Donnerstag, 13. Februar 2020

Aktuelle Lage bei den Demokraten nach den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire

Democratic Donkey - Icon

Die jüngsten Entwicklungen nach dem Nevada Caucus sind hier noch nicht berücksichtigt. Eine Aktualisierung erfolgt am 01.03.2020 nach dem Primary in South Carolina.


Über ein Jahr lang wurde auf den Start der Vorwahlen 2020 hingefiebert, spekuliert und analysiert. Am Ende ist es zumindest teilweise doch überraschend anders gekommen. Die Bundesstaaten Iowa und New Hampshire haben einige bemerkenswerte Ergebnisse für die Demokraten zu Tage gefördert, wenn auch zu Beginn in Iowa mit etwas Verspätung.
Bekannte Gesichter sind ebenso erfolgreich wie relativ neue und junge Demokraten.
Zahlenmäßig ist das Bewerberfeld zwar kleiner geworden, die Anzahl derer, die Einfluss auf den Ausgang der Vorwahlen nehmen, hat sich dagegen vergrößert.

Von den ursprünglich 29 Kandidatinnen und Kandidaten haben inzwischen 21 Demokraten wieder aufgegeben. Zuletzt beendeten Andrew Yang, Michael Bennet und Deval Patrick nach schwachen Ergebnissen ihre Kandidaturen.
Es bleiben 8 Demokraten übrig, die nun noch um die Delegiertenstimmen kämpfen.

Den aktuellen Gesamtstand zu den Vorwahlen der Demokraten findet Ihr hier!


Wechsel an der Spitze


Joe Biden mit desaströsem Fehlstart


Ich muss zugeben, dass mich das Ausmaß der Niederlagen Joe Bidens schon überrascht hat. Iowa und New Hampshire galten zwar ohnehin nicht als die Hochburgen des früheren Vizepräsidenten, die Unterstützung der Wählerinnen und Wähler in Iowa glichen aber einem tiefen Schlag in die Magengrube, wie Biden es selbst noch vor dem New Hampshire Primary formulierte. Schlimmer noch, er sagte einen zweiten Schlag für New Hampshire voraus - eine unnötige Demobilisierung seiner Anhängerschaft, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Der zweite Treffer, den Biden einstecken musste, war nochmal eine Spur kräftiger und könnte weitreichende Konsequenzen und Wechselwirkungen hervorrufen. Mit 8,3 % und einem 5. Platz kann Biden auch nicht mehr davon reden, der Kandidat zu sein, der die größten Chancen hat, Donald Trump im November zu schlagen.


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Joe Biden by Gage Skidmore

Nach dem katastrophalen Abschneiden im Granite-State machte sich Biden auch gleich auf den Weg nach South Carolina, um von dort die Niederlage im Nordosten der USA zu kommentieren. Was Biden zu sagen hatte, war erstmal nicht falsch. 98 % der Delegiertenstimmen sind noch zu gewinnen, es ist noch nichts verloren und kein Kandidat der Demokraten könne ohne die Stimmen der Afroamerikaner gewinnen. Diese Argumentation darf Biden seinen Anhängern präsentieren. Ohnehin ist durch die Biden-Kampagne seit Wochen auf die mangelnde Aussagekraft der Vorwahlen in Iowa und New Hampshire hingewiesen worden, in der Hoffnung, dass dessen Zugkraft bei den Schwarzen und Hispanics in South Carolina und Nevada zur Geltung kommt.

Joe Biden überdeckt dabei aber das wahre Ausmaß seiner Niederlagen. Er ist schließlich nicht 2. oder 3. geworden, weil ihm etwa die demographischen Bedingungen nicht in die Karten spielten. Er hat die Plätze 4 und 5 mit absteigender Tendenz belegt. Es liegt also nicht nur ein Konkurrent vor ihm. Biden hat mit seinen Niederlagen ein Vakuum geschaffen, welches andere moderate Demokraten erfolgreich ausfüllen. Pete Buttigieg, Amy Klobuchar und Mike Bloomberg. Alle drei sind durch die zunehmende Schwäche Bidens gestärkt worden und scheinen diese neue Stärke nicht mehr hergeben zu wollen. Mit einigem Erfolg, dazu aber später mehr.

Joe Biden muss nun liefern. Nevada und insbesondere spätestens South Carolina werden über Bidens weitere Ambitionen eine Vorentscheidung herbeiführen. In Nevada, wo es ohnehin ein sehr offenes Rennen geben könnte, muss Biden zum Spitzentrio dazugehören, in South Carolina muss er zwingend siegen, da sonst auch noch sein Ruf als Kandidat der Afroamerikaner verloren geht.

Bevor ich nun zu den Siegern der ersten Vorwahlen komme, schauen wir noch auf die zweite Verliererin des Auftakts.


Elizabeth Warren fehlt die Erfolgsperspektive


Die Senatorin aus Massachusetts hat zumindest in New Hampshire nicht weniger enttäuscht als Biden. Aufgrund dessen Bedeutung, geriet Warren aber etwas aus dem Fokus. Konnte sie angesichts sinkender Erwartungen und Umfragen in Iowa noch recht zufrieden sein, ist ihr Abschneiden in ihrem Nachbarbundesstaat eine große Enttäuschung.

Unter 10%, 0 Delegierte. Verloren gegen ihren Widersacher auf dem linken Flügel und verloren gegen Buttigieg und Klobuchar, zwei Demokraten aus dem mittleren Westen, aus Indiana und Minnesota.


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Elizabeth Warren by Gage Skidmore

Noch im Herbst vergangenen Jahres gelang Warren in den Umfragen das, was andere nun mit tatsächlichen Ergebnissen abliefern. Für einen kurzen Moment konnte sie damals an Joe Biden vorbeiziehen und schien gegen Sanders deutlich die Nase vorne zu haben. Nach zwei Wochen der realen Ergebnisse nun die Erkenntnis, dass sie zwar auch zweimal vor Biden lag, das aber bei dessen Performance kein Qualitätsmerkmal mehr zu sein scheint. Platz 3 in Iowa und Vierte in New Hampshire, fast nirgends gewonnen. In 1 von 99 Counties in Iowa lag Warren knapp vor Sanders. In New Hampshire Fehlanzeige.

Es waren jene Oktober-Wochen 2019 in denen debattiert wurde, wer sich aus dem progressiven Duo Sanders/Warren letztlich durchsetzen würde. Nicht wenige sahen die Senatorin vorne. Dann aber kamen Fragen wie der nach ihren Finanzierungsplänen für Medicare for All auf, auf die sie zunächst keine abschließenden Antworten parat hatte. Ihre Kampagne geriet etwas ins Stocken. Sanders wurde offenbar als authentischer und direkter wahrgenommen.

Inzwischen stellt sich die Frage, wen Warren noch überzeugen will, dass sie die richtige Kandidatin für die Demokraten ist. Stand heute hat sie gegen Sanders zweifelsfrei das Nachsehen. Evtl. rückt sie etwas in die Mitte, um dort irgendwann als Kompromisskandidatin wahrgenommen zu werden. Aber bei diesem Überangebot dürften die Demokraten wohl eher auf gewinnende Kandidatinnen und Kandidaten setzen, als auf die sieglose Senatorin. Die Umfragen in Nevada und South Carolina lassen nun auch nicht allzu viel Hoffnung zu.
Elizabeth Warren steht nicht weniger unter Druck als Biden. Für sie könnte der Super Tuesday die Entscheidung über das Andauern ihrer Kandidatur bringen.
Will sie wieder in die Erfolgsspur finden, braucht es zunächst einen starken Auftritt bei der kommenden TV-Debatte in Las Vegas, Nevada.

Nun aber zu den Gewinnern des Vorwahlauftaktes. Derer haben wir 3 + 1.


Bernie Sanders - der neue Frontrunner?


Bernie Sanders hat gewonnen - aber er ist nicht der alleinige Sieger. Je nachdem in wessen Wahlkampfteam man gerade versucht, Überzeugungsarbeit zu leisten, argumentiert man unterschiedlich. Im Sanders-Lager heißt es, Bernie hat in Iowa und New Hampshire gewonnen. Er hat schließlich jeweils die meisten Stimmen erhalten. Damit sei Sanders allein rechnerisch schon der jeweilige Sieger. Rechnen kann man aber auch im Buttigieg-Lager, wo man zum Ergebnis kommt, dass ihr Kandidat in Iowa mehr Delegierte gewonnen hat als Sanders und in New Hampshire mit ihm gleichauf liegt.
Bernie Sanders
Bernie Sanders by Gage Skidmore

Es darf eben zum jetzigen Zeitpunkt auch noch zwei Sieger geben. Eine weitere Frage, die sich stellt, ist die nach dem neuen Frontrunner der Demokraten, also dem neuen führenden Favoriten mit der besten Aussicht auf die Nominierung. Sanders ist dafür sicherlich ein Kandidat. Seine Erfolge haben gezeigt, dass er sein Potenzial abrufen kann. Warren und Biden haben das noch nicht getan.
Dennoch ist Sanders gut beraten, aufmerksam zu bleiben und von Wahl zu Wahl die richtigen Konkurrenten zu erkennen.
"Grandios", "unschlagbar", "einzigartig" sind keine Begriffe, die mir einfallen, wenn man sich Sanders Erfolge in Iowa und New Hampshire genauer betrachtet. 
Na klar, eine Vorwahl gegen nur eine Kandidatin, wie es 2016 der Fall war, ist nicht vergleichbar mit einem Rennen gegen bis zu 10 weitere Demokraten. Dennoch darf man die Frage stellen, weshalb Sanders in New Hampshire statt der rund 152.000 Stimmen aus 2016 in diesem Jahr nur noch auf knapp die Hälfte gekommen ist. Rechnerisch ist das einfach zu erklären, der Anspruch eines unangefochtenen Frontrunners muss aber sein, mehr als die Hälfte des eigenen tatsächlichen Potenzials in einem Bundesstaat abzurufen. Wenn die Alternativen, so viele sie auch sein mögen, als besser betrachtet werden, lässt dies Rückschlüsse auf andere Bundesstaaten zu, in denen man selbst 2016 nicht so glanzvoll abgeschnitten hat. Aufklärung werden die kommenden Wochen geben.

Bei aller Zurückhaltung ist aber auch festzuhalten, dass das Argument, mehr Stimmen als die anderen gewonnen zu haben, bei Wahlen ziemlich stichhaltig ist. Sanders ist ein Gewinner des Vorwahlauftakts.


Pete Buttigieg unterstreicht seine eigene Stärke


Ein weiterer Gewinner, für nicht wenige sogar der eigentliche Profiteur der ersten beiden Vorwahlen, ist Pete Buttigieg. Wie oben schon beschrieben, hat er die meisten Delegiertenstimmen gewinnen können. Das ist das entscheidende Kriterium auf dem Nominierungsparteitag in Milwaukee, Wisconsin. Buttigiegs Erfolge sind aber auch von besonders hoher Bedeutung, weil er sie gegen Joe Biden erzählt hat. Dessen Schwächeln kommt zweifelsohne Buttigieg zugute. Oder liegt die Schwäche Bidens evtl. auch an dem starken Angebot Buttigiegs? Hätte Biden nicht so deutlich verloren, wenn der frühere Bürgermeister und jüngste Kandidat der Demokraten nicht so überzeugen würde?


Pete Buttigieg
Pete Buttigieg by Gage Skidmore

Das Buttigieg in Iowa vor Joe Biden lag, ist nicht nur Zufall gewesen. Buttigieg war herausgefordert, in New Hampshire diesen positiven Eindruck zu wiederholen und das ist ihm in beeindruckender Weise gelungen. Das es sich bei seinen Erfolgen eher um die eigene Stärke handelt, zeigt auch, dass Buttigieg in New Hampshire nicht nur gegen Biden deutlich gewonnen hat. Nachdem Buttigieg wenige Tage zuvor bei der TV-Debatte von praktisch allen Seiten attackiert wurde und zusehen musste, wie noch eine weitere moderate Kandidatin ins Rampenlicht rückte, wehrte er auch Klobuchars starkes Ergebnis in New Hampshire ab. Biden deklassiert, Klobuchar trotz starkem Ergebnis auf Distanz gehalten, nur knapp hinter Bernie Sanders gelandet und das alles, obwohl er von allen Seiten unter Druck gesetzt wurde. Buttigieg hat Stärke bewiesen, ganz sicher also ein weiterer Gewinner.

Wie sind aber die weiteren Aussichten des 38-jährigen?
Buttigieg sieht sich im Kern drei Herausforderungen gegenüber. Er muss sich seiner Linie treu bleiben und auf die eigenen Positionen verweisen. Nur Sanders oder Biden im Blick zu haben, birgt das Risiko, anderen wie Amy Klobuchar oder Mike Bloomberg offene Räume anzubieten. Und da man nicht gleichzeitig gegen alle kämpfen kann, lohnt es sich in solchen Phasen, einzig auf sich zu verweisen.

Neben der großen und kaum geringer werdenden Konkurrenz bleibt aber insbesondere in den kommenden Wochen die Frage bestehen, ob Buttigieg seinen schwachen Zuspruch bei der nicht-weißen Bevölkerung überwinden kann. Diese Werte stammen zwar nur aus Umfragen, dafür sind sie aber zu eindeutig, um sie ignorieren zu können. Es gab Umfragen unter den afroamerikanischen Demokraten, die nun zunehmend eine größere Rolle spielen werden, bei denen Buttigieg auf 0% kam. Wie oben schon erwähnt, hat Biden recht, dass kein Kandidat, Spitzenkandidat der Demokraten werden kann, wenn solche Umfragen bei Wahlen in Tatsachen umgesetzt werden.

Die dritte zu nehmende Hürde für Buttigieg ist die Wahlkampfinfrastruktur. Während Bloomberg alles einkauft was möglich ist, Biden und Sanders auf jahrelange Wahlkampfbasen setzen können, muss sich Buttigieg das alles erst noch erarbeiten. In diesem Februar, wo etwa eine Woche zwischen den jeweiligen Vorwahlen liegt, mag das teilweise noch gehen, am Super Tuesday könnten Buttigiegs relativ geringe Bekanntheit und fehlende Strukturen zu einem Problem werden. Im Idealfall bleibt er in den Top-Schlagzeilen mit Erfolgen in Nevada und South Carolina. Gelingt ihm sogar das, ist bei ihm mit Allem zu rechnen. Aber sein Status bleibt noch etwas fragil. Verliert er bei den kommenden Vorwahlen, könnte die nötige Dynamik für den Super Tuesday schon wieder verloren sein.


Amy Klobuchar die dritte Gewinnerin - und ein "Geheimtipp"?



Diese Dynamik genießt gerade auch Amy Klobuchar. Gemessen an der Ausgangslage vor einigen Wochen, hat sie wohl den größten Sprung gemacht. Sie hatte praktisch nur eine Chance. Ein starkes Ergebnis in Iowa. Das gab es auch mit leichten Abstrichen. Dass sie dann aber auch in New Hampshire so stark punktete, war in diesem Ausmaß nicht zu erwarten. Zumindest nicht vor einer Woche. Ihr Auftritt bei der TV-Debatte und sprunghaft steigende Umfragewerte ließen aber schon ein sehr gutes Ergebnis in New Hampshire vermuten.


Amy Klobuchar
Amy Klobuchar by Gage Skidmore

Amy Klobuchar hat ähnliche Voraussetzungen wie Pete Buttigieg. In zwei Punkten unterscheiden sich beide aber schon noch. Klobuchars Vorteil gegenüber Buttigieg dürfte ihre langjährige Erfahrung als Senatorin im US-Kongress sein. Buttigieg politische Erfahrungen beschränken sich weitgehend auf seine Tätigkeiten als Bürgermeister. Das macht ihn vielleicht etwas volksnäher und ihm haftet nicht der bei vielen so wahrgenommene Makel aus Washington DC an. Dennoch könnten gerade etwas konservativere Wählerschichten der Demokraten, der Unabhängigen und moderaten Republikaner auf etwas mehr Erfahrung wert legen. Genau jene Kreise sind es auch, die möglicherweise zudem noch Vorbehalte mit Buttigiegs Homosexualität haben.


Ein weiterer Vorteil für Klobuchar könnte sein, dass sie zur einzigen wählbaren Frau im Bewerberfeld werden könnte. Scheidet Elizabeth Warren frühzeitig aus, was nicht mehr ausgeschlossen ist, könnte Klobuchar auch in dieser Hinsicht profitieren. Eine für Demokraten moderate bis konservative und zugleich erfahrene Frau könnten viele als strategische Chance gegen Donald Trump betrachten.


Mike Bloomberg weiter im Aufwind



In keiner Prognose über den Ausgang der Vorwahlen darf Mike Bloomberg fehlen. Selbst wenn man ihm die Spitzenkandidatur nicht zutraut, so ist sein Einstieg am Super Tuesday von herausragender wahlstrategischer Bedeutung. Allein schon der Mythos, den Bloomberg geschaffen hat, ist ziemlich einzigartig. Während sich alle Kandidatinnen und Kandidaten der Demokraten schon wochenlang abkämpfen, einstige Favoriten schon ins Straucheln geraten, wartet in nicht mehr allzu langer Zukunft der Multimilliardär am Super Tuesday mit seinen praktisch unbegrenzten Möglichkeiten der Wahlkampffinanzierung. Auch seine Abwesenheit bei den TV-Debatten trägt dazu bei, die Aussichten Bloombergs wenig greifbar zu machen.


Michael Bloomberg
Mike Bloomberg by Gage Skidmore

Ich hatte erst kürzlich ausführlich über Bloomberg berichtet. Hier findet Ihr den Artikel. Deshalb soll an dieser Stelle nur so viel gesagt sein:
Bloombergs Umfragewerte steigen. Er ist bundesweit inzwischen auf dem 3. Platz hinter Sanders und Biden. Je größer die Schwäche des moderaten Lagers, allen voran Joe Bidens, desto besser die Aussichten für den früheren New Yorker Bürgermeister. Je zersplitterter das Kandidatenfeld ist und je weniger sich der eine Spitzenkandidat aus diesem herauskristallisiert, desto größer die Chancen für Mike Bloomberg. Kommt es zu der Frage, wem die Wählerinnen und Wähler einen Sieg gegen Trump zutrauen, ist Mike Bloomberg ganz vorne dabei.

Für ihn wohl aber überraschend dürfte die Tatsache sein, dass Bidens Schwäche aktuell von Buttigieg und Klobuchar ausgenutzt wird. Das ist der Nachteil, wenn man an den Vorwahlen im Februar noch nicht teilnehmen kann.


Ist eine Prognose über den Ausgang schon möglich?


Für eine seriöse Prognose ist es immer noch viel zu früh. Aber es lohnt sich, in den kommenden Wochen mit der Frage zu beschäftigen, was für die Demokraten letztendlich den Ausschlag zum Gewinn der Vorwahlen geben wird.
Wird es tatsächlich ein Streit über die inhaltliche Ausrichtung? Eine themenbezogene Sachentscheidung, etwa zwischen Medicare for All, Medicare for All who want it und der Optimierung von ObamaCare?
Oder geht es einzig und allein um die Frage, wem die besten Chancen zugerechnet werden, Donald Trump im November zu schlagen?
Eine dritte Frage drängt sich nun aber auch auf. Wollen die Demokraten inzwischen eher neue und "unverbrauchte" Gesichter und Namen an der Spitze sehen, die auch neue und positive Botschaften aussenden?
Kritisch und bewusst überspitzt formuliert: Während Joe Biden als händeschüttelnder Geschichtenerzähler den Wahlkampf verwaltet, prangert Bernie Sanders zunächst Missstände an, um dann die Alternativen zu formulieren, die bei keinem anderen Demokraten bei diesen Vorwahlen so radikal und grundlegend sind. Dies tut er immer wiederholend und er tut es laut. Bei einer scheinbar immer größer werdenden Spaltung der US-Gesellschaft, die Sanders zweifelsohne mit seinen Maßnahmen auch überwinden will und dem andauernden und unerbittlichen Streit zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress und den kontinuierlichen Attacken auf und durch den US-Präsidenten, könnte die Nachfrage und der Wunsch nach neuen, ruhigeren und positiv formulierten Positionen bei den Demokraten immer stärker werden.
Pete Buttigieg. Amy Klobuchar und zum Teil auch auf seine eigene Weise Mike Bloomberg könnten davon profitieren.


Nur die Delegierten zählen


Die Vorwahlen 2020 der Demokraten werden sich signifikant von denen aus dem Jahr 2016 unterscheiden. Mit Hillary Clinton und Bernie Sanders gab es 2016 bei den Demokraten zwei Kandidaten auf die sich alle Delegiertenstimmen aufteilten. Voraussichtlich wird dies 2020 anders sein. Die Delegiertenstimmen werden hauptsächlich unter 4 bis 5 Kandidatinnen und Kandidaten aufgeteilt, nämlich jenen, die die Hürde von 15 % in einem Primary oder Caucus übersprungen haben (nähere Details zum Vergabeverfahren in den jeweiligen Bundesstaaten findet Ihr in der jeweiligen Vorschau zu jedem Bundesstaat). Anders als bei den Republikanern, bei denen in manchen Bundesstaaten das Prinzip "The Winner takes it all" oder alternativ "The Winner takes most" gilt, werden bei den Demokraten die Delegiertenstimmen im Kern proportional zum Wahlergebnis verteilt, was für einen Spitzenkandidaten in Umfragen bzw. einem knappen Gewinner bei den Vorwahlen eher nachteilig ist.

Ein Beispiel, einfach überschlagen gerechnet, ohne Besonderheiten in der Delegiertenverteilung der einzelnen Districts der Bundesstaaten:

Ein Bundesstaat vergibt 100 Delegiertenstimmen. Das Wahlergebnis lautet: Kandidat A erhält 32%, B 28%, C 25% und D 15%. Entsprechend erhält Kandidat A 32 Delegiertenstimmen, 68 Delegiertenstimmen gehen nicht an A, sondern teilen sich auf die anderen Kandidaten B, C und D auf. A hätte einen Vorsprung von 4 Delegiertenstimmen vor B.
Bei einem Ergebnis mit zwei starken Kandidaten (siehe 2016) hätte fiktiv mal angenommen A evtl. 54 % und B 46 % erhalten. Nicht nur hätte A dann einen doppelt so hohen Vorsprung vor B (nämlich 8 Delegiertenstimmen), insbesondere das Gesamtverhältnis von 32 zu 68 hätte sich verschoben zu 54 zu 46. Dieser Vergleich ist eine exemplarische Annahme, natürlich kann B auch deutlich profitieren und A mit Hilfe der Stimmen der nicht vorhandenen C und D überholen.


Contested Convention wahrscheinlich


Erkennbar ist jedenfalls, dass es bei den Demokraten wesentlich schwieriger werden wird, frühzeitig eine Vorentscheidung zu erzielen. Ein Spitzenkandidat, der immer "nur" knapp gewinnt und ab und an mal Zweiter wird, dürfte es schwer haben, auf die erforderliche Anzahl von 1990 Delegiertenstimmen zu kommen (3979 Delegierte haben die Demokraten insgesamt zu vergeben). Die 50% sind nur bei deutlich starken Wahlergebnissen zu erreichen oder wenn in den besonders großen Bundesstaaten mit vielen Delegiertenstimmen auch besonders starke Ergebnisse erzielt werden. Kalifornien z. B. hat allein schon 416 Delegiertenstimmen zu vergeben.

Die Neuerung 2020, dass Superdelegierte auf dem Nominierungsparteitag, erst im 2. Wahlgang stimmberechtigt sind, bekommt dann nochmal eine besondere Bedeutung. Erreicht kein Kandidat die 1990 (50%) Delegiertenstimmen, kommt es zu einem 2. Wahlgang. Dies dürfte bei den Demokraten 2020 mit einiger Wahrscheinlichkeit der Fall sein, so dass die Superdelegierten 2020 auch wieder eine relevante Rolle spielen werden. Es wird vermutlich insgesamt 771 Superdelegierte geben, im 2. Wahlgang sind dann 2373 Delegiertenstimmen erforderlich.


Bei dem 2. Wahlgang ist zu beachten, dass es sich nicht um eine klassische Stichwahl der zwei besten Kandidaten handelt. Der 2. Wahlgang ist eine sog. Contested Convention, hierbei werden die Delegierten des 1. Wahlgangs von ihrer Bindung an die Ergebnisse der Vorwahlen befreit. Es findet praktisch eine komplett neue Abstimmung statt.

4 Kommentare:

WOLFgang21 hat gesagt…

Interessante Analyse. Ich stimme auch vielem zu. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass Bloomberg mir am unsympathischsten unter allen Bewerber*innen ist, weil er im Grunde nur auf "Money" = $-Politik setzt. Das würde quasi im Umkehrschluss und weitergedacht heißen, ein Milliardär ersetzt einen anderen. Ob das ein echter Politikwechsel ist ? Ich habe das so meine Zweifel...mal schaun, was der "Super-Tuesday" so bringt ;-) !

Thomas hat gesagt…

Hallo, danke für den Kommentar. Der besondere Einfluss des Geldes in Wahlkämpfen in den USA ist durchaus kritisch zu betrachten. Letztlich werden die Vorgaben und Regularien aber durch die Politik und den Supreme Court selbst gemacht. Alle Beteiligten müssen die Umstände annehmen, wie sie aktuell sind. Bernie Sanders etwa kritisiert den Einfluss des Geldes massiv. Hierbei unterscheidet er zwischen Geld, welches von Milliardären und Firmen kommt und dem, welches aus vielen kleinen Einzelspenden seiner Unterstützer kommt. Am Ende bleibt es aber dabei, dass auch Sanders massiv von den vielen Mio US-Dollar profitiert, die er in seinen Wahlkampf stecken kann. "Kleinere" Kandidaten ohne solch eine finanzielle Unterstützung bleiben auch bei und gegen Sanders auf der Strecke. Geht es also in erster Linie, doch nicht darum, wieviel Geld ausgegeben wird, sondern darum, woher es stammt? Ist das so, sind Milliardäre aber auch unterschiedlich zu bewerten. Es wäre zu prüfen, was Mike Bloomberg denn eigentlich vor hat. Fakt ist, dass die Demokraten von Bloombergs Geld schon häufiger profitiert haben, z. B. in den vielen Wahlkämpfen zu den Kongresswahlen 2018. Hätte Bloomberg dabei nicht finanziell unterstützt, wären die Chancen einiger Demokraten vermutlich geringer gewesen. Evtl. wären die Machtverhältnisse im Kongress dann auch andere. Kommen Bloombergs Positionen beim Wähler an? Was helfen ihm, die ganzen Werbespots, wenn er nicht den Nerv der Wählerinnen und Wähler trifft. Gelingt es ihm dennoch, die Demokraten und andere zu überzeugen und zu mobilisieren, wäre die Ausgangslage keine andere als bei Sanders. Dennoch bleibt es schon ein wenig befremdlich, welchen Einfluss eine Einzelperson durch sein Geld nehmen kann. Vorzuwerfen ist ihm das meiner Ansicht nach aber nicht. Ich glaube, dass sich am Ende niemand bei den Demokraten beschweren wird, wenn es Bloomberg ist, der maßgeblich, direkt oder indirekt, dazu beiträgt, dass Trump abgewählt wird. Und die Republikaner werden sich auch nicht beschweren, unterstützen sie doch selbst jemanden, der auch den ein oder anderen Dollar mitgebracht hat. Man darf auch nicht vergessen, dass die USA natürlich weit größer sind und auch nicht über öffentliche Medien, in der Art verfügen, wie es in Deutschland der Fall ist. Wie also soll ein Kandidat aus Maine, seine Positionen in ein Dorf, irgendwo an der Grenze zu Mexiko bringen, wenn er nicht über einen Wahlkampfapparat verfügt, der dazu in der Lage ist. Es kostet enorm viel Geld, Personal und Material für solch ein Vorhaben bereitzustellen.

WOLFgang21 hat gesagt…

Hallo Thomas ,

danke für die Erklärung, die ich weitgehend gut nachvollziehen kann.
Natürlich ist mir schon klar, dass die "Besonderheiten" in US of A nicht vergleichbar mit unseren Auffassungen sind. Das fängt meiner Meinung nach beim (antiquierten) Wahlsystem "The Winner take it all" und dem Iowa Caucus (für die Zeit um 1800 war das basisdemokratisch, ja) über das "Second Admidment" (Waffenüberschuß mit destruktiven Folgen) bis hin zu fehlenden Öffentlich-Rechtlicher (und kritischen Medien) an. Vom Gesundheitssystem ganz zu schweigen...^^

Ich kann ja durchaus andere Kulturen akzeptieren, nur tue ich mich damit mehr als schwer, diese oft seltsame Blüten treibende amerikanische Kultur zu verstehen oder akzeptieren zu können, eben weil damit oft grundlegende demokratische Konsense und Bürger*innenrechte übergangen werden.

Aber das zu ändern ist natürlich Sache der amerikanischen Zivilgesellschaft ;-)

WOLFgang21 hat gesagt…

Hallo Thomas,

wie ist denn (aus Deiner Sicht)diese Meldung zu bewerten ?

US-Demokraten: Buttigieg zweifelt Nevada-Ergebnis an http://www.tagesschau.de/ausland/buttigieg-nevada-101.html

Beste Grüße :-)