Dienstag, 25. September 2018

Supreme Court Besetzung überschattet und prägt den Wahlkampf

Die Diskussionen um Trumps Kandidaten für den offenen Richterposten am US-Supreme Court spitzen sich weiter zu. Brett Kavanaugh soll als neunter Richter die Besetzung des Obersten Gerichts der USA vervollständigen und Nachfolger des zurückgetretenen Anthony Kennedy werden. Hierzu wurde er durch den US-Präsidenten nominiert und muss nun vom Senat bestätigt werden.


Judge Brett Michael Kavanaugh (cropped)
Brett Kavanaugh
Die Ernennung gerät aber zunehmend ins Stocken. Kavanaugh sieht sich inzwischen Anschuldigungen konfrontiert, wonach er 1982 als 17-Jähriger der Schülerin, Christine Blasey Ford,  gegenüber sexuell übergriffig geworden sein soll. Der Richterkandidat bestreitet dies vehement. Nun stehen Aussage gegen Aussage und der Senat zögert mit der Zustimmung. In dieser Woche kommt es nun zu einem vorläufigen Höhepunkt, wenn Brett Kavanaugh und Christine Blasey Ford vor dem Justizausschuss des Senats zu den Vorwürfen aussagen werden.
Heute wurde bekannt, dass noch eine weitere Frau, Deborah Ramirez, ähnliche Vorwürfe in Richtung des Richterkandidaten erhebt. Kavanaugh bestreitet auch diese Anschuldigung. Donald Trump hält an seiner Nominierung fest, fordert Beweise für die schweren Vorwürfe gegen seinen Kandidaten und stellt fest, dass dieser unfair behandelt werde.

UPDATE, 27.09.: Inzwischen hat sich eine dritte Frau, Julie Swetnick, mit ähnlichen Anschuldigungen gegen Kavanaugh öffentlich geäußert. Donald Trump fordert von allen Frauen, Beweise für die Anschuldigungen. Die Republikaner streben jedoch eine Abstimmung über Kavanaugh für diesen Freitag an, einen Tag, nachdem sich eine der drei Frauen vor dem Justizausschuss geäußert haben wird.

Die Angelegenheit ist nicht nur Topthema in der US-Öffentlichkeit, sondern überschattet auch den Wahlkampf zu den anstehenden Kongresswahlen, da die Besetzung des offenen Richterpostens von höchster politischer Bedeutung ist.
Woran liegt das?


Bedeutung des US-Supreme Court


Der Supreme Court ist der Oberste Gerichtshof der USA. Wichtige und weitreichende Entscheidungen werden in dieser höchsten Instanz getroffen. In den letzten 10 Jahren waren dies z. B. die vollständige Anerkennung und Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen in allen Bundesstaaten und durch die Bundesregierung, die grundsätzliche Verfassungskonformität der gesetzlichen Krankenversicherung für alle US-Bürger, die Anerkennung der Verankerung des Grundrechts auf Schusswaffen in der Verfassung oder auch die Anerkennung des Rechts auf freie Meinungsäußerung für Unternehmen, die durch finanzielle Spenden Kandidatinnen und Kandidaten in politischen Wahlkämpfen unterstützen wollen.
Da diese und andere Entscheidungen von meist höchster politischer Ideologie und Bedeutung sind, haben Republikaner und Demokraten naturgemäß ein großes Interesse an der Besetzung der Richterposten. So nominieren die jeweiligen US-Präsidenten meist jene Richterkandidatinnen und Richterkandidaten, die ihrer politischen Grundhaltung entsprechen. Demokraten nominieren eher liberale und progressive, Republikaner eher konservative Personen.
Oblique facade 3, US Supreme Court
US Supreme Court
Erstmal durch den Senat bestätigt, bleibt eine Richterin oder ein Richter praktisch lebenslang im Amt, was die Bedeutung der Ernennung nochmals anhebt. Auch aus diesem Grund werden gerne mal relativ junge Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt, um möglichst lange von deren politisch-ideologischen Grundhaltungen zu profitieren. Aus dem Amt kann man durch Rücktritt, meist aus gesundheitlichen Gründen, ausscheiden. Das Repräsentantenhaus kann auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Richterinnen und Richter des Supreme Courts einleiten.
Reduziert man die Betrachtung der acht derzeitig amtierenden Richterinnen und Richter auf deren ideologische Ausrichtung gibt es aktuell einen Patt am Obersten Gerichtshof.
Bei der folgenden Übersicht ist aber hinzuzufügen, dass die Richterinnen und Richter sich natürlich nicht eins zu eins in eines der Lager verorten lassen wollen. Auch die Ausprägung ihrer Einordnung ist durchaus unterschiedlich. So ist Richter John Roberts eher als gemäßigt konservativ anzusehen. Er entschied z. B. mit den vier liberalen Richterinnen und Richtern, dass Obamas gesetzliche Krankenversicherung verfassungskonform ist. Die Abstimmung endete mit 5:4 Stimmen.


Liberal
Konservativ
Nominiert durch
US-Präsident
Mehrheit
im Senat

Clarence Thomas, 70
George Bush
Dem
Ruth Bader Ginsburg, 85

Bill Clinton
Dem
Stephen Breyer, 80

Bill Clinton
Dem

John Roberts, 63
George W. Bush
Rep

Samuel Alito, 68
George W. Bush
Rep
Sonia Sotomayor, 64

Barack Obama
Dem
Elena Kagan, 58

Barack Obama
Dem

Neil Gorsuch, 51
Donald Trump
Rep

*Brett Kavanaugh, 53
Donald Trump
Rep
*nominiert und noch nicht durch den Senat bestätigt, ersetzt Anthony Kennedy

Supreme Court of the United States - Roberts Court 2017
hinten von links: Elena Kagan, Samuel Alito, Sonia Sotomayor, Neil Gorsuch
vorne von links: Ruth Bader Ginsburg, Anthony Kennedy, John Roberts,
Clarence Thomas, Stephen Breyer


Strategische Auswirkungen von Senatsmehrheiten auf personelle Besetzung des Supreme Courts


Anhand der Übersicht ist auch zu erkennen, wie wichtig es für den US-Präsidenten in dieser Frage ist, eine Mehrheit der eigenen Partei im US-Senat zu haben. Bis auf Clarence Thomas im Jahr 1991 bestand bei allen Ernennungen eine Gleichheit zwischen Parteizugehörigkeit des Präsidenten und der Mehrheit im Senat. Die Ernennung des sehr konservativen Thomas hatte ohnehin für große Aufregung gesorgt. Dabei sind Parallelen zur heutigen Debatte um Brett Kavanaugh durchaus erkennbar. Richter Thomas sah sich damals ebenfalls mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung konfrontiert. Seine frühere Mitarbeiterin Anita Hill sagte damals unter eifriger Beobachtung der US-Medien im Senat aus. Ein Sexskandal und Medienspektakel, das in diesem Ausmaß der Berichterstattung damals einzigartig war. Der Justizausschuss im Senat gab keine Empfehlung ab. Der Senat stimmte schließlich mit 52:48 Stimmen für Clarence Thomas. Inwieweit ihm die Anschuldigungen Anita Hills sogar geholfen haben könnten, eine Mehrheit im "demokratischen" Senat zu erlangen ist spekulativ. Manch einer mag sich nun aber an diese Tage Anfang der 90er Jahre erinnert fühlen.

Es ist natürlich auch nicht zwingend gesetzt, dass alle Senatorinnen und Senatoren einheitlich mit ihrer Partei abstimmen. Gibt es besondere Gründe oder persönliche Ansichten, die für oder gegen einen Kandidaten sprechen, kommt es auch mal vor, dass abweichend der Parteilinie abgestimmt wird. Insofern ist eine knappe Mehrheit im Senat auch immer eine Zitterpartie.
Die Verknüpfungen der Richterernennung für den Supreme Court an die Parteizugehörigkeit des US-Präsidenten und die Mehrheiten im US-Senat gehen soweit, dass es auch Absprachen zwischen dem Weißen Haus und den jeweiligen Richterinnen und Richtern gibt. Es ist anzunehmen, dass eine Präsidentin Hillary Clinton versucht hätte, die inzwischen 85 -jährige Ruth Bader Ginsburg durch eine/n jüngere/n Richter/in aus dem liberalen Lager abzulösen. Ginsburg hätte dafür dann aus eigenen Stücken zurücktreten können. So aber wird Ginsburg vermutlich solange weitermachen, bis Trump oder ein anderer Republikaner nicht mehr im Weißen Haus sind. Sollte beispielsweise Ginsburg oder eben auch ein/e andere/r liberale/r Richter/in nicht mehr in der Lage sein, das Amt auszuüben, droht aus Sicht der Demokraten ein konservativer Ersatz.

Tauziehen um Kavanaughs Ernennung überschattet Wahlkampf


Die Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh sind schwerwiegend. Auch in den USA gilt jedoch die Unschuldsvermutung, wobei sie sich anders als beispielsweise in Deutschland, ausschließlich auf die Beweise bzw. die Beweislastregel "Im Zweifel für den Angeklagten" reduziert und nicht auf das Ansehen bzw. eine mögliche Vorverurteilung eines Beschuldigten abzielt.

Die Forderungen nach Beweisen für die Anschuldigungen kommen von unterschiedlichen Seiten. Einige Demokraten fordern zunächst Ermittlungen des FBI, um den Sachverhalt aufzuklären.
Während den Vorwürfen gemeinhin durch Ermittlungsbehörden nachgegangen werden sollte, könnte die Anhörung im Senat am kommenden Donnerstag einer ersten öffentlichen Beweiserhebung gleichkommen. Das ist aber das im Rahmen der Kandidatenanhörung das Recht des Justizausschusses. Manche Republikaner und Demokraten werfen sich gegenseitig vor, die Angelegenheit für ihre Zwecke auszuschlachten. An dieser Stelle drohen sich nun der Aufklärungswille und die Forderung nach Beweisen mit taktischem Kalkül und Wahlkampfstrategien zu vermischen. Während Republikaner tendenziell ihren Kandidaten zügig im Justizausschuss entlastet sehen und die Abstimmung im Senat vollziehen wollen, treten die Demokraten auf die Bremse, wollen die Anhörung vertagen. Die demokratische Senatorin Feinstein fordert zunächst Aufklärung durch die Bundespolizei. Die Republikaner wittern eine Verzögerungstaktik und werfen den Demokraten vor, die Abstimmung solange hinauszuzögern, bis der Senat ggf. nach den Kongresswahlen eine demokratische Mehrheit hat. Kavanaugh würde dann vermutlich durch den Senat abgelehnt, der US-Präsident wäre aufgefordert einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin zu nominieren. Diese Personalie müsste dann mit den Demokraten abgestimmt sein. Vereinzelt hört man auch Meinungen, die Blasey Ford und den Demokraten vorhalten, die Anschuldigungen frei erfunden zu haben.
Auf demokratischer Seite weist man die Wahlkampfvorwürfe der Republikaner empört zurück, pocht auf eine Aufklärung der Angelegenheit und fordert dazu auf, die Vorwürfe Fords ernst zu nehmen. Die fast schon wieder abebbende Dynamik der #MeToo-Debatte erhält damit nochmal neuen Schwung.
Nachdem US-Präsident Trump per Tweet forderte, dass Blasey Ford ja belegen können müsste, 1982 Anzeige erstattet zu haben, formierte sich bei Twitter unter #WhyIdidntreport Widerstand gegen den Präsidenten. Betroffene sexueller Gewalt und Belästigung schildern, weshalb sie die Täter nicht anzeigten.

Die Kandidatinnen und Kandidaten zu den Wahlen des S
enats und des Repräsentantenhauses müssen sich auf die öffentliche Stimmung einstellen, ob es ihnen gelegen kommt oder nicht.
Die Linie einer sachlichen aber zugleich auch zügigen Aufklärung, bevor man in die eine oder andere Richtung entscheidet, dürfte hier wohl, wie sonst vermutlich auch, das Mittel der Wahl sein.

Am Donnerstag, 16 Uhr deutscher Zeit, beginnt die Anhörung Kavanaughs und Fords im Justizausschuss des US-Senats.

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