Donnerstag, 4. Juli 2024

Steht Biden vor dem Aus? Eine kaum noch aufzuhaltende Dynamik.

US-Präsident Biden gerät in Bezug auf seine erneute Kandidatur zunehmend unter Druck. Der Spitzenkandidat der Demokraten versucht derzeit vergeblich, die Dynamik der negativen Berichterstattung über ihn aufzuhalten. Eine öffentliche Debatte, die inzwischen derartig weitgreifend ist, dass Joe Biden bald nicht mehr aus einer eigenen Motivation heraus, seine Zukunft bestimmen können wird. Eine finale Entscheidung scheint in Kürze anzustehen.


Joe Biden
Public Domain, free CCO, US Government, by Adam Schultz, rawpixel



Nach dem desaströsen Auftritt im TV-Duell ist es dem Präsidenten nicht mehr vollständig gelungen, die kritischen Stimmen in der eigenen Partei zu deckeln. Auch ihm ganz sicher nicht feindlich gesonnene Medien, wie CNN oder die New York Times treiben die Debatte über einen Verzicht Bidens voran. Zudem schalten sich finanzstarke Geldgeber in die Diskussion ein und sorgen sich um die Erfolgsaussichten im Rennen gegen Donald Trump.


Biden verliert in Umfragen weiter an Zustimmung


Tag für Tag werden neue Umfragen veröffentlicht und diese belegen, dass Biden weiter an Zuspruch verliert. Lag Trump lange Zeit nur etwa ein Prozentpunkt vor Biden, ist diese Differenz inzwischen auf durchschnittlich knapp 3 % angewachsen. Hinzu kommt noch eine für die Demokraten besorgniserregende Umfrage aus New Hampshire. Hier liegt laut St. Anselm Biden zwei Prozentpunkte hinter seinem republikanischen Herausforderer. New Hampshire gilt als ziemlich sichereres Terrain für die Demokraten, zudem hatte Trump hier in den Vorwahlen der Republikaner ein relativ schwaches Ergebnis gegen Nikki Haley eingefahren. Auch andere praktisch sichere Bundesstaaten für die Demokraten, wie Virginia und Minnesota zeigen Umfragewerte, die eher ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Biden und Trump sehen. In den klassischen Battleground States liegt Biden ohnehin schon hinten.

Krisentreffen mit Vizepräsidentin und Gouverneuren


Nichts deutet momentan auf einen Stimmungswechsel in den USA hin. Heute nahm diese Diskussion weiter Fahrt auf. Die New York Times berichtete von einer vertraulichen Quelle, die bestätigt haben soll, dass Joe Biden über einen Rückzug von seiner Kandidatur nachdenke, sollte es ihm in den nächsten Tagen nicht gelingen, das Vertrauen in dessen Gesundheit und die Zuversicht auf einen Sieg bei der anstehenden Präsidentschaftswahl wiederherzustellen. Heute Abend kommt es zu einem gemeinsamen Treffen mit nahezu allen demokratischen Gouverneuren, darunter auch jene, die als potenzielle Alternativkandidaten gehandelt werden. Dazu zählen Gretchen Whitmer aus Michigan, Gavin Newsom aus Kalifornien, Josh Shapiro aus Pennsylvania und Wes Moore aus Maryland. Auch Vizepräsidentin Harris, mit der er schon ein Treffen am Mittag hatte, wird an dem Termin teilnehmen.

Durchhalteparolen aus dem Weißen Haus


Das Weiße Haus hat offiziell alle Berichte über einen möglichen Rückzug zurückgewiesen und den schwachen Auftritt Bidens bei dem TV-Duell mit einer Erkältung und Übermüdung infolge vieler Flugreisen begründet. Dass die Pressesprecherin derzeit so viel über den Zustand und einen möglichen Rückzug Bidens reden muss, ist ein Symptom der dramatischen Lage des Präsidenten. Die demonstrative Rückendeckung für den Präsidenten ist dabei eher der Professionalität geschuldet, als ein Zeugnis der aktuellen Situation. Zweifellos ist Biden in der Defensive. Er steht vor einer Entscheidung, die für die Demokraten und die USA weit folgenreicher sein wird, als für ihn selbst.

Sind Alternativen zu Biden wirklich besser?


Nun kann natürlich spekuliert werden, ob Biden eher aus Überzeugung in seine eigene Stärke und Siegesgewissheit oder eher aus Unsicherheit handelt, die Demokraten in eine schwere Krise stürzen zu können. Denn selbst wenn man zur Feststellung kommt, dass Biden nicht mehr der ideale Gegenkandidat für Donald Trump ist, so bleibt die Frage, ob eine Veränderung der personellen Ausgangslage eine wirkliche Verbesserung bringt oder doch eher die Siegchancen im November zunichte macht. Was die Demokraten nicht brauchen, ist eine wochenlange Debatte über die richtige Alternative oder sogar ein offener Richtungsstreit. Die gesamte Partei muss sich bewusst sein, dass nur eine geschlossene Rückendeckung für einen neuen Kandidaten zum Erfolg führen kann. Zudem muss diese Alternative auch hinreichend bekannt und zügig in der Lage sein, eine Wahlkampfinfrastruktur aufzubauen. Das dies alles viel zu spät ist, um einen gut organisierten Wahlkampf zu präsentieren, steht außer Frage. Der ideale Zeitpunkt für einen Rückzug ist längst verstrichen. Aber jeder Tag kann noch gerade rechtzeitig kommen, um das Ruder nochmal herumzureißen. Dieses Zeitfenster schließt sich aber. Nicht heute, nicht morgen, aber eben auch nicht erst in auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten am 19.-22. August in Chicago.

Montag, 1. Juli 2024

Supreme Court gibt US-Präsidenten weitreichende Immunität

Der Oberste Gerichtshof der USA hat ein beachtliches Grundsatzurteil gefällt. US-Präsidenten dürfen strafrechtlich nicht verfolgt werden, wenn sich die Strafe auf offizielle Handlungen bezieht. Demnach gilt diese Immunität nicht für Handlungen inoffizieller Art. Die Interpretation dieses Grundsatzes bzw. die konkrete Anwendung hat der Supreme Court wieder an die unteren Gerichte zurückgegeben. Damit beginnt nun eine juristische Auseinandersetzung, was offizielles Handeln ist und welche Handlungen auch im konkreten Fall als offiziell betrachtet werden.

Supreme Court of the United States - Roberts Court 2022
US Supreme Court
oben v.l.: Amy Coney Barrett, Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh, Ketanji Brown Jackson
unten v.l.: Sonia Sotomayor, Clarence Thomas, John Roberts, Samuel Alito, Elena Kagan

Fred Schilling, Public domain, via Wikimedia Commons


Für die laufenden Verfahren gegen Donald Trump bedeutet dies, dass die betroffenen Gerichte nun zunächst prüfen müssen, ob sich die Anklagepunkte auf offizielles Handeln beziehen und damit hinfällig wären. Eine weitere Verzögerung der Prozesse ist anzunehmen.


Unabhängig von den laufenden Verfahren, wirft die Entscheidung des Supreme Court Fragen auf. Genauer gesagt geht es um die Formulierung des "offiziellen Handelns". Natürlich soll sich kein Präsident einer wahllosen ggf. auch politisch motivierten Strafverfolgung ausgesetzt sehen. Dies würde ein Staatsoberhaupt und dessen Handlungsfähigkeit ggf. derart einschränken oder behindern, dass die Funktion dieses Organs nicht mehr gewährleistet sein könnte. Dass ein Präsident aber praktisch Narrenfreiheit für jegliche offizielle Amtshandlungen genießt, kann ggf. zu einer ernsten Bedrohung führen.

Diesen Gedanken führt auch die liberale Richterin am Supreme Court, Sonia Sotomayor, an. Wenn ein Präsident das Navy Seal Team 6 anweist, einen politischen Rivalen töten zu lassen, könnte er dafür nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, weil dies eine offizielle Amtshandlung sei. Gleiches würde für einen angeordneten Militärputsch gelten, um im Amt zu bleiben. Oder die Annahme von Bestechungsgeldern für eine durch den Präsidenten ausgesprochene Begnadigung, so die Richterin.


Sotomayor hatte zusammen mit den anderen beiden eher liberalen Richterinnen Ketanji Brown Jackson und Elena Kagan gegen die Mehrheitshaltung gestimmt. Alle drei Richterinnen wurden von Demokraten berufen. Die eher konservativen Richterinnen und Richter, die von Republikanern berufen wurden, stimmten für diese Haltung. So votierten John Roberts, Brett Kavanaugh, Neil Gorsuch, Samuel Alito, Clarence Thomas und Amy Coney Barrett für die weitreichende Immunität für US-Präsidenten. Das Urteil fiel entsprechend mit 6:3 Stimmen.