Freitag, 14. August 2020

Trump verstärkt Widerstand gegen Briefwahl - Welche Vorwürfe stimmen?

US-Präsident Donald Trump geht weiter gegen die allgemeine Briefwahl vor. Seit Wochen wettert er gegen die Möglichkeit, den Stimmzettel für die Präsidentschaftswahl per Brief abzugeben. Laut Trump würden durch eine allgemeine Möglichkeit der Briefwahl viele Nachteile entstehen. Am häufigsten nennt der Präsident dabei die Gefahr des Wahlbetrugs. Niemand wisse wohin Wahlzettel verschickt würden, bzw. von wo sie kämen, so der Republikaner. Außerdem wäre es für ausländische Staaten wie China, Russland, Iran und Nordkorea sehr leicht, Wahlzettel zu manipulieren und so in betrügerischer Weise Einfluss auf den Wahlausgang in den USA zu nehmen. Donald Trump führt aber auch weiter aus, dass es zu einem Wahl- bzw. Auszählungschaos kommen würde, wenn alle die Möglichkeit hätten, per Brief abzustimmen. Es könnte Wochen dauern, bis ein Ergebnis vorliegen würde. Trump führt dabei Beispiele aus vergangenen Wahlen an, bei denen es zu Problemen und Unregelmäßigkeiten gekommen ist.

Der US-Präsident differenziert bei seiner ablehnenden Haltung zwischen Briefwahl auf einzelnen begründeten Antrag (etwa bei Verhinderung am Wahltag) und der allgemeinen Briefwahl. Wer also aus Gründen der eigenen Abwesenheit einen Antrag stelle, den Stimmzettel übersandt zu bekommen und so dann Gebrauch vom Wahlrecht macht, könne dies gerne tun, so Trump. Allen Menschen allerdings Stimmzettel zu übersenden und ihnen so ohne jeglichen Antrag die Briefwahl zu ermöglichen, lehnt der Präsident entschieden ab. In einigen Bundesstaaten ist auch die Zwischenform, Briefwahl auf Antrag ohne Nennung von Gründen (ähnlich wie in Deutschland) möglich.


Demokraten wollen Briefwahl ermöglichen


Die Demokraten dagegen kritisieren Trump für dessen Haltung. Sie wollen erreichen, dass bei dem Wahlgang im November trotz der Coronapandemie eine hohe Wahlbeteiligung erzielt wird. Sie wollen zugleich aber vermeiden, dass sich die Menschen in Schlangen in und vor Wahllokalen einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen müssen, bzw. sie aus Angst davor von ihrem Wahlrecht nicht Gebrauch machen. Vorwürfe der erhöhten Gefahr des Wahlbetrugs weisen sie zurück.
Nicht nur klassische Trump-Kritiker werfen dem Präsidenten vor, mit seiner Behauptung, Briefwahl sei nicht sicher, das Wahlergebnis bzw. den gesamten Wahlgang bereits im Vorfeld in Zweifel ziehen zu wollen, um so eine mögliche Niederlage später nicht akzeptieren zu müssen.


Trumps Kritik an der Briefwahl - Was stimmt davon?


Tatsächlich muss beim Thema Briefwahl genauer hingesehen werden. Die beiden Kernvorwürfe Trumps sind aus meiner Sicht dabei unterschiedlich zu bewerten.

Die Behauptung, dass durch Briefwahl das Risiko des Wahlbetrugs steigt, ist nicht belegbar. Beide Varianten der Briefwahl (auf Antrag bei Abwesenheit und allgemein ohne Antrag) werden per Post erledigt. Ebenso sind umfangreiche Identitätsüberprüfungen und Sicherheitsmechanismen in den Prozess eingebaut, die vor Missbrauch schützen. Stimmzettel werden ohnehin nur an jene versandt, die sich als Wählerinnen und Wähler haben registrieren lassen. Die Behauptung, dass Stimmzettel quer durch das Land an unbekannte Menschen, ohne Hinweise auf Alter, Nationalität etc. vorliegen, ist falsch.
Registrierte Wählerinnen und Wähler erhalten in den Bundesstaaten unterschiedlich aussehende Stimmzettel und sind durch einen eindeutigen Code auch zu unterscheiden und zu sichern. Dass jemand massenweise Stimmzettel fälscht oder individuell herstellt und versendet, ist also kaum möglich, bzw. müsste diese Person Zugriff auf alle Daten haben. Zudem müssten auch die Wählerinnen und Wähler sich zusätzlich noch an einem solchen Wahlbetrug beteiligen. Dieser Umstand ist insbesondere auch in Hinblick auf den Einfluss ausländischer Staaten zu berücksichtigen. Diese müssten betrugsbereite Menschen erstmal identifizieren, an deren Registrierungsdaten kommen, Wahlzettel erstellen, Unterschriften fälschen etc.
Es gibt von unabhängigen Stellen keine Hinweise darauf, dass Briefwahl unsicher sei bzw. es in der Vergangenheit zu einem Anstieg von Fällen des Wahlbetrugs gegeben hat.

Es gibt verschiedene Beispiele, auf die sich Donald Trump in der Öffentlichkeit stichpunktartig beruft, um Unregelmäigkeiten bei der Briefwahl zu belegen. Diese konnten bislang aber widerlegt bzw. hinsichtlich des Vorwurfs des generellen und massenweisen Wahlbetrugs entkräftet werden.


Probleme bei Briefwahlen in Nevada und New York City?


Beispielhaft möchte ich zwei vom Präsidenten besonders häufig genannte Vorkomnisse anführen:

Trump behauptet, dass in Nevada Briefwahl ohne Unterschrift möglich ist und suggeriert, dass irgendwer missbräuchlich auf fremden Namen abstimmen könne.
Richtig ist, dass auch in Nevada eine Briefwahlstimme nur dann gezählt wird, wenn der Abgleich der Unterschrift positiv verlaufen ist. Das heißt die Briefwahlunterlage, die zusammen mit dem Stimmzettel versandt wird, muss unterschrieben werden. Diese Unterschrift wird dann mit der den bundesstaatlichen Behörden bekannten Unterschrift des registrierten Wählers verglichen. Eine Übereinstimmung muss vorliegen, sonst wird die Stimme nicht gezählt.
Richtig ist auch, dass im Juni bei den Vorwahlen zum Kongress in knapp 7.000 Fällen Unregelmäßigkeiten auftraten.
Falsch ist aber, dass dadurch nicht korrekte Stimmabgaben das Ergebnis beeinflusst hätten. Eben gerade aufgrund der vorhanden Sicherheitsvorkehrungen sind die Stimmzettel aufgefallen und eben nicht gewertet worden. Unabhängig davon, ist zu berücksichtigen, dass es nicht zwingend knapp 7.000 Betrugsversuche waren. Es ist wohl wahrscheinlicher, dass die Regelung einfach nicht verstanden wurde und es wie sonst auch üblich, einen gewissen Anteil ungültiger Stimmen gab.

Ein zweites Beispiel ist Trumps Behauptung, dass etwas mit den Vorwahlen der Demokraten zum Kongress in New York City nicht stimme. So vage, wie ich es hier formuliert habe, ist auch der Vorwurf. Der Präsident unterstellt, dass etwas nicht stimme, ohne konkret zu benennen, was er meint.
Richtig ist, dass es in New York wochenlang gedauert hat, bis alle Stimmzettel ausgezählt waren. Aufgrund der Corona Pandemie haben etwa 10 mal so viele Wählerinnen und Wähler vom Stimmrecht per Briefwahl gebraucht gemacht, als noch etwa im Jahr 2016. Es dauerte Wochen bis alle Briefe geöffnet, geprüft und ausgezählt wurden. Sechs Wochen nach der Wahl wurde das Ergebnis verkündet. Hinweise, dass durch die lang andauernde Auszählung etwas nicht korrekt abgelaufen sei, liegen aber nicht vor.


Verzögerungen bei Auszählung wahrscheinlich


Das Beispiel aus New York City nutzt Trump irreführend, führt aber zu seinem weiteren Vorwurf der Verzögerungen und des drohenden Wahlchaos. In diesem Punkt ist Trumps Argumentation als Problembeschreibung plausibel.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Post in den USA mit der erhöhten Anzahl an Sendungen rund um die Wahl überfordert sein wird. Außerdem darf angezweifelt werden, ob insgesamt eine ausreichende Wahlinfrastruktur für eine deutlich erhöhte Wahlbeteiligung per Brief vorhanden ist. In den USA ist die Briefwahl in der Vergangenheit eben in einem deutlich niedrigeren Ausmaß zur Anwendung gekommen. Verzögerungen bei den Auszählungen sind also nicht auszuschließen. Dass, wie von Trump manchmal behauptet, Monate vergehen würden bis ein Ergebnis vorliege, ist ausgeschlossen. Der Kongress hat eine Frist gesetzt, bis wann die finalen Ergebnisse verkündet werden müssen. Alle Bundesstaaten müssen bis zum 14. Dezember 2020 die Ergebnisse übermitteln, auch wenn bis dahin nicht alle Stimmzettel ausgezählt werden konnten.


Trump nimmt finanzielle Probleme bei Post und Wahlinfrastruktur bewusst in Kauf


Um den vorgenannten Problemen vorzubeugen, wollen die Demokraten finanzielle Mittel des Bundes freigeben. Im Rahmen eines weiter umfassenden Investitionspakets wegen der Coronokrise sind auch zwei Positionen enthalten, die in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Rund 25 Mrd US-Dollar sollen an die Post gehen und weitere 3,5 Mrd für die Verbesserung der Wahlinfrastruktur eingesetzt werden. Das Hilfspaket ist bekanntlich noch nicht zustande gekommen.
Der US-Präsident hat nun auch keinen Hehl daraus, dass er die Beträge nicht bewilligen wird, weil er grundsätzlich gegen die Briefwahl ist. Er frohlockte, dass ohne das Gelder eine allgemeine Briefwahl nicht möglich sei, da die Post es gar nicht schaffen könne.


Ob Trump bei seiner Haltung bleibt, ist fraglich. Vielmehr dürfte er die Gelder eher als Druckmittel und Verhandlungsmasse sehen, um einen besseren Deal zu erreichen und die Demokraten so unter Druck zu setzen, seinen Vorstellungen des Hilfspakets zuzustimmen.

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