen können. Den Vorteil, den Clinton in den Vorwahlen gegenüber Sanders in den Südstaaten hatte, machte sich bei der Wahl gegen Trump erwartungsgemäß nicht bemerkbar. Aber das ist nun alles Spekulation, ebenso die Frage, die sich der Vizepräsident Joe Biden evtl. in einem ruhigen Moment der Wahlnacht gestellt haben könnte. Hätte er antreten sollen?

Das sind nun aber alles Fragen, die die Demokraten aufarbeiten müssen. Die Betonung liegt dabei auf "müssen". Die Wahlnacht hat nicht nur den Verlust des Weißen Hauses mit sich gebracht, sondern auch die verpasste Chance, die Mehrheitsverhältnisse im Kongress zu verändern.
Hier das Gesamtergebnis der Wahlnacht:



2016
Erforderliche
Mehrheit
Republikaner/
Trump
Demokraten/
Clinton
Präsidentschaftswahl
270
306
232
Repräsentantenhaus
218
241
194
Senat (ein Drittel)
51
52
48 (46+2)


Zwar konnten sich die Demokraten im Kongress (Repräsentantenhaus und Senat) verbessern, aber insbesondere der misslungene Wechsel im Senat ist neben der Niederlage Clintons sehr schmerzlich.
Nachdem Debbie Wassermann-Schultz im Sommer vom Vorsitz des DNC zurücktreten musste und auch ihre Interims-Nachfolgerin Donna Brazile in der Kritik steht, dürfte es nun reichlich Klärungsbedarf bei den Demokraten geben. Viel Zeit dürfen sie dabei nicht verlieren, denn zu den Midterms Elections kann man schon auf zwei Jahre Präsidentschaft Donald Trumps reagieren und danach sollten sich bereits auch die ersten Interessenten bei den Demokraten herauskristallisieren, die in den Vorwahlkampf um die Nominierung zur nächsten Präsidentschaftswahl ab Herbst 2019 eintreten werden.


Wie geht es nun mit Donald Trump weiter?


Der Republikaner wird am 19. Dezember durch das Electoral College formal durch die Wahlmännerstimmen gewählt. Am 20. Januar 2017 findet dann die Amtseinführung statt.
In der Zwischenzeit muss sich ein Kabinett finden. Hier tappen viele Beobachter noch im Dunkeln. Wer wird künftig an der Seite Trumps die Regierung bilden? Einige Namen kursieren zwar schon, aber öffentlich geäußert hat sich Trump noch nicht. Die republikanischen Unterstützer im Wahlkampf könnten dabei eine Rolle spielen. Rudy Giuliani, Ex-Bürgermeister von New York, Chris Christie, Gouverneur von New Jersey oder auch Ben Carson, der ebenso wie Christie auch Kandidat der Republikaner bei den Vorwahlen war, werden hier häufig genannt. Ihre Namen und der Mike Huckabees wurden von Trump dankend und anerkennend bei seiner Siegesrede in der Wahlnacht erwähnt. Auch der RNC-Vorsitzende Reince Priebus hat nach einem nicht ganz einfachen Job, gute Chancen auf einen Posten in der Trump-Administration. Denkbar ist aber auch, dass Trump auf führende Kräfte der Wirtschaft setzen oder aber auch innerhalb des eigenen erweiterten Familienkreises nach geeigneten Personen suchen wird.


Welche Vorhaben werden von Trump nun forciert umgesetzt?


Das ist derzeit noch ziemlich unklar. Der Republikaner blieb bislang mit konkreten politischen Maßnahmen hinreichend unbestimmt und auf Erfahrungswerte aus vergangenen politischen Ämtern, kann man in diesem Fall nicht zurückgreifen.
Die Abschaffung der öffentlichen Gesundheitsversorgung Obamacare dürfte wohl nicht eins zu eins in einem kurzen Zeitraum umzusetzen sein. Zu viele Menschen wären davon betroffen. Auch die Mauer zu Mexiko wird nach meiner Einschätzung eher symbolischer Gestalt sein. Grenzsicherung, eine striktere Einwanderungspolitik und ein härterer Umgang mit illegalen Einwanderern dürften aber schon eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere auch die heimischen Arbeitsplätze und Unternehmen muss Trump auf die Agenda nehmen, da sie Schlüssel zum Erfolg in seinem Wahlkampf waren. Gelingt es ihm nicht bei diesem Thema seinen Worten auch Taten folgen zu lassen, wird er es in vier Jahren recht schwer haben, wiedergewählt zu werden. 
Die Verschärfung von Waffengesetzen dürfte aber sicher auf absehbare Zeit vom Tisch sein und auch die amerikanischen Umweltschützer werden einen schweren Stand haben.
Aus europäischer Sicht wird sicher mit Spannung erwartet, wie sich Trump bei Fragen der internationalen Zusammenarbeit positionieren wird. TTIP-Gegner dürfen sich über die Wahl Trumps freuen, auch wenn das nach meinen Beobachtungen selten der Fall ist. Trump wird insbesondere in Handelsfragen ein harter Gesprächspartner sein, der wie angekündigt als oberste Prämisse "America First" ausgegeben hat. Dies gilt auch in Sicherheitsfragen. Militäreinsätze solle es nur noch dann geben, wenn die USA bzw. deren Interessen direkt betroffen seien. Was das heißt, muss abgewartet werden. Die wesentliche Rolle Amerikas innerhalb der NATO wird sich aber wohl kaum verändern. Hier würde der US-Kongress wohl massiv intervenieren, sollte Trump versuchen, aus dem Bündnis auszusteigen. Die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen wird aber gleichwohl Trumps Rechnung zur Kenntnis genommen haben, nach der andere Länder darunter auch Deutschland einen größeren Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung leisten sollen.


Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat Trump?


Das Repräsentantenhaus und der Senat werden eine sehr wichtige Rolle spielen. Trump ist kein erfahrener Politiker, der auf jahrzehntelange politische Verbindungen setzen kann. Er wird sich sein Verhältnis zum Kongress erst erarbeiten müssen. Nach seiner Schelte für das politische Washington dürfte es auch auf republikanischer Seite, den ein oder anderen geben, der sich womöglich auch weiterhin nicht mit einem Präsidenten Trump anfreunden kann. Rein formal genießt Trump eine Machtfülle, von der Obama zuletzt nur träumen konnte. Die Republikaner dominieren beide Kammern des Kongresses (s.o.) und zudem wird auch der Supreme Court eine Mehrheit im Sinne der Republikaner haben. Ob Trump dies zu nutzen weiß, wird evtl. eine der größten Herausforderungen im strukturellen politischen Alltagsgeschäft werden. Insbesondere im Senat darf er sich kaum einen Abweichler leisten. Dass ihm nun gerade das Establishment und das politische Washington so viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten könnten, kann auch zu einer Last werden.
Evtl. kommt es dem künftigen Präsidenten entgegen, dass er kein politischer Ideologe ist. Auch braucht er auf keine politischen Weggefährten oder Wahlkreise Rücksicht nehmen. Er ist als Geschäftsmann auf Erfolg getrimmt und daher auch opportunistisch geprägt. Will er ein Ziel erreichen, ist jeder legale Weg recht, der ihm dies ermöglicht. Er könnte also gerade davon profitieren, unabhängig von politischen Zwängen, sehr sachorientiert seine Vorhaben auf den Weg zu bringen. Und wenn er sich dann mal die Mehrheit durch Stimmen der Demokraten sichert, ist dies allenfalls als Randnotiz für seine Mitarbeiter interessant, ihm selbst dürfte es aber wohl relativ gleich sein.
Die Chance, eine politische Blockade aufzulösen, ist einerseits durch die neuen Verhältnisse in Washington gegeben und andererseits durch sein unkonventionelles Auftreten so groß, wie schon lange nicht mehr. Die Chance ist aber auch zugleich eine große Gefahr für das Establishment. Sollte sich Trump mit einer pragmatischen Linie im Weißen Haus durchsetzen können und dabei auch noch Erfolge vorweisen, könnten es etablierte Politiker, die zu stark in klassischen Parteikämpfen gebunden sind,  auf absehbare Zeit erstmal schwer haben. 


Kann Trump das gespaltene Land befrieden?


Die Chancen, die sich durch die Wahl Trumps bieten könnten, überlagern aber noch lange nicht die Bedenken. Und die gibt es reichlich. Der Wahlkampf hat Spuren der Spaltung hinterlassen, die zwar auch vorher schon da waren, aber durch Trump auch bewusst offen gelegt und teilweise gefördert wurden. Handelte er tatsächlich nur aus Gründen des Wahlkampfes so oder wird er weiter gegen Einwanderer oder Muslime wettern? Wie geht er mit der großen Herausforderung des Rassismus in den USA um? Schafft er es, die wirtschaftlich "abgehängten Menschen", die eher ihn als Clinton unterstützt haben, an seiner Seite zu halten, wenn die angestrebten Erfolge am Arbeitsmarkt ausbleiben?
Es gibt Zweifel, ob ihm dies gelingen wird. Er müsste glaubhaft vom Wahlkampfmodus in den Präsidialmodus wechseln. Selbst wenn er das tut, heißt das noch lange nicht, dass die entfesselte Wut, die vielerorts wahrzunehmen ist, wieder so einfach eingefangen werden kann. Alleine kann er es schon gar nicht schaffen.
Immerhin hat er bei seiner Siegesrede schon zur Einheit des Landes aufgerufen. Er werde Präsident aller Amerikaner sein. Diese rein sachlich eher unspektakuläre Ankündigung, kann aber auf subjektiver Ebene noch eine enorme Bedeutung erhalten. Wie angespannt die Lage ist, zeigte sich bei Anhängern beider Seiten. Bevor Trump die Bühne in New York City betrat, skandierten einige Anhänger "Lock her up!" und bezogen sich dabei auf Trumps Ankündigung aus einer TV-Debatte, Hillary Clinton in Haft zu bringen, wenn er Präsident werde. In Kalifornien gingen Clinton-Anhänger oder zumindest Trump-Gegner auf die Straße und riefen "Not my President", es kam zu Sachbeschädigungen. Auch zur Stunde gibt es laut Medienberichten in verschiedenen amerikanischen Städten Proteste gegen Donald Trump.
Wie aufgeheizt die Stimmung noch immer ist, macht auch Clintons Rede am Tag nach der Wahl deutlich. Sie sagte, dass es auch ein demokratischer Grundsatz sei, einen ungewollten politischen Wechsel friedlich zu ermöglichen. Eine ungewöhnliche Aufforderung, sollte es doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. 


In eigener Sache: Wie geht es hier nun mit dem Blog weiter?


Die nächsten Themen werden die Regierungsbildung rund um Donald Trump sein und die Frage, wie sich seine Zusammenarbeit mit dem Kongress gestalten wird. Die innerparteiliche Aufarbeitung der Niederlage der Demokraten wird ebenso eine Rolle spielen. Vor der Amtsübergabe wird es auch noch eine Bilanz zu Obamas Amtszeit geben. Grundsätzlich wird das Schwerpunktthema "Präsidentschaftswahl" bleiben. Aber auch die Präsidentschaft Trumps selbst und Fragen, wie Mehrheiten für wesentliche Gesetze organisiert werden, finden Eingang in meinen Blog. Die Midterm Elections werden ebenso Thema sein. Stehen wichtige Gouverneurswahlen an, werde ich darüber berichten. Langfristig richtet sich der Blick auch schon auf potentielle Kandidaten bei den Demokraten für die US-Wahl 2020.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für deine sehr spannende Berichterstattung der letzten Monate. Habe schon bei den Vorwahlen regelmäßig diesen Blog verfolgt und nun auch bis zur Präsidentschaftswahl. Vor allem die Zusammenfassungen z. B. diese jetzt haben mir sehr gut gefallen. Werde den Blog auf jeden Fall weiterverfolgen und freue mich schon sehr auf die Election 2020. Die Wahl kann nicht früh genug beginnen.

Kathleen hat gesagt…

Danke für Deinen tolle und spannenden Blog !
Da steckt sicher ganz viel Mühe drin. Auch ich habe hier viele wertvolle Infos gefunden und bleibe Dir weiter treu.
Der Ausblick auf die kommenden Themen gefällt mir. Bitte mach weiter so !!!