Sonntag, 28. Juli 2024

Trumps Probleme mit einem Strategiewechsel

Das Momentum wechselte von Trump zu Harris


Ohne Zweifel hat der Kandidatenwechsel bei den Demokraten neuen Schwung in den US-Wahlkampf gebracht. Das Momentum lag bei Donald Trump und den Republikanern. Nach dem Attentat auf den früheren Präsidenten und dem bedingungslosen Rückhalt auf dem Nominierungsparteitag erreichte Trump seinen bisherigen Höhepunkt in diesem Wahlkampf. Gestärkt vom anhaltenden Umfragehoch und den stagnierenden Zustimmungswerten für seinen damaligen Gegner Joe Biden, griff Donald Trump nach der vollständigen Macht. Zunächst in seiner eigenen Partei. Mit der Nominierung von J.D. Vance als seinen Vizekandidaten entschied sich Trump bewusst dafür, den zweiten vor dem ersten Schritt zu machen. Trump suchte sich den Kandidaten, der am ehesten auf seiner Linie ist und von dem er die größte Loyalität erwartet. Eine Loyalität die er offenbar benötigen wird, sollte er wieder zum Präsidenten gewählt werden. Dass es so kommen wird, hat Trump offenbar als nahezu gesetzt angenommen. Denn J.D. Vance stellt kein besonderes Zusatzangebot für die unentschlossene Wählerschaft in den USA dar und auf die wird es bei der Wahl im November ankommen. Bis auf den Altersunterschied, einem neuen Gesicht auf nationaler Ebene, gibt es nicht so viel, was Vance zusätzlich mitbringt.

Donald Trump, June 2024
Donald Trump
Gage Skidmore from Surprise, AZ, USA, CC BY-SA 2.0 

Dass Trump aber zunächst doch mehr für den Wahlsieg kämpfen muss, als er es in diesen letzten Tagen der Biden-Kandidatur angenommen hatte, ist nun eine Woche danach offensichtlich.
Das Momentum ist umgeschlagen zu Kamala Harris und den Demokraten.

Umfragen zeigten Obergrenze für Trump an


In den Umfragen ist dies zwar erst teilweise und auch nur leicht erkennbar. Angesichts der grundlegend schwachen Zustimmungswerte, die Harris aus ihrer Funktion als Vizepräsidentin hat, ist die leichte Tendenz in Richtung der neuen Spitzenkandidatin aber genau das, was sich die Demokraten von dem Wechsel erhofft hatten.
Zum Wochenstart gehe ich genauer auf den Stand der Umfragen landesweit und in den Battleground States ein. Aber so viel kann ich schon vorweg nehmen. Das Rennen ist wieder knapper geworden und die Demokraten können sich wieder auf die Swing States konzentrieren und müssen nicht noch zusätzlich in Bundesstaaten werben, die eigentlich ohnehin ihnen zuzurechnen sind. Denn diese waren zuletzt unter Biden ebenfalls schon nicht mehr als sicher anzusehen gewesen. Donald Trump hat gesehen, wie weit sein Vorsprung vor Biden reichte. Diese komfortablen Werte scheinen das Maximum gewesen zu sein, was er hätte erreichen können.

Keine Neujustierung des Wahlkampfs erkennbar


Für Donald Trump und die Republikaner kommt es nun umso mehr darauf an, eine geeignete Antwort auf die neue Gegnerin Kamala Harris zu finden. Denn diese wird ihr Momentum nun zunächst weiter ausnutzen und mit ihrer Vizekandidatenkür und dem anschließenden Parteitag versuchen, eine positive Stimmung in diesen Wahlkampf zu bringen. Aus Sicht der Republikaner besteht damit die Gefahr, dass es Kamala Harris gelingen kann, die ermüdende Ablehnung des Duells Biden vs Trump in der Bevölkerung zu überwinden und bei den so wichtigen Wechselwählern zu punkten. Ob diese geeignete Antwort Trumps aber ein "Weiter so" in Inhalt, insbesondere aber in Stil und Ton ist, muss ernsthaft bezweifelt werden.

Donald Trump weiß, was er für seine Performance bekommt. Es sind hohe Zustimmungswerte in seiner von ihm veränderten republikanischen Partei und Wählerschaft. Die reichen aus, um mehr als konkurrenzfähig zu sein. Sein Wahlkampfteam weiß auch, dass sie bis zum Ausstieg Bidens einiges richtig gemacht hatten. Es wird für immer eine Spekulation bleiben, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Trump mit dieser ihm eigenen Art in diesem Jahr gegen Joe Biden gewonnen hätte, war objektiv betrachtet, eher hoch. Trump scheint nun diesen Kurs weiterfahren zu wollen. Mit abwertenden Beleidigungen gegen Kamala Harris versucht er, sie zu diskreditieren und dabei seine Anhängerschaft zu unterhalten. Harris sei "dumm wie ein Stein" hatte Trump geschrieben und sie in der Folge als "Pennerin" bezeichnet. Sie sei eine "Linksextreme" und die "schlechteste Vizepräsidentin in der Geschichte der USA". Eine "Verrückte", die "irre lache". Nichts von alledem passt zu seinen eigenen Worten, dass es Zeit sei, das Land zu vereinen.

Vance bislang keine Hilfe


Was bei Trump inzwischen immer schon eingepreist wird, ist für sein Running Mate keine Selbstverständlichkeit. Trump hätte als Running Mate in weiser Selbstreflexion ein konstruktives Korrektiv auswählen können. J.D. Vance aber hatte in seiner ersten Woche als Vizekandidat erstmal damit zu tun, frühere Diffamierungen kinderloser Frauen einzufangen. Zudem ließ es sich der politische Gegner auch nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass J.D. Vance das Vorwort eines am 24. September erscheinenden Buches von Kevin Roberts verfasst hat.

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J.D. Vance
Gage Skidmore from Surprise, AZ, USA, CC BY-SA 2.0 


Roberts ist Präsident des rechts-konservativen Think Tanks Heritage Foundation. Die Organisation ist Urheber des Project 2025, einem radikalen Plan, von dem sich selbst Trump öffentlich distanziert hat, ob glaubhaft oder nicht, ein seltener Schritt des Republikaners. Neben erzkonservativen Positionen beinhaltet der Plan vor allem die "Abschaffung des Verwaltungsstaates" und die Übertragung von Kontrollmechanismen in die Hände des Präsidenten. Roberts kommentierte in Steve Bannons rechtem Podcast "War Room", dass die USA inmitten einer zweiten Revolution seien, die unblutig verlaufen werde, wenn die Linken dies zuließen. Es ist nicht die einzige Äußerung dieser Art im rechten Umfeld der Republikaner. Ich befürchte, es benötigt einen Bürgerkrieg, um das Land zu retten, wenn wir die Wahl verlieren - und das Land werde gerettet, sagte der Republikaner George Lang, lokaler Senator im Bundesstaat Ohio auf einer Veranstaltung in Middleton bei seiner Ankündigungsrede für J.D. Vance.

Vance war in dieser ersten Woche keine Hilfe für Trump und laut übereinstimmenden Berichten der Financial Times und The Hill sind bei den Republikanern vereinzelt bereits Zweifel zu vernehmen, ob der Senator aus Ohio tatsächlich die beste Wahl gewesen sei.
Auch die ersten Umfragen zu den persönlichen Zustimmungswerten sind für Vance schwach. Laut Reuters sehen 32% der Befragten Vance eher positiv, 39% negativ. Eine CNN-Umfrage weist mit 28% zu 34% eine ähnliche Differenz.

Deutete Trump autoritäre Präsidentschaft an?


Donald Trump wird seinen eingeschlagenen Weg mit J.D. Vance weitergehen. Es sind keinerlei Anzeichen zu vernehmen, dass Trump einen anderen Weg wählen will. Im Gegenteil, am Freitag trat Donald Trump bei einer Veranstaltung von konservativen Christen in West Palm Beach, Florida auf und appellierte an die Zuhörenden, nur noch einmal gewählt werden zu müssen. Sie müssten nicht noch einmal wählen, in vier Jahre hätte er alles geregelt, so Trump. Unklar bleibt dabei, ob er damit andeuten wollte, dass es danach keine weiteren Wahlen im eigentliche Sinne geben werde oder es für die Belange der Christen keine Notwendigkeit mehr gebe, sich politisch zu engagieren, da Trump alles in ihrem Sinne umgesetzt hätte.
Diese Äußerungen vor dem Hintergrund der Debatte um das vorgenannte Project 2025 und Trumps bekannter Affinität zu autoritär agierenden Politikern ist entweder äußerst unbedacht oder eben exakt der eingeschlagene Weg, von dem er sich den größten Erfolg verspricht. 

Haleys Weg könnte Vorlage für einen Strategiewechsel sein


Ungeachtet ihrer Unterstützung für Donald Trump, kritisiert auch Nikki Haley den nun anhaltenden Kurs mit persönlichen Angriffen gegen Kamala Harris aufgrund ihres Geschlechts oder der Herkunft ihrer Eltern. Haley forderte eine Fokussierung auf die inhaltlichen Punkte, mit denen Kamala Harris zu stellen sei. Die Demokraten seien klug gewesen, eine jüngere Kandidatin nun ausgewählt zu haben, sie hätten aber keine schwächere Kandidatin als Kamala Harris auswählen können, sagte Haley in einem CNN-Interview mit Jake Tapper. Dass Haley um eine Versachlichung der Debatte bemüht ist, zeigt, wie sehr sie befürchtet, dass entscheidende Stimmen für die Republikaner bei der Wahl im November nicht eingefahren werden können und der Gewinn der moderaten Wechselwähler ausbleiben könnte. Die Demokraten zielen auch auf Wählerschaft Haleys in den republikanischen Vorwahlen ab.

Nikki Haley
Nikki Haley
Gage Skidmore from Surprise, AZ, USA, CC BY-SA 2.0


"Haley Wähler für Harris" Irreführung im Wahlkampf?


Derweil haben einige frühere Haley-Unterstützer ihre Unterstützung für Kamala Harris bekundet. Zunächst engagierten sich diese Unterstützer für Nikki Haley, um eine erneute Kandidatur Donald Trumps zu verhindern. Nach der Niederlage Haleys in den Vorwahlen wurde dann das Super PAC Haley Voters for Biden gegründet, was sich nun in Haley Voters for Harris umbenannt hat. Es handelt sich also nicht um eine neue Dynamik zu Gunsten Kamala Harris, da sich jene Haley Unterstützer von Beginn an gegen Trump stellten. Nikki Haley hat dennoch nun einen Anwalt angewiesen, das Super PAC schriftlich dazu aufzufordern, nicht mehr ihren Namen verwenden zu dürfen. Sie teile keine der Positionen von Kamala Harris. Das Super PAC lehnte diese Forderung ab und verwies darauf, dass der Name nichts damit zu tun hätte, ob Haleys und Harris Positionen übereinstimmten, sondern lediglich jene Wählerinnen und Wähler ansprächen, die sich früher für Haley und nun für Harris einsetzten.

Trump muss positive Botschaft im Harris-Wahlkampf fürchten


Die Befürchtung, dass Trumps bisheriger Kurs die Wechselwähler nicht mehr erreichen wird, ist bei einigen Republikanern greifbar. Trump weiß, dass mit Kamala Harris nun eine Unwägbarkeit seine Wahlkampfstrategie torpediert. Ob er zur Erkenntnis gelangen wird, dass die inhaltlichen Auseinandersetzungen mit Kamala Harris vielversprechender sein werden, als das Festhalten an der alten Rhetorik zur Mobilisierung seiner Basis, wird auch davon abhängen, wie sich das Stimmungsbild im Land entwickeln wird. Noch scheinen die US-Amerikaner nicht hinreichend von Harris und den Demokraten überzeugt zu sein. Ihr muss es erst noch gelingen, die Aufbruchstimmung in ihrer Partei auch in einen echten Stimmungsumschwung im Land umzumünzen. Die Wahl ihres Running Mate wird ein weiterer Schritt in diese Richtung sein, ob er gelingen wird, bleibt abzuwarten. Sollte es den Demokraten aber gelingen, dem Ticket Harris - Mister X auch die Aura einer Veränderung in der politischen Debatte zu verleihen, könnte das Duo Trump - Vance mit ihrer Strategie scheitern.

Je politischer die Auseinandersetzung aktiv von den Republikanern im Angriffsmodus geführt wird wird, desto größer sind Trumps Chancen gegen Harris zu punkten. Nicht weil die Demokraten dem weniger entgegen zu setzen hätten, sondern weil Harris Angriffspunkte bietet, die wie Haley erkannt hat, in ihrer politischen Bilanz und nicht in ihrer Person liegen. Trump müsste dann aber in der Lage sein, die richtigen Punkte auch herauszuarbeiten und nicht in ein allgemeines Bashing verfallen.

In einer dauerhaft anhaltenden Phase, in der er aber fortwährend vom schlechtesten Präsidenten, der schlechtesten Vizepräsidentin, der Zerstörung des Landes und weiteren historischen Übertreibungen spricht, droht es, dass die eigentlich zu landenden Treffer ausgelassen werden. Die negative Erzählung über den Zustand des Landes könnte Trump und den Republikanern zum Verhängnis werden, wenn Harris einen Weg findet, eine Positivität ins Zentrum ihrer politischen Botschaft zu stellen. Verfällt sie wiederum hauptsächlich in eine Erzählung, die ein drohendes düsteres Szenario im Falle einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus, zeichnet, könnte dies am Ende zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden. 

6 Kommentare:

ojay hat gesagt…

Danke Thomas für Deine aktuelle Berichterstattung zur US-Wahl, die man zu den aktuellen Berichten dann abgleichen kann.
eine zusätzliche Aussicht findet man hier...
https://www.handelszeitung.ch/bilanz/trump-wird-nicht-gehen-732632

Rainbow-Warrior21 hat gesagt…

Ich stimme @ojay sehr zu und Danke für den Hinweis ! Sehr interessanter Artikel, der für mich einen vertiefenden Aspekt darstellt. Wenn schon eine GOP-Frau solche Einschätzungen als Insiderin trifft, ist das mehr als bemerkenswert. Zur Ergänzung empfehle ich den Podcast von T-Online "Tagesanbruch" : https://tagesanbruch.podigee.io/1975-harris

Anonym hat gesagt…

Lieber Thomas
Wie schätzt du es ein, das Obama zuerst nicht und dann erst mit Verspätung seine Unterstützung für Harris kundgab? Haben da die Obamas kurzzeitig mit einer Kandidatur von Michelle geliebäugelt oder was denkst du was der Grund für das Zögern gewesen sein könnte?

Thomas hat gesagt…

@Anonym: Es gibt hier aus meiner Sicht zwei Begründungen. Ähnlich wie die beiden demokratischen Führer im Kongress Chuck Schumer und Hakeem Jeffries musste sich auch Barack Obama mit einer sofortigen offenen Unterstützung zurückhalten. Es gab ein kleines Zeitfenster von weniger als 24 Stunden, in dem die Demokraten Bidens Plan hätten kippen können. Hier war es wichtig, dass die Spitzen einerseits nicht bevormundend auftraten und eine freie Meinungsbildung zuließen. Andererseits wäre das Chaos perfekt gewesen, wenn die Partei nicht nur gegen Bidens Plan rebelliert hätte, sondern sich auch noch gegen die Linie ihrer Spitzen gestellt hätte. So konnten die drei beobachten, dass sich eine große Zustimmung für Harris bildete, um sich dann der Mehrheit anzuschließen.
Eine andere Begründung kann sein, dass die eben genannten plus Nancy Pelosi und weitere einflussreichere Parteigrößen sich schon einen Plan zurecht gelegt hatten, den sie im Falle eines Biden-Rückzugs ohne konkrete Kandidatenempfehlung hätten aktivieren wollen. Von Pelosi weiß man, dass sie sich auch einen offenen Nominierungsparteitag hätte vorstellen können. Biden hat sie in dieser Hinsicht überrumpelt und weitgehend vor vollendete Tatsachen gestellt.
Keinesfalls glaube ich aber, dass Obama eine Nominierung von Michelle anpeilte. Sie hat das immer abgelehnt. Hätte sie auch nur den Hauch von Interesse und Bereitschaft gehabt, hätte sie es nur durchblicken lassen müssen. Die Demokraten hätten Biden wohl nicht mal mehr gefragt und sie zur Spitzenkandidatin gemacht.

Thomas hat gesagt…

@ojaj und Rainbow-Warrior21: Danke für Eure Kommentare und die zusätzlichen Infoquellen und den erweiterten Input .

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für deine Antwort, das scheint mir einleuchtend :)