Dienstag, 2. Juni 2020

Trump im Krisenmodus

Gewaltsame Proteste, Corona, Wirtschaftskrise - Die USA im Ausnahmezustand


President Donald J. Trump
Fünf Monate vor der Präsidentschaftswahl 2020 befinden sich die USA in der Krise. Bei rund 1,8 Mio Infizierten sind mit ca. 105.000 Toten in keinem anderen Land der Welt nachweislich mehr Menschen in Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Dazu kommt ein wirtschaftlicher Abschwung, wie ihn das Land seit der Weltwirtschaftskrise vor ca. 90 Jahren nicht mehr erlebt hat. Seit etwa einer Woche kommen nun auch noch die gewaltsamen Proteste und Unruhen in zahlreichen Großstädten quer durch das Land hinzu.

Was ursprünglich als Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt anlässlich des Todes von George Floyd begann, ist inzwischen zu einem dauerhaften Protest gegen die Ungleichbehandlung von Schwarzen geworden und hat nicht nur mit der Historie des Rassismus in den USA zu tun. Dass es in den USA so viele Tote im Rahmen der Coronakrise gibt und dass Schwarze hierbei überproportional häufig vertreten sind, spielt eine ebenso so große Rolle, wie die Tatsache, dass viele Schwarze Familien nun insbesondere unter der Wirtschaftskrise leiden.
Der tiefe Frust verstärkte sich in den vergangenen Monaten. Der Todesfall George Floyd in Minneapolis brachte nun das Fass zum Überlaufen. Dass diese Proteste nun zu Unruhen ausarteten bzw. zu Gewalt missbraucht wurden, ist eine besondere Herausforderung.

Keines der vorgenannten Probleme ist auch nur ansatzweise gelöst. Nach Corona-Verboten kommt es nun in vielen Städten erneut zu Ausgangssperren aufgrund der nächtlichen gewaltsamen Unruhen auf den Straßen vieler Metropolen. Eine wirtschaftlicher Aufschwung ist noch nicht in Sicht.

Trumps Führung im Jahr seiner angestrebten Wiederwahl


Donald Trumps Wiederwahl hängt auch davon ab, wie der Präsident das Land nun durch diese schweren Zeiten führt. Anfang Februar konnte Trump noch bester Hoffnung sein, die diesjährige Präsidentschaftswahl erfolgreich bestreiten zu können. Starke Wirtschaftszahlen, ein überstandenes Amtsenthebungsverfahren, eine republikanische Partei auf seiner Linie und seine treueste Anhängerschaft fest an seiner Seite. Vier Monate später befindet sich der Präsident mit seinem Land in einer Lage, in der starke Führung gefragt ist. Seine Wiederwahl wird maßgeblich davon abhängen, wie Trump nun das Land durch diese Krise manövriert.

Die Kritiker des Präsidenten werfen ihm vor, das Coronavirus viel zu lange und letztlich bis heute verharmlost zu haben. Die wirtschaftliche Flaute und die Krise am Arbeitsmarkt erfordert zudem eine gemeinsame Antwort des Präsidenten und des Kongresses.
Die größte Herausforderung wird es aber sein, eine geeignete und ernsthafte Antwort auf die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt zu finden, die gleichzeitig auch einen Plan zur Beendigung der gewaltsamen Ausschreitungen beinhaltet.

Den Wahlkampf immer im Hinterkopf


Donald Trump hat diese Antworten noch nicht gefunden. Er nutzt wiederholt eine Methode, die auch vor dem Hintergrund des laufenden und anstehenden Wahlkampfs gesehen werden muss.
Der Präsident hat zu allen drei wesentlichen Fragen im Kern eine Antwort gegeben. Sowohl bei der Bekämpfung des Coronavirus als auch jetzt bei den Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt zeigt Trump auf die handelnden Gouverneure in den einzelnen Bundesstaaten.
Gehen die Infiziertenzahlen in die Höhe, sind die Gouverneure Schuld, würgen sie die wirtschaftliche Entwicklung zugunsten der Viruseindämmung ab, liegt die Verantwortung bei ihnen. Gehen sie zu weich gegen die gewaltsamen Proteste vor, sind sie Schuld an den andauernden Ausschreitungen.

Trump befürchtet offenbar, dass sich die Entwicklungen nicht so schnell entspannen werden. Würde er mit einer zeitnahen Lösung rechnen oder sie sogar selbst herbeiführen können, würde er keine Gelegenheit auslassen, sich die Erfolge selbst anzuheften.
Und so überlässt der Präsident das Feld den handelnden Gouverneuren. Will man nun dieses Verhalten einordnen, ist zunächst festzuhalten, dass Trump tatsächlich erstmal nicht in allen Belangen für das Krisenmanagement verantwortlich gemacht werden kann. Er regelt nicht den Umgang mit friedlichen und gewaltsamen Demonstrationen in einzelnen Städten. Auch entscheidet er nicht darüber, wann ein Strand oder Restaurant irgendwo im Land wieder für Besucher geöffnet wird.

Trump erklärt sich zum Law-and-Order-Präsidenten


Was Trumps Handeln prägt sind die Zwischentöne. Er könnte Antworten geben, die vielerorts den Handelnden bei ihren Bemühungen unterstützen würden, mit den Herausforderungen in diesen Monaten umzugehen. Trump hat sich für einen klaren Konfrontationskurs entschieden.
Er entschied sich bewusst dafür, keinen Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit zu tragen und kritisierte seinen Herausforderer Joe Biden dafür, dass dieser bei seinen nun langsam wieder zunehmenden Auftritten einen entsprechenden Schutz trägt.
Trump hat sich auch bewusst dafür entschieden, heute in einer Telefonkonferenz von den Gouverneuren mehr Härte gegen die gewaltsamen Proteste zu fordern. Wenige Stunden später fuhr das Militär vor dem Weißen Haus auf. In seiner heutigen Rede im Rosengarten des Weißen Hauses sagte Trump, er sei der Law-and-Order-Präsident und werde das Land beschützen. Er versprach die gewalttätigen Proteste im Zweifel auch mit dem Einsatz des Militärs zu beenden.

Trumps Kalkül ist offensichtlich. Er weiß, dass er weder in der Coronakrise, noch in der Wirtschaftskrise kurzfristige Verbesserungen erzielen kann. Und er weiß auch, dass die Wurzeln der aktuellen Proteste in den USA so tief verwachsen sind, dass er diese Herausforderung keinesfalls lösen kann. Rassismus und Polizeigewalt hat es lange vor Trumps Präsidentschaft gegeben. Ebenso das Phänomen, dass die berechtigten Anliegen dieser Proteste durch gewalttätige Ausschreitungen missbraucht werden.

Trump setzt auf das Image des durchgreifenden Hardliners


Um nun den Kreis zum diesjährigen Wahlkampf wieder zu schließen, wird der entscheidende Punkt sein, wie dieses Krisenjahr durch die nächsten Wochen kommen wird. Viele Demokraten warnen davor, dass die Gewalt dem Präsidenten in die Karten spielen könnte. Je weniger der friedliche Protest im Vordergrund steht und je länger Gewalt und Plünderungen andauern, desto lauter werden die Rufe nach einem starken Vorgehen der Sicherheitskräfte. Trump weiß, dass in vielen betroffenen Bundesstaaten Demokraten das jeweilige Gouverneursamt inne haben. Gelingt es ihnen nicht, mittelfristig für Sicherheit zu sorgen, wird Trump nicht müde werden, diese Bedingungen anzuprangern.

Trump hat sich entschieden, keine mäßigenden Worte an die US-Amerikaner zu richten. Er weiß, dass diejenigen, die aktuell auf die Straßen gehen, wohl ohnehin nicht zu seiner Wählerschaft gehören. Was er aber nicht unterschätzen darf, ist der Wunsch nach Ruhe und Normalität im Land. Einende Worte könnten hierbei der Wunsch vieler Wählerinnen und Wähler sein.
Und bei all diesen Fragen, ist noch nicht ein Wort zu den inhaltlichen Forderungen der aktuellen Proteste nach einer Polizei- und Justizreform gewechselt worden.

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