Mittwoch, 30. September 2020

Wildes TV-Duell - Trump lässt Chance liegen - Biden kämpft sich solide durch den Abend

US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden haben sich in der vergangenen Nacht das erste direkte TV-Duell dieses Wahlkampfes geliefert. Die Veranstaltung in Cleveland, Ohio war das erste von drei Aufeinandertreffen dieser ArtEs war das erwartet harte Rededuell zwischen beiden Spitzenkandidaten.

Die TV-Debatte in voller Länge



Die Ausgangslage


Beide Kontrahenten trafen zu einer Zeit aufeinander, in der in verschiedenen Bundesstaaten das Early Voting, also die Möglichkeit der vorzeitigen Stimmabgabe, schon begonnen hat. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Ausgangslage. Es ging zwar auch darum, einen guten Start in den heißen Wahlkampfherbst zu erwischen, aber Fehler und Schwächen können sich bereits jetzt auch direkt bei den Stimmenabgaben auswirken.

Würde heute gewählt werden, hätte Joe Biden in vielen entscheidenden Bundesstaaten einen kleinen bis komfortablen Vorsprung in den Umfragen. Insofern galt es für Trump, einen Auftritt abzuliefern, der den Demokraten in die Enge treibt und sich selbst wieder auf Schlagdistanz bringt. Trump musste neben der Mobilisierung der eigenen Wählerinnen und Wähler insbesondere zwei Ziele im Auge haben, die argumentativ nur schwer miteinander zu vereinbaren sind. Dem Präsidenten musste es gelingen, Biden einerseits so weit links zu verorten, dass Zweifel bei Wechselwählern entstehen. Andererseits war Trumps Ziel auch, Biden Aussagen und Positionen zu entlocken, die wiederum den linken Parteiflügel der Demokraten demobilisieren.

Joe Biden dagegen, stand vor der Herausforderung, die scheinbar gute Ausgangslage durch souveränes Verwalten zu stabilisieren. Demokraten und Unabhängige mit einer Tendenz zu Biden zweifeln an Trump oder lehnen ihn ab. In diesem Duell ging es für Biden auch darum, bei diesen Wählergruppen keine Zweifel an seiner eigenen Person aufkommen zu lassen. Gleichzeitig musste Biden aber auch beweisen, dass er genug Enthusiasmus und Überzeugungskraft mitbringt, um die progressiven Kräfte in seiner Partei zu mobilisieren.


Das Duell


Das TV-Duell ging über 90 Minuten und war in sechs Themenblöcke aufgeteilt. Neben den zuvor veröffentlichten Themen COVID19, Supreme Court, Wirtschaft, Rassismus und Polizei, Integrität der Wahl, ging es auch kurzzeitig um die Klimapolitik.

Schon in den ersten 10 Minuten wurde deutlich, wie schwierig es für die Zuschauer werden würde, konkrete inhaltliche Positionen oder Pläne der beiden Kandidaten herauszuarbeiten.

Insbesondere Donald Trump unterbrach sowohl seinen Herausforderer als auch den Moderator Chris Wallace immer wieder, so dass kaum ein zusammenhängendes Gespräch entstehen konnte.
Joe Biden gelang es dabei ebenfalls nicht immer, sich zurückzuhalten. Er bezeichnete den Präsidenten als einen Lügner und forderte ihn zwischenzeitlich auf, den Mund zu halten. Dennoch schaffte es Biden mit viel Mühe seine Punkte zu setzen.

Die Strategie Trumps schien es offenbar zu sein, seinen Kontrahenten aus dem Konzept zu bringen und mit Vorhaltungen und Anschuldigungen persönlicher und inhaltlicher Art unter Druck zu setzen. Aus den Vorwahlen wusste Trump, dass Biden seine schwächsten Momente hatte, wenn er sich unter Druck verteidigen musste. Vermutlich hatte Trump gehofft, auf diese Weise selbst etwas aus dem kritischen Fokus der Zuschauer zu gelangen. Die eigenen Vorstellungen des Republikaners blieben dabei aber meist auf der Strecke.

Was bleibt inhaltlich in Erinnerung? 


Es begann mit dem Thema US Supreme Court. Donald Trump verteidigte sein Vorgehen bei der Nachbesetzung des offenen Postens. Er habe 2016 die Wahl ebenso gewonnen, wie die Republikaner per Wahlen die Mehrheit im US-Senat erreicht haben. Es sei sein Recht und das der Republikaner, nun auch eine neue Richterin zu nominieren und zu bestätigen.
Joe Biden hielt dagegen und argumentierte, dass aktuell bereits die diesjährigen Wahlen liefen und dieser laufende Entscheidungsprozess abgewartet werden solle. Zudem warnte der Demokrat auch inhaltlich. Mit der von Trump geplanten Neubesetzung, würden Obamacare und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch auf dem Spiel stehen.

Zur Coronapandemie und dem Krisenmanagement des Präsidenten tauschten beide Kontrahenten ihre bekannten Positionen aus. Joe Biden hielt Trump vor, durch Zögern und Lügen die Situation in den USA verschlechtert zu haben. Trump habe den Ernst der Lage nicht heruntergespielt, um eine Panik im Volk zu vermeiden, sondern vielmehr, um seiner eigenen Panik zu entgegnen, so Biden.
Der US-Präsident versäumte daraufhin, sein Krisenmanagement ruhig und offen zu erklären. Stattdessen hielt er Biden vor, dass es unter ihm 2 Mio Tote gegeben hätte. Außerdem erklärte er China als den Hauptschuldigen, da das Land die Welt nicht vor "ihrem Virus" bewahrt hätte.  

Die Diskussionen der vergangenen Monate um Rassismus, Polizeigewalt und Ausschreitungen in verschiedenen Städten fanden ebenfalls Eingang in die Präsidentendebatte.
Der Grundtenor bei dem Thema war, dass Trump dem Demokraten vorhielt, Law-and-Order abzulehnen und die Gewalt in den Städten zu tolerieren. Biden wies die Anschuldigungen zurück.
Trump erlaubte sich dann einen völlig unnötigen Fehler, als er es auf mehrfache Nachfrage unterließ, Rechtsextremisten im Land zu verurteilen. Stattdessen sagte er lediglich in Richtung der "Proud Boys", einer faschistischen Gruppierung, "haltet euch zu zurück, haltet euch bereit". Natürlich will Trump potentiellen Wählergruppen nicht in den Rücken fallen, aber hier wäre er in seiner Eigenschaft als Präsident gefragt gewesen. Die überparteiliche Mehrheit in den USA, steht rechtsextremistischen Gruppierungen ablehnend gegenüber. Diese Menschen hat Trump in diesem Augenblick nicht abgeholt, eher verstört zurückgelassen. Zudem suggerierte er mit seinem Ausruf, dass er praktisch direkten Einfluss auf diese Gruppierung habe.

In den vergangenen Tagen wurde der Wahlkampf nochmal angereichert durch die Veröffentlichung einiger Inhalte von Trumps Steuererklärungen durch die New York Times. Die Zeitung kündigte an, in den kommenden Woche weitere Details zu veröffentlichen. Trump hat sich anders als seine Vorgänger geweigert, seine Steuererklärung publik zu machen. Trump legte sich aber fest und sagte, dass er in den Jahren 2016 und 2017 statt der kolportierten jeweils 750 US-Dollar mehrere Millionen an Einkommenssteuer gezahlt habe.

Neben einem Streit, ob Biden in der Obamaregierung oder Trump eine bessere Wirtschaftspolitik betrieben habe, stellte der Demokrat nochmal klar, dass er die Unternehmenssteuer von 21% auf 28% anheben wolle.
Beim Thema Klimawandel hielt Trump Biden vor, für einen Green New Deal zu stehen. Der Demokrat wies dies zurück und stellte seinen eigenen Plan vor. Er distanzierte sich damit auch von Forderungen aus Teilen der eigenen Partei.

Abschließend wurde die von Trump so heftig kritisierte Briefwahl nochmal thematisiert. Der Präsident erneuerte seine Behauptungen, Briefwahlen seien nicht sicher und führte verschiedene Beispiele angeblicher Unregelmäßigkeiten an. Auf die Frage, ob er eine Niederlage akzeptieren oder sich zumindest nicht zum Sieger erklären werde, sofern die Ergebnisse nicht vollständig ausgezählt seien, antwortete er erneut ausweichend. Biden rief die Bürger direkt auf, so schnell wie möglich, wählen zu gehen. Sie sollten sich nicht einschüchtern lassen und von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Biden selbst wolle das Ergebnis abwarten und auch eine Niederlage akzeptieren, so sie offiziell bestätigt werde.

Wer hat gewonnen?


Betrachtet man nochmal die Ausgangslage und die Ziele der Kandidaten, so ist doch von einem Punktsieg Bidens auszugehen. Der Demokrat hatte ein paar starke Augenblicke, ein großartiger Auftritt war es aber auch nicht. Joe Biden nutzte häufig die Gelegenheit, direkt in die Kamera zu blicken und sprach die Zuschauer konkret an. Insbesondere in Situationen, in denen man kaum noch ein Wort verstehen konnte, wirkte dies abgeklärt und beruhigte kurzzeitig die Debatte.

Biden ist aus meiner Sicht insbesondere der Gewinner, weil Donald Trump eine bedeutende Chance verschenkt hat. Dem Präsidenten ist es nicht gelungen, zwischen seinen Wahlkampfauftritten und Pressekonferenzen einerseits und dem TV-Duell vor einem dreistelligen Millionenpublikum zu differenzieren. Der Republikaner hat es verpasst, im Detail seine behaupteten Erfolge der vergangenen Jahre zu erläutern. Wenn Trump das Ziel hatte, und davon muss man ausgehen, seine Wählerbasis nicht nur zu mobilisieren, sondern auch zu erweitern, so ist festzustellen, dass er kaum ein Angebot unterbreitet hat, was nicht auch in den letzten Jahren bereits vorhanden war.
Trump hat sich zu sehr darauf beschränkt, über die Vergangenheit zu sprechen. Die Zeit vor und während seiner Präsidentschaft war deutlich häufiger Thema, als seine Pläne für die Zukunft. Nach vorne gerichtet, ging es Trump hauptsächlich darum, vor Joe Biden zu warnen. Aber auf die Vorhalte, die sonst von seinen Anhängern mit viel Jubel quittiert wurden, kam in der vergangenen Nacht deutlicher und stetiger Widerspruch.

Wie geht es weiter?


Donald Trump und Joe Biden treffen am 15.10. in Miami, Florida und am 22.10. in Nashville, Tennessee wieder aufeinander. Als nächstes folgt aber die TV-Debatte zwischen Vizepräsident Mike Pence und der Vizekandidatin Kamala Harris am 07.10. in Salt Lake City, Utah.
Am 03.11.20 findet die US-Präsidentschaftswahl statt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Klingt so als wäre die Debatte zimlich nix sagend: Wer Trump mag, mag ihn immer noch und wer ihn ablehnt bleibt dabei.
Es wirkt fast so als würde Trump nur noch versuchen die Legitimität der Wahl anzuzweifeln stat neue Wähler gewinnen zu wollen?
Biden hat zumindest es geschafft nichts peinliches zu sagen und hat keine Zweifel an seiner Fitness aufkommen lassen.
Für Biden ist wichtig, dass er klar macht das wer Trump los werden will ihm wirklich seine Stimme geben muss und auch keinem 3. Kandidaten. Wie stehen die eigentlich zur Zeit, findet deren Wahlkampf überhaupt beachtung?

Thomas hat gesagt…

Die Third Party Candidates liegen in landesweiten Umfragen durchschnittlich zwischen 1% und 3%, wobei die libertäre Jorgensen etwas besser gesehen wird als der Grüne Hawkins. Beide sind aber schwächer als ihre Vorgänger in den vergangenen Wahlen. Traditionell wird auch kaum bis gar nicht über sie berichtet.